Leitsatz (amtlich)
1. Verluste aus Goldtermingeschäften mit einem ausländischen Unternehmen mindern den Gewinn einer Personenhandelsgesellschaft nur dann, wenn sie tatsächlich durchgeführt worden sind und betrieblich veranlaßt waren.
2. Zur Bemessung einer Rückstellung für drohende Verluste aus Termingeschäften.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 6 Abs. 1 Nr. 3
Tatbestand
Die KG (Klägerin und Revisionsbeklagte - Klägerin) beschäftigt sich mit Anlageberatung und Vermögensverwaltung. Komplementärin der KG war zunächst ein GmbH; Geschäftsführer der GmbH und alleiniger Kommanditist war B. Im August 1969 wurde B. anstelle der GmbH geschäftsführender Gesellschafter; seine Ehefrau wurde alleinige Kommanditistin.
Durch Vereinbarung mit der X AG, Zug/Schweiz, vom 18./22. Juli 1969 kaufte die Klägerin zum 15. Januar 1970 Feingold im Wert von 1 Mio US-Dollar zum Preis von 41,75 Dollar je Unze. Nach dem Willen der Vertragschließenden sollte nur die Differenz zwischen dem vereinbarten Preis und dem Kurs der Londoner Goldbörse am Stichtag entrichtet werden. An diesem Tag war der Kurs auf 34,80 Dollar je Unze gesunken. Das Geschäft ergab einen Verlust von 613 528 DM. Diesen Betrag buchte die Klägerin Anfang 1970 neben Bankspesen von 766 DM als Betriebsausgaben des Wirtschaftsjahres 1970 ein. Ein zweites Goldtermingeschäft schloß die Klägerin am 14. August 1969 zum 31. Dezember 1969 mit der Firma Y, London, ab. Darin verpflichtete sie sich, 14 000 Unzen Feingold für 585 200 Dollar abzunehmen, verkaufen zu lassen oder den Kontrakt zu erneuern. Am Stichtag war der Goldpreis auf 35,20 Dollar je Unze gesunken. Aus dem Geschäft ist ein Verlust von 382 429 DM entstanden. Diesen Verlust buchte die Klägerin Mitte Januar 1970 zum 31. Dezember 1969 als Betriebsausgabe ein. In Zusammenhang mit diesen Geschäften gewährte die X AG, Zug/Schweiz, dem persönlich haltenden Gesellschafter B Anfang 1970 ein Darlehen von 1,1 Mio DM.
Nach einer Betriebsprüfung erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Verluste in den einheitlichen Gewinnfeststellungen 1969 und 1970 nicht als Betriebsausgaben an, weil die eingegangenen Verbindlichkeiten nicht zum notwendigen Betriebsvermögen der Klägerin gehört hätten. Gewillkürtes Betriebsvermögen hätten sie nur durch eine unzweideutige Willensäußerung werden können. Hierzu hätten die Geschäfte bereits bei ihrem Abschluß eingebucht werden müssen; tatsächlich sei dies erst nach dem Fehlschlag der Geschäfte geschehen.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß die Termingeschäfte betrieblichen Zwecken gedient hätten und berücksichtigte die Verluste aus beiden Geschäften in der einheitlichen Gewinnfeststellung 1969. Seine Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1979 S. 10 - EFG 1979, 10 - veröffentlicht.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA; es rügt die Verletzung der §§ 4 Abs. 1 und 4, 5 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und des § 96 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt hinsichtlich der Gewinnfeststellung 1969 zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Die Aufwendungen aus den Termingeschäften könnten den Gewinn der Klägerin nur dann mindern, wenn die Geschäfte tatsächlich in der behaupteten Weise durchgeführt worden sind und wenn sie betrieblich veranlaßt waren (§ 4 Abs. 4 EStG); hätte die Klägerin dagegen Aufwendungen aus Privatgeschäften ihres Hauptgesellschafters B übernommen, wäre ihr Gewinn insoweit um Entnahmen zu erhöhen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG). Für die Entscheidung beider Fragen reichen die Feststellungen des FG nicht aus.
1. Nach der Darstellung des FG ist das Termingeschäft mit einer in Zug/Schweiz ansässigen Gesellschaft abgewickelt worden, die nicht in eigenem Namen, sondern als Vertreterin für einen unbekannten Dritten auftrat. Diese Gesellschaft hat nach den Feststellungen des FG für ihre Betätigung keine Vergütung erhalten, wohl aber dem Gesellschafter B nach Abwicklung des Termingeschäftes ein hohes Darlehen gewährt. Darin liegen Besonderheiten, die dem FG nicht ohne weitere Feststellungen die Schlußfolgerung gestatteten, daß das Geschäft ernsthaft gewollt und tatsächlich durchgeführt worden ist.
