Leitsatz (amtlich)
Das Umspannen von elektrischer Energie auf die vorgeschriebenen oder mit den Abnehmern vereinbarten Gebrauchsspannungen ist eine die Großhandelsvergünstigung des § 7 Abs. 3 UStG ausschließende Bearbeitung.
Normenkette
UStG § 7 Abs. 3; UStDB § 12 Abs. 1, § 57 Abs. 1 Ziff. 3
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Stpfl.) versorgt Teile des Auslands und der Bundesrepublik mit elektrischer Energie (im folgenden dem Sprachgebrauch folgend als elektrischer Strom bezeichnet), die sie überwiegend von der X-AG und mehreren anderen Zulieferern (benachbarten Energieversorgungsunternehmen, Kleinwasserkraftwerken, Industrieunternehmen) bezieht, zum kleineren Teil in eigenen, im Ausland gelegenen Wasserkraftwerken selbst erzeugt. Die Stromzufuhr in ihr inländisches Versorgungsgebiet erfolgt über ihr Umspannwerk A (Ausland), in dem der unter verschiedenen Spannungen stehende fremde und eigene elektrische Strom übernommen, mittels Transformatoren auf eine einheitliche Spannung von 60 000 V (= 60 kV) gebracht, auf einer 60-kV-Sammelschiene vereinigt und im Verbundbetrieb in die ins Inland führende 60-kV-Leitung eingespeist wird. Im inländischen Versorgungsgebiet wird der Strom, soweit er nicht (an Wiederverkäufer) mit 60 kV abgegeben wird, in zwischengeschalteten Umspannwerken und Transformatorenstationen für die Großabnehmer auf 6 kV und für die Kleinabnehmer auf 380/220 V herabgespannt.
Auf Grund dieses Sachverhaltes versagte das Finanzamt für den Veranlagungszeitraum 1955 der Stpfl. die Großhandelsvergünstigung des § 7 Abs. 3 UStG für den aus dem Ausland eingeführten, im Inland an gewerbliche Abnehmer gelieferten Strom. Hiergegen legte die Stpfl. mit Zustimmung des Vorstehers des Finanzamts Sprungberufung ein. Im Verlaufe des Berufungsverfahrens verzichtete das Finanzamt im Hinblick auf Verhandlungen, die zwischen ihm und der Stpfl. im Jahre 1947 stattgefunden hatten, rückwirkend für 1955 auf den Nämlichkeitsnachweis und erklärte sich mit einer pauschalen Ermittlung der Anteile von Fremdstrom und Eigenstrom im Verhältnis von 89/100 zu 11/100 einverstanden. Das Finanzgericht erblickte in dem Umspannen des Stromes keine steuerlich schädliche Bearbeitung im Sinne des § 12 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStDB und wandte auf 89/100 der Großhandelslieferungen den ermäßigten Steuersatz von 1 v. H. an.
Hiergegen richtet sich die Rb. des Vorstehers des Finanzamts. Mit ihr wird geltend gemacht, das Herabspannen des Stromes von 60 kV auf die Gebrauchsspannungen von 6 kV für Großabnehmer und 380/220 V für Kleinabnehmer sei eine steuerlich schädliche Bearbeitung, die der Gewährung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 7 Abs. 3 UStG, § 12 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStDB entgegenstehe. Nur soweit die Stpfl. Strom mit einer Spannung von 60 kV (an Wiederverkäufer) abgegeben habe, komme der ermäßigte Steuersatz zur Anwendung. Die übrigen Voraussetzungen der genannten Vorschrift, die in den Vorinstanzen teilweise ebenfalls streitig waren, hält das Finanzamt nunmehr offensichtlich für gegeben.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
I.
