Leitsatz (amtlich)
Ein vom Hauptzollamt an eine andere Dienststelle der Finanzverwaltung gerichtetes Ersuchen um die Überprüfung von Steueranmeldungen hat nur dann verjährungsunterbrechende Wirkung, wenn aus ihm zu entnehmen ist, daß es sich auf Abgabenansprüche bestimmter Art und auf einen bestimmten Zeitraum bezieht und damit auf die Feststellung derart abgegrenzter Abgabenansprüche gerichtet ist.
Normenkette
AO § 147
Tatbestand
Streitig ist, ob die mit Steuerbescheid des zuständigen Hauptzollamts vom 30. Dezember 1958 von der Bgin. nachgeforderte Kohlenabgabe insoweit verjährt ist, als es sich um in der Zeit vom 1. Januar 1954 bis 31. Dezember 1956 entstandene Teilforderungen von insgesamt 1113,48 DM handelt.
In seiner Rb. gegen die die Verjährung bejahende Vorentscheidung rügt der Vorsteher des Hauptzollamts, daß die Vorinstanz unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 156/57 U vom 3. Juli 1958 (BStBl 1958 III S. 472, Slg. Bd. 67 S. 519), das im Gegensatz zu dem Urteil V 140/57 U vom 20. Februar 1958 (BStBl 1958 III S. 433, Bundeszollblatt -- BZBl -- 1958 S. 786, Slg. Bd. 67 S. 421) stehe, eine Reihe vom Hauptzollamt vorgenommener Handlungen nicht als verjährungsunterbrechende Maßnahmen anerkannt habe. Am 27. Dezember 1955 habe das Hauptzollamt seine Bezirkszollkommissariate beauftragt, die Kohlenbergbauunternehmen im Jahre 1956 auf die Richtigkeit ihrer Anmeldungen für die Kohlenabgabe vom Beginn des Jahres 1954 ab zu überprüfen. Dadurch sei die Verjährung der im Jahre 1954 entstandenen Abgabenforderungen unterbrochen worden. Am 7. März 1956 habe das Hauptzollamt auf Anfordern der Oberfinanzdirektion dieser eine Aufstellung aller der Kohlenabgabe unterliegenden Betriebe vorgelegt. Die Berichterstattung habe nach dem Inhalt der Verfügung der Oberfinanzdirektion den Zweck gehabt, die Prüfung der Unternehmen einzuleiten. Aus dem Zusammenhang ergebe sich, daß es sich bei der Vorlage der Aufstellung um einen Prüfungsauftrag handelte, der die Verjährung der Abgabenschulden aus den Jahren 1954 und 1955 unterbrochen habe. Durch Verfügung des Hauptzollamts vom 18. Dezember 1956 seien die Bezirkszollkommissariate erneut beauftragt worden, die Kohlenbergbauunternehmen auf die Richtigkeit ihrer Anmeldungen zur Kohlenabgabe von Beginn des Jahres 1955 an zu überprüfen; infolge dieser Unterbrechung habe eine Verjährung der Abgabenansprüche aus dem Jahre 1955 erst mit Ablauf des Jahres 1957 eintreten können. Schließlich habe das Hauptzollamt mit Bericht vom 20. Dezember 1957 auf Anweisung der Oberfinanzdirektion um die Durchführung einer Betriebsprüfung bei einer Reihe von Unternehmen, darunter bei der Bgin., ersucht. In diesem Ersuchen sei der Zeitraum, auf den sich die Prüfung erstrecken sollte, nicht beschränkt worden. Infolge dieser Unterbrechungshandlungen seien alle seit dem 1. Januar 1954 entstandenen Abgabenansprüche im Zeitpunkt des Erlasses des Steuerbescheides nicht verjährt gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. hat nur teilweise Erfolg.
Nach § Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaues im Kohlenbergbau sowohl in der Fassung vom 4. Mai 1957 (BGBl 1957 I S. 418, Auszug BZBl 1957 S. 265) als auch in der Fassung vom 30. November 1954 (BGBl 1954 I S. 358, Auszug BZBl 1955 S. 74) ist die Kohlenabgabe eine Verbrauchsteuer im Sinne der AO. Wie der Senat in anderer Sache entschieden hat, ist die Kohlenabgabe aber auch schon unter der Geltung der ursprünglichen Fassung des Gesetzes vom 23. Oktober 1951 (BGBl 1951 I S. 865, Auszug BZBl 1951 S. 538), die das nicht ausdrücklich besagt, als Verbrauchsteuer anzusehen. Seit ihrer Einführung gilt daher für sie die einjährige Verjährungsfrist des § 144 AO. Demgemäß würden die in den Jahren 1954, 1955 und 1956 entstandenen Abgabenforderungen gegen die Bgin. jeweils mit dem Ablauf der Jahre 1955, 1956 oder 1957 verjährt sein, sofern nicht Unterbrechungshandlungen im Sinne des § 147 Abs. 1 AO vorgenommen worden sind.
