Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält an der Rechtsprechung nicht mehr fest, nach der u. U. bei leitenden Angestellten, die mindestens mit 25 v. H. am Gewinn beteiligt sind, ein der stillen Gesellschaft wirtschaftlich ähnliches Verhältnis wie eine stille Gesellschaft im Sinn des § 8 Ziff. 3 GewStG behandelt wird (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 213/60 S vom 5. Juni 1964, BStBl 1965 III S. 49).
Wird einem im Betrieb Tätigen laufend ein festes, zur Bestreitung seines Lebensaufwands ausreichendes Gehalt gezahlt, ist in der Regel auch dann ein Arbeitsverhältnis und nicht eine stille Gesellschaft anzunehmen, wenn daneben eine hohe Gewinnbeteiligung besteht.
Normenkette
GewStG §§ 7, 8 Ziff. 3
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der für die Erhebungszeiträume 1954 bis 1958 nach dem Gewerbeertrag festzusetzenden Steuermeßbeträge. Der seit 1946 im Unternehmen des Steuerpflichtigen tätige Sohn, der ab 1. März 1951 Einzelprokura erhielt, hatte in den Streitjahren folgende Bezüge:
----------- 1954 --------- 1955 ----- 1956 ----- 1957 ----- 1958 ------------ DM ----- DM ----- DM ----- DM ----- DM ----- DM Gehalt 12.9o1 13.691 -- 12.599 --- 13.721 --- 14.636 Provision (2 v. H. vom Umsatz) 27.892 29.875 32.206 --- 34.898 -- 37.987 Tantieme -- 50.000 80.000 46.597 --- 52.280 --- 67.216.Die im Betrieb des Steuerpflichtigen tätigen, mit ihm nicht verwandten Prokuristen X und Y erhielten folgende Bezüge:
X. ---------------------- Gehalt ---------------- Tantieme 1954 ----------------- 6.040,- DM -------------------- DM 1955 --------------------- 9.005,- DM ------------ 9.500,- DM 1956 --------------------- 9.750,- DM ----------- 13.500,- DM 1957 ------------------- 10.750,- DM ----------- 8.387,43 DM 1958 -------------------- 11.440,- DM ------------ 9.410,68 DM Y. 1954 -------------------- 7.019,60 DM ---------------------- DM 1955 -------------------- 8.991,50 DM ------------ 8.000,- DM 1956 -------------------- 9.650,-- DM ----------- 15.000,- DM 1957 ------------------- 10.750,- DM ------------- 8.387,43 DM 1958 ------------------- 11.440,-- DM ------------ 9.410,47 DM Die dem Steuerpflichtigen hiernach verbleibenden Gewinne sowie die Gesamtbezüge seines Sohne und der Prokuristen X. und Y. betrugen demnach:
---- Steuerpflichtiger ----- Sohn ----- Prokurist X. Prokurist Y. ---------- DM -------------- DM ----------- DM ------- DM 1954 -- 114.919 ---------- 90.793 ------- 6.040 ----- 7.019 1955 -- 136.633 --------- 123.566 ------ 18.505 ---- 16.991 1956 -- 167.589 ---------- 91.402 ------ 23.250 ---- 24.650 1957 -- 171.742 --------- 100.899 ------ 19.137 ---- 19.137 1958 -- 219.219 --------- 119.839 ------ 20.850 ---- 20.850.Das Finanzamt rechnete die gesamten Bezüge des Sohnes dem Gewinn des Steuerpflichtigen aus Gewerbebetrieb nach der Vorschrift des § 8 Ziff. 3 GewStG hinzu, nach der - auf Grund ihrer damals noch geltenden Fassung - nicht nur die Gewinnanteile des stillen Gesellschafters zuzurechnen waren, sondern auch Gehälter und sonstige Vergütungen jeder Art, die für eine Beschäftigung des stillen Gesellschafters im Betrieb gewährt wurden. Das Finanzamt ging zwar davon aus, daß der Sohn in den Streitjahren nicht als stiller Gesellschafter seines Vaters beteiligt, sondern lediglich als - leitender - Angestellter in dessen Unternehmen tätig war. Es erachtete jedoch die Voraussetzungen für die Annahme eines der stillen Gesellschaft ähnlichen Verhältnisses im Sinne der Rechtsprechung für gegeben (Urteile des Reichsfinanzhofs VI 391/38 vom 27. Juli 1938, RStBl 1938 S. 908, und VI 177/40 vom 17. Juli 1940, RStBl 1940 S. 915; Urteil des Bundesfinanzhofs I 139/54 S vom 22. November 1955, BStBl 1956 III S. 4 Slg. Bd. 62 S. 9).
