Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Rechtsgrundlage der Lohnsteuerfreiheit für verbilligte Mahlzeiten, die Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern gewähren.
Barzuschüsse eines Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer zur Verbilligung von Mahlzeiten sind grundsätzlich Arbeitslohn. Der Senat sieht davon ab, entgegen dem Willen der Finanzverwaltungsbehörden den in Abschn. 15 LStR 1960 von der Lohnsteuer freigestellten Essenszuschuß von 1,50 DM lohnsteuerpflichtig zu machen, wenngleich die Rechtsgrundlage dieser Verwaltungsanweisung zweifelhaft ist.
Zur Rechtsnatur der gemäß § 3 Abs. 2 LStDV erlassenen Richtlinien der Oberfinanzdirektionen über die Bewertung von Sachbezügen.
Normenkette
EStG § 19 Nr. 1; LStDV § 2 Abs. 2 Ziff. 1, § 3/1, § 3 Abs. 2
Tatbestand
Die Bgin. unterhält auf ihrem Werksgelände eine Kantine, die sie einem Pächter zur Bewirtschaftung übertragen hat. Sie zahlt dem Pächter für jedes an die Belegschaft ausgegebene Essen einen Barzuschuß von 2 DM. Die Arbeitnehmer selbst müssen 1 DM je Mahlzeit aus eigener Tasche zulegen.
Das Finanzamt hat den Zuschuß, soweit er den Betrag von 1,50 DM je Mahlzeit und Arbeitnehmer überstiegen hat, für lohnsteuerpflichtig gehalten und hat die nachzufordernde Lohnsteuer pauschal auf (18 v. H. von 45.044 DM =) 8.107,90 DM berechnet. Der Einspruch der Bgin. blieb erfolglos.
Die Berufung hatte dagegen Erfolg. Die Entscheidung des Finanzgerichts ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 1964 S. 239 veröffentlicht. Das Finanzgericht führt aus: Die vom Arbeitgeber verauslagten Beträge seien kein Maßstab für die Bewertung des den Arbeitnehmern zufließenden geldwerten Vorteils. Vielmehr sei von den Werten auszugehen, die die Oberfinanzdirektion für die Bewertung von Sachbezügen festgesetzt habe. Hier komme die Bekanntmachung der Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalens über die Bewertung der Sachbezüge beim Steuerabzug vom Arbeitslohn vom 9. März 1959 (BStBl 1959 II S. 43) und vom 27. Januar 1961 (BStBl 1961 II S. 51) in Betracht. Für die Berechnung der Lohnsteuer könne kein Unterschied gemacht werden, ob der Arbeitgeber das Essen auf eigene Rechnung herstelle oder ob er seinen Zuschuß an einen Kantinenwirt leiste. Der geldwerte Vorteil sei für den Arbeitnehmer in beiden Fällen gleich. Im Interesse der Gleichbehandlung seien nach § 3 Abs. 2 LStDV von den Oberfinanzdirektionen Durchschnittswerte festzusetzen. Der Wert eines Mittagessens für Beschäftigte in gehobener und leitender Stellung sei nach dieser Anordnung der Oberfinanzdirektionen mit (7/2o von 5 DM =) 1,75 DM, für andere Beschäftigte mit (7/2o von 4 DM =) 1,40 DM anzusetzen. Da im Streitfall die Arbeitnehmer selbst 1 DM gezahlt hätten, sei ihnen durch die Mahlzeiten nur ein Vorteil verblieben, der unter der Freigrenze des Abschn. 15 Abs. 1 LStR 1960 von 1,50 DM liege.
