Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Voraussetzungen der §§ 92 Abs. 3 und 243 Abs. 3 AO.
Verhältnis des § 7 c EStG 1949 zu § 33 EStG 1949. AO §§ 92 Abs. 3, 243 Abs. 3; EStG 1949 §§ 7 c,
Normenkette
EStG §§ 7c, 33; AO § 92 Abs. 3, § 243 Abs. 3
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) hat in seiner Einkommensteuererklärung 1949 einen Baukostenzuschuß von 3.435 DM gemäß § 7 c des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1949 als Betriebsausgabe abgesetzt. Das Finanzamt hat in den Erläuterungen des Steuerberechnungsbogens ausgeführt, daß eine Inanspruchnahme des § 7 c EStG 1949 wegen Fehlens einer ordnungsmäßigen Buchführung nicht zugelassen werden kann. Bei der Berechnung selbst hat es jedoch übersehen, den Zuschuß dem Gewinn hinzuzusetzen. Der Steuerbescheid ist auf der Grundlage der falschen Berechnung ergangen.
Der Steuerpflichtige (Stpfl.) hat gegen den Bescheid aus Gründen, die mit § 7 c EStG keinen Zusammenhang haben, Einspruch mit dem Ziele der Herabsetzung der Einkommensteuer eingelegt. Er hat weiterhin vorsorglich beantragt, ihm für die Hingabe des Zuschusses die Steuervergünstigung des § 33 EStG zu gewähren, falls das Finanzamt das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 c EStG 1949 nicht anerkennen sollte.
Das Finanzamt hat einen neuen Einkommensteuerbescheid gemäß § 94 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) erlassen und dem Begehren des Stpfl. auf Herabsetzung der Steuer entsprochen. Auf der anderen Seite hat es unter Hinweis auf § 92 Abs. 3 AO eine Verböserung vorgenommen, indem es den Baukostenzuschuß dem Gewinn hinzusetzte.
Im Sprungberufungsverfahren hat der Stpfl. den von ihm beantragten Abzug des Baukostenzuschusses sowohl auf § 7 c wie auf § 33 EStG gestützt. Er hat weiterhin das Vorliegen der Voraussetzungen des § 92 Abs. 3 AO bestritten. Das Finanzamt hat ausgeführt, daß der Bf. keine ordnungsmäßige Buchführung im Sinne der Verordnung über die Buchführung der Handwerker, Kleingewerbetreibenden und freien Berufe vom 5. September 1949 gehabt habe. Die Ausgaben seien in der Hauptsache geschätzt gewesen. Auch hinsichtlich der Einnahmen lägen Unstimmigkeiten vor. Die Vergünstigung des § 7 c EStG 1949 müsse ihm daher versagt werden. Ebensowenig komme die Gewährung einer Steuerermäßigung nach § 33 EStG in Frage.
Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht hat die Voraussetzungen des § 92 Abs. 3 AO bejaht und die Gewährung der Vergünstigung des § 33 EStG aus den Gründen der Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 449/51 U vom 27. März 1952 (Bundessteuerblatt - BStBl - 1952 III S. 123) abgelehnt.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.), in der Einwendungen gegen die Versagung der Vergünstigung des § 7 c EStG nicht mehr geltend gemacht werden, ist begründet:
I. Nach § 243 Abs. 3 AO können die Rechtsmittelbehörden die Entscheidung auch zum Nachteil dessen, der das Rechtsmittel eingelegt hat, ändern. Der Bf. hat gegen den Bescheid, der die Richtigstellung der falschen Berechnung des Finanzamts enthält, Einspruch eingelegt. In diesem Rechtsmittelverfahren war die Vornahme einer Verböserung unbeschränkt zulässig. Vergleiche Urteil des Reichsfinanzhofs III e A 88/35 vom 9. Januar 1936 (Reichssteuerblatt - RStBl - 1936 S. 101); Hübschmann-Hepp-Spitaler, AO-Kommentar, Anm. VI 1 Abs. 3 zu § 94 sowie Riewald, Reichsabgabenordnung, Anm. 6 Abs. 4 zu § 94. Da die Richtigstellung des Versehens des Finanzamts bereits im Rahmen des § 243 Abs. 3 AO zulässig war, kommt es nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des § 92 Abs. 3 AO vorliegen.
