Leitsatz (amtlich)
Wandelt ein Kommanditist und atypischer stiller Gesellschafter einer GmbH & Co. KG seine Beteiligungen in eine stille Gesellschaft ohne Teilhabe am Verlust um, so bleibt er gleichwohl Mitunternehmer, wenn er rechtlich und tatsächlich eine Stellung behält, die ihm einen unternehmerischen Einfluß auf die Kommanditgesellschaft bei gleichzeitig hohem Kapitalrisiko sichert.
Normenkette
EStG § 15 Nr. 2
Tatbestand
Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang. Streitig ist, ob der Beigeladene und Revisionskläger zu 2. (Beigeladener) Mitunternehmer der Klägerin und Revisionsklägerin zu 1. (Klägerin) ist.
Die Klägerin ist eine KG, ihre persönlich haftende Gesellschafterin ist die X-GmbH (GmbH). An dieser waren bis zum 31. Dezember 1967 der Beigeladene mit einem Anteil von 15 000 DM, sein Sohn A mit 4 000 DM und seine Ehefrau B mit 1 000 DM beteiligt. Ab 1968 übernahm B den Kapitalanteil ihres Ehemannes.
Kommanditisten und atypische stille Gesellschafter der Klägerin waren bis zum 31. Dezember 1967 der Beigeladene, seine Ehefrau B, sein Sohn A sowie seine Töchter C, D und E mit folgenden Anteilen:
Kommanditanteile stille Beteiligungen
bis 1965 1966 1967 1965 1966 1967
DM DM DM DM DM DM
1. Beigel. 371 250 706 450 706 450 375 000 710 000 710 000
2. A. 99 000 199 000 199 000 100 000 200 000 200 000
3. B. 24 750 49 750 49 750 25 000 50 000 50 000
4. C. - 19 900 19 900 - 20 000 20 000
5. D. - 9 950 9 950 - 10 000 10 000
6. E. - 9 950 9 950 - 10 000 10 000
495 000 995 000 995 000 500 000 1 Mio. 1 Mio.
Mit Schreiben vom 30. Juni 1967 erklärte der Beigeladene gegenüber der Klägerin, er kündige seinen Kommanditanteil von 706 450 DM zum 31. Dezember 1967, sei aber bereit, davon 700 000 DM der KG als weitere stille Beteiligung gegen Gewinnbeteiligung zu belassen. In dem Schreiben heißt es weiter:
"Durch mein Ausscheiden mit Ablauf des 31.12.1967 wird aus meiner bisherigen atypischen Beteiligung in Höhe von 710 000 erhöht um eine weitere stille Beteiligung von 700 000 DM eine echte stille Beteiligung in Höhe von 1 410 000 DM."
Am 19. Dezember 1967 schied der Beigeladene als Kommanditist aus der Klägerin und als Gesellschafter aus der GmbH aus. Zugleich schloß er mit der Klägerin eine als "stiller Gesellschaftsvertrag" bezeichnete Vereinbarung. Danach steht die alleinige Geschäftsführung der Klägerin der GmbH zu. Diese bedarf jedoch zur Vornahme von Handlungen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen, der vorherigen Zustimmung des Beigeladenen. Ihm stehen die Rechte aus § 716 BGB zu. Vom jährlichen Reingewinn des Unternehmens der Klägerin erhält er mindestens 52,2 v. H. Am Verlust ist er nicht beteiligt. Nach Auflösung der stillen Gesellschaft beschränkt sich sein Auseinandersetzungsanspruch auf die Rückzahlung seiner Einlage und den noch nicht ausgezahlten Gewinn. Wörtlich heißt es im Gesellschaftsvertrag:
"An den während des Bestehens der stillen Gesellschaft gebildeten offenen Rücklagen sowie an solchen stillen Reserven, die über das Maß der gebotenen kaufmännischen Sorgfalt hinausgehen, hat er (der Stille) keinen Anteil."
An einem Firmenwert und an den zur Zeit der Auflösung schwebenden und noch nicht realisierten Geschäften ist der Beigeladene nicht beteiligt. Er darf sich während des Bestehens der stillen Gesellschaft weder unmittelbar noch mittelbar an Geschäftsunternehmen gleicher oder ähnlicher Art, wie sie die Klägerin betreibt, beteiligen.
Der Beigeladene blieb weiterhin Geschäftsführer der GmbH mit einem Gehalt von jährlich 150 000 DM und einer Tantieme von 1 v. H. des Umsatzes der Klägerin, mindestens aber 200 000 DM. Außerdem zahlte ihm die Klägerin für die Nutzung der von ihm entwickelten Geräte und Verfahren jährlich 200 000 DM. Insgesamt erhielt er im Streitjahr von der Klägerin außer seinem Gewinnanteil einen Betrag in Höhe von 571 767 DM, den die Klägerin als Betriebsausgaben verbuchte. Außerdem bildete die GmbH für die dem Beigeladenen gegenüber bestehende Pensionsverpflichtung eine Rückstellung von 223 153 DM, um den die Klägerin ebenfalls ihren Gewinn minderte.