Wie der Senat in seinem Urteil VII 45/60 S vom 22. März 1961 (BStBl 1961 III S. 244) entschieden hat, unterbrechen Ermittlungsersuchen des Finanzamts (Hauptzollamts) um die Feststellung eines nach Abgabenart und Umfang abgegrenzten konkreten Steuertatbestandes, auch wenn sie an eine Dienststelle derselben Finanzverwaltung gerichtet sind, die Verjährung, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Steuerpflichtige von dem Ersuchen Kenntnis erhält und wann die ersuchte Stelle tätig wird. Im Streitfalle hat das Hauptzollamt durch Verfügung vom 27. Dezember 1955 die Bezirkszollkommissare seines Bezirks beauftragt, eine Reihe von Kohlenbergbauunternehmen -- darunter die Bgin. -- im Rechnungsjahr 1956 auf die Richtigkeit der Anmeldungen zur Festsetzung und Erhebung der Kohlenabgabe ab dem Jahre 1954 zu überprüfen. Das Ersuchen richtete sich an die Bezirkszollkommissare, die in § 1 des Gesetzes über die Finanzverwaltung vom 6. September 1950 (BGBl S. 448) zwar als Hilfsstellen des Hauptzollamts bezeichnet sind, aber nach Aufbau und Arbeitsweise der Zollverwaltung vom Hauptzollamt getrennte Dienststellen bilden, und erstrebte die Feststellung der in der Zeit vom 1. Januar 1954 an in den zu prüfenden Betrieben entstandenen Ansprüche an Kohlenabgabe, die möglicherweise im Zusammenhang mit dem Zechenverbrauch in den Anmeldungen der Betriebe nicht zutreffend angegeben waren. Es ging also um nach Abgabenart und Umfang abgegrenzte konkrete Steuertatbestände. Dem Ersuchen kommt daher -- ungeachtet dessen, daß es nicht ein einzelnes Unternehmen betrifft, sondern die Ersuchen um Prüfung einer Mehrzahl von Unternehmen zusammenfaßt -- verjährungsunterbrechende Wirkung zu, das heißt die Verjährung der im Jahre 1954 entstandenen Abgabenansprüche wurde unterbrochen mit der Wirkung, daß sie am 1. Januar 1956 von neuem zu laufen begann (§ 147 Abs. 3 AO). Diese neue Verjährung ist jedoch nicht dadurch unterbrochen worden, daß das Hauptzollamt auf Anfordern der Oberfinanzdirektion am 7. März 1956 die in seinem Bezirk der Kohlenabgabe unterliegenden Kohlenbergbauunternehmen gemeldet hat; denn dieser Bericht mag zwar den Zweck gehabt haben, der Oberfinanzdirektion als Unterlage für die etwa nun von ihr durchzuführenden Prüfungen zu dienen, er enthält aber keinerlei Ersuchen seitens des Hauptzollamts um derartige Prüfungen, so daß es an einer der Feststellung von Ansprüchen dienenden Handlung des zuständigen Finanzamts im Sinne des § 147 Abs. 1 AO fehlt.
Am 18. Dezember 1956 beauftragte das Hauptzollamt wiederum die ihm unterstellten Bezirkszollkommissare, eine Reihe angegebener Kohlenbergbauunternehmen -- darunter die Bgin. -- im Kalenderjahr 1957 auf die Richtigkeit der Anmeldungen zur Festsetzung und Erhebung der Kohlenabgabe ab dem Jahre 1955 zu überprüfen. Dieses Ersuchen diente nach seinem Wortlaut eindeutig der Feststellung der vom 1. Januar 1955 an entstandenen Abgabenansprüche und hat hinsichtlich der im Jahre 1955 entstandenen Ansprüche in gleicher Weise verjährungsunterbrechende Wirkung wie das ein Jahr zuvor ergangene Ersuchen. Dagegen hat es die ab 1. Januar 1956 neu laufende Verjährung der Ansprüche aus dem Jahre 1954 nicht unterbrochen. Denn ein Ersuchen um die Überprüfung von Steueranmeldungen hat nur dann verjährungsunterbrechende Wirkung, wenn aus ihm zu entnehmen ist, daß es sich auf Abgabenansprüche bestimmter Art und auf einen bestimmten Zeitraum bezieht und damit auf die Feststellung derart abgegrenzter Ansprüche gerichtet ist. Das Ersuchen des Hauptzollamts vom 18. Dezember 1956 bezog sich zwar, wie dargelegt, auf Ansprüche, die seit dem 1. Januar 1955 entstanden waren, aus ihm ist jedoch in keiner Weise zu entnehmen, daß es sich auch auf Abgabenansprüche aus dem Jahre 1954 bezog und sich auf deren Feststellung richtete. Diese Ansprüche sind daher -- da auch weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich ist, daß im Streitfall innerhalb des Jahres 1956 eine anderweitige Unterbrechung zum Beispiel durch Vornahme einer Prüfung des Betriebs stattgefunden hat -- mit Ablauf dieses Jahres verjährt.
