Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Wird das Vermögen einer Personengesellschaft unter ihre Gesellschafter entsprechend ihren bisherigen Anteilen am Betriebsvermögen geteilt und richten die bisherigen Gesellschafter damit Einzelunternehmen ein, in denen sie die Buchwerte der übernommenen Wirtschaftsgüter fortführen, so liegt darin keine Gewinnverwirklichung.
Werden einzelne Wirtschaftsgüter nicht aufgeteilt, sondern einem Mitgesellschafter zugeteilt, der die Mitgesellschafter wegen ihrer Anteile an den stillen Reserven in diesen Wirtschaftsgütern in Geld abfindet, so haben die abgefundenen Gesellschafter dadurch einen Gewinn, der bei der letzten einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns der Personengesellschaft (§ 215 Abs. 2 AO) zu erfassen ist.
Der Auseinandersetzungsgewinn der abgefundenen Gesellschafter ist in der Regel ein laufender Gewinn und kein nach § 16 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 Ziff. 1 EStG tariflich begünstigter Veräußerungsgewinn.
Normenkette
EStG § 15 Nr. 1, § 15/2, § 16 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, § 34 Abs. 2 Ziff. 1; AO § 215 Abs. 2
Tatbestand
Die Kaufleute B. und S. waren im Streitjahr 1953 Alleingesellschafter einer OHG und waren am Gewinn und Verlust zu gleichen Teilen beteiligt. Am 15. August 1953 lösten sie die OHG auf und teilten das bewegliche Betriebsvermögen unter sich. Jeder Gesellschafter führt seither mit den zum Buchwert übernommenen beweglichen Wirtschaftsgütern einen eigenen Betrieb fort. Nur das Betriebsgrundstück samt Gebäude wurde nicht geteilt, sondern von dem Gesellschafter S. allein übernommen, der seinen Mitgesellschafter B. wegen seines Anteils an den stillen Reserven dieses Grundstücks mit 55.967 DM abfand.
Das Finanzamt rechnete diese Abfindung dem laufenden Gewinn der OHG und dem Gewinnanteil des B. zu. Die Auffassung des B., der Betrag von 55.967 DM sei ein Veräußerungsgewinn im Sinne von §§ 16 und 34 EStG, lehnte es ab, weil ein solcher Veräußerungsgewinn eine Offenlegung aller stillen Reserven zur Zeit der Betriebsveräußerung voraussetze.
Der Einspruch und auch die Berufung hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht, dessen Entscheidung in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1961 S. 541 veröffentlicht ist, führte aus: Ein Veräußerungsgewinn setze eine Veräußerung voraus. Die Gesellschafter hätten hier jedoch das Vermögen der OHG real unter sich geteilt und damit je einen Betrieb als Einzelunternehmen fortgeführt. Eine solche Realteilung sei keine Veräußerung im Sinne von § 16 Abs. 1 EStG, sondern bedeute nur die Fortführung des bisherigen Betriebs in anderer Form. Die Gesellschafter seien darum an die Buchwerte der OHG gebunden. Eine Realteilung entfalle nicht dadurch, daß einzelne Wirtschaftsgüter einem Gesellschafter ganz zugewiesen würden, der dafür seinen Mitgesellschafter wegen der anteiligen stillen Reserven in Geld abzufinden habe. Nach dem Urteil des Reichsfinanzhofs VI 36/41 vom 29. Oktober 1941 (RStBl 1942 S. 1) sei ein nach § 34 Abs. 2 EStG steuerlich begünstigter Veräußerungsgewinn im Sinne von § 16 EStG nur anzunehmen, wenn alle stillen Reserven voll aufgedeckt würden. Das sei im Streitfall nicht geschehen.
Entscheidungsgründe
Auch die Rb. mußte als unbegründet zurückgewiesen werden.
Zutreffend hat das Finanzgericht es abgelehnt, bei der Realteilung des Vermögens einer Personengesellschaft unter ihre Gesellschafter entsprechend deren Anteilen am Vermögen eine Gewinnverwirklichung anzunehmen, sofern die Gesellschafter die ihnen zugeteilten Gegenstände nicht veräußern oder in ihr Privatvermögen überführen, sondern damit ein Einzelunternehmen einrichten und fortführen. Das Vermögen einer Personengesellschaft ist handelsrechtlich gesamthänderisch gebundenes Vermögen ihrer Gesellschafter; das Recht jedes Gesellschafters am Betriebsvermögen ist mit dem Recht seiner Mitgesellschafter belastet (Urteile des Bundesfinanzhofs I 117/60 S vom 29. November 1960, BStBl 1961 III S. 183, Slg. Bd. 72 S. 500; I 256/61 U vom 2. Oktober 1962, BStBl 1962 III S. 513, Slg. Bd. 75 S. 675). Bei der Aufteilung der Wirtschaftsgüter einer Personengesellschaft werden danach handelsrechtlich nicht die einzelnen Gegenstände des Betriebsvermögens, sondern die Gesamthandsrechte der Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen ausgetauscht. Diese handelsrechtliche Gestaltung ist auch der steuerlichen Beurteilung zugrunde zu legen. Der Bundesfinanzhof hat darum in den Urteilen I 17/52 U vom 6. Mai 1952 (BStBl 1952 III S. 183, Slg. Bd. 56 S. 473), I 165/59 vom 17. Mai 1960 ("Der Betrieb" 1960 S. 801; Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 16, Rechtsspruch 15) und I 256/61 U (a. a. O.) bei der realen Teilung des Vermögens einer Personengesellschaft unter die bisherigen Gesellschafter entsprechend