Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Steuerliche Förderungsgesetze Bewertung Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
§ 2 Abs. 2 Einfamilienhaus-VO (nur Abzug von Schuldzinsen bis zur Höhe des Grundbetrags) gilt auch für Zinsen, nicht aber für (planmäßige und außerplanmäßige) Tilgungsbeträge auf Umstellungsgrundschulden, soweit diese im Rahmen des § 211 Abs. 3 Satz 3 LAG gemäß § 26 Abs. 2 Satz 2 SHG als Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte aus der Nutzung des eigenbewohnten Einfamilienhauses für die Einkommensteuerveranlagungen 1949 und 1950 abzugsfähig sind.
Normenkette
EStG § 9 Ziff. 1; LAG § 211 Abs. 3; EinfHausVO 2/2
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) bezog für den Veranlagungszeitraum 1950 aus selbständiger Berufstätigkeit Einkünfte in Höhe von 22.133 DM. Er bewohnte ein eigenes Einfamilienhaus (Einheitswert 22.400 DM). Der Nutzungswert der Wohnung in diesem Hause wurde nach der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus vom 26. Januar 1937 - Einfamilienhaus - VO - (Reichsgesetzblatt - RGBl. - I S. 99) mit dem Grundbetrag von 784 DM angesetzt. Streitig ist, welche Beträge von diesem Grundbetrag abzugsfähig sind. Das Grundstück war mit einer Resthypothek der X-Bank in Höhe von 1.391 DM (21. Juni 1948) - Tilgungshypothek, jährlicher Zinssatz zu 4 1/2 v. H. Tilgungssatz 2 v. H. - belastet. Gemäß dem Hypothekensicherungsgesetz betrug die entsprechende Umstellungsgrundschuld 12.521 DM. Nach einer Bescheinigung der X- Bank hat der Bf. im Veranlagungszeitraum 1950 an Darlehnszinsen auf die Resthypothek 61,42 + 58,92 DM außer den vorgeschriebenen Tilgungsraten für die Jahre 1949 und 1959 geleistet. Auf die Umstellungsgrundschulden entrichtete er in diesem Veranlagungszeitraum an Zinsen für II/1948 140,86 DM, für 1949 557,94 DM und für 1950 535,66 DM; an planmäßigen Tilgungsraten für II/1948 122,40 DM, für 1949 495,06 DM und für 1950 517,34 DM. Außerdem tilgte er die Umstellungsgrundschuld weiter durch eine außerplanmäßige Zahlung am 6. November 1950 in Höhe von 6.470 DM.
Der Bf. erstrebt nun die Anerkennung der Abzugsfähigkeit der im Kalenderjahr 1950 auf die Umstellungsgrundschuld gezahlten Zinsen und Tilgungsbeträge von seinem Einkommen in voller Höhe. Die Vorbehörden haben den Abzug jedoch nur bis zur Höhe des Grundbetrags (784 DM) zugelassen. Sie stützen sich dabei auf § 2 Abs. 2 Einfamilienhaus-VO, nach der nur die Schuldzinsen bis zur Höhe des Grundbetrags abgezogen werden können, sowie auf Abschnitt 171 Abs. I Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1950, der die Zinsen und Tilgungsbeträge für Umstellungsgrundschulden den Schuldzinsen gleichstellt, soweit sie nach den Ausführungen in Abschnitt 170 überhaupt abzugsfähig sind. Die Hinweise des Bf., insbesondere im Rahmen der zugelassenen Sprungberufung, daß nach § 211 Abs. 3 des Lastenausgleichsgesetz (LAG) für den Veranlagungszeitraum 1950 § 26 Abs. 2 des Soforthilfegesetzes (SHG) trotz grundsätzlicher rückwirkender Aufhebung zu seinen Gunsten noch anwendbar bleibe und somit die Zinsen und Tilgungsbeträge, soweit sie nicht auf die auf den Grundbesitz entfallende Soforthilfeabgabe anzurechnen waren, vom Einkommen abzugsfähig seien, erachteten die Vorbehörden für sachlich unerheblich.
Entscheidungsgründe
Die hiergegen erhobene Rechtsbeschwerde (Rb) ist begründet.
Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 EinfamilienhausVO sind vom Grundbetrag (hier 3 1/2 v. H. von 22.400 = 784 DM) nur die Schuldzinsen abzusetzen, die mit der Nutzung des Grundstücks in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Der Abzug ist begrenzt bis zur Höhe des Grundbetrags.
Fraglich ist, welche Bedeutung demgegenüber die Sonderbestimmung des § 26 Abs. 2 Satz 2 SHG hinsichtlich der Abzugsfähigkeit der Zinsen und Tilgungsbeträge auf Umstellungsgrundschulden bei Ermittlung des Einkommens hat. Die Umstellungsgrundschulden sind zwar formalrechtlich mit dem Inkrafttreten des LAG grundsätzlich erloschen (§ 120 LAG), in ihrer sachlichen Auswirkungen (Verzinsung und Tilgung) bleiben aber die zu ihnen ergangenen Vorschriften bis zum ersten auf den 31. März 1952 folgenden Fälligkeitszeitpunkt beachtlich (§ 105 LAG). Deshalb wird im folgenden weiter kurz von Umstellungsgrundschulden gesprochen. Nach § 26 Abs. 2 Satz 2 SHG waren auf Antrag des Abgabepflichtigen Zinsen und Tilgungsbeträge auf Umstellungsgrundschulden insoweit abzugsfähig, als sie die allgemeine (auf Grundbesitz entfallende) Soforthilfeabgabe des Abgabepflichtigen überstiegen. Diese Grenze wurde deshalb gezogen, weil die auf Grund des Hypothekensicherungsgesetzes entrichteten Zinsen und Tilgungsbeträge für die Zeit ab 1. April 1949 nach § 24 Abs. 1 SHG grundsätzlich auf die den Grundbesitz betreffende Soforthilfeabgabe anzurechnen waren, sich die Soforthilfeabgabeschuld also um die anzurechnenden Beträge minderte und die Soforthilfeabgabe nach § 26 Abs. 1 SHG bei der Einkommensermittlung nicht abzugsfähig war. Soweit sich § 26 Abs. 2 Satz 2 SHG auf Tilgungsbeträge bezieht, ist er eine dem System des Einkommensteuerrechts widersprechende Sonderbestimmung, mit veranlaßt durch die rechtliche Gestaltung der Soforthilfeabgabe (kein Abzug von Schulden, auch nicht von Umstellungsgrundschulden, dafür Anrechnung der Zahlungen auf diese Grundschulden auf die den Grundbesitz betreffende Soforthilfeabgabe; vgl. Kühne, Die Soforthilfeabgabe in der Praxis, Textziffer 359 ff.).
§ 26 Abs. 2 SHG ist nun zwar durch § 211 Abs. 3 Satz 1 LAG mit Rückwirkung ab 1. April 1949 aufgehoben worden. Satz 2 a. a. O. läßt ab 1. April 1949 bei der Ermittlung des Einkommens nur Leistungen, die Zinscharakter haben, zum Abzug zu, ohne daß es andererseits auf deren Anrechnung oder Nichtanrechnung auf die Soforthilfeabgabe irgendwie noch ankommt. Diese an sich rückwirkende, den Grundsätzen des Einkommensteuerrechts entsprechende Neuregelung soll aber nach Satz 3 a. a. O. für die Veranlagungszeiträume 1949 und 1959 nicht wirksam werden, wenn die alte Regelung zu einem höheren Abzug führt, also für den Steuerpflichtigen günstiger ist.
Wenn das Gesetz hierbei von einem "bei der Ermittlung des Einkommens nach § 26 Abs. 1 Satz 2 SHG zugelassenen Abzug" spricht, so kann, in übereinstimmung mit der Auffassung der Vorbehörden, daraus nicht geschlossen werden, daß diese Vorschrift nur rechtskräftig abgeschlossene Veranlagungen betrifft. Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit in der Besteuerung verlangt vielmehr, die Vorschrift auch in noch strittigen Fällen anzuwenden. Dem entsprechen auch die Ausführungen in Ziff. 8 Abs. 5 des Anhangs 1 der Einkommensteuer-Ergänzungsrichtlinien 1952; danach soll die bisherige Regelung, wenn sie günstiger war, auch noch im Falle einer Berichtigungsveranlagung beachtlich bleiben.
