Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer Arbeitsrecht
Leitsatz (amtlich)
Zur gewerbesteuerlichen Behandlung von Personen, die als Hausgewerbetreibende (ß 1 Abs. 2b HAG) und Zwischenmeister (ß 1 Abs. 2d HAG) zugleich tätig sind und die sowohl Betriebsarbeiter wie auch Heimarbeiter beschäftigen.
Normenkette
GewStG § 11 Abs. 3; GewStDV § 22; HAG Abs. 1
Tatbestand
Die GbR A und B - Gesellschafter A und B - war im Streitjahr 1955 in der Herstellung von Damenoberbekleidung tätig. Sie arbeitete nicht unmittelbar für den Absatzmarkt, sondern im Auftrag von Gewerbetreibenden. Durchschnittlich beschäftigte sie dabei in ihren eigenen Räumen 26 fremde Hilfskräfte und gab Arbeit an 12 Heimarbeiter weiter. Der Umsatz betrug über 200.000 DM, der gewerbliche Gewinn fast 40.000 DM.
Bei der Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrags versagte das Finanzamt der Bfin. die nach § 11 Abs. 3 GewStG (1955) den Hausgewerbetreibenden zustehende Ermäßigung der Steuermeßzahlen auf die Hälfte.
In der Sprungberufung und im Berufungsverfahren bestand die Bfin. auf der Zuerkennung der Ermäßigung im wesentlichen mit der Begründung, sie habe die Tätigkeit sowohl eines Hausgewerbetreibenden als auch eines Zwischenmeisters ausgeübt.
Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück. Es führte in seiner Entscheidung aus, die Bfin. könne nicht als Hausgewerbetreibende im Sinne von § 11 Abs. 3 GewStG, § 22 GewStDV 1955 und § 2 Abs. 2 des Heimarbeitsgesetzes (HAG) vom 14. März 1951 (BGBl 1951 I S. 191) anerkannt werden, weil die Gesellschafterin A nicht wesentlich am Stück mitgearbeitet habe; ihre Tätigkeit sei im wesentlichen keine handwerkliche, sondern eine aufsichtführende gewesen. Die Tätigkeit als Zwischenmeister könne nicht zur Steuerermäßigung führen, weil sie von der Bfin. nicht ausschließlich ausgeübt worden sei, sondern hinter den anderen Tätigkeiten zurücktrete.
In der Rb. führte die Bfin. aus, die Tätigkeit der Gesellschafterin A sei als Mitarbeit am Stück zu werten. Jede einzelne von den in den Lohntarifen aufgeführten Tätigkeiten stelle nicht nur beim Arbeitnehmer, sondern ebenso beim mitarbeitenden Gewerbetreibenden selbst Mitarbeit am Stück dar. Die im Schreiben der Bfin. vom 11. März 1959 näher bezeichneten Tätigkeiten der Gesellschafterin - genannt sind dort Einrichten, Materialausgabe, überwachung, Fertigung von Musterstücken - stellten daher Mitarbeit am Stück dar. Daß die Mitarbeit am Stück wesentlich gewesen sei, sei nicht bestritten. Zu Unrecht sei auch die Tätigkeit als Zwischenmeister nach § 2 Abs. 3 HAG nicht berücksichtigt worden. Bei der Bfin. handle es sich um die Mischform Hausgewerbetreibender - Zwischenmeister. Die Tätigkeit als Zwischenmeister sei mit 12 Heimarbeitern, also mit einem Drittel der gesamten Arbeitskräfte, ausgeübt worden; sie trete gegenüber der Tätigkeit als Hausgewerbetreibender nicht zurück. Der Bfin. stehe daher die Vergünstigung als Zwischenmeister zu.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Das GewStG in der Fassung vom 21. Dezember 1954 (BGBl 1954 I S. 473, BStBl 1954 I S. 694) - GewStG 1955 - schreibt in § 11 Abs. 3 vor, daß sich bei Hausgewerbetreibenden die Steuermeßzahlen des Abs. 2 Ziff. 1 auf die Hälfte ermäßigen.