ihrem Anteil am Gesellschaftsvermögen, sofern die Gesellschafter damit ein Einzelunternehmen fortführten und die Buchwerte übernahmen, eine Gewinnverwirklichung verneint. In der Entscheidung I 165/59 (a. a. O.) ist zutreffend darauf hingewiesen worden, daß unter den genannten Voraussetzungen der Vorgang der Realteilung wirtschaftlich nicht etwa so aufgefaßt werden könne, als ob jeder Gesellschafter die ihm zugeteilten Wirtschaftsgüter zunächst in sein Privatvermögen überführt und dann wieder in sein neues Einzelunternehmen eingebracht habe. Bei einer Realteilung und Fortführung von Einzelunternehmen wandelt sich nur das bisherige Mitunternehmerverhältnis im Sinne von § 17 Ziff. 2 EStG in eine Alleinunternehmerschaft im Sinne von § 15 Ziff. 1 EStG. Da aber die Mitunternehmerschaft und die Alleinunternehmerschaft einkommensteuerrechtlich gleichbehandelt werden, kann man die bloße änderung der Form der Unternehmerschaft nicht als Gewinnverwirklichung betrachten. Die stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern werden, da die Gesellschafter die Buchwerte für die übernommenen Wirtschaftsgüter fortführen, im Betrieb des neuen Einzelunternehmens später aufgedeckt, sei es bei ihrer Veräußerung, sei es bei ihrer Entnahme. Dafür, daß bei einer Realteilung keine Gewinnverwirklichung eintritt, spricht auch noch eine weitere überlegung. Unter der Voraussetzung, daß bei der Zusammenlegung von Gütern die Buchwerte fortgeführt werden, hat die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs darin keinen Vorgang der Gewinnverwirklichung gesehen. Es wird z. B. auf die Gutachten I D 1/59 U vom 26. August 1960 (BStBl 1961 III S. 31, Slg. Bd. 72 S. 78, unter B II 3 betreffend die Vermischung) und die Entscheidungen I 155/59 U vom 25. Mai 1962 (BStBl 1962 III S. 351, Slg. Bd. 75 S. 231) und I 182/60 U vom 25. Mai 1962 (BStBl 1962 III S. 354, Slg. Bd. 75 S. 238) hingewiesen. Dieser Grundsatz muß folgerichtig auch für den umgekehrten Fall der Realteilung gelten, soweit dem nicht besondere Vorschriften entgegenstehen (siehe Urteil des Bundesfinanzhofs I 256/61 U, a. a. O.).
Soweit indessen einzelne Wirtschaftsgüter auf Grund einer Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern von der Realteilung ausgenommen und einem Gesellschafter unter Barabfindung seiner Mitgesellschafter allein zugeteilt werden, haben die abgefundenen Gesellschafter ihren Anteil an den stillen Reserven dieser Wirtschaftsgüter verwirklicht und müssen das, was sie über den Buchwert hinaus erhalten haben, als Veräußerungsgewinn der Versteuerung zuführen. Der diese Wirtschaftsgüter übernehmende Mitgesellschafter hat sie in der Eröffnungsbilanz seines Einzelunternehmens mit dem auf ihn entfallenden Teil des bisherigen Buchwertes zuzüglich der Abfindungszahlungen an seine Mitgesellschafter zu aktivieren. Der auf die abgefundenen Gesellschafter entfallende Auseinandersetzungsgewinn ist bei der letzten einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der Personengesellschaft (§ 215 Abs. 2 AO) auszuweisen und den abgefundenen Gesellschaftern zuzurechnen.
Die Vorinstanzen sind demgemäß verfahren. Dem Finanzgericht ist auch beizutreten, wenn es den Auseinandersetzungsgewinn des abgefundenen Gesellschafters B. nicht als Veräußerungsgewinn im Sinne von § 16 EStG angesehen hat. § 16 Abs. 1 Ziff. 1 EStG setzt voraus, daß ein Betrieb oder ein Teilbetrieb im Ganzen veräußert wird. Hier haben die Gesellschafter nur das Betriebsgrundstück einem von ihnen übertragen. Das bedeutet nicht die Veräußerung eines Teilbetriebs. Eine solche setzt voraus, daß mit dem veräußerten Teil des Unternehmens selbständig ein Gewerbebetrieb aufrechterhalten werden kann (Littmann, Das Einkommensteuer-Recht, 7. Aufl., § 16 Anm. 2). Davon kann im Streitfall keine Rede sein. Hier ist ein Betriebsteil, nicht jedoch ein Teilbetrieb übertragen worden.
Der Vorgang war auch keine Betriebsaufgabe im Sinne von § 16 Abs. 3 EStG. Eine solche hätte vorausgesetzt, daß der Gewerbebetrieb zu bestehen aufgehört hätte (Littmann, a. a. O., § 16 Anm. 6). Hier wurde jedoch der bisherige Betrieb in der Form zweier Einzelunternehmen fortgeführt.
Das Finanzgericht hat demnach den durch die übertragung des Betriebsgrundstücks entstandenen Gewinn zu Recht nicht als Veräußerungsgewinn im Sinne von § 16 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 Ziff. 1 EStG betrachtet. Der Streitfall ist anders gelagert als der Fall des Urteils des Bundesfinanzhofs I 197/61 vom 6. Februar 1962 (BStBl 1962 III S. 190, Slg. Bd. 74 S. 506). Denn damals überführte bei der Auflösung einer aus Vater und Sohn bestehenden OHG der Vater die Grundstücke in sein Privatvermögen, während im Streitfall das Betriebsgrundstück notwendiges Betriebsvermögen des S. wurde.
Fundstellen
Haufe-Index 410870 |
BStBl III 1963, 492 |
BFHE 1964, 472 |
BFHE 77, 472 |