Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Schuldzinsenabzug bei Kreditaufnahme einer Personengesellschaft zur Finanzierung einer Entnahme
Leitsatz (amtlich)
Die Kreditaufnahme einer Personengesellschaft zur Finanzierung einer Entnahme führt auch dann nicht zum Abzug der Schuldzinsen als Betriebsausgaben, wenn der entnehmende Gesellschafter sein negatives Kapitalkonto verzinsen muß, dieses Konto (Kapitalkonto II) aber als Beteiligungskonto anzusehen ist.
Orientierungssatz
1. Durch den unter C. II. 5. i des Beschlusses des Großen Senats des BFH vom 4.7.1990 GrS 2-3/88 hinsichtlich des sog. Zwei-Konten-Modells zitierten Satz "Unter dieser Voraussetzung sind die auf dem betrieblichen Kontokorrentkonto anfallenden Schuldzinsen regelmäßig auch dann Betriebsausgaben, wenn Beträge vom betrieblichen auf das private Kontokorrentkonto überwiesen werden, dadurch auf dem privaten Kontokorrentkonto Verbindlichkeiten getilgt werden und ein negatives betriebliches Kontokorrentkonto entsteht" soll die Grundaussage des Beschlusses nicht eingeschränkt oder gar umgekehrt werden. Aus dem Zusammenhang ergibt sich vielmehr, daß die Schuldzinsen in diesem Fall nur dann Betriebsausgaben sein können, wenn der negative Saldo auf dem betrieblichen Konto durch spätere betriebliche Aufwendungen entstanden ist. Dabei ist dann unerheblich, daß dieser negative Saldo unmittelbar auch dadurch verursacht wurde, daß der Steuerpflichtige zuvor durch seine Entnahmen dem betrieblichen Konto Guthaben entzogen hat (vgl. auch BFH-Urteil vom 15. November 1990 IV R 97/82). Entsteht oder erhöht sich dagegen ein Sollsaldo auf einem betrieblichen Kontokorrentkonto durch eine Entnahme, sind damit die Voraussetzungen eines sog. gemischten Kontos gegeben.
2. Entzieht der Gesellschafter (z.B. durch Entnahme) der Personengesellschaft liquide Mittel, die sie später benötigt und sich dann durch ein Darlehen beschafft, ist das Darlehen betrieblich veranlaßt, es sei denn, Entnahme und Darlehensaufnahme sind zusammenhängende Vorgänge.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 4 Abs. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG (Entscheidung vom 20.09.1983; Aktenzeichen V 237/82) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine KG, mit der W-GmbH (Gesellschafter Eheleute W, Geschäftsführer W) als Komplementärin und Geschäftsführerin sowie W als Kommanditisten (Beteiligung 98 v.H.) betrieb in L eine …fabrik.
Im Juni 1977 nahm W im Namen der Klägerin bei der V-Bank ein Darlehen über 300 000 DM zur "Finanzierung von Entnahmen" auf. Zur Sicherung wurde das Motorboot "A" der Bank übereignet. Das Boot hatte W im November 1976 für 400 000 DM gekauft. Der Darlehensbetrag wurde zur Finanzierung des Kaufpreises verwandt.
Die Zinsen für die Jahre 1977 (13 692,70 DM) und 1978 (19 500 DM) wurden zunächst als Entnahmen, das Darlehen als private Schuld behandelt. Bei Erstellung der Jahresabschlüsse wurden die Zinsen als Betriebsausgaben verbucht. Die Zinsen des Jahres 1979 (20 013,15 DM) wurden von vornherein als Betriebsausgaben behandelt.
In § 9 des Gesellschaftsvertrages ist u.a. folgendes vereinbart:
"(1) …
(2) Die Einlage des Kommanditisten sowie das freie Konto des Kommanditisten werden mit 6 v.H. p.a. verzinst. Für die Verzinsung ist der Stand der Konten am Beginn eines Geschäftsjahres maßgebend.
(3) Der restliche Gewinn wird unter die Gesellschafter so verteilt, daß die Komplementärin als Entschädigung für ihre Haftung 2 v.H. und der Kommanditist 98 v.H. erhält.