II. Die Rb. führt jedoch aus einem anderen Grunde zur Aufhebung der Vorentscheidung. In dem zur Veröffentlichung freigegebenen Urteil IV 41//52 U vom 15. Januar 1953 hat der erkennende Senat folgendes ausgeführt:
"ß 7 c EStG gibt die Vergünstigung dem in dieser Vorschrift genannten Personenkreis ohne Rücksicht auf seine finanzielle Verhältnisse, während § 33 EStG dem Stpfl. eine Ermäßigung der Einkommensteuer nur beim Vorliegen außergewöhnlicher und zwangsläufiger Belastungen zugesteht. Die Vorschrift des § 7 c EStG will den Wohnungsbau fördern, hat also objektiven Charakter, die Vorschrift des § 33 EStG will dagegen dem in Bedrängnis geratenen Stpfl. eine steuerliche Erleichterung gewähren, ist also subjektiver Art."
Legt man diese Rechtsauffassung auch der Beurteilung des vorliegenden Streitfalles zugrunde, so ergibt sich folgendes:
Dem Bf. ist die Inanspruchnahme des § 7 c EStG 1949 versagt worden, weil er nicht über eine ordnungsmäßige Buchführung verfügt. Der Senat hält es nicht für vertretbar, die Gewährung der Vergünstigung des § 33 EStG deshalb abzulehnen, weil die Voraussetzungen des § 7 c EStG nicht erfüllt sind. Das Fehlen einer ordnungsmäßigen Buchführung würde bei einer solchen Auffassung zur Folge haben, daß sowohl die Vergünstigung des § 7 c EStG wie die des § 33 EStG versagt werden muß. Das ist jedoch nicht möglich, weil die Vorschrift des § 33 EStG das Vorhandensein einer ordnungsmäßigen Buchführung nicht voraussetzt.
Wie in der oben ausgeführten Entscheidung vom 15. Januar 1953 ausgeführt wurde, sind die Vorschriften der §§ 7 c und 33 EStG 1949 ihrem Sinn und ihrer Zweckbestimmung nach verschieden. Es kommt aber noch folgendes hinzu: Beim Vorliegen der erforderlichen Voraussetzungen hat der Gesetzgeber die Darlehen und Zuschüsse im § 7 c EStG 1949 als Betriebsausgaben, im Einkommensteuergesetz 1950 gegebenenfalls auch als Werbungskosten erklärt. Die Vorschrift des § 7 c EStG 1949 gehört zu den Gewinnermittlungsvorschriften und steht deshalb im Abschn. II des Einkommensteuergesetzes. Dagegen ist § 33 EStG eine Tarifvorschrift. Sie bezieht sich nur auf solche Aufwendungen, die nicht zu den Betriebsausgaben und Werbungskosten gehören (ß 51 Abs. 1 letzter Satz der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV - 1949).
Jede der beiden Vorschriften muß daher selbständig beurteilt werden. Rechtliche Möglichkeiten, sie miteinander in Beziehung zu setzen, sind nicht gegeben. Fehlt es an einer gesetzlichen Voraussetzung für die Anwendung des § 7 c EStG 1949 und sind die Darlehen und Zuschüsse weder Werbungskosten noch Betriebsausgaben, so steht der Anwendung des § 33 EStG grundsätzlich nichts im Wege.
Soweit die Ausführungen des Urteils IV 449/51 den im Vorstehenden entwickelten Rechtsgedanken nicht entsprechen, wird an ihnen nicht mehr festgehalten.
Die Vorentscheidung muß mithin aufgehoben werden. Die nicht spruchreife Sache geht an das Finanzamt zurück, damit dieses nunmehr das Vorliegen der Voraussetzungen des § 33 EStG sowohl nach ihrer tatsächlichen wie nach ihrer rechtlichen Seite hin prüft.
Fundstellen
Haufe-Index 407575 |
BStBl III 1953, 77 |
BFHE 1954, 194 |
BFHE 57, 194 |