Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der steuerrechtlichen Beurteilung von Arbeitsverträgen zwischen Ehegatten.
Die gegen die Rechtsprechung erhobenen Bedenken veranlassen den Senat nicht zu einer änderung seiner Rechtsauslegung.
Normenkette
EStG § 15 Nr. 2, § 19/1, §§ 26, 26a, 26b
Tatbestand
Die Bgin., eine KG, betreibt eine Verlagsbuchhandlung. Gesellschafterinnen sind drei Schwestern. Der Ehemann der Komplementärin, die zu 46 v. H. beteiligt ist, ist seit dem 18. Oktober 1924 mit der Komplementärin verheiratet und ist seit dem 1. April 1924 in der Firma als Angestellter gegen Gehalt tätig; seit 1936 ist er Geschäftsführer. Die Bgin. will für das Streitjahr die Bezüge des Ehemanns als Betriebsausgaben abgesetzt haben. Das Finanzamt hat sie dem Gewinnanteil der Ehefrau zugerechnet.
Das Finanzgericht gab der Sprungberufung statt. Es führte aus, ein Arbeitsverhältnis sei ernsthaft begründet und durchgeführt worden. Der Ehemann sei schon bei der Vorgängerin, der Bgin., der früheren Einzelfirma seines Schwiegervaters, als Angestellter tätig gewesen; er habe am 20. Dezember 1938 mit der damaligen Alleininhaberin, seiner Schwiegermutter, einen schriftlichen Arbeitsvertrag geschlossen, der am 16. September bzw. 12. Oktober 1954 durch eine schriftliche Abmachung über die Alters- und Invaliditätsversorgung ergänzt worden sei. Die vereinbarten Bezüge seien gezahlt und über Gehaltskonto verbucht worden. Im Vertrag vom 20. Dezember 1938 sei gesagt, daß "bezüglich der Abzüge für Steuer, Sozialversicherung und dgl. ... die gesetzlichen Bestimmungen" gälten; die Kündigung des Dienstverhältnisses sei zum Schluß eines Kalenderjahres mit halbjährlicher Kündigungsfrist möglich. Der Schwiegervater habe testamentarisch bestimmt, daß der Ehemann seiner Tochter nicht Mitinhaber werden dürfe, so daß eine kapitalmäßige Beteiligung des Ehemanns ausgeschlossen sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Nach den Rechtsgrundsätzen der Entscheidungen des Senats I 170/59 S vom 19. Februar 1960, I 146/59 U und I 233/59 U vom 16. Februar 1960 (BStBl 1960 III S. 156 - 160, Slg. Bd. 70 S. 422, S. 414 und S. 417) konnte das Finanzgericht für die steuerliche Beurteilung ein Arbeitsverhältnis des Ehemanns zu der Bgin. nicht annehmen; denn der Ehemann und die Ehefrau zusammen waren nach den Grundsätzen, die der Senat in der Entscheidung I 228/58 U vom 14. Juli 1959 (BStBl 1959 III S. 331, Slg. Bd. 69 S. 181) entwickelt hat, an der Bgin. maßgebend beteiligt. Die Vorentscheidung war deshalb aufzuheben.
Bei der weiteren Behandlung des Streitfalles ist das Folgende zu beachten: Nach den vom Finanzgericht getroffenen Feststellungen kann eine Mitunternehmerschaft (ein mitunternehmerähnliches Verhältnis) zwischen den Ehegatten hinsichtlich ihrer Beteiligung an der Bgin. im Sinne der obenerwähnten Entscheidungen angenommen werden. Die Tätigkeit des Ehemannes im Betrieb der Bgin. war tragend, wie sich aus seiner langjährigen Stellung als Geschäftsführer ergibt. Der "Arbeitsvertrag" kann deshalb als ein mitunternehmerähnliches Verhältnis und das "Gehalt" als vereinbarter Anteil des Ehemanns am Gewinn aufgefaßt werden. Gegen die Angemessenheit der Gewinnverteilung zwischen den Eheleuten bestehen offenbar keine Bedenken. Daß die Vereinbarungen auch bürgerlich-rechtlich ernsthaft durchgeführt worden sind, hat das Finanzgericht festgestellt.