Da wegen der erheblichen Tilgungsleistungen des Bf. die bisherige Regelung der Abzugsfähigkeit offensichtlich erheblich günstiger für ihn ist, kommt es hiernach für den Streitfall allein darauf an, welche Tragweite der Vorschrift des § 26 Abs. 2 Satz 2 SHG gegenüber der Regelbestimmung des § 2 Abs. 2 Einfamilienhaus- VO zuzumessen ist.
Zunächst kann daraus, daß in § 26 SHG und auch in § 211 Abs. 1 LAG von der "Ermittlung des Einkommens" gesprochen wird, nicht etwa gefolgert werden, daß die in den bezeichneten Paragraphen behandelten Leistungen nur vom zuvor ermittelten Gesamtbetrag der Einkünfte im Sinne von § 2 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Sonderausgaben abzugsfähig seien. Es kommt vielmehr auf das jeweilige Wesen der Leistungen an. Sie können je nach dem wirtschaftlichen Zusammenhang Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben im Sinne des Einkommensteuerrechts sein. Daß nur diese bewegliche Auslegung zutreffend ist, läßt schon § 211 Abs. 1 und Abs. 2 LAG erkennen. Der Abzug nur als Sonderausgabe würde auch mit dem gesetzlichen Grundsatz einer Abzugsfähigkeit gegebenenfalls auch beim Gewerbeertrag (§ 26 Abs. 1 SHG) nicht vereinbar sein.
Im vorliegenden Falle steht die Umstellungsgrundschuld offenbar ebenso wie die ursprüngliche Tilgungshypothek, aus der die Umstellungsgrundschuld abgespalten ist, im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Grundstück (vermutlich ist die Hypothekenschuld zum Aufbau oder zum Erwerb des Einfamilienhauses benötigt worden). Danach sich die Zinsen auf die Umstellungsgrundschuld einkommensteuerlich Werbungskosten. Sie sind mithin nicht als Sonderausgaben, sondern bei der Einkunftart "Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung" zu berücksichtigen.
Unbedenklich sind sie als echte Schuldzinsen anzusprechen. Das Wesen der Leistungen auf Umstellungsgrundschulden konnte zwar ursprünglich zweifelhaft sein. Die Umstellungsgrundschulden mit ihren Leistungspflichten waren eine in zivilrechtliche Form gekleidete Sicherungsmaßnahme abgabenrechtlicher Art. Man hätte deshalb vielleicht die Leistungen, ohne Aufgliederung zusammengefaßt, sachlich als eine Abgabe ansehen können. Doch ergibt die praktische Handhabung und die gesetzliche Weiterentwicklung eindeutig, daß der Ausgangspunkt der ganzen abgaberechtlichen Belastung (einschließlich der Hypothekengewinnabgabe, in der das Sicherungsgebilde der Umstellungsgrundschulden aufgegangen ist; vgl. § 105 LAG), nämlich das Eintreten der öffentlichen Hand in die Rechte des bisherigen privaten Gläubigers bezüglich der durch die Umstellung 10:1 freigewordenen 9/10-Forderungsquote, maßgebend bleiben sollte. Es besteht mithin - genau so wie bei dem ursprünglichen privaten Schuldverhältnis - eine Kapitalschuld, die verzinslich und gegebenenfalls allmählich durch Kapitalrückzahlungen zu tilgen ist, soweit nicht ausnahmsweise eine echte Rentenschuld gegeben ist. Zinsen auf Umstellungsgrundschulden sind deshalb einkommensteuerlich ebenso Schuldzinsen wie Hypotheken- oder Grundschuldzinsen.
Im Rahmen der Einfamilienhaus-VO fällt danach der Abzug der Zinsen auf Umstellungsgrundschulden für den Streitfall unter die Begrenzung des § 2 Abs. 2 Einfamilienhaus-VO 1. Verb. mit § 9 Ziff. 1 EStG, soweit der Abzug nicht nach § 26 Abs. 2 SHG infolge der Anrechenbarkeit der Schuldzinsen auf die Soforthilfeabgabe gemäß § 24 Abs. 1 SHG überhaupt untersagt ist (vgl. oben 1).
