Entscheidungsstichwort (Thema)
Unvollständige Beurkundung des Grundstückskaufvertrags; Prozessuale Geltendmachung des Anspruchs aus § 16 GrEStG 1983
Leitsatz (NV)
1. Auf lediglich infolge unvollständiger Beurkundung nichtige Rechtsgeschäfte ist § 41 Abs. 1 AO 1977 grundsätzlich anwendbar.
2. Die (endgültige) Nichteintragung als Eigentümer schließt bei einer - nach sieben Jahren angestrebten - ,,Rückgängigmachung" eines Erwerbsvorgangs ein ,,Bestehenlassen des wirtschaftlichen Ergebnisses" nicht aus, wenn die ,,Rückgängigmachung" nach diesem Zeitraum der von vornherein getroffenen vertraglichen Vereinbarung entspricht.
3. Der Anspruch aus § 16 GrEStG 1983 kann im Klageverfahren wegen Anfechtung des (ursprünglichen) Grunderwerbsteuerbescheids nicht geltend gemacht werden. Er kann jedoch in dieses Klageverfahren im Wege der Klageänderung eingeführt werden. Dies setzt jedoch voraus, daß zuvor eine Entscheidung des FA über diesen Anspruch herbeigeführt worden ist.
4. Zur Zulässigkeit der Sprungverpflichtungsklage.
Normenkette
GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 16; AO 1977 § 41 Abs. 1; FGO § 45 Abs. 1, § 67
Verfahrensgang
Tatbestand
Durch notariell beurkundeten Vertrag erwarb der Kläger im Jahr 1975 einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück verbunden mit dem Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung. Streitig ist die Grunderwerbsteuerpflicht dieses Vorgangs.
Die A-KG beauftragte im Jahre 1972 einen Generalunternehmer mit der Bebauung eines ihr gehörigen Grundstücks. Geplant war ein Terrassenhaus mit . . . Wohnungen in mehreren Blöcken, sowie einem Restaurant, einer Schenke, einem Ladenlokal, einer Tiefgarage mit Einstellplätzen und fünf weiteren Garagen. Die KG beabsichtigte, das gesamte Gebäude als Bauherrin fertigzustellen und zu finanzieren. Die Eigentumswohnungen sollten anschließend im sog. Ersterwerbermodell veräußert werden. Bis März 1974 konnte jedoch nur ein Teil der Einheiten verkauft werden. Bereits im Jahre 1974 geriet die KG in Zahlungsschwierigkeiten gegenüber dem Generalunternehmer. Dieser erwirkte die Eintragung einer Sicherungshypothek auf dem Grundstück. Zu Beginn des Jahres 1975 traten auch Zinsrückstände gegenüber der finanzierten Bank ein. Die Gläubiger der KG verlangten den Beitritt ,,neuer Schuldner".
Die KG entwickelte deshalb ein neues Vertriebsmodell. Sie beabsichtigte nunmehr, die noch nicht verkauften Wohnungen unter Einschaltung der B-AG im Rahmen eines ,,modifizierten Bauherrenmodells" zu vertreiben. Danach sollten die Kapitalanleger jeweils eine zu 80 v. H. fertiggestellte Eigentumswohnung übernehmen, die von der KG zu einem Festpreis fertiggestellt werden sollte. Darüber hinaus sah die Konzeption im wesentlichen folgendes vor: Das notwendige Eigenkapital soll den Anlegern darlehensweise bis zu acht Jahren gestundet werden, so daß der Anleger eine Verlustrechnung ohne jeglichen Eigenkapitaleinsatz erhält. Die Zinsen für das gestundete Eigenkapital sind erst bei Rückzahlung des Darlehens, spätestens also nach acht Jahren fällig. Durch eine Mietgarantie soll sichergestellt werden, daß der Kapitaldienst für die aufzunehmende Hypothek unter Berücksichtigung der steuerlichen Vorteile aus den negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung voll abgedeckt ist. Die KG verpflichtet sich durch notarielle Urkunde, die Wohnung spätestens nach Ablauf von acht Jahren zurückzukaufen, es sei denn, der Käufer will seine Wohnung behalten. Nur in diesem Fall zahlt der Käufer das gestundete Eigenkapital zuzüglich Zinsen. Sollte der Verkäufer wirtschaftlich nicht in der Lage sein, die Wohnung zurückzunehmen, so steht dem Anleger eine Vertragsstrafe in Höhe des gestundeten Eigenkapitals nebst aufgelaufener Zinsen zu, so daß die endgültige Verpflichtung zur Zahlung des Eigenkapitals - auch wenn er die Wohnung behält - entfällt. Der Eigentümer hat dann also die Wohnung zum Preis der Fremdfinanzierung erworben. Der Verkäufer kann den Rückkauf der Wohnung vor Ablauf der achtjährigen Frist, frühestens nach drei Jahren verlangen, falls die von ihm garantierte Miete höher sein sollte als die tatsächlich erzielbare Miete, der Eigentümer aber gleichwohl die Einhaltung der Mietgarantie verlangt. Diese Konzeption kam in einem Exposé der AG zum Ausdruck.