(4) Bei Vorliegen eines Verlustes ist das Vorweg des Komplementärs aus dem Kapital zu zahlen. In diesem Falle unterbleibt die Verzinsung der Einlagen des Kommanditisten gemäß Abs.(2).
(5) Am Verlust nehmen die Gesellschafter im Verhältnis ihrer Gewinnbeteiligung gemäß Abs.(3) teil."
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) die Zinsen als nicht abziehbare Kosten der Lebensführung an und erließ entsprechend geänderte Gewinnfeststellungsbescheide.
Nach vergeblichem Einspruch erhob die Klägerin Klage, die sie im wesentlichen wie folgt begründete:
W habe der Klägerin durch Verzicht auf angemessene Entnahmen sowie Einlagen seiner Geschäftsführergehälter in der Vergangenheit praktisch ein Darlehen gewährt. Das "freie Konto" habe am 31.Dezember 1976 ein Guthaben von 926 855,33 DM gehabt. Das Darlehen sei aufgenommen worden, weil die Klägerin nicht über genügend Barmittel für die Entnahme verfügte. Darlehensabreden zwischen W und der Klägerin hätten nicht bestanden.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage zurück (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1984, 272).
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 4 Abs.4 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat die streitigen Zinsen zu Recht nicht zum Abzug als Betriebsausgaben zugelassen. Sie sind nicht durch den Betrieb der Klägerin veranlaßt (§ 4 Abs.4 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung), d.h. sie stehen nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den gewerblichen Einkünften der Klägerin bzw. ihrer Gesellschafter (§ 15 Nr.2 EStG).
Ob die Zahlung von Darlehenszinsen durch den Betrieb oder außerbetrieblich veranlaßt ist, beurteilt sich nach dem tatsächlichen Verwendungszweck des Darlehens (Beschluß des Bundesfinanzhofs ―BFH― 4.Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, 823). Darlehenszinsen sind nur dann Betriebsausgaben, wenn mit den Darlehensmitteln betrieblich veranlaßte Aufwendungen getätigt werden (Beschluß in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 824). Eine Entnahme ist keine betrieblich veranlaßte Aufwendung.
Die aus dem Beschluß des BFH in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 wiedergegebenen Grundsätze hat der BFH allerdings für Einzelgewerbetreibende entwickelt. Sie gelten jedoch in gleicher Weise, wenn eine Personengesellschaft Schuldzinsen als Betriebsausgaben geltend macht (§ 4 Abs.4 EStG).
Auch bei der Personengesellschaft sind die Schuldzinsen nicht bereits deshalb Betriebsausgaben, weil die Verbindlichkeit zivilrechtlich von der Gesellschaft eingegangen worden ist. Der Umstand, daß die Personengesellschaft Darlehensnehmerin ist, hat nicht ohne weiteres zur Folge, daß die Darlehensschuld zum (negativen) Betriebsvermögen der Gesellschaft gehört (vgl. BFH-Urteile vom 11.Mai 1989 IV R 56/87, BFHE 157, 152, BStBl II 1989, 657, bezüglich Lebensversicherung; vom 3.Oktober 1989 VIII R 184/85, BFHE 158, 385, BStBl II 1990, 319, und vom 30.Juni 1987 VIII R 353/82, BFHE 151, 360, BStBl II 1988, 418, bezüglich Wohngebäude; vom 19.Juli 1984 IV R 207/83, BFHE 142, 42, BStBl II 1985, 6, bezüglich Darlehen). Durch den Betrieb der Gesellschaft veranlaßt (§ 4 Abs.4 EStG) sind die Schuldzinsen nur, wenn die Darlehensmittel der Finanzierung betrieblich veranlaßter Aufwendungen dienen (vgl. Beschluß in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, 824). Nur unter dieser Voraussetzung gehört die Darlehensschuld der Gesellschaft auch zu ihrem Betriebsvermögen.
Im Streitfall dienten die Darlehensmittel nicht der Finanzierung betrieblich veranlaßter Aufwendungen.