1. Der Reichsfinanzhof hat im Urteil V A 375/23 vom 23. Mai 1924 (Slg. Bd. 14 S. 25) die im Rechtsbeschwerdeverfahren allein noch streitige Frage, ob das Umspannen von elektrischem Strom eine umsatzsteuerlich schädliche Bearbeitung darstellt, bejaht. Das Urteil ist zwar zu § 2 Nr. 1 UStG 1919 ergangen, durch den für grenzüberschreitende Einfuhrumsätze Steuerfreiheit gewährt wurde, ohne daß im Gesetz ein Bearbeitungsverbot besonders ausgesprochen war. Die Entscheidungsgründe des Urteils treffen auch für § 7 Abs. 3 UStG 1951 zu. Denn der Reichsfinanzhof hatte ausgeführt: nach Sinn und Zweck des Gesetzes müßten die im Inland umgesetzten Gegenstände dieselben sein, wie diejenigen, die eingeführt wurden; bei der Einfuhr müsse die Wesensart des Gegenstandes gewahrt bleiben; die Steuerfreiheit falle weg, wenn im Inland eine Bearbeitung erfolge, die über eine Sortierung, Reinigung und Erhaltung hinausgehe.
Das Urteil fährt dann wörtlich fort:
"Es bleibt im Einzelfalle zu prüfen, was als eine Veränderung der Wesensart des eingeführten Gegenstandes anzusehen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß der eingeführte Gegenstand im Inland keiner Behandlung unterzogen werden darf, die von wesentlicher Bedeutung für seine wirtschaftliche Verwertung ist. Für Waren hat der Senat das Kennzeichen in der Marktgängigkeit gefunden (Entscheidung vom 21. März 1922 V A 175/21). Soweit nun die Rb. mit technischen Gründen nachzuweisen sucht, daß elektrischer Strom durch Transformierung nicht in seiner Wesensart geändert werde, mögen ihre Ausführungen als zutreffend anerkannt werden. Entscheidend ist jedoch nicht die technische, sondern die wirtschaftliche Betrachtungsweise. Bei dieser zeigt sich aber, daß die Transformierung elektrischen Stromes für seine wirtschaftliche Verwertung von erheblicher Bedeutung ist. Es mag richtig sein, daß durch die Transformierung die Zuleitung des Stromes verbilligt wird. Andererseits wird durch die Transformierung der elektrische Strom erst in den Zustand gebracht, der von den Abnehmern gewünscht wird. In der Mehrzahl der Fälle werden die Verbraucher überhaupt nicht in der Lage sein, den Strom in Hochspannung abzunehmen. Deshalb muß die Transformierung des elektrischen Stromes als ein Vorgang angesehen werden, bei dem die Wesensart des eingeführten Gegenstandes für den Verkehr geändert wird."
2. Die Annahme des Finanzgerichts und der Stpfl., das Urteil V A 375/23 vom 23. Mai 1924 sei durch die spätere Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs überholt, trifft nicht zu. Die Urteile des Reichsfinanzhofs V A 362/25 vom 15. Januar 1926 (Slg. Bd. 18 S. 137), V A 468/26 vom 15. Oktober 1926 (Slg. Bd. 20 S. 68) und V A 765/28 vom 28. Januar 1929 (Slg. Bd. 24 S. 336) haben gar nicht die Steuerbegünstigung des Binnengroßhandels zum Gegenstand und können schon deshalb nicht zum Nachweis einer Änderung der Rechtsprechung in der hier vorliegenden Streitfrage herangezogen werden. Es ist etwas anderes, ob im Zusammenhange mit einem ausdrücklich normierten oder von der Rechtsprechung nach Sinn und Zweck des Gesetzes als gegeben angesehenen Bearbeitungsverbot (§ 7 Abs. 3 UStG 1951, § 2 Nr. 1 UStG 1919) oder ob anläßlich der Frage der Lieferung von Elektrizität durch zusammenhängende Leitungen mehrerer Unternehmer (§ 7 Abs. 3 UStG 1919 = § 7 Abs. 2 UStG 1926 = § 4 Ziff. 5b) bb) UStG 1951) von einer Änderung der Wesensart der Elektrizität gesprochen wird. Im ersten Falle ist -- wie schon im Urteil V A 375/23 betont -- die wirtschaftliche, im zweiten Falle die technische Beurteilung (vgl. V A 362/25) am Platze. In keinem der angeführten Urteile aus den Jahren 1926 bis 1929 wird die im Urteil V A 375/23 dargelegte Rechtsauffassung als überholt bezeichnet. Aus dem Einschaltungssatz im Urteil V A 362/25 "-- die Entscheidung des Reichsfinanzhofs in Bd. 14 S. 25 lag noch nicht vor --" ist eher zu schließen, daß der Reichsfinanzhof diese Entscheidung nicht in Frage stellen wollte. Noch deutlicher ergibt sich das aus dem Urteil V A 765/28, in dem dem Sinne nach ausgeführt wird, durch Umformung werde zwar die Wesensart der Elektrizität geändert, das sei aber für die besonders geartete Vorschrift des § 7 Abs. 2 UStG 1926 (= § 4 Ziff. 5b) bb) UStG 1951) unbeachtlich.