Das ,,Bauherrenmodell" wurde folgendermaßen abgewickelt:
Zunächst erteilte der jeweilige Anleger der AG einen schriftlichen Vermittlungsauftrag. Aufgrund dieses Vermittlungsauftrags schloß die AG für den Anleger dann einen Wohnungseigentums-Kaufvertrag, einen Gesellschaftsvertrag mit den übrigen Anlegern, einen Baubetreuungsvertrag, einen Finanzierungsvertrag, einen Vermittlungs- und Finanzierungsbearbeitungsvertrag, einen Vermietungs- und Garantievertrag sowie einen Darlehensvertrag. Die Verträge - mit Ausnahme des Gesellschaftsvertrags - wurden mit der KG abgeschlossen. Alle Verträge, einschließlich des Wohnungseigentums-Kaufvertrags, wurden schriftlich abgeschlossen. Anschließend bot die KG in notariell beurkundeter Form den Anlegern den Rückkauf der Eigentumswohnung an. Das Angebot konnte frühestens am 1. Januar 1983 angenommen werden und bestand bis zum 31. Dezember 1983. Außerdem ließ sich die AG von den Anlegern eine notariell beurkundete Vollmacht zum Abschluß eines notariell beurkundeten Kaufvertrags erteilen.
Nach einem Schreiben der KG vom 10. April 1975 waren zu diesem Zeitpunkt noch folgende Bauleistungen zu erbringen: Fußbodenbelagarbeiten, Malerarbeiten, Tapezierarbeiten, sanitäre Fertiginstallation, Küchenspüle mit Warmwasserbereiter, Innentüren, Bepflanzung der Terrassenschalen, Gardinenschienen, Elektrofertiginstallation, Anstrich der Treppenhäuser, Gartenanlagen, Kinderspielplatz, Einzäunung und weitere Außenanlagen. Der Gesamtfertigstellungsgrad wurde mit 80 v. H. angegeben. Ab August 1975 wurden in den einzelnen Wohnungen, soweit sie noch nicht fertiggestellt waren, die noch ausstehenden Arbeiten nach und nach ausgeführt. Dabei wurden von den einzelnen Anlegern keine neuen Bauaufträge an die bereits beauftragten oder auch neu hinzugezogenen Bauunternehmungen erteilt. Die Malerarbeiten, die Fußbodenarbeiten und die Sanitärarbeiten wurden jeweils erst in Auftrag gegeben und ausgeführt, wenn für die jeweilige Wohnung ein Mietvertrag geschlossen worden war und der Einzug des Mieters bevorstand. Auf diese Weise wurden die beiden letzten Wohnungen des Terrassenhauses erst zum 1. April 1977 bewohnbar fertiggstellt. Das Gesamtgebäude wurde mit Schlußabnahmeschein im September 1977 von der Bauaufsichtsbehörde abgenommen. Bis auf eine Wohnung sind alle Wohnungen als steuerbegünstigt nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz (II. WoBauG) anerkannt worden.