Das Finanzgericht gab der Berufung, mit der sich der Steuerpflichtige gegen diese Zurechnung wandte, statt. Es lehnte die Zurechnung unter dem Gesichtspunkt des gesellschaftsähnlichen Verhältnisses mit der Begründung ab, daß dem der Gesetzeswortlaut entgegenstehe. Im übrigen seien auch die Voraussetzungen eines gesellschaftsähnlichen Verhältnisses im Sinne der Rechtsprechung nicht gegeben, da der Sohn im Betrieb des Steuerpflichtigen keine andere Stellung gehabt habe als die vergleichbaren fremden Angestellten.
Gegen die Angemessenheit der Bezüge hatte das Finanzgericht keine durchgreifenden Bedenken.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts hat im Ergebnis Erfolg.
Es kann dahingestellt bleiben, ob im Streitfall die Voraussetzungen für die Annahme einer der stillen Gesellschaft ähnlichen Beteiligung des Sohnes im Sinne der von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätze erfüllt sind. Der Senat hält an dieser Rechtsprechung nicht mehr fest. Hierzu wird auf das Urteil des Senats IV 213/60 S vom 5. Juni 1964 (BStBl 1965 III S. 49) hingewiesen. Eine Zurechnung ist daher nach § 8 Ziff. 3 GewStG nur möglich, wenn die Merkmale einer stillen Gesellschaft gegeben sind. Das haben Finanzamt und Finanzgericht mit Recht nicht angenommen.
Grundsätzlich ist ein Arbeitsverhältnis anzunehmen, wenn neben gewinnabhängigen Bezügen laufend ein festes, zur Bestreitung des Lebensaufwands ausreichendes Gehalt gezahlt wird. Dieser Annahme können allerdings die Umstände des Einzelfalls entgegenstehen, wenn z. B. neben dem Gehalt von Gewinn und Umsatz abhängige Vergütungen geleistet werden, die das Gehalt in einem erheblichen Umfang übersteigen. Bei einer solchen Sachlage ist zu prüfen, ob die Beteiligten durch gemeinsame Interessen wie Gesellschafter verbunden sind und der für den Betrieb tätige Vergütungsempfänger einen Einfluß auf die Geschäftsführung und Gestaltung des Betriebsergebnisses wie ein Mitunternehmer oder stiller Gesellschafter haben sollte. Das Finanzgericht, das zu diesen Fragen durch Zeugenvernehmung eingehend Beweis erhoben hat, ist zu der bedenkenfreien, den Senat bindenden Feststellung gelangt, daß der Sohn des Steuerpflichtigen in den Streitjahren lediglich die Stellung eines leitenden Angestellten hatte, dem keine Rechte eingeräumt waren, die über die eines Arbeitnehmers hinausgingen. Damit fehlt es an einer entscheidenden Voraussetzung für die Annahme einer stillen Gesellschaft, nämlich der Gleichordnung der Parteien (vgl. Urteil des Reichsgerichts II 148/33 vom 10. Oktober 1933, Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 142 S. 14, besonders S. 22; Urteil des Bundesfinanzhofs I 236/59 U vom 27. Februar 1963, BStBl 1963 III S. 370, Slg. Bd. 77 S. 145). Der Vorentscheidung ist in diesem Punkt beizutreten.
Bedenken bestehen jedoch gegen die Vorentscheidung insoweit, als sie sich auf die Angemessenheit der Bezüge des Sohnes bezieht.
Das Finanzamt hat im Einkommensteuerverfahren die gesamten Bezüge des Sohnes als Betriebsausgaben des Steuerpflichtigen anerkannt und den sich hernach ergebenden Gewinn auch bei der Gewerbesteuer zugrunde gelegt. Der Sohn, dem diese Beträge auch tatsächlich ausbezahlt worden sind, hat sie offensichtlich in vollem Umfange als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit versteuert. Im allgemeinen entspricht es dem Willen des Gesetzes und dient der Vereinfachung, den im Einkommensteuerverfahren festgestellten Gewinn auch für die Zwecke der Gewerbesteuer zu übernehmen (Urteil des Bundesfinanzhofs I 139/54 S). Das kann aber dann nicht gelten, wenn gegen die einkommensteuerliche Behandlung so starke Bedenken bestehen, daß sie im Gewerbesteuerverfahren durchgreifen müssen.