3. Auch das Urteil des Reichsfinanzhofs V 209/37 vom 15. Juli 1938 (Slg. Bd. 44 S. 271, RStBl 1938 S. 823) rechtfertigt nicht den Schluß, der Reichsfinanzhof habe in seiner späteren Rechtsprechung das Herabspannen von Elektrizität auf die üblichen Gebrauchsspannungen nicht mehr als eine die Großhandelsvergünstigung des § 7 Abs. 3 UStG ausschließende Bearbeitung angesehen. Es fällt zwar auf, daß der Reichsfinanzhof, obwohl nach dem Tatbestande der elektrische Strom im Ausland umgeformt worden war, die Steuervergünstigung des § 7 Abs. 3 UStG im Prinzip bejaht und die Sache nur wegen des zweifelhaften Buchnachweises an das Finanzgericht zurückverwiesen hat. Der Reichsfinanzhof hat aber in dieser Entscheidung zu der Frage, ob durch Umspannen die Marktgängigkeit elektrischen Stromes geändert wird, nicht ausdrücklich Stellung genommen. Das hätte er nach seiner sonst geübten Praxis getan, wenn er von seiner früheren Rechtsprechung hätte abweichen wollen. Einzelheiten über die Art des Umspannens sind aus dem Urteil nicht ersichtlich. Nicht jedes Umspannen von elektrischem Strom ist eine steuerlich schädliche Bearbeitungsmaßnahme. Wie weiter unten ausgeführt wird, ist auch im Streitfalle das im Ausland erfolgte Umspannen steuerlich unschädlich. Hat aber der Reichsfinanzhof in dem genannten Urteil davon ausgehen wollen, daß das Herabspannen von elektrischem Strom auf die ortsüblichen Gebrauchsspannungen bei der Frage der Gewährung der Großhandelsvergünstigung nach § 7 Abs. 3 UStG stets als steuerlich unschädlich anzusehen sei, so könnte der Senat dieser Auffassung -- wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt -- nicht folgen.
II.
Die nochmalige Prüfung der Streitfrage ergibt folgendes:
Eine Bearbeitung oder Verarbeitung durch einen Unternehmer liegt vor, wenn die Wesensart des Gegenstandes geändert wird. Sie wird geändert, wenn durch die Behandlung des Gegenstandes nach der Verkehrsauffassung ein neues Verkehrsgut (ein Gegenstand anderer Marktgängigkeit) entsteht (§ 12 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStDB). Ob durch das Herabspannen des elektrischen Stromes von 60 kV auf 6 kV für Großabnehmer und auf 380/220 V für Kleinabnehmer in den inländischen Umspannwerken und Transformatorenstationen der Stpfl. ein neues Verkehrsgut entsteht, ist in erster Linie vom Standpunkt der Abnehmer aus zu beurteilen (Entscheidung des Reichsfinanzhofs V 463/38 vom 20. Oktober 1939, RStBl 1940 S. 4, Slg. Bd. 47 S. 318). Die Abnehmer erblicken in dem 6-kV- bzw. 380/220-V-Strom einen Gegenstand anderer Marktgängigkeit als in dem 60-kV-Strom Nur der herabgespannte Strom ist für ihre Zwecke verwendbar. Ihre Maschinen, Geräte und Vorrichtungen, die auf 6-kV- bzw. 380/220-V-Strom eingestellt sind, können mit Hilfe von 60-kV-Strom nicht betrieben werden. Die Abnehmer müßten, um das Endprodukt zu erhalten, das für ihre Zwecke allein brauchbar ist, eigene Umspannwerke oder Transformatorenstationen errichten, in denen sie den hochgespannten Strom in Gebrauchsstrom umwandeln. Hieraus ergibt sich, daß das Umspannen (Herabspannen, gegebenenfalls auch Heraufspannen) von elektrischer Energie in Gebrauchsstrom eine umsatzsteuerlich schädliche Bearbeitungsmaßnahme ist.
