Leitsatz (amtlich)
Zur Tarifierung von Ringbüchern aus Pappe, überzogen mit Kunststoffolie.
Normenkette
GZT ATV 3a; GZT ATV 3b; GZT ATV 3c; GZT Tarifnr. 39.07; GZT Tarifnr. 48.18
Tatbestand
Der Kläger beantragte bei der Beklagten (Oberfinanzdirektion – OFD –) eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) für „Ringbücher aus PVC-Folie – geklebt und verschweißt – mit. Pappe versteift mit einer Mechanik”, die ausgeführt werden sollen und die nach Angaben des Klägers als Schulbedarf und in der Industrie verwendet werden. Die Waren bestehen aus Kunststoffolie, die in der Art eines Überzugs gefalzte Pappbögen mit fast durchgehend ausgestanzten Schlitzen zwischen Rückensteg und Deckeln oder – bei einer als Sonderanfertigung bezeichneten Art-Pappbögen für die Deckel und Pappstreifen für den Rücken der Ringbücher umgeben, so daß die Pappbögen und -streifen nicht mehr sichtbar sind. Beide Ausführungen der Waren sind mit einer ringförmigen Heftmechanik (ohne Bügel) versehen.
Die OFD wies die Waren in der erteilten vZTA der Tarifnr. 48.18 des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zu. Der Einspruch, mit dem der Kläger eine Zuweisung der Waren zur Tarifnr. 39.07 GZT anstrebte, hatte keinen Erfolg. Zur Begründung der Tarifierung führte die OFD u. a. folgendes aus:
Im Hinblick auf die Verwendung der Ringbücher zum Aufbewahren von Schriftgut oder von unbeschriebenen Blättern bestimme die Pappe den Charakter der Erzeugnisse, weil sie aufgrund ihrer Formbeständigkeit und Festigkeit den notwendigen Schutz der abgehefteten Blätter vor Knicken oder Falten gewährleiste und die dauerhafte Befestigung der Heftmechanik ermögliche. Die Kunststoffolie erfülle zwar bei der als Sonderanfertigung bezeichneten Art der Ringbücher eine gewisse Scharnierfunktion. Insgesamt gesehen verbessere sie aber lediglich die Funktion der Pappe und verleihe den Ringbüchern ein schöneres Aussehen.
Der Kläger erhob mit folgender Begründung Klage:
Die Hauptbestandteile der Ringbücher bestünden aus Kunststoffolie Nach Zweck und Ausführung seien die Ringbücher – anders als Ordner – zum liegenden und nicht zum senkrechtstehenden Aufbewahren von Schriftgut oder Bildmaterial oder zu deren Transport geeignet. Ringbücher seien aus der Klarsichtmappe entwickelt worden, die ganz aus Kunststoffolie hergestellt sei und ebenfalls eine Abheftvorrichtung enthalte. Auf die Verstärkung durch Pappe könne bei den Ringbüchern verzichtet werden, ohne den Verwendungs- und Gebrauchszweck zu gefährden. Aus diesen Gründen ergebe sich, daß die Kuntstoffolie den charakterbestimmenden Stoff darstelle.
Der Kläger beantragt, die Ringbücher der Tarifnr. 39.07 GZT zuzuweisen.
Die OFD beantragt, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig.
Der erkennende Senat entnimmt den Ausführungen des Klägers, daß er mit der Klage die Aufhebung der erteilten vZTA und die Verpflichtung der OFD zur Erteilung einer anderen vZTA anstrebt, durch die die Waren der Tarifnr. 39.07 GZT zugewiesen werden. Gegen die Zulässigkeit der Klage mit diesem Begehren bestehen keine Bedenken (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 30. April 1980 VII K 1/77, BFHE 131, 134, 138, BStBl II 1980, 594).
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
Die OFD hat die Waren zu Recht der Tarifnr. 48.18 GZT zugewiesen.
Zum Kap. 48 GZT gehören u. a. Waren aus Pappe. Der Tarifnr. 48.18 GZT sind u. a. Ordner, Einbände (für Loseblattsysteme oder andere) und andere Waren des Papierhandels aus Pappe zuzuweisen. Das Kap. 39 GZT umfaßt u. a. Waren aus Kunststoff; zur Tarifnr. 39.07 GZT gehören Büro- und Schulartikel aus Kunststoff.
Ob die Ringbücher der einen oder anderen Tarifnummer zuzuweisen sind, ist nach den Allgemeinen Tarifierungsvorschriften (ATV) 3 b oder 3 c des GZT zu entscheiden. Die ATV 3 a GZT findet deshalb keine Anwendung, weil die Ringbücher aus Kunststoff und Pappe und damit aus zwei verschiedenen Stoffen zusammengesetzt sind und jede der in Betracht kommenden Tarifnummern sich auf einen dieser Stoffe bezieht (vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften – EuGH – vom 25. September 1975 Rs. 28/75, EuGHE 1975, 989, 995, und des erkennenden Senats vom 12. August 1981 VII K 10/81, BFHE 134, 204).