Geschäftsführer der GmbH waren neben dem Beigeladenen, der für den Bereich Technik und die technische Seite und Abwicklung von Patenten und Lizenzen zuständig war, zwei weitere Geschäftsführer.
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung, die auch das Jahr 1968 umfaßte, vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, der Beigeladene sei nicht als echter, sondern als atypischer stiller Gesellschafter und damit als Mitunternehmer anzusehen. Das FA behandelte die Gewinnanteile des Beigeladenen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb und die Aufwendungen der Klägerin für Gehalt, Tantieme und Lizenzgebühren als Vergütungen nach § 15 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Auf die Revision der Klägerin hob der Bundesfinanzhof (BFH) durch (nichtveröffentlichtes) Urteil vom 6. Februar 1974 I R 134/72 die Vorentscheidung auf und verwies die Sache aus verfahrensrechtlichen Gründen an das Finanzgericht (FG) zurück. Dieses wies auch im zweiten Rechtsgang die Klage ab. Es führte zur Begründung seiner Entscheidung aus:
Der Beigeladene habe nicht die Absicht gehabt, sich aus der bisher in dem Unternehmen innegehabten Stellung in einer Weise zu lösen, die eine Beendigung der Mitunternehmerschaft bedeute. Sein Übergewicht an Kapitalbeteiligung sei sogar noch verstärkt worden. Im Rahmen der Unternehmensführung habe er alle entscheidenden Befugnisse, die sich durch die besondere Gestaltung seiner Geschäftsführerrechte und die Einflußmöglichkeiten als überragend Kapitalbeteiligter ergeben hätten, behalten. Der Ausschluß der Verlustbeteiligung und der teilweise Ausschluß von der Beteiligung an den stillen Reserven schließe die Mitunternehmerschaft nicht aus.
Mit ihrer Revision machen die Klägerin und der Beigeladene geltend, das angefochtene Urteil verletze die §§ 15 Nr. 2 und 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Das FG habe den Beigeladenen zu Unrecht als Mitunternehmer behandelt.
Gerügt wird außerdem Verletzung des § 76 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Im zweiten Rechtsgang sei Rechtsanwalt M als Zeuge dafür benannt worden, daß die Klägerin und der Beigeladene mit Abschluß des stillen Gesellschaftsvertrages eine echte stille Gesellschaft hätten begründen wollen. Das FG habe dieses Beweisangebot übergangen.
Die Klägerin und der Beigeladene beantragen,
das angefochtene Urteil und den dem Rechtsstreit zugrunde liegenden einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid sowie die Einspruchsentscheidung insoweit aufzuheben, als der Beigeladene bei der Gewinnfeststellung als atypischer stiller Gesellschafter und demgemäß als Mitunternehmer behandelt worden ist.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Das FG hat den Beigeladenen zu Recht als Mitunternehmer (§ 15 Nr. 2 EStG) angesehen.
Mitunternehmer ist, wer eine Unternehmerinitiative entfalten kann und ein Unternehmerrisiko trägt (vgl. BFH-Urteile vom 9. Oktober 1969 IV 294/64, BFHE 98, 21, BStBl II 1970, 320; vom 28. November 1974 I R 232/72, BFHE 114, 418, BStBl II 1975, 498, und vom 9. Dezember 1976 IV R 47/72, BFHE 120, 534, BStBl II 1977, 155, jeweils mit weiteren Hinweisen). Ob diese Merkmale vorliegen, ist unter Berücksichtigung aller die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmenden Umstände zu würdigen. Gewöhnlich ist der Mitunternehmer außer am Gewinn auch am Verlust und am Vermögen des Unternehmens sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich des Geschäftswerts beteiligt. Je nach den Umständen des Falles können jedoch auch andere Gesichtspunkte in den Vordergrund treten (vgl. BFH-Urteile vom 28. Januar 1971 IV 127/64, BFHE 102, 362, BStBl II 1971, 662; IV 294/64).