Nach § 22 GewStDV vom 24. März 1956 (BGBl 1956 I S. 152, BStBl 1956 I S. 212) - GewStDV 1955 - gelten als Hausgewerbetreibende im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung natürliche Personen, die Hausgewerbetreibende oder Zwischenmeister im Sinne des § 2 HAG oder ihnen nach § 1 Abs. 2 Buchst. b und d dieses Gesetzes gleichgestellte Personen sind. Zu den Begriffsmerkmalen des Hausgewerbetreibenden im Sinne des HAG gehört es nach § 2 Abs. 2 des Gesetzes u. a., daß er mit nicht mehr als zwei fremden Hilfskräften im Auftrag von Gewerbetreibenden oder Zwischenmeistern Waren herstellt, bearbeitet oder verpackt, wobei er selbst wesentlich am Stück mitarbeitet. Zwischenmeister im Sinne des Gesetzes ist, wer, ohne Arbeitnehmer zu sein, die ihm von Gewerbetreibenden übertragene Arbeit an Heimarbeiter oder Hausgewerbetreibende weitergibt (ß 2 Absatz 3).
Nach § 1 Abs. 2 HAG können den ... Hausgewerbetreibenden, wenn dieses wegen ihrer Schutzbedürftigkeit gerechtfertigt erscheint, gleichgestellt werden:
...
Hausgewerbetreibende, die mit mehr als zwei fremden Hilfskräften ... arbeiten;
andere im Lohnauftrag arbeitende Gewerbetreibende, die infolge ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit eine ähnliche Stellung wie Hausgewerbetreibende einnehmen;
Zwischenmeister ... über die Gleichstellung betreffend die Heimarbeit in der Herstellung von Damenoberbekleidung hat der zuständige Heimarbeitsausschuß beim Bundesminister für Arbeit eine Bekanntmachung vom 11. Januar 1955 (Bundesanzeiger Nr. 26 vom 8. Februar 1955) erlassen. In ihr sind auf Grund des § 1 Abs. 2 Buchst. b, c und d sowie Abs. 4 HAG für die Herstellung von Damenoberbekleidung und verwandten Erzeugnissen den in § 1 Abs. 1 HAG bezeichneten Personen gleichgestellt (Ziff. I):
Die Hausgewerbetreibende mit mehr als zwei fremden Hilfskräften, ausgenommen (Ziff. II) solche mit in der Regel mehr als 40 Hilfskräften in der vorangegangenen Saison - § 1 Abs. 2 Buchst. b HAG;
andere im Lohnauftrag arbeitende Gewerbetreibende (Lohngewerbetreibende), die eine oder mehrere der nachstehenden Tätigkeiten in ihrem Betrieb regelmäßig ausüben: Einrichten, Zuschneiden, Hand- und Maschinennähen, Bügeln und Abnehmen, sofern ihr unmittelbarer Umsatz für den Absatzmarkt im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 25 v. H. des Gesamtumsatzes betragen hat - § 1 Abs. 2 Buchst. c HAG;
Zwischenmeister - § 1 Abs. 2 Buchst. d HAG. Nach Ziff. III der Bekanntmachung gelten Personen, die neben fremden Hilfskräften (Betriebsarbeitern) auch Heimarbeiter beschäftigen, im Sinne dieser Gleichstellung als Lohngewerbetreibende. Auf die Zahl der fremden Hilfskräfte werden die beschäftigten Heimarbeiter angerechnet.
Nach § 22 Abs. 1 GewStDV 1955 führen nur die Gleichstellungen nach § 1 Abs. 2 Buchst. b und d HAG zur steuerlichen Vergünstigung, nicht hingegen die Gleichstellung nach § 1 Abs. 2 Buchst. c HAG. Zu der für den Streitfall entscheidenden Frage der Gleichstellung von Personen, die sowohl Betriebsarbeiter wie auch Heimarbeiter beschäftigen, hat der dem Verfahren beigetretene Bundesminister der Finanzen in seiner Stellungnahme vom 3. November 1961 das Folgende ausgeführt:
"2. Ich habe zur Frage der Gleichstellung von Personen, die wie die Beschwerdeführerin sowohl Betriebsarbeiter (ß 2 Abs. 6 des Heimarbeitsgesetzes) als auch Heimarbeiter (ß 2 Abs. 1 des Heimarbeitsgesetzes) beschäftigen, den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung um Stellungnahme gebeten. Dieser hat sich wie folgt geäussert:
"Beschäftigen Personen nur Betriebsarbeiter (mehr als 2), so sind sie als Hausgewerbetreibende anzusehen, wenn im übrigen die sonstigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 des Heimarbeitsgesetzes auf sie zutreffen. Sie können in dieser Eigenschaft gemäß § 1 Abs. 2 Buchst. b gleichgestellt werden. Dies entspricht der in der Praxis üblichen Handhabung.
Beschäftigen Personen nur Heimarbeiter, und zwar dergestalt, daß sie die ihnen vom Gewerbetreibenden übertragene Arbeit an sie weitergeben, so sind sie Zwischenmeister und können in dieser Eigenschaft gemäß § 1 Abs. 2 Buchst. d gleichgestellt werden.