Die Bgin. hat in der mündlichen Verhandlung gegenüber dem zuvor gemäß § 294 Abs. 2 AO in diesem Sinne ergangenen Bescheid ausgeführt, es komme ihr auf die Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses, nicht auf eine Mitunternehmerschaft an; denn sie werde dabei hinsichtlich der Gewerbesteuer besser fahren für den Fall, daß das Bundesverfassungsgericht in dem anhängigen Normenkontrollverfahren die Vorschrift des § 8 Ziff. 5 GewStG (Zurechnung der Bezüge des mitarbeitenden Ehegatten) für nichtig erklären würde; außerdem würden dem Ehemann-Geschäftsführer bei Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses der Werbungskosten-Pauschbetrag gemäß § 9 a EStG und der erhöhte Sonderausgabenpauschbetrag gemäß § 10 c EStG zustehen. Die steuerrechtliche Beurteilung müsse, wie der Bundesfinanzhof auch sonst immer betone, an die von den Beteiligten gewählte bürgerlich-rechtliche Gestaltung, wenn sie ernsthaft durchgeführt worden sei, anknüpfen; man dürfe ein als Arbeitsvertrag gewolltes Rechtsverhältnis zwischen Ehegatten nicht in eine Mitunternehmerschaft umdeuten. Eine Mitunternehmerschaft könne im Streitfall schon deshalb nicht angenommen werden, weil der Erblasser ausdrücklich untersagt habe, den Ehemann später als Gesellschafter in die Firma aufzunehmen. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Beschluß vom 14. April 1959 (BStBl 1959 I S. 204 ff.) ausgesprochen, daß Arbeitsverhältnisse zwischen Ehegatten steuerlich beachtlich sein könnten; die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dürfe daran nicht vorbeigehen. Der IV. Senat des Bundesfinanzhofs habe in seiner Entscheidung IV 99/58 U vom 9. Juli 1959 (BStBl 1959 III S. 329, Slg. Bd. 69 S. 175) die Frage der Arbeitsverhältnisse zwischen Ehegatten auch anders beurteilt wie der I. Senat.
Diese Ausführungen geben keinen Anlaß zu einer anderen rechtlichen Beurteilung.
Der Senat hat in der Entscheidung I 231/56 S vom 3. Dezember 1957 (BStBl 1958 III S. 27, Slg. Bd. 66 S. 66) unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung anerkannt, daß ein Ehegatte Arbeitnehmer einer Personengesellschaft sein kann, an der der andere Ehegatte als Mitunternehmer beteiligt ist. In dem damaligen Streitfall wurde auch tatsächlich ein Arbeitsverhältnis anerkannt; ebenso z. B. in der Entscheidung I 71/57 U vom 28. Januar 1958 (BStBl 1958 III S. 112, Slg. Bd. 66 S. 290). Die Voraussetzungen, unter denen in solchen Fällen das Gehalt des in der Personengesellschaft mitarbeitenden Ehegatten als Betriebsausgabe gewinnmindernd abgesetzt werden kann, sind in der Entscheidung I 231/56 S - Abschn. III 4 - a. a. O. kurz angedeutet und in der Entscheidung I 228/58 U vom 14. Juli 1959 (BStBl 1959 III S. 331, Slg. Bd. 69 S. 181) präzisiert worden. Der Senat hat in den erwähnten Entscheidungen und zusammenfassend in der Entscheidung I 170/59 S vom 19. Februar 1960 (BStBl 1960 III S. 159, Slg. Bd. 70 S. 422) immer betont, daß sogenannte "Arbeitsverhältnisse" zwischen Ehegatten auch bürgerlich-rechtlich nicht in jeder Hinsicht wie schuldrechtliche Arbeitsverträge zwischen Fremden beurteilt würden; die eherechtlichen Vorschriften überlagern die arbeitsrechtlichen Bestimmungen; die Mitarbeit eines Ehegatten im Betrieb des anderen Ehegatten kann vom Tatbestand der Ehe nicht gelöst werden. Die Frage, wie Vereinbarungen zwischen Ehegatten über die entgeltliche Mitarbeit im Betrieb steuerrechtlich zu beurteilen sind, insbesondere unter welchen Voraussetzungen sie den betrieblichen oder den familiären Bereich berühren, ist eine Frage der Auslegung der steuerrechtlichen Vorschriften des § 4 Abs. 4 und des § 12 Ziff. 1 EStG. Ebenso ist ausschließlich nach steuerrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen, unter welche Einkunftsart des EStG die dem mitarbeitenden Ehegatten zugeflossenen Beträge fallen, insbesondere ob sie Einkünfte aus Gewerbebetrieb (ß 15 EStG) oder Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (ß 19 EStG) sind. Hier handelt es sich nicht um Fragen des Verfassungsrechts, sondern um solche der Auslegung des EStG (so auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. April 1959, BStBl 1959 I S. 207, Spalte links unten). Der Senat hat im Urteil I 170/59 S a. a. O. für Fälle der Mitarbeit von Ehegatten, in denen nach seiner Rechtsprechung ein Arbeitsverhältnis steuerlich nicht anerkannt werden kann, die Prüfung für geboten erachtet, ob zwischen den Ehegatten nicht eine Mitunternehmerschaft (ein mitunternehmerähnliches Verhältnis) besteht. Er hat dafür bestimmte Voraussetzungen aufgestellt. Ist ein solches Verhältnis zwischen den Ehegatten gegeben, so sind die Bezüge des mitarbeitenden Ehegatten nicht solche aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 EStG, sondern solche aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 EStG.