a) Im Streitfall ergibt sich aus den zwischen den vertragschließenden Parteien getroffenen Vereinbarungen nicht eindeutig, ob der Beigeladene wenigstens zum Teil an den stillen Reserven der Klägerin beteiligt werden sollte. Dagegen spricht die Bestimmung im Gesellschaftsvertrag, daß sich der nach Auflösung der stillen Gesellschaft in der Person des Beigeladenen entstehende Auseinandersetzungsanspruch auf die Rückzahlung seiner Einlage sowie den ihm zustehenden, noch nicht ausgezahlten Gewinnanteil lt. der auf den Beendigungstag aufzustellenden Steuerbilanz beschränken soll (§ 8 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags). In einem gewissen Gegensatz dazu steht der nachfolgende Satz, daß der Beigeladene an solchen stillen Reserven, "die über das Maß der gebotenen kaufmännischen Sorgfalt hinausgehen" keinen Anteil habe. Diese Formulierung könnte darauf hindeuten, daß der Beigeladene wenigstens an einem Teil der stillen Reserven beteiligt sein sollte. Das FG hat die Bedeutung des § 8 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags nicht im einzelnen untersucht, die Bestimmung aber offenbar in dem Sinn verstanden, daß die Beteiligung des Beigeladenen an den stillen Reserven der Klägerin "zum Teil ausgeschlossen sein sollte" (S. 13 der Urteilsgründe). Die Frage kann indessen offenbleiben, weil das FG zu Recht davon ausgegangen ist, daß sowohl der fehlenden Verlustbeteiligung als auch dem teilweisen Ausschluß der Beteiligung an den stillen Reserven keine entscheidende Bedeutung zukommt. In den Vordergrund tritt vielmehr die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit des Beigeladenen, in starkem Maße auf die Geschicke des Unternehmens der Klägerin Einfluß zu nehmen. Dieser Einflußmöglichkeit kommt das Gewicht einer Unternehmerinitiative zu. Zu berücksichtigen ist dabei einmal der Handlungsspielraum des Beigeladenen als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH. Hinzu treten die Rechte, die sich daraus ergeben, daß Handlungen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen, seiner Zustimmung bedürfen; diese Rechte werden insbesondere dann wirksam, wenn er als Geschäftsführer der GmbH ausscheidet. Die Rechtsstellung des Beigeladenen geht schon dadurch wesentlich über die eines stillen Gesellschafters hinaus, der im Regelfall nur beanspruchen kann, daß der Inhaber nicht ohne seine Zustimmung wesentliche Grundlagen des Gewerbebetriebs ändert (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 25. September 1963 V ZR 133/61, Der Betriebs-Berater 1963 S. 1277 - BB 1963, 1277 -). Sie entspricht vielmehr dem Recht des Kommanditisten, Handlungen der persönlich haftenden Gesellschafter zu widersprechen, wenn sie über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgehen (§ 164 HGB; für von der Geschäftsführung ausgeschlossene Gesellschafter einer OHG vgl. § 116 Abs. 2 HGB). Berücksichtigt man neben dem Zustimmungsrecht des Beigeladenen und seinen Rechten und Möglichkeiten als Geschäftsführer der GmbH noch zusätzlich, daß der Beigeladene wichtigster Kapitaleigner und Inhaber - an die KG überlassener - wertvoller gewerblicher Schutzrechte ist, so wird deutlich, daß er faktisch im Unternehmen der KG das entscheidende Wort spricht. Seine Einflußmöglichkeit ist mithin weit stärker als die eines Kommanditisten und zugleich stärker als die der übrigen Geschäftsführer der GmbH.
b) Unter dem Gesichtspunkt dieser Unternehmerinitiative erlangen auch die Risiken, die den Beigeladenen mit dem Unternehmen der Klägerin verbinden, die Bedeutung eines Unternehmerrisikos. Durch die Gewinnbeteiligung von über 50 v. H. ist der Beigeladene von der Entwicklung der Ertragslage bei der Klägerin in hohem Maße persönlich betroffen. Das FG hat festgestellt, daß seine Einlage zum 1. Januar 1969 auf 1 810 000 DM aufgestockt worden ist. Diese erhebliche Kapitalbeteiligung kann sich zwar nicht durch Verlust verringern. Der Beigeladene kann sie aber ganz oder zum Teil verlieren, wenn sich die Vermögenslage der Klägerin wesentlich verschlechtert. Gleiches gilt für die im Unternehmen der KG eingesetzten gewerblichen Schutzrechte des Beigeladenen. Mögen diese Risiken auch einzeln betrachtet solche sein, wie sie auch der typische stille Gesellschafter und der Gläubiger bei Hingabe eines partiarischen Darlehens zu tragen haben, so verdichten sie sich in ihrer Gesamtschau zum Unternehmerrisiko, weil der Beigeladene kraft seiner Unternehmerinitiative wesentlich die Bedingungen bestimmt, die das Schicksal seiner Beteiligung und seiner in der KG eingesetzten gewerblichen Schutzrechte beeinflussen. Der Beigeladene ist mit der Entwicklung des Unternehmens der Klägerin außerdem auch noch durch ein Wettbewerbsverbot verbunden (vgl. BFH-Urteil IV 294/64).
2. Wandelt demnach ein Kommanditist und atypischer stiller Gesellschafter einer GmbH & Co. KG seine Beteiligungen in eine stille Beteiligung ohne Teilhabe am Verlust um, so bleibt er gleichwohl Mitunternehmer, wenn er rechtlich und tatsächlich eine Stellung behält, die ihm einen unternehmerischen Einfluß auf die KG bei gleichzeitig hohem Kapitaleinsatz sichert. Daher kommt es im Streitjahr nicht mehr darauf an, ob der Wille der vertragschließenden Parteien darauf gerichtet gewesen ist, den Kläger zum typischen stillen Gesellschafter zu machen. Auch wenn diese Absicht bestanden hätte, wäre es den Parteien jedenfalls nicht gelungen, durch ihre Vertragsgestaltung die Stellung des Beigeladenen als Mitunternehmer zu beseitigen. Das FG hat daher ohne Verstoß gegen § 76 FGO von der Einvernahme des Zeugen M abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 72856 |
BStBl II 1978, 644 |
BFHE 1979, 545 |