III.
Das Finanzgericht, die Stpfl. und die bei den Akten befindlichen Gutachten, die zu dem entgegengesetzten Ergebnis kommen, gehen in mehreren Punkten von irrigen Voraussetzungen aus.
1. Sie stellen zu stark auf die technische und energiewirtschaftliche Seite ab. Die elektrische Energie bestehe -- so führen die Gutachten aus -- in ihrer energetischen Substanz fort, gleichgültig, ob und wie oft sie umgespannt werde. Ihre Leistung das Produkt aus Spannung (Volt) und Stromstärke (Ampère) bleibe im Ergebnis gleich. Es änderten sich nur die Faktoren Volt und Ampère, und zwar wechselseitig; gehe der eine Faktor hinauf, so gehe der andere automatisch hinunter und umgekehrt (Reziprozität von Spannung und Stromstärke). Das durch Umspannen herbeigeführte Ergebnis lasse sich auch jederzeit wieder beseitigen (Reversibilität der elektrischen Spannung). Das Umspannen vollziehe sich (abgesehen von der Errichtung und Unterhaltung der erforderlichen Bauwerke und Transformatoren) ohne Energieaufwand. Diese der Elektrizität eigentümlichen Besonderheiten mögen den Schluß rechtfertigen, daß vom technischen Standpunkt aus gesehen der elektrische Strom durch einmaliges oder mehrmaliges Umspannen substanzmäßig nicht geändert wird. Wie aber bereits im Urteil des Reichsfinanzhofs V A 375/23 ausgeführt, ist nicht die technische, sondern die wirtschaftliche Betrachtungsweise entscheidend (ebenso Hertz in Steuer und Wirtschaft 1933, Teil I, Spalte 1339, 1342). Sie führt zu dem unter II. dargestellten Ergebnis.
2. Die Stpfl. vergleicht die Stromspannung mit dem Druck beim Gas, beim Dampf und beim Wasser. Ebenso wie der Druck sei auch die Spannung ein bloßer Nebenumstand, nicht dagegen eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Liefergegenstandes. Es ist zwar richtig, daß der Druck z. B. beim Wasser in der Regel ein umsatzsteuerlich unbeachtlicher Begleitumstand ist, wenn das Wasser im Haushalt (zu Trink-, Koch- oder Waschzwekken) verwendet wird. Dient das Wasser dagegen wie die Elektrizität als Energiequelle, so ist sein Druck ebenso wie die Spannung beim elektrischen Strom eine verkehrswesentliche Eigenschaft. Die Vorstellung, daß es im Verkehr lediglich auf die Energie als solche und ihre Menge ankomme, wird den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht. Auch Druck und Spannung sind bei einer Energie (Elektrizität, Wasser, Dampf), wenn sie als solche genutzt werden soll, verkehrswesentliche Eigenschaften und nicht bloße Nebenumstände.