Die vom Kläger erworbene Wohnung wurde am 30. September 1975 bezugsfertig. Ab 1. Dezember 1975 wurde sie vermietet. Am 22. Juni 1976 wurde sie als steuerbegünstigt anerkannt.
Der Kläger erteilte der AG den vorgesehenen Vermittlungsauftrag. Diese schloß für ihn am 12. Juni 1975 schriftlich die weiteren nach der Konzeption vorgesehenen Verträge ab, darunter einen Kaufvertrag über eine Wohnung. Durch notariell beurkundete Erklärung vom 28. November 1975 machte die KG das in der Konzeption vorgesehene Angebot zum Abschluß eines Rückkaufvertrags. Durch notariell beurkundete Erklärung vom 2. Dezember 1975 erteilte der Kläger der AG Vollmacht zum Abschluß des Kaufvertrags über das Wohnungseigentum. Im Dezember 1975 wurde dann der notariell beurkundete Kaufvertrag abgeschlossen, der im wesentlichen dem Inhalt des zuvor abgeschlossenen schriftlichen Kaufvertrags entsprach. Danach erwarb der Kläger einen Miteigentumsanteil an dem bezeichneten Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung sowie dem Sondernutzungsrecht an einem Tiefgarageneinstellplatz. Der Kaufpreis betrug . . . DM. Nach dem Vertrag sollte sich die Wohnung noch im Bau befinden und einen Fertigstellungsgrad von 80 v. H. besitzen. Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahren sollten mit dem Tag des Vertragsschlusses auf den Kläger übergehen. Die Auflassung wurde erklärt. Zugunsten des Klägers wurde eine Auflassungsvormerkung bewilligt. Diese wurde in der Folge auch im Grundbuch eingetragen. Der Notar wurde von beiden Vertragsparteien unwiderruflich angewiesen, Bewilligung und Antrag auf Umschreibung im Grundbuch erst dann zu veranlassen, wenn ihm dazu eine ausdrückliche schriftliche Anweisung des Verkäufers vorliegt. Eine Eintragung des Klägers im Grundbuch ist dann auch nicht erfolgt.
Durch notariell beurkundete Erklärung vom 22. Dezember 1983 nahm der Kläger das Rückkaufangebot der KG an. Die KG nahm die Wohnung jedoch tatsächlich nicht zurück und vermittelte auch keinen anderen Käufer. Der Kläger klagte daraufhin vor dem Zivilgericht zunächst auf Annahme der Rückauflassung und Freistellung der von ihm übernommenen Bankverbindlichkeiten. In Abänderung seines Klageantrags begehrte er dann Verurteilung der KG zur Übernahme der Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der Bank Zug um Zug gegen Bewilligung der Löschung der zu seinen Gunsten eingetragenen Auflassungsvormerkung. Dies wurde ihm durch Teilanerkenntnisurteil des Landgerichts (LG) zugesprochen. Ein vom Kläger darüber hinaus geltend gemachter Anspruch auf Erstattung von vom Kläger an die Bank erbrachter Tilgungsleistungen wurde vom LG durch Schlußurteil abgewiesen. Da die AG ihren Verpflichtungen aus dem Urteil des LG nicht nachkam, erwirkte der Kläger einen Beschluß des LG, mit dem er ermächtigt wurde, seine Befreiung von der Schuld gegenüber der Bank selbst vorzunehmen. Die KG wurde verpflichtet, ihm die zur Freistellung erforderlichen Kosten in Höhe von mindestens . . . DM vorauszuzahlen.
Der Kläger beantragte zunächst Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 1 Nr. 4 des damals geltenden Nordrhein-Westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau (GrEStWoBauG).
Das beklagte Finanzamt (FA) lehnte diese Steuerbefreiung ab und setzte durch Bescheid vom 10. Dezember 1979 gegen den Kläger Grunderwerbsteuer fest. Als Gegenleistung sah es dabei den Kaufpreis nach dem notariell beurkundeten Kaufvertrag an.