Die Bgin. mißversteht die Rechtsprechung des Senats, wenn sie von einer "Umdeutung" des "Arbeitsvertrags" in eine "Mitunternehmerschaft (ein mitunternehmerähnliches Verhältnis)" in dem Sinne spricht, als ob der Senat einen bürgerlich-rechtlich eindeutigen Arbeitsvertrag nur für steuerliche Zwecke in einen anderen bürgerlich-rechtlichen Vertragstypus eingeordnet hätte. In Wirklichkeit geht es darum, die Sachverhalte von Ehe und Mitarbeit im Betrieb, die in dieser Form nur bei Ehegatten zusammentreffen können und mit Rechtsverhältnissen zwischen Fremden darum nicht ohne weiteres und in jeder Hinsicht verglichen werden können, unter Berücksichtigung ihrer Eigenart und des steuerrechtlichen Auslegungsgrundsatzes der wirtschaftlichen Betrachtungsweise so gut es geht in das System des Einkommensteuerrechts einzupassen. Sachlich betrachtet wird das Unternehmen von beiden Ehegatten gemeinsam betrieben. Der Aufgabenkreis des einzelnen Ehegatten ist durch die Besonderheit der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse bestimmt, wie sie im Einzelfalle vorliegen. Die Rechtsprechung bezeichnet die Stellung des Ehemanns im Streitfalle als mitunternehmerähnlich, weil er nur mittelbar, nämlich über seine Ehefrau (also nicht streng bürgerlich-rechtlich betrachtet), "Mitunternehmer" ist. Diese Grundsätze beherrschen bereits die ständige Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (so Entscheidungen des Reichsfinanzhofs VI 401/38 vom 17. August 1938, RStBl 1938 S. 1003, Slg. Bd. 44 S. 320, und VI 270/41 vom 22. Oktober 1941, RStBl 1941 S. 883). Es ist zuzugeben, daß dabei verschiedene Auffassungen denkbar und möglich sind. Wie der Senat in der Entscheidung I 231/56 S - Abschn. III 3 - a. a. O. dargelegt hat, ist es in den parlamentarischen Beratungen des sogenannten übergangsgesetzes vom 26. Juli 1957 nicht gelungen, für diesen mehrschichtigen Fragenkomplex eine allseits befriedigende gesetzgeberische Lösung zu finden. Es liegt auf der Hand, daß es unter diesen Umständen der Rechtsprechung mit den Behelfen der Rechtsauslegung kaum gelingen wird, in dieser Frage, die man unter mancherlei Gesichtspunkten betrachten kann, unbestreitbare und unbestrittene Ergebnisse zu gewinnen. Der Senat hat die ihn leitenden Erwägungen vor allem in den Entscheidungen I 256/55 U vom 25. September 1956 (BStBl 1957 III S. 2, Slg. Bd. 64 S. 3), I 231/56 S a. a. O., I 228/58 U a. a. O. und I 170/59 S a. a. O. dargelegt.
Bei der von der Bgin. als "Umdeutung" bezeichneten Würdigung des Senats handelt es sich um die durch das Steuerrecht gebotene Beurteilung eines einmaligen und eigenartigen Tatbestands. Es kann darum keine Rolle spielen, daß der Erblasser untersagt hat, den Ehemann-Geschäftsführer als Gesellschafter in die Firma aufzunehmen; denn es geht hier nicht um seine handelsrechtliche Stellung zu den Gesellschaftern des Unternehmens, sondern um die steuerrechtliche Beurteilung des von den Ehegatten gemeinsam aus dem Unternehmen erzielten Ertrages.
