Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewürztes Fleisch im zolltariflichen Sinn
Leitsatz (amtlich)
Gewürztes Fleisch im zolltariflichen Sinn liegt nur vor, wenn "die Würzstoffe mit bloßem Auge oder deutlich durch Geschmack wahrnehmbar sind" (Zusätzliche Vorschrift 6a zu Kap.2 GZT). Die geschmackliche Wahrnehmbarkeit ist nur dann deutlich, wenn sie regelmäßig nicht zweifelhaft sein kann. Die zitierte Vorschrift ist gültiges Gemeinschaftsrecht.
Normenkette
GZT Kap 2 ZusVorschr. 6a; GZT Tarifnr 02.02; GZT Tarifnr 16.02
Tatbestand
Am 21.August 1986 beantragte die Klägerin bei einem dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --HZA--) unterstehenden Zollamt, aus Ungarn eingeführte Waren, angemeldet als "Hähnchenbrüste, gewürzt, mit einem Anteil vom mehr als 57 GHT, ohne Knochen, Codenummer 1602 170 00", zum freien Verkehr abzufertigen. Das Zollamt entsprach dem Antrag und entnahm eine Probe. Der Zollbefund lautet: "Hühnerfleisch gefroren, ohne Knochen, augenscheinlich auf der Fleischoberseite mit Gewürzen behandelt". Mit vorläufigem Bescheid vom 25.August 1986 wies das Zollamt die Waren der Tarifnr.16.02 des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zu und erhob entsprechend Abschöpfung in Höhe von 50 639,82 DM. Nachdem die zuständige Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) nach Untersuchung der Probe zum Ergebnis gelangt war, daß die Ware als nicht gewürzt im Sinne der Zusätzlichen Vorschrift 6a zu Kap.2 GZT anzusehen sei, erließ das HZA am 28.Oktober 1986 einen Steueränderungsbescheid. Darin wies es die Ware der Tarifnr.02.02 GZT zu, erhob 18 844,50 DM Abschöpfungen und 1 249,22 DM Währungsausgleichsbeträge (WAB) nach und erklärte den Steuerbescheid für endgültig.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das FG ab.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat ohne Rechtsirrtum entschieden, daß die Klägerin durch den Steuerbescheid vom 28.Oktober 1986 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 11.März 1987 nicht in ihren Rechten verletzt ist. Das HZA hat die eingeführte Ware zu Recht der Tarifnr.02.02 GZT zugewiesen und die entsprechenden Eingangsabgaben erhoben.
Streitig zwischen den Beteiligten ist nur, ob es sich bei den eingeführten Waren um "gewürztes Fleisch" handelt. Trifft das zu, so fallen die Waren unter die Tarifnr.16.02 GZT, anderenfalls unter die Tarifnr.02.02 GZT (Zusätzliche Vorschrift 6a zu Kap.2 GZT; vgl. auch Vorschrift zu Kap.16 GZT). Als "gewürztes Fleisch" gilt nach der genannten Zusätzlichen Vorschrift in der hier anwendbaren Fassung der Verordnung (EWG) Nr.3330/85 (VO Nr.3330/85) des Rates vom 5.Dezember 1985 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG L-- 330/1) "ungegartes Fleisch, das im Inneren oder auf der ganzen Oberfläche derart gewürzt ist, daß die Würzstoffe mit bloßem Auge oder deutlich durch Geschmack wahrnehmbar sind". Das FG hat entschieden, daß die erste Alternative dieser Vorschrift (Würzstoffe mit bloßem Auge wahrnehmbar) nicht erfüllt ist. Die Revision hat das nicht angegriffen. Sie ist aber der Meinung, daß das FG die zweite Alternative der genannten Vorschrift ("deutlich durch Geschmack wahrnehmbar") unrichtig ausgelegt hat. Diese Auffassung teilt der Senat nicht.
Der Senat hält es zwar für zweifelhaft, ob die Auffassung des FG zutrifft, daß nach dieser Alternative nicht nur die Würzung als solche, sondern auch die Art des Gewürzes wahrnehmbar sein muß. Er braucht diese Frage jedoch nicht zu entscheiden. Denn das FG hat seine Entscheidung unabhängig von der genannten Auffassung auch damit begründet, daß die Würzung als solche nicht deutlich wahrnehmbar gewesen sei. Das trägt für sich allein die Vorentscheidung. Diese ist insoweit rechtlich nicht zu beanstanden. Die entsprechenden tatsächlichen Feststellungen des FG binden den Senat als Revisionsgericht (§ 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FG hat die Worte "deutlich durch Geschmack wahrnehmbar" zutreffend dahin verstanden, daß danach Fleisch nur dann als gewürzt angesehen werden kann, wenn die Würzung in einem "gesteigerten Maß" wahrnehmbar ist. Das ergibt auch Sinn und Zweck der Vorschrift. Diese will offensichtlich aus Gründen der Praktikabilität die Grenzfälle zwischen Würzung und Nichtwürzung dem letzteren Begriff zugeordnet wissen. Nach ihr ist also nur Fleisch als gewürzt anzusehen, bei dem die Tatsache der Würzung "deutlich" ist, d.h. regelmäßig nicht zweifelhaft sein kann.
Der erkennende Senat des FG hat festgestellt, daß es seinen Mitgliedern bei der Inaugenscheinnahme (sensorischen Prüfung) nicht möglich war, ein übereinstimmendes und sicheres Urteil darüber zu gewinnen, ob das Fleisch aus der betreffenden Probe gewürzt war. Er hat daraus ohne Rechtsirrtum den Schluß gezogen, daß damit das Tatbestandsmerkmal der deutlichen Würzung in der oben dargelegten Auslegung nicht erfüllt ist. Das FG konnte sich dabei durch die Aussagen des Sachverständigen bestätigt fühlen.
Die Klägerin kann sich schließlich nicht mit Erfolg auf die Ungültigkeit der Zusätzlichen Vorschrift 6a zu Kap.2 GZT berufen. Mit Urteil vom 8.Februar 1990 Rs.C-233/88 (amtlich noch nicht veröffentlicht) hat der EuGH auf das Vorabentscheidungsersuchen eines niederländischen Gerichts entschieden, der Rat habe mit der Einfügung der genannten Zusätzlichen Vorschrift in den GZT weder den Grundsatz der Rechtssicherheit noch das ihm zustehende Ermessen dadurch verletzt, daß er das Ergebnis einer sensorischen Prüfung zum Tarifierungskriterium erhoben habe; es gebe nämlich objektive sensorische Prüfungsverfahren, die in jüngerer Zeit entwickelt worden seien und Gegenstand nationaler und internationaler Normen, nämlich der DIN-Norm 10 954 und der ISO-Norm 4 120, seien. Der Senat schließt sich dieser Auffassung an.
Fundstellen
Haufe-Index 63389 |
BFH/NV 1990, 91 |
BFHE 162, 151 |
BFHE 1991, 151 |
BB 1990, 2330 (L) |
HFR 1991, 108 (LT) |
StE 1990, 433 (K) |