Das FG hat festgestellt, daß das Darlehen "zur Finanzierung von Entnahmen" aufgenommen wurde. Die Darlehensmittel seien zur Tilgung der Schuld des Gesellschafters W aus seinem Kauf eines Motorboots verwandt worden. Die Darlehensaufnahme sei notwendig gewesen, weil der Klägerin keine Mittel für eine Entnahme in dieser Höhe zur Verfügung gestanden hätten. An diese Feststellungen ist der Senat gebunden (§ 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―), sie sind von der Revision nicht angegriffen worden. Die Verwendung der Darlehensmittel zur Tilgung der privaten Kaufpreisschuld des W ist eine Entnahme des W. Dabei ist unerheblich, ob die Darlehensvaluta von der Bank unmittelbar an den Verkäufer des Motorboots gezahlt wurde, oder ob sie zunächst einem Konto der Klägerin gutgeschrieben und die Zahlung an den Verkäufer des Bootes zu Lasten dieses Kontos erfolgte. Unerheblich ist im letzteren Fall ferner, ob die Darlehensmittel bei der Klägerin gesondert gehalten wurden oder ob sie einem Konto der Gesellschaft gutgeschrieben wurden, das bereits einen Soll- oder Habensaldo aufwies. Entscheidend ist allein die Tatsache, daß die Darlehensmittel ihrem Wert nach in vollem Umfang von W entnommen worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 15.November 1990 IV R 63/88, BFHE 162, 562, BStBl II 1991, 238).
Etwas Gegenteiliges ergibt sich nicht aus den Ausführungen unter C. II. 5. i des Beschlusses des Großen Senats des BFH in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, 830. Dort ist hinsichtlich des sog. Zwei-Konten-Modells ausgeführt worden: "Unter dieser Voraussetzung sind die auf dem betrieblichen Kontokorrentkonto anfallenden Schuldzinsen regelmäßig auch dann Betriebsausgaben, wenn Beträge vom betrieblichen auf das private Kontokorrentkonto überwiesen werden, dadurch auf dem privaten Kontokorrentkonto Verbindlichkeiten getilgt werden und ein negatives betriebliches Kontokorrentkonto entsteht." Der zitierte Satz mag für sich gesehen mißverständlich sein. Durch ihn soll jedoch die Grundaussage des Beschlusses nicht eingeschränkt oder gar umgekehrt werden (vgl. auch Wacker, Betriebs-Berater ―BB― 1991, 248, 255). Aus dem Zusammenhang ergibt sich vielmehr, daß die Schuldzinsen in diesem Fall nur dann Betriebsausgaben sein können, wenn der negative Saldo auf dem betrieblichen Konto durch spätere betriebliche Aufwendungen entstanden ist. Dabei ist dann unerheblich, daß dieser negative Saldo unmittelbar auch dadurch verursacht wurde, daß der Steuerpflichtige zuvor durch seine Entnahmen dem betrieblichen Konto Guthaben entzogen hat (vgl. auch BFH-Urteil vom 15.November 1990 IV R 97/82, BFHE 162, 557, BStBl II 1991, 226, zu II. 2.). Entsteht oder erhöht sich dagegen ein Sollsaldo auf einem betrieblichen Kontokorrentkonto durch eine Entnahme, sind damit die Voraussetzungen eines sog. gemischten Kontos gegeben; es ist grundsätzlich nach den Ausführungen des Großen Senats unter C II. 4. und 5. zu verfahren. Diese Frage stellte sich im Streitfall allerdings nicht, denn hier geht es nicht um eine Kontokorrentschuld, sondern um das im Juni 1977 bei der Bank aufgenommene Darlehen.
Die Klägerin trägt vor, W habe im Laufe der Jahre von seinen Gewinnanteilen mehr stehen lassen, als er für die Entnahme benötigte. Das ―mit 6 v.H. verzinsliche― Gesellschafterdarlehen, das er auf diese Weise der Klägerin gewährt habe, sei durch die streitige Kreditaufnahme lediglich gemindert worden. Aus diesem Grund ist die streitige Darlehensschuld jedoch nicht Betriebsvermögen der Klägerin geworden.