Sind Personen in einer Doppelfunktion, nämlich als Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister tätig, so können sie nach § 1 Abs. 2 Buchst. b und d gleichgestellt werden.
Handelt es sich um Personen, die Betriebsarbeiter und Heimarbeiter beschäftigen, ohne als Mittelspersonen (Zwischenmeister) tätig zu sein, so könnte für sie - wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen - nur eine Gleichstellung nach § 1 Abs. 2 Buchst. c in Betracht kommen.
Hinsichtlich der Abgrenzung der anderen im Lohnauftrag arbeitenden Gewerbetreibenden von den Hausgewerbetreibenden vertrete ich folgende Auffassung:
Für andere im Lohnauftrag arbeitende Gewerbetreibende, die infolge ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit eine ähnliche Stellung wie Hausgewerbetreibende einnehmen (ß 1 Abs. 2 Buchst. c des Heimarbeitsgesetzes), ist wesentliche Voraussetzung, daß ihrer Tätigkeit ein Lohnauftrag zugrunde liegt, nicht jedoch wird - wie bei Hausgewerbetreibenden - wesentliche Mitarbeit am Stück verlangt. Es spricht nicht gegen den Personenkreis von c, wenn sich ihre Tätigkeit, ähnlich wie die von Werkmeistern, beispielsweise auf die Arbeitsverteilung innerhalb des Betriebes, das Einrichten der Arbeit, die Beaufsichtigung und Anleitung der Arbeitskräfte, die überwachung von Quantität und Qualität der Arbeitsergebnisse, die Instandhaltung der Betriebsanlagen und ähnliches erstreckt. Ein weiterer Unterschied dürfte in der Arbeit für den Absatzmarkt liegen. Geht das Heimarbeitsgesetz mit Recht davon aus, daß Arbeit unmittelbar für den Absatzmarkt nicht zum Hausgewerbetreibenden gehört - allerdings mit der Einschränkung, daß vorübergehende Arbeit dieser Art die Hausgewerbetreibendeneigenschaft nicht beeinträchtigt -, so unterliegt der Personenkreis nach Buchstaben c dieser Einschränkung grundsätzlich nicht. Jedoch hat m. E. das Maß dieser Arbeit seine äußerste Grenze am Umfang des Umsatzes im Auftrag anderer Gewerbetreibender zu finden, d. h. diese Arbeit darf den Umsatz der Auftragsarbeit keinesfalls überwiegen, da sonst eine infolge wirtschaftlicher Abhängigkeit ähnliche Stellung wie die eines Hausgewerbetreibenden nicht mehr vorliegt. Hier wird auch die Anzahl der Auftraggeber, für die in der Regel gearbeitet wird, nicht unberücksichtigt bleiben können.
Daß der Personenkreis nach Buchst. c zur Durchführung seiner Aufträge, auch Heimarbeiter in Anspruch nehmen kann, schließt das Gesetz nicht aus. Jedoch ist hier hinsichtlich der Beschäftigung von Heimarbeitern nicht an die Doppelfunktion (s. o.) gedacht, sondern an Fälle, in denen die Fertigung im Betrieb und die Ausgabe von Teilarbeiten an Heimarbeiter eine solche Einheit bilden, daß ihre Aufspaltung in die getrennte Funktion eines Hausgewerbetreibenden und eines Zwischenmeisters nicht möglich erscheint. Derartige Personen entfalten bei der Gestaltung des Arbeitsprozesses, darunter der Aufteilung in betriebliche Fertigung und Heimarbeit, eine eigene Unternehmerinitiative und handeln nicht nach Weisung des Auftraggebers, der lediglich den Gesamtauftrag an sie vergibt.
Hiernach wird man m. E. zu dem Ergebnis kommen müssen, daß die Beschwerdeführerin als andere im Lohnauftrag arbeitende Gewerbetreibende i. S. des § 1 Abs. 2 Buchst. c des Heimarbeitsgesetzes gleichgestellt worden ist, da sie sowohl Betriebsarbeiter als auch Heimarbeiter beschäftigte. Vgl. auch Abschnitt III der Gleichstellungsbekanntmachung vom 11. Januar 1955 und den letzten Absatz der Ausführungen des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung."