Am 10. Dezember 1957 forderte die Oberfinanzdirektion von den Hauptzollämtern die Angabe der in ihren Bezirken ansässigen Großzechen und der Verkaufsgesellschaften, die für angeschlossene Zechen Anmeldungen abgaben. Ferner verlangte sie, ihr zwecks Unterbrechung der Verjährungsfrist bis zum 31. Dezember 1957 (genau) eine namentliche Aufstellung aller ab 1. Januar 1956 noch nicht geprüften Betriebe mit der Bitte um Durchführung einer Betriebsprüfung vorzulegen. Das Hauptzollamt führte daraufhin in einem Bericht vom 20. Dezember 1957 alle in seinem Bezirk ansässigen Großzechen -- darunter die Bgin. -- und Verkaufsgesellschaften an und bat, bei diesen und den im weiteren Text des Berichts genannten Kohlenbergbauunternehmen, die "ab 1. Januar 1956 noch nicht geprüft worden sind", eine Betriebsprüfung durchführen zu lassen. Dieses Ersuchen ist also, soweit es die Kohlenbergbauunternehmen betrifft, anders gefaßt als die oben angeführten Ersuchen an die Bezirkszollkommissare in den beiden vorangegangenen Jahren. Im Hinblick darauf aber, daß das Hauptzollamt im Jahre 1955 um Prüfung der Anmeldungen der Kohlenabgabe ab dem Jahre 1954, im Jahre 1956 um die Prüfung dieser Anmeldungen ab dem Jahre 1955 gebeten hatte, kann die Ende 1957 ausgesprochene Bitte um Prüfung der ab 1. Januar 1956 nicht geprüften Unternehmen, die weniger konkret gefaßt ist, gleichwohl dahin ausgelegt werden, daß sie auf die Feststellung der ab 1956 entstandenen, aber nur aus den Anmeldungen der Abgabe bekannten, nicht aber durch Prüfung in ihrem richtigen Umfang ermittelten Ansprüche gerichtet ist. Eine weitergehende Auslegung als diese ist weder für diesen Teil des Ersuchens noch bei der im Zusammenhang mit diesem Ersuchen ausgesprochenen Bitte um Prüfung auch der Großzechen und Verkaufsorganisationen, die selbst eine konkrete Zeitangabe nicht enthält, möglich. Dabei kann es bei der Fassung dieses Ersuchens dahingestellt bleiben, ob ihm eine weiterreichende Wirkung zuerkannt werden könnte, wenn in ihm die für die früheren Jahre bereits ausgesprochenen Prüfungsersuchen wiederholt worden wären. Denn es ist zweifelhaft, ob die Wiederholung eines Prüfungsersuchens als eine ernstlich auf die Feststellung bestimmter Abgabenansprüche gerichtete Handlung angesehen werden kann, wenn nach den Umständen Zweifel an der rechtzeitigen Erledigung auch des erneuten Prüfungsersuchens bestehen müssen.
Durch das im Bericht des Hauptzollamts vom 20. Dezember 1957 enthaltene Ersuchen an die Oberfinanzdirektion, unter anderem die Bgin. zu prüfen, ist demnach eine Unterbrechung der Verjährung der gegen diese im Jahre 1956 entstandenen, nicht aber der aus dem Jahre 1955 stammenden Abgabenansprüche eingetreten. Die Ansprüche aus dem Jahre 1955 sind demgemäß mit Ablauf des Jahres 1957 verjährt, da weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich ist, daß im Streitfall innerhalb dieses Jahres eine anderweitige Unterbrechung der Verjährung stattgefunden hat.
Nur für die Ansprüche aus dem Jahre 1956 lief daher ab 1. Januar 1958 eine neue Verjährungsfrist, die durch die im November 1958 bei der Bgin. schließlich vorgenommene Prüfung erneut unterbrochen wurde mit der Wirkung, daß ab 1. Januar 1959 abermals eine neue Verjährungsfrist begann. Diese Ansprüche konnten daher durch den am 5. Januar 1959 abgesandten Steuerbescheid vom 30. Dezember 1958 geltend gemacht werden.
Fundstellen
Haufe-Index 410141 |
BStBl III 1961, 371 |
BFHE 1962, 285 |