Wären die Darlehensmittel allerdings dazu verwandt worden, eine betriebliche Schuld der Klägerin zu tilgen, dann läge der Verwendungszweck des Darlehens im betrieblichen Bereich (vgl. BFH- Urteil vom 15.November 1990 IV R 97/82, BFHE 162, 557, BStBl II 1991, 226, zu II. 4.). Das Guthaben des W auf seinem "freien" Kapitalkonto ist aber keine betriebliche Verbindlichkeit der Klägerin.
Bei dem "freien" Konto des Kommanditisten (W) handelt es sich hier um ein Beteiligungskonto. Die Tatsache, daß das Guthaben zu verzinsen ist, spricht nicht dagegen, denn eine Verzinsung der Kapitalanteile (vgl. § 121 Abs.1 u.2, § 168 Abs.1 des Handelsgesetzbuches ―HGB―) ist ebenfalls üblich und typisch (BFH-Urteil vom 3.Februar 1988 I R 394/83, BFHE 152, 543, BStBl II 1988, 551; vgl. auch Huber, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 1988/89, 301, 307 ff.) Gegen eine Darlehensforderung des W spricht der Umstand, daß nach dem Gesellschaftsvertrag die Verzinsung des Guthabens unterbleibt, wenn die Klägerin einen Verlust erwirtschaftet (§ 9 Abs.4 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags). Diese Bestimmung geht davon aus, daß die Kommanditeinlage des W und das Guthaben auf dem freien Konto "Einlagen" sind. So ist auf diesem Konto in der Bilanz zum 31.Dezember 1976 eine Einlage verbucht. Angesichts dessen sieht der Senat in dem freien Konto kein Darlehenskonto.
Ist der positive Stand des Kapitalkontos nicht einer Darlehensforderung des Gesellschafters gleichzusetzen, dann weist das Guthaben auch keine betriebliche Schuld der Klägerin, sondern allenfalls eine Verbindlichkeit im Rahmen des Gesellschaftsverhältnisses aus. Die Entnahme vom freien Konto ist nicht als Darlehensrückzahlung zu werten. Die streitige Darlehensaufnahme ist entsprechend nicht durch den Betrieb, sondern durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt.
Die Ersetzung einer Einlage, d.h. hier eines Guthabens auf dem Beteiligungskonto, durch Fremdmittel, kann durch den Betrieb veranlaßt sein. Entzieht der Gesellschafter z.B. durch die Entnahme der Gesellschaft liquide Mittel, die sie später benötigt und sich dann durch ein Darlehen beschafft, ist das Darlehen betrieblich veranlaßt es sei denn, Entnahme und Darlehensaufnahme sind zusammenhängende Vorgänge. Es steht dem Kaufmann grundsätzlich frei, Ausgaben durch eigene oder fremde Mittel zu tätigen. Sind die vorhandenen Mittel aber bereits für den Betrieb eingesetzt und entsteht der neue Finanzierungsbedarf nur dadurch, daß Gelder entnommen werden sollen, dann werden die Darlehensmittel nicht für betriebliche Zwecke aufgenommen und eingesetzt, sondern für die Entnahme.
Im Streitfall braucht nicht geprüft zu werden, ob die Klägerin im Zeitpunkt der Entnahme wenigstens teilweise über liquide Mittel verfügte, aus denen die Entnahme hätte finanziert werden können. Das FG hat für den Senat bindend festgestellt (§ 118 Abs.2 FGO), daß die Entnahme tatsächlich aus den Darlehensmitteln finanziert wurde. Ob die Klägerin den Sachverhalt hätte anders gestalten können, ist unerheblich. Die Besteuerung knüpft an den tatsächlich verwirklichten und nicht an einen möglichen Sachverhalt an.
Fundstellen
Haufe-Index 63858 |
BFH/NV 1991, 43 |
BStBl II 1991, 516 |
BFHE 164, 46 |
BFHE 1992, 46 |
BB 1991, 1159 |
BB 1991, 1159-1160 (LT) |
DB 1991, 1358-1359 (LT) |
DStR 1991, 771 (KT) |
HFR 1991, 526 (LT) |
StE 1991, 207 (K) |