Das Finanzgericht hat zur Frage der Angemessenheit ausgeführt:
Den anderen Angestellten gegenüber sei der Sohn dadurch hervorgehoben, daß er unverhältnismäßig höhere Bezüge erhalten habe, die so hoch gewesen seien, daß sie in den einzelnen Jahren nur wenig hinter dem dem Betriebsinhaber verbleibenden Firmengewinn zurückblieben. Das sei mit den im Betrieb der Firma offenbar im übrigen herrschenden patriarchalischen Verhältnissen schwer vereinbar. Aus welchen Gründen der Betriebsinhaber seinem noch sehr jungen Sohn so hohe Bezüge gewährt habe, bleibe im letzten Grund ungeklärt. Es möge sein, daß dieser besonders tüchtig war und im Außendienst wesentlich zur Werbung neuer Kunden und damit zur Umsatzsteigerung beigetragen habe. Deshalb habe er auch im Gegensatz zu den anderen leitenden Angestellten Umsatzprovisionen in erheblicher Höhe erhalten. Daß er deshalb aber auch Tantiemen bekommen habe, die die Tantiemen der anderen Prokuristen um ein Mehrfaches überstiegen, sei nicht einleuchtend, zumal das mit der Bildung von Reserven nur schwer in Einklang zu bringen sei. Steuerlich könnten diese Bezüge und ihre Absetzbarkeit als Betriebsausgaben aber allenfalls nach § 6 Abs. 1 StAnpG beanstandet werden. Dazu müsse jedoch festgestellt werden, daß der Steuerpflichtige seinem Sohn so ungewöhnlich hohe Bezüge nur zum Zwecke der Steuerersparung habe zukommen lassen, wozu wiederum erforderlich sei, daß die Arbeitsleistung des Sohnes nicht so wertvoll gewesen sei, daß sie so hohe Vergütungen rechtfertige. Dafür aber bestünden keine hinreichenden Anhaltspunkte. Es sei nicht einmal zweifelsfrei zu widerlegen, daß der Sohn des Steuerpflichtigen nicht tatsächlich so tüchtig gewesen sei, daß er nicht auch bei einer anderen Firma ähnliche Bezüge erhalten hätte.
Diese Ausführungen geben zu Bedenken Anlaß. Der Vorsteher des Finanzamts wendet sich mit Recht gegen sie. Er führt aus: Wenn das Finanzgericht die Bezüge des Sohnes für so ungewöhnlich gehalten habe, hätte es sich nicht mit der Feststellung begnügen dürfen, daß eine Aufklärung der Gründe für ihre Gewährung nicht möglich sei. Es hätte versuchen müssen, eine den wirtschaftlichen Gegebenheiten entsprechende Lösung zu finden. Jedenfalls seien seine Ausführungen unbefriedigend und widerspruchsvoll.
Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Wie der erkennende Senat in seiner Entscheidung IV 205/58 U vom 29. Oktober 1959 (BStBl 1960 III S. 44, Slg. Bd. 70 S. 116) erneut betont hat, ist bei Arbeitsverhältnissen zwischen Eltern und Kindern besonders sorgfältig zu prüfen, ob die gewährte Vergütung angemessen ist, d. h. in einem noch vertretbaren Verhältnis von Leistung und Gegenleistung steht. Es mag dahingestellt bleiben, ob nicht schon Bedenken gegen die Angemessenheit im Hinblick auf die Gewinne bestehen, die dem im Betrieb mit vollem Arbeitseinsatz tätigen Steuerpflichtigen verblieben. Auffällig ist in jedem Falle das Verhältnis der Vergütungen des Sohnes zu den Vergütungen der anderen beiden leitenden Angestellten (Prokuristen), die um ein Vielfaches hinter den Bezügen des Sohnes zurückblieben. Auch wenn zu berücksichtigen ist, daß Arbeitsleistung und Arbeitserfolg eines nahen Angehörigen anders als bei einem fremden Angestellten zu bewerten sind, mußte die Vorinstanz bei der hier gegebenen Sachlage Anlaß zu entsprechenden Ermittlungen - § 243 Abs. 1 AO - sehen, zumal der Sohn im Gegensatz zu den beiden anderen Prokuristen neben höherem Gehalt bereits erhebliche Provisionen bezog. Ermittlungen sind auch möglich.
Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache geht an das Finanzgericht zur erneuten Entscheidung zurück.
Fundstellen
Haufe-Index 411265 |
BStBl III 1965, 51 |
BFHE 1965, 143 |
BFHE 81, 143 |