Der Vorsteher des Finanzamts rügt in seiner Rb. unrichtige Rechtsanwendung. Nach seiner Auffassung finden die von den Oberfinanzdirektionen festgesetzten und vom Finanzgericht zugrunde gelegten Werte nur Anwendung, wenn der Arbeitnehmer in den Haushalt des Arbeitgebers aufgenommen ist. Im Streitfall seien die Mahlzeiten mit den ortsüblichen Mittelpreisen im Sinne von § 8 Abs. 2 EStG (ß 3 Abs. 1 LStDV) zu bewerten. Den vom Finanzamt für ein Mittagessen angesetzten Betrag von 3 DM müßte jeder fremde Dritte für das Mittagessen mindestens erlegen. Der Preis eines vergleichbaren Gasthausmittagessens würde sogar noch höher liegen. Denn im Streitfall seien die Kosten dadurch verbilligt worden, daß die Bgin. den Speiseraum einschließlich Inventar und Kücheneinrichtung dem Pächter unentgeltlich zur Verfügung stelle.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist begründet
Arbeitslohn ist grundsätzlich alles, was dem Arbeitnehmer auf Grund des Arbeitsverhältnisses als Gegenleistung seiner Arbeitsleistung vom Arbeitgeber zufließt (ß 19 Ziff. 1 EStG 1960, § 2 Abs. 1 LStDV). Auch der Vorteil, daß ein Arbeitnehmer, weil der Arbeitgeber einen Barzuschuß zum Mittagessen gibt, verbilligt das Mittagessen einnehmen kann, ist darum grundsätzlich Arbeitslohn. Gibt der Arbeitgeber wie hier einen Bauzuschuß, so kann dieser nicht in einen Sachbezug umgedeutet werden. Die Vorschrift des § 8 Abs. 2 EStG (ß 3 Abs. 1 LStDV) über die Bewertung von Sachbezügen findet darum in solchen Fällen keine Anwendung. Die vom Finanzgericht angezogenen Richtsätze der Oberfinanzdirektionen über die Bewertung der freien Station können schon aus diesem Grunde in Fällen der vorliegenden Art nicht angewendet werden. Im übrigen macht das Finanzamt mit Recht geltend, daß eine Bewertung nach diesen Richtsätzen nur zulässig ist, wenn der Arbeitnehmer in die Hausgemeinschaft des Arbeitgebers aufgenommen ist. Da also die vom Finanzgericht herangezogenen Bekanntmachungen der Oberfinanzdirektionen in Fällen der vorliegenden Art schon der Wortfassung nach nicht anwendbar sind, braucht der Senat nicht zu erörtern, wieweit diese Bekanntmachungen, die als Verwaltungsmaßnahmen auf Grund von § 3 Abs. 2 LStDV erlassen werden, den Charakter von Rechtsnormen haben und darum von den Steuergerichten ausgelegt werden können. Es sei insoweit auf die Urteile des Senats VI 297/61 U vom 16. März 1962 (BStBl 1962 III S. 284, Slg. Bd. 75 S. 41) und VI 217/61 vom 29. Juli 1963 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 8, Rechtsspruch 27) hingewiesen.
Abschn. 15 Abs. 1 Satz 3 LStR 1960 bestimmt "zur Vereinfachung", daß unentgeltliche oder verbilligte Mahlzeiten oder die dafür gewährten Barzuschüsse lohnsteuerfrei bleiben sollen, soweit der geldwerte Vorteil für den Arbeitnehmer täglich 1,50 DM nicht übersteigt. Früher betrug der Freibetrag nur 1 DM. Die Rechtsgrundlage dieser Anordnung ist zweifelhaft. Sie ist kein fortgeltender Milderungserlaß aus der Zeit des autoritären Regimes, da sie nach Erlaß des Grundgesetzes (GG) wesentlich geändert worden ist (vgl. über fortgeltende Milderungserlasse z. B. die Urteile des Senats VI 48/57 S vom 21. November 1958, BStBl 1959 III S. 69, Slg. Bd. 68 S. 176; VI 102/60 U vom 24. Februar 1961, BStBl 1961 III S. 261, Slg. Bd. 72 S. 717). Es ist auch fraglich, ob die Anordnung wirklich nur eine "Vereinfachungsmaßnahme" ist oder ob sie nicht vielmehr eine sachliche Steuerbefreiung enthält, die nur durch ein Gesetz gewährt werden kann (vgl. dazu "Untersuchungen zum Einkommensteuerrecht - Bericht der Einkommensteuerkommission", Heft 7 der Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Abschn. II 2 bis 4 zu § 3 EStG, S. 61 ff.). Auch als Billigkeitsmaßnahme im Sinne von § 131 Abs. 2 AO ist sie mehr als zweifelhaft.
Der Senat sieht aber davon ab, diese Fragen abschließend zu prüfen, weil sie nur dazu führen könnten, die Entscheidung des Finanzgerichts zum Nachteil der Bgin. zu verbösern. Es bedeutete eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen, wenn die Steuergerichte entgegen einer allgemeinen ständigen Verwaltungspraxis einzelne Steuerpflichtige erhöht besteuern würde, ohne daß die Finanzverwaltungsbehörden das wollen. Hier aber will das Finanzamt ausdrücklich den Zuschuß nur zur Lohnsteuer heranziehen, soweit er die Grenze von 1,50 DM übersteigt. Dieser Antrag ist, wie dargelegt, begründet.
Die pauschale Berechnung der Nachforderung bei Zugrundelegung eines zu versteuernden Zuschusses von 0,50 DM je Mahlzeit ist nicht streitig.
Fundstellen
Haufe-Index 411534 |
BStBl III 1965, 302 |
BFHE 1965, 155 |
BFHE 82, 155 |