Hiergegen richtete sich die Klage. Mit dieser wurde geltend gemacht, der Erwerb des Klägers sei von der Grunderwerbsteuer befreit gewesen, im übrigen sei das zugrunde liegende Rechtsgeschäft formnichtig und darüber hinaus habe der Kläger nach § 17 Abs. 1 des damals geltenden Nordrhein-Westfälischen Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) einen Anspruch auf Erstattung der Grunderwerbsteuer.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Der notariell beurkundete Kaufvertrag vom 11. Dezember 1975 sei nicht formnichtig. Gegenstand des Erwerbsvorgangs sei das Sondereigentum an einer fertiggestellten Eigentumswohnung gewesen. Ein Anspruch aus § 17 GrEStG bzw. § 16 GrEStG 1983 stehe dem Kläger nicht zu.
Mit der Revision macht der Kläger sinngemäß Verletzung materiellen Rechts geltend.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Soweit der Kläger beantragt hat, die Grunderwerbsteuer wegen Rückgängigmachung des Erwerbs zu erstatten, ist die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Klage insoweit unzulässig ist.
1. Das FG hat im Ergebnis zu Recht die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids bejaht.
a) Der notariell beurkundete Vertrag vom Dezember 1975 ist ein Rechtsvorgang, der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des damals geltenden Nordrhein-Westfälischen GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt.
Der Senat kann offenlassen, ob dieser Vertrag - wie die Revision vorträgt - (form-)nichtig ist. Die Nichtigkeit könnte sich nach §§ 313, 125 und 139 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) daraus ergeben, daß die weiteren vom Kläger in diesem Zusammenhang abgeschlossenen Verträge (das ist vor allem der Vermittlungsvertrag mit der AG und der Baubetreuungsvertrag mit der KG) ebenfalls der notariellen Beurkundung bedurft hätten und deren aus dem Verstoß gegen das Formerfordernis sich ergebende Nichtigkeit wegen rechtlicher Einheit auch den - als solchen notariell beurkundeten - Vertrag über das Wohnungseigentum erfaßte (zu den Anforderungen an die Beurkundungspflicht im Zusammenhang mit ,,Bauherrenmodellen" vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 7. Dezember 1989 VII ZR 343/88, Lindenmaier-Möhring - LM -, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, Nr. 128 zu § 313 BGB). Auch bei (Form-)Nichtigkeit des Vertrags über das Wohnungseigentum würde der Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegen, da seine Unwirksamkeit (Nichtigkeit) nach § 41 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) für die Besteuerung unerheblich wäre.
Nach dieser Vorschrift ist die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts für die Besteuerung unerheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Diese Vorschrift ist für die Grunderwerbsteuer allerdings nicht uneingeschränkt anwendbar. Ein nach § 313 Satz 1 BGB der Beurkundung bedürftiger Vertrag, der jeglicher notarieller Beurkundung ermangelt, kann in keinem Fall nach § 41 Abs. 1 AO 1977 der Steuer aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Dezember 1975 II R 35/69, BFHE 118, 367, BStBl II 1976, 465). Denn das ,,wirtschaftliche Ergebnis" eines ,,Rechtsgeschäfts, das den Anspruch auf Übereignung