3. Auch der Vergleich der Anlieferung des elektrischen Stromes in verschiedenen Spannungen mit der Anlieferung von Kohle in verschiedenen Transportmitteln (Schiffen, Kraftwagen, Handkarren, Säcken, Beuteln) geht fehl; die Abnahmegeräte des elektrischen Stromes sind auf die vorgesehenen Spannungen eingestellt; bei der Befeuerung der Öfen dagegen ist es gleichgültig, mit welchen Transportmitteln die Kohle befördert worden ist. Das Herabspannen des Stromes läßt sich eher mit dem Zerkleinern von Kohle vergleichen, um sie für die Verwendung in kleineren Öfen geeignet zu machen. Das Zerkleinern von Kohle ist aber eine steuerlich schädliche Bearbeitungsmaßnahme im Sinne des § 12 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStDB.
4. In der Vorinstanz ist nicht scharf genug zwischen dem Umspannen des erworbenen oder selbsterzeugten, unter verschiedenen Spannungen stehenden Stromes auf 60 kV in A (Ausland) und dem weiteren Umspannen dieses Stromes auf die Gebrauchsspannungen von 60 kV und 380/220 V in den inländischen Umspannwerken und Tranformatorenstationen unterschieden worden. Der erste Vorgang geschieht unstreitig ausschließlich zu Beförderungs- und Erhaltungszwecken. Der elektrische Strom muß bei der Beförderung eine einheitliche Spannung aufweisen. Er kann über größere Entfernungen mittels der üblichen Leitungen und ohne größere Verluste nur in Spannungen befördert werden, die mindestens im Mittelspannungsbereiche liegen. Da Beförderungs- und Erhaltungsmaßnahmen nach ständiger Rechtsprechung keine Bearbeitungsmaßnahmen sind, schließt das Umspannen des elektrischen Stromes in A die Steuerbegünstigung des § 7 Abs. 3 UStG nicht aus.
Soweit die Stpfl. 60-kV-Strom ohne weitere Umspannung an Abnehmer (z. B. an Wiederverkäufer) geliefert hat, kann sie daher den ermäßigten Steuersatz von 1 v. H. beanspruchen. Dasselbe gilt, soweit der aus Transportgründen auf 60 kV hochgespannte Strom durch das Herabspannen auf 6 kV bzw. 380/220 V wieder auf die Ausgangsspannung zurückgebracht wird, in der die Stpfl. den Strom erworben hat. Denn dann werden die Transportmaßnahmen nach Durchführung des Transportes lediglich wieder rückgängig gemacht.
Der zweite Vorgang, das Herabspannen des 60-kV-Stromes auf die Gebrauchsspannungen von 6 kV bzw. 380/220 V in den inländischen Umspannwerken und Tranformatorenstationen der Stpfl., ist dagegen -- wie in Abschnitt III 7 dargelegt werden wird -- keine reine Beförderungs- und Erhaltungsmaßnahme (ausgenommen: die Ausgangsspannung betrug 6 kV bzw. 380/220 V). Es ist auch keine reine Verteilungsmaßnahme, die nach ständiger Rechtssprechung ebenfalls steuerlich unschädlich wäre.
5. Aus diesem Grunde kann das Herabspannen des elektrischen Stromes auf Gebrauchsspannungen - entgegen der Auffassung des Finanzgerichts - auch nicht mit dem Umpacken von Waren, das nach § 12 Abs. 1 Satz 3 UStDB nicht als Bearbeitung gilt, gleichgesetzt werden. Abgesehen davon, daß diese Gleichsetzung schon dem Sprachgebrauch des Wortes "Umpacken" zuwiderläuft, ist das Umpacken im Gegensatz zum Herabspannen des elektrischen Stromes auf Gebrauchsspannungen lediglich eine besondere Art des Verteilungsprozesses.
6. Der Senat hat wiederholt ausgesprochen, daß es im Rahmen der besonderen Verteilungsmaßnahmen des Umpackens und Umfüllens steuerlich unschädlich sei, wenn der Liefergegenstand dadurch für den Kleinverkauf besonders hergerichtet oder sogar erst verkaufsfähig gemacht werden soll (vgl. z. B. Entscheidung des Bundesfinanzhofs V 25/51 U vom 13. November 1952, BStBl 1953 III S. 23, Slg. Bd. 57 S. 63). Auf diese Rechtsprechung kann sich der Stpfl. nicht berufen, weil beim Herabspannen des Stromes auf die Gebrauchsspannungen der Verteilungszweck nur eine Nebenrolle spielt.