Die Verfassungsmäßigkeit des § 8 Ziff. 5 GewStG, über die das Bundesverfassungsgericht voraussichtlich demnächst entscheiden wird, ist für die Streitfrage ohne Bedeutung. Im Streitfall geht es um die letztinstanzlich vom Bundesfinanzhof zu entscheidende selbständige Frage, unter welchen Voraussetzungen Arbeitsverhältnisse zwischen Ehegatten steuerlich anzuerkennen sind. Daß es, falls das Bundesverfassungsgericht die Vorschrift des § 8 Ziff. 5 GewStG für verfassungswidrig und nichtig erklärt, für die Bgin. günstiger sein würde, statt einer Mitunternehmerschaft (eines mitunternehmerähnlichen Verhältnisses) ein Arbeitsverhältnis des Geschäftsführers anzunehmen, ist richtig. Diese überlegung kann aber bei der Beurteilung der einkommensteuerrechtlichen Zweifelsfrage nicht entscheidend sein. Ebensowenig kommt es darauf an, ob der Geschäftsführer selbst infolge der Gewährung von Pauschbeträgen günstiger stehen würde, wenn seine Bezüge als Arbeitslohn im Sinne des § 19 EStG angesehen würden. Im übrigen ist es schon in der Entscheidung des Senats I 231/56 S - Abschn. III 4 - a. a. O. sowie im Gutachten des VI. Senats betreffend die steuerrechtlichen Wirkungen der zwischen Ehegatten vereinbarten allgemeinen Gütergemeinschaft (VI D 1/58 S vom 18. Februar 1959 - Ziff. 4 -, BStBl 1959 III S. 263, Slg. Bd. 69 S. 5) als zweifelhaft bezeichnet worden, ob überhaupt die Sondervorschriften für die Berechnung der Lohnsteuer bei Ehegatten-Arbeitsverhältnissen angewendet werden können. Gerade diese Zweifelsfrage zeigt deutlich eine Seite der Problematik der steuerlichen Behandlung von Arbeitsverhältnissen zwischen Ehegatten.
Die Behauptung der Bgin., die Rechtsprechung des Senats setze sich über die vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 14. April 1959 a. a. O. entwickelten Rechtsgrundsätze hinweg, trifft nicht zu. Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung die Vorschrift des § 26 a EStG für verfassungsmäßig erklärt. Davon geht auch der Senat aus, wie er das schon vorher in der Entscheidung I 231/56 S - Abschn. III 3 - a. a. O. getan hatte. Abgesehen davon, daß nicht jeder Satz aus den Gründen einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gesetzesähnliche Kraft hat und für die oberen Bundesgerichte verbindlich ist, stimmt die Rechtsprechung des Senats mit den Gedankengängen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in den entscheidenden Punkten offenbar überein. Das gilt einmal für den Grundsatz, daß ein Ehegatte Arbeitnehmer im Betrieb einer Personengesellschaft sein kann, an der der andere Ehegatte als Gesellschafter beteiligt ist; dann aber auch für die überlegung, daß sogenannte Arbeitsverhältnisse zwischen Ehegatten vom Wesen der Ehe her Eigenschaften haben, die sie von Arbeitsverhältnissen zwischen Fremden so wesentlich unterscheiden, daß sie steuerlich einer besonderen Beurteilung fähig sind.
Die Auffassung der Bgin., die Rechtsprechung des IV. Senats weiche von der Rechtsprechung des erkennenden Senats ab, trifft nicht zu. Die in der Entscheidung IV 99/58 U a. a. O. enthaltenen Rechtsausführungen decken sich mit denen des Senats, wie der IV. Senat im Rechtssatz selbst hervorhebt. Daß der IV. Senat von der Rechtsprechung des I. Senats, wie sie in der für alle Senate des Bundesfinanzhofs gemäß § 64 AO verbindlichen Entscheidung I 231/56 S a. a. O. niedergelegt ist, nicht abweichen wollte, dürfte sich auch aus dem Urteil IV 45/60 vom 15. Juni 1960 ("Der Betrieb" 1960 S. 863) ergeben.
Fundstellen
Haufe-Index 409740 |
BStBl III 1960, 422 |
BFHE 1961, 460 |
BFHE 71, 460 |