begründet", ist nicht etwas Reales, sondern die vertragliche Begründung eines Anspruchs, dessen Bestand und Durchsetzbarkeit auf der Rechtsordnung beruht (vgl. Boruttau/Egly/Sigloch, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 12. Aufl., Vorbemerkung Rdnr. 357). Dagegen kann aber ein infolge unvollständiger Beurkundung unwirksames (nichtiges) Rechtsgeschäft gemäß § 41 Abs. 1 AO 1977 der Steuer aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegen. Denn hier wird der Anschein eines beurkundeten (und folglich wirksamen) Geschäfts erweckt, und zwar in einer Weise, die den damit verfolgten Zweck - nämlich den Eigentumswechsel - nach dem erweckten Anschein als eintretbar erscheinen läßt, weil die Beteiligten durch § 925a BGB nicht gehindert werden, die Übereignung herbeizuführen. Bei lediglich infolge unvollständiger Beurkundung nichtigen Rechtsgeschäften ist daher § 41 Abs. 1 AO 1977 grundsätzlich anwendbar mit der Folge, daß auch das nichtige Rechtsgeschäft der Steuer aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegen kann (Entscheidung des BFH vom 19. Juli 1989 II R 83/85, BFHE 158, 126, BStBl II 1989, 989). In diesen Fällen können die Beteiligten i. S. des § 41 Abs. 1 AO 1977 das wirtschaftliche Ergebnis des Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen, indem sie ihren Erklärungen gemäß auf die Erfüllung hinwirken. Die Beteiligten können hier ungeachtet der (ihnen bewußten oder unbewußten) Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts tatsächlich so handeln, als ob es gültig wäre. In einem solchen Fall entsteht damit der Grunderwerbsteueranspruch ungeachtet der Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts im Zeitpunkt von dessen Abschluß und der Höhe nach so, wie wenn das unwirksame Rechtsgeschäft seinem ganzen Inhalt nach gültig wäre.
Im Streitfall liegt - möglicherweise - ein nur infolge unvollständiger Beurkundung nichtiges Rechtsgeschäft vor, auf das § 41 Abs. 1 AO 1977 grundsätzlich Anwendung finden kann. Das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts haben die Beteiligten eintreten und bestehen lassen. Die Beteiligten haben sich zunächst genau an das den verschiedenen vertraglichen Abreden zugrunde liegende (wirtschaftliche) Konzept - wie es im Exposé der AG zum Ausdruck gekommen ist - und an die vertraglichen Abreden selbst gehalten. Nach diesen waren dem Kläger zunächst nur Besitz, Nutzen und Lasten an dem Wohnungseigentum (verbunden mit der zumindest beabsichtigten ertragsteuerrechtlichen Zurechnung) zu übertragen, sowie ein durch Vormerkung gesicherter Auflassungsanspruch. Die Umschreibung im Grundbuch sollte dagegen (noch) nicht erfolgen bzw. allein vom Veräußerer - der KG - abhängig sein. Erst im Jahre 1983 sollte der Kläger nach den dann bestehenden wirtschaftlichen Gegebenheiten entscheiden, ob er das Objekt - durch Annahme des ihm bereits unterbreiteten Angebots zum Abschluß eines Rückkaufvertrags - zurückgeben oder endgültig behalten will. In diesem über sieben Jahre bestehenden, aber von vornherein beabsichtigten ,,Schwebezustand" haben sich die Vertragsbeteiligten daher so verhalten, als seien die Vereinbarungen wirksam. Insoweit haben sie das wirtschaftliche Ergebnis eintreten und bestehen lassen.