Um als Vermittler von Goldtermingeschäften aufzutreten, muß ein Unternehmen Erfahrungen im Goldhandel haben und über ausgedehnte Verbindungen zu Interessenten für solche Geschäfte verfügen. Das FG hat hierzu nichts festgestellt. Der Geschäftsabschluß mit einem ihr unbekannt bleibenden Dritten hätte für die Klägerin Gefahren enthalten. Sie hätte bei fallenden Goldpreisen einen Leistungsanspruch aus dem Geschäft erlangt. Dieser Anspruch wäre in besonderem Maße gefährdet gewesen, wenn die Klägerin den Namen ihres Vertragspartners nicht kannte und auch keine Sicherheiten für die Erfüllung seiner Verpflichtungen erhielt. Andererseits ist davon auszugehen, daß auch der Vertragspartner der Klägerin auf solche Sicherheiten bedacht gewesen wäre; das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn auch ihm der Name des anderen Vertragsbeteiligten verborgen blieb. Auch hierzu hat das FG keine Ausführungen gemacht. Seinen Angaben zur Geschäftsabwicklung ist zu entnehmen, daß die Schweizer Gesellschaft für ihre Tätigkeit von der Klägerin keine Vergütung erhalten hat; wenn auch der Vertragspartner der Klägerin eine solche Vergütung nicht gezahlt hätte, würde das gegen die Ernsthaftigkeit des Geschäftes sprechen. Das FG hat bei seiner Tatsachenwürdigung auch die Darlehensgewährung durch die Schweizer Gesellschaft unberücksichtigt gelassen; hierdurch können aber Auslandsguthaben des B in das Inland zurückverlagert worden sein. Das FG hätte sich angesichts dieser Besonderheiten Gewißheit darüber verschaffen müssen, ob B bestimmenden Einfluß auf die Schweizer Gesellschaft hatte; hieraus hätten sich Erkenntnisse darüber gewinnen lassen, ob das Termingeschäft ernsthaft vereinbart und tatsächlich durchgeführt worden ist und ob in der Gestaltung der Geschäftsbeziehungen ein Rechtsmißbrauch lag (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. Mai 1979 I R 126/77, BFHE 128, 61, BStBl II 1979, 586).
Ebensowenig konnte das FG ohne weitere Feststellungen davon ausgehen, daß das zweite über London abgewickelte Goldtermingeschäft in der von der Klägerin geschilderten Weise zustande gekommen ist. Das angefochtene Urteil ergibt nicht, daß das FG Aufschluß über die Identität der beteiligten Firmen, über die von der Klägerin gestellten Sicherheiten und über die Marktüblichkeit des vereinbarten Terminpreises verlangt hat.
Das FG hat die erforderlichen Feststellungen nachzuholen. Es kann dabei auf Erkenntnisse der Finanzverwaltung über steuerliche Auslandbeziehungen, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 des Finanzverwaltungsgesetzes (FVG) vom 30. August 1971 (BGBl I, 1426, BStBl I 1971, 390) vom Bundesamt für Finanzen gesammelt und ausgewertet werden, zurückgreifen. Im Hinblick auf ihre grenzüberschreitenden Beziehungen ist insbesondere auch die Klägerin in besonderem Maße zur Mitwirkung verpflichtet (vgl. § 171 Abs. 3 der Reichsabgabenordnung - AO -, § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -, BFH-Urteil vom 21. Januar 1976 I R 234/73, BFHE 118, 553, BStBl II 1976, 513, 515).
2. Kommt das FG zu dem Ergebnis, daß die Termingeschäfte ernsthaft vereinbart und durchgeführt worden sind, steht damit noch nicht fest, daß die entstandenen Verluste zu Betriebsausgaben geführt haben. Bei Termingeschäften handelt es sich um spekulative Geschäfte, die vorwiegend im privaten Bereich getätigt werden (Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 12. Dezember 1935 VI A 858/35, RStBl 1936, 694). Sie können aber auch betrieblich veranlaßt sein. Hierfür ist bedeutsam, daß nach Art, Inhalt und Zweck des Geschäftes ein Zusammenhang mit dem Gesellschaftszweck bestand. Im Zweifel ist entscheidend, wie das Geschäft tatsächlich abgewickelt wurde (vgl. BFH-Urteil vom 19. Januar 1977 I R 10/74, BFHE 121, 199, BStBl II 1977, 287, mit weiteren Nachweisen). Insbesondere Risikogeschäfte sind danach nur betrieblich veranlaßt, wenn sie von vornherein als Geschäfte der Gesellschaft behandelt wurden. Geschieht dies erst, nachdem sich ein Verlust abzeichnet, beruht die Übernahme des Geschäftes durch die Gesellschaft auf außerbetrieblichen Erwägungen (vgl. BFH-Urteile vom 5. Februar 1970 IV 186/64, BFHE 99, 26, BStBl II 1970, 492; vom 22. Mai 1975 IV R 193/71, BFHE 116, 328, BStBl II 1975, 804; vom 2. Juni 1976 I R 136/74, BFHE 119, 414, BStBl II 1976, 668; vom 15. November 1978 I R 57/76, BFHE 126, 530, BStBl II 1979, 257).