Die Bfin. hat zur Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen, die ihr zugegangen ist, eine Gegenerklärung nicht abgegeben. Der Senat hat keine Bedenken, der in der Stellungnahme wiedergegebenen Auffassung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung zu folgen. Die Bfin. hat zwar in der Rechtsbeschwerdebegründung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs V 96/56 S vom 4. Oktober 1956 (BStBl 1956 III S. 343, Slg. Bd. 63 S. 383) hingewiesen, in dem ausgesprochen ist, daß, wer Hausgewerbetreibender im Sinne des § 2 Abs. 2 HAG ist, außerdem Zwischenmeister im Sinne des § 2 Abs. 3 HAG sein kann. In dem Fall, zu dem dieses Urteil ergangen ist, hatte der Steuerpflichtige einen Teil der ihm übertragenen Arbeiten nicht in eigener Arbeitsstätte ausgeführt, sondern anderen Lohnwebern übertragen. In solchen Fällen der echten Doppeltätigkeit ist auch nach der dargestellten Auffassung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung Gleichstellung nach § 1 Abs. 2 Buchst. b und d HAG möglich. Wie es zu beurteilen ist, wenn die Fertigung im Betrieb und die Ausgabe von Teilarbeiten an Heimarbeiter eine untrennbare Einheit bilden, ist in dem Urteil vom 4. Oktober 1956 nicht erörtert.
Aus der dargelegten Rechtslage ergibt sich für den Streitfall das Folgende:
Es bedarf noch der Prüfung, ob die beiden Tätigkeiten der Bfin. eine Einheit im Sinne der Ausführungen des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung bilden. Zur Nachholung der Prüfung muß die Vorentscheidung aufgehoben werden.
Erweist sich, daß die beiden Tätigkeiten keine untrennbare Einheit bilden, so ist die Bfin. hinsichtlich der Tätigkeit mit den Hilfskräften dann nach Ziff. I, 1 der Bekanntmachung vom 11. Januar 1955 gleichgestellt, wenn jeder der beiden Gesellschafter die Begriffsmerkmale des Hausgewerbetreibenden erfüllt, wenn also insbesondere beide Gesellschafter wesentlich am Stück mitarbeiten. Nach dem Vortrag der Bfin. (Schreiben vom 11. März 1959, Aussage des Gesellschafters B vor dem Finanzgericht) war die Gesellschafterin A als alleinige Einrichterin tätig, sie besorgte ferner die Zuteilung der zugeschnittenen Futterstoffe und des Nähmaterials, war verantwortlich für die Materialausgabe, überwachte einen großen Teil der Arbeiten und wirkte auch praktisch bei der Fertigung von Musterstücken mit. Nach Auffassung des Senats braucht im Streitfall nicht im einzelnen darauf eingegangen zu werden, welche von den genannten Arbeiten als Mitarbeit am Stück und welche als steuerschädliche andere Tätigkeit in Betracht kommen. Zu den steuerschädlichen Tätigkeiten gehören Tätigkeiten wie die Arbeitsverteilung innerhalb des Betriebs, die Beaufsichtigung und Anleitung der Arbeitskräfte, die überwachung von Quantität und Qualität der Arbeitsergebnisse, die Instandhaltung der Betriebsanlagen. Wenn die Vorinstanz angenommen hat, daß die Gesellschafterin in dem Betrieb, der 38 Personen beschäftigte, zu einer wesentlichen Mitarbeit am Stück nicht mehr in der Lage war, so sind gegen diese Annahme, die auch mit der Auffassung des Bundesministers der Finanzen in Einklang steht, Bedenken nicht zu erheben. Auch unter der Voraussetzung, daß die beiden Tätigkeiten keine untrennbare Einheit bilden, kommt somit eine Gleichstellung nach Ziff. I, 1 der Bekanntmachung vom 11. Januar 1955 als Hausgewerbetreibender mit bis zu 40 Hilfskräften nicht in Betracht. Hingegen wäre - unter der gleichen Voraussetzung - hinsichtlich der Beschäftigung der Heimarbeiter die Zwischenmeistereigenschaft bzw. die Gleichstellung als Zwischenmeister (ß 1 Abs. 2 Buchst. d HAG und Ziff. I, 3 der Bekanntmachung) zu bejahen. Die Feststellung des Finanzgerichts, daß die Tätigkeit als Zwischenmeister gegenüber der anderen Tätigkeit zurücktrete, steht dem nicht entgegen.
Bilden die beiden Tätigkeiten hingegen eine untrennbare Einheit, so sind die Voraussetzungen des § 22 GewStDV für eine Steuerermäßigung nach § 11 Abs. 3 GewStG nicht erfüllt.
Fundstellen
Haufe-Index 410686 |
BStBl III 1963, 144 |
BFHE 1963, 393 |
BFHE 76, 393 |