Erst die danach vom Kläger angestrebte ,,Rückabwicklung" ist dann nicht vertragsgemäß zustande gekommen. Bei der besonderen Sachverhaltsgestaltung im Streitfall schließen die (endgültige) Nichteintragung des Klägers als Eigentümer im Grundbuch und die (zumindest von ihm angestrebte) ,,Rückgängigmachung" des Erwerbsvorgangs jedoch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 AO 1977 (Bestehenlassen des wirtschaftlichen Ergebnisses) nicht aus. Zwar erlischt der auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i. V. m. § 41 Abs. 1 AO 1977 gestützte Steueranspruch dann, wenn die Beteiligten vom Vollzug des (unwirksamen) Rechtsgeschäfts Abstand nehmen und sich gegenseitig die etwa ausgetauschten Leistungen zurückgewähren (vgl. BFH in BFHE 158, 126, BStBl II 1989, 989). Im Streitfall ist jedoch die ,,Rückgängigmachung" Teil des von vornherein vereinbarten Konzepts gewesen. Die ,,Rückgängigmachung" geschah dementsprechend nicht als Folge der - möglicherweise bestehenden - Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, sondern gerade entsprechend der von vornherein getroffenen vertraglichen Vereinbarung. Auch insoweit - d. h. bei der (vom Kläger angestrebten) ,,,,Rückgängigmachung" - haben sich die Beteiligten so verhalten, als seien die Verträge (der Vertrag) als solche gültig. Eine derartige Sachverhaltsgestaltung schließt es daher nicht aus, daß trotz (angestrebter) Rückgängigmachung ein ,,Bestehenlassen des wirtschaftlichen Ergebnisses" anzunehmen ist. Dieses Ergebnis entspricht dem Sinn und Zweck des § 41 Abs. 1 AO 1977. Bei Formwirksamkeit der Verträge hätten weder die Nichteintragung des Klägers im Grundbuch noch die (angestrebte) Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs die einmal bestehende Tatbestandsmäßigkeit beseitigt. Es entspricht dem Rechtsgedanken des § 41 Abs. 1 AO 1977, daß die (Form-)Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts dann steuerlich unerheblich sein soll, wenn die Beteiligten sich genauso verhalten haben, wie sie es bei Formwirksamkeit des Vertrags getan hätten.
Der Kläger hat die von ihm angestrebte Rückgängigmachung zivilrechtlich dadurch verwirklichen wollen, daß er das ihm eingeräumte Angebot zum Abschluß eines Rückkaufvertrags durch notariell beurkundete Erklärung angenommen hat. Auch in der von ihm erhobenen zivilrechtlichen Klage hat er Ansprüche geltend gemacht, die aus diesem Rückkaufvertrag ableitbar waren. Auch insoweit hat er sich also so verhalten, als seien die mit der KG getroffenen Verträge gültig. Es braucht nicht entschieden zu werden, wie der Fall zu beurteilen wäre, wenn der Kläger auch insoweit von vornherein zivilrechtlich Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts (der Rechtsgeschäfte) geltend gemacht hätte.
b) Im Ergebnis ebenfalls zu Recht hat das FG das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 1 Nr. 4 des damals geltenden Nordrhein-Westfälischen GrEStWoBauG verneint. Der Kläger hat kein Objekt ,,im Zustand der Bebauung" erworben. Gegenstand des Erwerbsvorgangs war vielmehr die fertiggestellte Eigentumswohnung. Der Kläger hat bereits vor Abschluß des notariell beurkundeten Kaufvertrags über das Wohnungseigentum mit dem Veräußerer - der KG - einen Baubetreuungsvertrag abgeschlossen, der diese zur Fertigstellung des Objekts verpflichtete. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags über das Wohnungseigentum war er daher in seiner Entscheidung über das ,,ob" und ,,wie" einer Bebauung (Fertigstellung) nicht mehr frei. Daraus ergibt sich, daß zwischen diesen Verträgen ein so enger sachlicher Zusammenhang besteht, daß der Erwerber bei objektiver Betrachtungsweise als einheitlichen Leistungsgegenstand das bebaute Objekt erhält (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 24. Januar 1990 II R 94/87, BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590, und vom 18. Oktober 1989 II R 85/87, BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181). Eine (Form-)Nichtigkeit einzelner oder aller dieser Verträge stünde diesem Entscheidungsergebnis wiederum nicht entgegen. Auch insoweit wäre die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts (der Rechtsgeschäfte) für die Besteuerung nach § 41 Abs. 1 AO 1977 aus den dargelegten Gründen (vgl. oben a) unerheblich.
Da bereits wegen des objektiven engen sachlichen Zusammenhangs zwischen den Verträgen der Gegenstand des Erwerbsvorgangs das fertiggestellte Objekt ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob diese Verträge - worauf das FG abstellt - nach dem Willen der Parteien so miteinander verbunden sind, daß sie miteinander ,,stehen oder fallen" sollen. Nicht mehr entscheidungserheblich ist es daher auch, ob das Objekt - wegen Bezugsfertigkeit vor Abschluß des notariell beurkundeten Kaufvertrags - überhaupt noch ,,als" im Bau befindlich zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs hätte gemacht werden können.