7. Die Frage, ob -- wie die Stpfl. meint -- das Herabspannen des elektrischen Stromes von 60 kV auf 6 kV für Großabnehmer und auf 380/220 V für Kleinabnehmer in erster Linie als umsatzsteuerlich unschädliche Beförderungs- und Verteilungsmaßnahme anzusehen ist, bildet den Hauptpunkt des Rechtsstreits; sie wurde in der mündlichen Verhandlung besonders eingehend erörtert. Die Stpfl. hat zur Begründung ihrer Auffassung vorgetragen, im Ortsnetz müßten aus Sicherheits-, Wirtschaftlichkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen niedrigere Spannungen als beim Überlandnetz verwendet werden. Das Hinaufspannen und Herabspannen sowie das Durchleiten der elektrischen Energie in den verschiedenen Spannungen durch die Hoch-, Mittel- und Niederspannungsnetze sei ein Gesamtvorgang, der dem Stromtransport und der Stromverteilung diene. Zwar bezwecke das letzte Umspannen vor der Stromabgabe an den Abnehmer auch, der elektrischen Energie die Spannung zu geben, die der Abnehmer nach den jeweiligen Stromlieferungsbedingungen beanspruchen könne und auf die seine Maschinen, Geräte und Vorrichtungen abgestimmt seien. Dieser steuerlich schädliche Zweck des letzten Umspannaktes sei aber als Teil des Gesamtvorganges der Beförderung der elektrischen Energie vom Kraftwerk bis zum Abnehmer dem steuerlich unschädlichen Transportzweck untergeordnet. Da es nach dem Urteil des Senats V 183/59 U vom 21. März 1963 (BStBl 1963 III S. 272, Slg. Bd. 76 S. 748) bei einem Bearbeitungsvorgang, der sowohl begünstigten als auch nicht begünstigten Zwecken dient, darauf ankomme, welcher dieser Zwecke die größere Bedeutung hat, und beim Umspannen der Transportzweck im Vordergrund stehe, weil ohne das Umspannen die elektrische Energie an den Abnehmer überhaupt nicht herangebracht werden könne, sei das Umspannen der elektrischen Energie, und zwar auch das letzte Umspannen vor der Abgabe des Stromes an den Verbraucher, als steuerlich unschädlich anzusehen.
Der Senat vermag sich dieser Auffassung nicht anzuschließen. Es ist im Umsatzsteuerrecht zwischen Hauptleistungen und Nebenleistungen zu unterscheiden. Die Umsatzsteuer richtet sich nach der Hauptleistung. Die Nebenleistungen teilen das rechtliche Schicksal der Hauptleistung. Die Hauptleistung besteht bei der Lieferung von Waren in der Verschaffung der Verfügungsmacht an der Ware. Beförderung und Verteilung der Ware sind, wenn sie nicht als selbständige Hauptleistungen (z. B. von einem Frachtführer) erbracht werden, im Verhältnis zu ihrer Lieferung Nebenleistungen.
Der Abnehmer der Ware hat einen Anspruch darauf, daß sich die Ware bei der Lieferung in dem vereinbarten, für seine Zwecke geeigneten Zustand befindet. Sie muß vor allem gebrauchsfertig sein. Soll sie zusammen mit einem anderen Gegenstand einem bestimmten Verwendungszweck dienen, so muß sie zu dem anderen Gegenstand passen. Je enger die Verbindung der Gegenstände ist, um so wichtiger ist die gegenseitige Abstimmung. Diese wird oft durch Normung erreicht. Die Herrichtung eines Liefergegenstandes auf die vorgeschriebene oder vereinbarte Norm (z. B. bei Schrauben und Muttern) ist daher -- umsatzsteuerrechtlich gesehen -- grundsätzlich ein Herstellungs- oder Bearbeitungsvorgang.