Das FG ist davon ausgegangen, daß es sich um betriebliche Geschäfte gehandelt habe; auch hierüber hat es keine ausreichenden Feststellungen getroffen.
a) Für diese Beurteilung ist allerdings, wie das FG zutreffend erkannt hat, nicht ausschlaggebend, daß die Klägerin den Abschluß der Geschäfte nicht kontenmäßig erfaßt hat. Termingeschäfte sind schwebende Geschäfte, die regelmäßig nicht in die laufende Buchführung aufgenommen werden und auch im Jahresabschluß nur berücksichtigt werden müssen, wenn aus ihnen ein Verlust droht (vgl. BFH Urteil vom 20. März 1980 IV R 89/79, BFHE 130.165, BStBl II 1980, 297; vom 26. Juni 1980 IV R 35/74, BFHE 130, 533, BStBl II 1980, 506, Friederich, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für schwebende Geschäfte, 2. Aufl. 1976 S. 29 ff., 43 ff.). Ob die Einbuchung der Geschäfte buchtechnisch überhaupt möglich war, läßt der Senat offen. Jedenfalls kann es der Klägerin nicht zum Nachteil ausgelegt werden, daß sie von einer solchen Möglichkeit be einem ungewöhnlichen Geschäftsvorfall keinen Gebrauch gemacht hat.
Nach den Feststellungen des FG hat die Klägerin jedoch für die Abwicklung des Londoner Geschäftes Vergütungen an die beteiligten Unternehmen gezahlt; außerdem hat sie für ihre Verpflichtungen Wechsel hingegeben. Solche Vorgänge müssen buchmäßig erfaßt werden. Das FG wird ermitteln müssen, ob die Vergütungen im Jahre 1969 in Rechnung gestellt und die Wechsel in diesem Jahr begeben worden sind. Sollten diese Vorgänge nicht verbucht worden sein, würde das gegen den betrieblichen Charakter der Geschäfte sprechen.
b) Das FG hat die Termingeschäfte als betriebliche Vorgänge behandelt, weil die Klägerin sie im eigenen Namen abgeschlossen habe, weil sie die Korrespondenz und die Notizen über die Geschäftsabwicklung sowie eine von B hierüber geführte Kladde (sog. Vormerkbuch) bei ihren Geschäftsunterlagen aufbewahrt habe und weil schließlich auch die Angestellten der Klägerin über die Vorgänge unterrichtet gewesen seien. Hierin konnte das FG in der Tat Anhaltspunkte für eine betriebliche Veranlassung der Geschäfte sehen.
Andererseits hat das FG nicht hinreichend gewürdigt, daß der Geschäftszweck der Klägerin die Anlageberatung und die Vermögensverwaltung war. Die Eingebung von Warentermingeschäften stand mit diesem Zweck nicht in Einklang. Der Abschluß von Spekulationsgeschäften, die angesichts ihres Umfanges den Bestand der Klägerin gefährden konnten, überschritt zudem die Geschäftsführungsbefugnis des persönlich haftenden Gesellschafters. Diese ist auf Handlungen beschränkt, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft mit sich bringt (§§ 161 Abs. 2, 116 HGB). Es hätte daher weiterer Feststellungen des FG darüber bedurft, wie es zur Anbahnung und zum Abschluß der Geschäfte gekommen ist, warum sie über die Klägerin abgewickelt wurden und ob das im Gesellschaftsvertrag für außergewöhnliche Geschäfte vorgesehene Beschlußverfahren eingehalten worden ist. Insbesondere bedurfte es der Aufklärung, ob die Klägerin oder B persönlich zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt auch sonst Termingeschäfte, insbesondere auch solche, die ihr Gewinne erbrachten, getätigt haben; auch hieraus hätten sich Anhaltspunkte für die betriebliche Veranlassung der streitigen Geschäfte ergeben.
3. Kommt das FG erneut zu, dem Ergebnis, daß die Aufwendungen aus den Termingeschäften betrieblich veranlaßt waren, so muß es die Rückstellung für das Schweizer Termingeschäft neu berechnen. Dieses schwebende Geschäft war zum 15. Januar 1970 fällig. Da nach den Erkenntnissen vom Bilanzstichtag aus dem Geschäft ein Verlust drohte, mußte eine Rückstellung gebildet werden (vgl. BFH Urteil vom 26. Oktober 1977 I R 148/75, BFHE 123, 547, BStBl II 1978, 97). Nach dem Stichtagsprinzip konnten dabei aber nur die Verhältnisse am 31. Dezember 1969 berücksichtigt werden (vgl. BFH-Urteil vom 19. Februar 1975 R 28/73, BFHE 115, 218, BStBl II 1975, 480). Zu diesem Zeitpunkt betrug der Preis für eine Feinunze Gold nach den eigenen Feststellungen des FG noch 35,20 Dollar. Das FG hat seiner Berechnung jedoch den Goldpreis von 34,80 Dollar je Unze vom 15. Januar 1979 zugrunde gelegt. Auch die berücksichtigten Zinsen sind offenbar zumindest teilweise erst im Jahre 1970 angefallen.
Fundstellen
Haufe-Index 413590 |
BStBl II 1981, 658 |
BFHE 1981, 379 |