Ob für die Tarifierung der Ringbücher die ATV 3 b oder die ATV 3 c maßgebend ist, braucht nicht entschieden zu werden; denn die Anwendung beider Vorschriften führt zu dem Ergebnis, daß die Ringbücher der Tarifnr. 48.18 GZT zuzuweisen sind. Die Anwendung der ATV 3 b kann deshalb nicht zu dem Ergebnis führen, daß die Ringbücher der Tarifnr. 39.07 GZT zuzuweisen sind, weil es entgegen der Auffassung des Klägers nicht gerechtfertigt erscheint, die Folie aus Kunststoff als den charakterbestimmenden Bestandteil und infolgedessen Kunststoff als den charakterbestimmenden Stoff anzusehen. Es gibt zwar keine allgemeingültige Methode zur Bestimmung des charakterbestimmenden Bestandteils oder Stoffs einer Ware i. S. der ATV 3 b. Als Merkmale der Bestimmung können Beschaffenheit, Umfang, Menge, Gewicht, Wert der Stoffe oder Bestandteile oder auch deren Bedeutung für die Verwendung der Ware berücksichtigt werden. Welches dieser Merkmale im Einzelfall zu berücksichtigen ist, hängt von der Art der Ware ab (vgl. Erläuterungen zur Nomenklatur des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens – ErlNRZZ – im Teil I der Erläuterungen zum Zolltarif – ErlZT – zur ATV 3, Rdnr. 17; BFHE 134, 204, 206).
Im Streitfall entspricht es der Art der Ware, auf die Bedeutung der Bestandteile und der Stoffe, aus denen die Bestandteile bestehen, für die Verwendung der Waren abzustellen. Auch der Kläger beruft sich zur Begründung seiner Auffassung, daß die Kuntstoffolien die charakterbestimmenden Bestandteile der Ringbücher seien, in erster Linie auf die Verwendung der Ringbücher. Der Senat teilt jedoch nicht die Auffassung des Klägers, daß bei der Beurteilung der Frage nach der Bedeutung der Kunststoffolien einerseits und der Bestandteile der Ringbücher aus Pappe andererseits für die Verwendung der Ringbücher den zuletzt genannten Bestandteilen keine wesentliche Bedeutung beizumessen sei. Bei der Beurteilung dieser Frage kommt es nicht darauf an, ob die Ringbücher auch ohne die Bestandteile aus Pappe hergestellt werden könnten. Maßgebend ist vielmehr, daß der Charakter von Ringbüchern ohne Bestandteile aus Pappe und derjenige von Ringbüchern mit Bestandteilen aus Pappe gerade im Hinblick auf die Verwendung, auf die sich der Kläger beruft, verschieden ist. Das zeigt bereits ein Vergleich der dem Senat vorliegenden Muster beider Arten von Ringbüchern und wird durch die Angaben des Klägers und der OFD zur Beschaffenheit der Ringbücher bestätigt. Danach sind die Deckel und Rücken der Ringbücher mit Bestandteilen aus Pappe steifer und infolgedessen weniger biegsam als diejenigen der Ringbücher ohne Bestandteile aus Pappe.
Es liegt auf der Hand, daß größere Steifigkeit und geringere Biegsamkeit von Deckeln und Rücken der Ringbücher einen besseren Schutz des Inhalts gegen Formveränderungen bewirken, und zwar auch dann, wenn die Ringbücher vornehmlich oder ausschießlich zum liegenden Aufbewahren oder Transport des Inhalts verwendet werden. Gerade bei dieser Art der Benutzung kann der bessere Schutz infolge der größeren Steifigkeit und geringeren Biegsamkeit nicht als unbedeutend angesehen werden. Er wird sich vielmehr insbesondere dann als maßgebend auswirken, wenn die Ringbücher bei der Lagerung oder beim Transport Druckbelastungen oder Behandlungen ausgesetzt sind, die zu Deformierungen der Ringbücher oder einzelner ihrer Teile (Deckel oder Rücken) etwa durch Knicken oder durch Verschieben oder Ineinanderrollen der Deckel führen können. Die größere Steifigkeit und geringere Biegsamkeit wird dabei derartigen Deformierungen entgegenwirken und dadurch dem Inhalt einen besseren Schutz ebenfalls vor Deformierungen oder auch vor Verschmutzungen und Beschädigungen infolge eines Verschiebens oder Ineinanderrollens der Deckel gewähren als Deckel und Rücken ohne Einlagen aus Pappe.
Schon diese aufgezeigten Schutzwirkungen der Bestandteile aus Pappe rechtfertigen es zumindest, den Pappbögen für den Charakter der Ringbücher eine wesentliche Bedeutung beizumessen, die derjenigen der Kunststoffolien zumindest gleichzustellen ist. Es braucht deshalb nicht entschieden zu werden, ob weitere Charakterunterschiede der Ringbücher mit Bestandteilen aus Pappe und derjenigen ohne solche Bestandteile sich nicht auch daraus ergeben, daß, wie die OFD meint, die Bestandteile aus Pappe eine bessere Befestigung der Heftmechanik insbesondere mit größerer Haltbarkeit ermöglichen.
Ob die aufgezeigten Charakterunterschiede es rechtfertigen, die Bestandteile aus Pappe als charakterbestimmend und infolgedessen Pappe als charakterbestimmenden Stoff anzusehen, braucht nicht entschieden zu werden. Da nämlich nicht festgestellt werden kann, daß Kunststoff der charakterbestimmende Stoff ist, so ergibt sich daraus aufgrund der ATV 3 c auch für den Fall, daß Pappe nicht als der charakterbestimmende Stoff angesehen werden kann, die Zuweisung der Ware zur Tarifnr. 48.18 GZT, da diese Tarifnummer gegenüber der Tarifnr. 39.07 GZT im Zolltarifschema zuletzt genannt ist.
Fundstellen
Haufe-Index 510490 |
BFHE 1984, 447 |