Der Einwand der Stpfl., die Gebrauchsspannung des elektrischen Stromes werde nicht vom Verbraucher, sondern durch Herkommen, Gesichtspunkte der Wirtschaftlichkeit und vor allem durch Willensentschluß des Stromlieferers bestimmt, vermag daran nichts zu ändern. Eine steuerlich schädliche Bearbeitung liegt nicht nur dann vor, wenn der Lieferungsgegenstand nach den Sonderwünschen des einzelnen Abnehmers hergerichtet wird, sondern auch dann, wenn er auf feststehende Normen gebracht werden muß, gleichgültig, ob diese auf Herkommen, Vereinbarung, behördlicher Anordnung oder Bestimmung durch den Lieferer, durch den Hersteller oder durch Wirtschaftsverbände beruhen. Die Abnehmer müssen sich bei der Anschaffung ihrer elektrischen Maschinen, Geräte und Vorrichtungen auf diese Normen für die Dauer ihrer Gültigkeit verlassen können. Sie werden mit Recht elektrischen Strom, der diesen Normen nicht entspricht, als nicht marktgerecht ansehen. Ihre elektrischen Beleuchtungskörper, Heizöfen, Maschinen und sonstigen Geräte sind auf bestimmte (vorgeschriebene oder vereinbarte) Spannungsnormen (im Streitfalle 6 kV bzw. 380/220 V) abgestimmt. Zur Inbetriebsetzung dieser genormten Geräte wird elektrischer Strom derselben Spannungsnorm benötigt. Elektrischer Strom anderer Spannung würde zu Betriebsstörungen und oft zu Beschädigungen oder Zerstörungen der angeschlossenen Geräte führen. Die Herrichtung des elektrischen Stromes auf die vorgesehene Spannungsnorm ist daher eine zur Vermeidung von Schäden und Nachteilen unerläßliche Bearbeitungsmaßnahme, ohne die der Lieferungsgegenstand für den Abnehmer unbrauchbar ist.
Aus dem Urteil des Senats V 183/59 U vom 21. März 1963 (a. a. O.) läßt sich wegen der Unterschiedlichkeit der Sachverhalte für den Streitfall nichts herleiten. In jenem Urteil handelte es sich um die Herstellung des Lieferungsgegenstandes (Mischfuttermittel) aus mehreren Stoffen (Weizenkleie, Bierhefe und Preßhefe) durch mehrere Bearbeitungsvorgänge (Mischen, Trocknen, Zerkleinern, Mischen), hier dagegen um die Herrichtung nur eines Stoffes (Elektrizität) auf die vorgesehene Norm (Spannung von 6 kV bzw. 380/220 V) durch nur einen Bearbeitungsvorgang (Herabspannen der elektrischen Energie). Dort ist streitig, welcher von mehreren Maßnahmen an der Ware selbst (dem Mischen und Zerkleinern oder dem Haltbarmachen und Verkehrsfähigmachen) ein Vorgang (das Trocknen) überwiegend dient, hier, ob ein Vorgang (das Herabspannen) in erster Linie die endgültige Gestaltung der Ware oder ihre Beförderung und Verteilung bezweckt.
Die Stpfl. geht insofern von einer unzutreffenden Überlegung aus, als sie entgegen dem oben dargestellten Rechtsgrundsatz der Beförderung und Verteilung der Ware durch den Lieferer eine größere Bedeutung beimißt als der Ware selbst. Ihr Hinweis, der elektrische Strom müsse durch die Niederspannungsleitung des Ortsnetzes an den Kunden herangebracht werden, damit er ihn überhaupt abnehmen könne, schlägt nicht durch. Ihre Beweisführung beruht auf physikalischen und technischen Erwägungen, die -- wie bereits dargelegt -- bei der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung der Frage, ob eine Großhandelslieferung im Sinne des § 7 Abs. 3 UStG vorliegt, nicht von entscheidender Bedeutung sind. Auch andere Gegenstände müssen oft mit großen Mühen und Kosten vom Lieferer zum Abnehmer befördert werden, damit dieser in ihren Besitz gelangt. Trotzdem ist aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht die Ware selbst, nicht ihre Beförderung, der Hauptinhalt des Umsatzes.