Da der Grunderwerbsteuertatbestand erfüllt, die begehrte Steuerbefreiung nicht zu gewähren ist und die Steuer der Höhe nach unstreitig ist, hat das FG im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen.
2. Soweit der Kläger Erstattung der Steuer wegen Rückgängigmachung des Erwerbs begehrt, ist die Klage entgegen der Auffassung des FG nicht unbegründet, sondern unzulässig.
Der Anspruch aus § 17 GrEStG bzw. § 16 GrEStG 1983 tritt als ein weiterer (gegenläufiger) Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis i. S. des § 37 Abs. 1 AO 1977 selbständig neben den Steueranspruch, über den regelmäßig gesondert entschieden wird. Hieran hat sich nach Auffassung des Senats auch durch das GrEStG 1983 nichts geändert. Der Senat kann daher offenlassen, ob auf den Streitfall bereits § 16 GrEStG 1983 oder noch der frühere § 17 GrEStG anzuwenden ist. Der Senat bleibt dabei, daß das prozessuale Anliegen in diesem Falle durch die Verpflichtungsklage in Gestalt der Vornahmeklage zu verfolgen ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 9. August 1989 II R 145/86, BFHE 158, 11, BStBl II 1989, 981). Im Streitfall hat der Kläger den Anspruch aus § 17 GrEStG bzw. § 16 GrEStG 1983 erstmals im finanzgerichtlichen Verfahren geltend gemacht.
Der Kläger darf allerdings einen entsprechenden prozessualen Anspruch im Wege der Klageänderung nach § 67 der Finanzgerichtsordnung (FGO) neu in einen Anfechtungsprozeß einführen (so auch Hofmann, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 5. Aufl., § 16 Tz. 9), wenn das FA einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält. Zu den Fällen der Klageänderung gehören auch die Fälle, in denen im Wege der Klagehäufung ein weiterer Klagegegenstand in das Verfahren eingeführt wird; hier im Sinne der evtl. Klagenhäufung (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 67 Tz. 6).
Dies ändert aber nichts daran, daß auch hinsichtlich der geänderten (neuen) Klage alle Prozeßvoraussetzungen vorliegen müssen. Das bedeutet im vorliegenden Fall, daß wegen des Anspruchs aus § 17 GrEStG bzw. § 16 GrEStG 1983 regelmäßig das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren abgeschlossen sein muß, ehe der entsprechende prozessuale Anspruch in das Verfahren eingeführt werden darf. Daran fehlt es bereits im vorliegenden Falle.
Ausnahmsweise ist allerdings auch eine Sprungverpflichtungsklage i. S. des § 45 Abs. 1 FGO möglich. Die Sprungverpflichtungsklage setzt aber voraus, daß das FA zuvor einen Antrag auf Erlaß eines entsprechenden Verwaltungsakts durch Verwaltungsakt abgelehnt hat. Dies ist im Streitfall nicht geschehen. Der Kläger hat vielmehr seinen behaupteten Anspruch unmittelbar beim FG geltend gemacht, ohne daß er zuvor eine Entscheidung des FA über diesen Anspruch herbeigeführt hat. Die Äußerungen des FA im finanzgerichtlichen Verfahren gegenüber dem FG zu dieser Frage beinhalten keinen ablehnenden Verwaltungsakt. Insoweit ist die Klage daher nicht - wie das FG meint - unbegründet, sondern unzulässig. Die Revision ist insoweit mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Klage unzulässig ist. Dies stellt keinen Verstoß gegen das ,,Verböserungsverbot" dar (vgl. BFH-Urteil vom 10. November 1987 VIII R 17-19/84, BFH/NV 1989, 278, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz 1975, § 10 d, Rechtsspruch 9).
Fundstellen
Haufe-Index 417832 |
BFH/NV 1992, 267 |