Sicherlich läßt es sich nicht vermeiden, daß die Masse der Kleinabnehmer elektrischer Energie aus Niederspannungsleitungen versorgt wird. Der Strom transport für sich allein könnte jedoch bis zu einer aus Sicherheitsgründen vorgeschriebenen Höchstgrenze in jeder beliebigen Niederspannung vor sich gehen. Daß er gerade auf 380/220 V herabgespannt wird, geschieht, um ihn auf die mit den gewerblichen Kleinabnehmern vereinbarte Norm zu bringen. Entsprechendes gilt für die Lieferung von 6-kV-Strom an Großabnehmer. Ein Unternehmer, der einen Gegenstand auf eine mit dem Abnehmer vereinbarte Norm bringt (z. B. erworbene Baumstämme von 8 m Länge zu Grubenstempeln von 2 m Länge schneidet), kann deswegen, weil der normierte Gegenstand zu den Maßen des Transportmittels (z. B. eines Lkw von 5 m Ladelänge) paßt, nicht damit gehört werden, die Bearbeitung des Gegenstandes habe nicht seiner Fertigstellung, sondern seinem Transport gedient.
Der Senat verkennt nicht, daß die Elektrizität infolge ihrer einmaligen physikalischen und technischen Eigenschaften (mangelnde Körperlichkeit, Reziprozität von Spannung und Stromstärke, Reversibilität der Spannung) eine Sonderstellung einnimmt. Der Gesetzgeber hat aber die Elektrizität für das Gebiet der Umsatzsteuer ausdrücklich als Lieferungsgegenstand anerkannt (vgl. § 4 Ziff. 5 UStG) und die Ausnahmen von der Umsatzsteuerpflichtigkeit dieser Umsätze einzeln bestimmt (§ 4 Ziff. 5 UStG in Verbindung mit § 31 UStDB). Er hat trotz wiederholter Änderungen der einschlägigen Vorschriften das Herabspannen von Elektrizität auf die Gebrauchsspannungen nicht als steuerlich unschädliche Bearbeitungsmaßnahme zugelassen (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 3 und § 57 Abs. 2 UStDB). Die Eigenart einer Ware rechtfertigt es nicht, allgemein gültige Regeln des Umsatzsteuerrechts -- wie die Grundsätze, daß die Herrichtung der Ware auf eine bestimmte Norm einen steuerlich schädlichen Bearbeitungsvorgang darstellt und daß die Lieferung der Ware ihrer Beförderung und Verteilung übergeordnet ist -- beiseitezuschieben. Die Steuergerichte sind auch nicht befugt, die Listen der steuerlich zugelassenen Bearbeitungen und Verarbeitungen von sich aus zu erweitern.
IV.
Auf die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist daher die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif, weil noch die in Abschn. III 4 Absätze 2 und 3 dargestellten Fälle in tatsächlicher Hinsicht (insbesondere bezüglich der Höhe der Umsätze) der Aufklärung bedürfen. Die Sache wird zu diesem Zweck an die Vorinstanz zurückverwiesen, die nach Anstellung der noch erforderlichen Ermittlungen unter Beachtung der obigen Ausführungen in der Sache erneut zu entscheiden haben wird. Der Senat hat im Hinblick auf die Verhandlungen des Finanzamts mit der Stpfl. im Jahre 1947 und die vom Vorsteher des Finanzamts in der öffentlichen Sitzung des Finanzgerichts abgegebenen Erklärungen gegen die Ausführungen des Finanzgerichts zu denjenigen Punkten, die im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr streitig waren, keine Bedenken.
Fundstellen
BStBl III 1964, 284 |
BFHE 1964, 144 |