Hinsichtlich der Tilgungsbeträge vermag der Senat der Auffassung der EStR und der Vorbehörden nicht zu folgen. Sie sind zwar steuerlich im Hinblick auf die Sonderbestimmung des § 26 Abs. 2 SHG soweit sie abzugsfähig sind, ebenso wie die Zinsen, das heißt im vorliegenden Fall ebenfalls wie Werbungskosten - vgl. oben 2. und 3. - zu behandeln; wirtschaftlich sind sie jedoch nicht, wie das Finanzgericht in erster Linie annehmen will, den Schuldzinsen gleichzustellen, sondern sind, wie unter 3. dargelegt, echte Schuldkapitalrückzahlungen. Mit ihrer Leistung wird das Schuldverhältnis als solches beendet. Die Schuldzinsen sind dagegen die Gegenleistung für die überlassung eines Kapitals zur Nutzung setzen also das Bestehen eines Kapitalschuldverhältnisses voraus. Einkommensteuerlich bewegt sich, wenn man die systemwidrige Vorschrift des § 26 Abs. 2 SHG außer Betracht läßt, die Kapitalrückzahlung ebenso wie der Kapitalempfang auf der Ebene der Vermögenssphäre, berührt also grundsätzlich das Einkommen nicht im Gegensatz zu den Zinsen. Schon dies zwingt zu einer Sonderbetrachtung der Tilgungsbeträge.
Es kann auch nicht der Meinung des Finanzgerichts zugestimmt werden, daß bereits die Einfamilienhaus-VO jeglichen Abzug der Tilgungsbeträge über den Grundbetrag hinaus ausgeschlossen habe. Der Bf. betont mit Recht, daß zur Zeit des Erlasses der Verordnung an den steuerlichen Sondertatbestand, den § 26 Abs. 2 SHG später geschaffen hat, nicht gedacht sein konnte. Man kann also nicht sagen, daß der Wille des Verordnungsgebers auf einen Ausschluß der sonst nach dem SHG allgemein zugelassenen Abzugs der Tilgungsbeträge auf Umstellungsgrundschulden über den Grundbetrag hinaus gerichtet gewesen sei. Die Frage ist vielmehr durch den Verordnungsgeber nicht ausdrücklich geregelt und muß deshalb unter Beachtung des allgemeinen Auslegungsgrundsatzes des § 1 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) nach dem Sinn und dem Zweck nicht nur der Einfamilienhaus-VO, sondern auch der Sonderbestimmung des § 26 Abs. 2 SHG beantwortet werden. Dabei wird nun der Gedanke in den Vordergrund zu stellen sein, daß mit der Zulassung des Abzugs der Tilgungsbeträge offenbar ein besonderer Anreiz gegeben werden sollte, die Umstellungsgrundschulden möglichst schnell und weitgehend, auch über das gesetzlich vorgesehene Maß hinaus freiwillig, zu tilgen, damit auf diese Weise alsbald weitere Mittel für den Wohnungsbau zur Verfügung standen (vgl. § 3 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Sicherung von Forderungen für den Lastenausgleich). Auch die primäre Anrechenbarkeit der Tilgungsbeträge auf die den Grundbesitz betreffende Soforthilfeabgabe diente diesem Zweck Man wird hierbei nicht außer Betracht zu lassen haben, daß es in den ersten Jahren nach der Währungsreform wesentlich darauf ankam, überhaupt die Bedienung der neu geschaffenen Umstellungsgrundschulden allgemein schnell in Gang zu bringen. Unter diesen Umständen wird man davon ausgehen müssen, daß die Vergünstigung, auch Tilgungsbeträge als einkunftsmindernd behandeln zu dürfen, sich nicht bloß auf bestimmte Gruppen von Grundbesitzern beschränken, sondern der Vorteil jedem offenstehen sollte, dessen Grundbesitz mit Umstellungsgrundschulden belastet war, also auch dem Eigentümer eines Einfamilienhauses, der den Nutzungswert nach der Einfamilienhaus-VO zu versteuern hat. Auch spätere einkommensteuerliche Vergünstigungen zur Förderung des Wohnungsbaues schließen den Einfamilienhausbesitz im allgemeinen nicht aus; vgl. zum Beispiel hinsichtlich der erhöhten Absetzung für Wohnungsgebäude gemäß § 7 b EStG 1949 bereits die ausdrückliche Vorschrift des § 10 Abs. 3 der Einkommensteuer- Durchführungsverordnung (EStDV) 1949.
Hieraus folgt, daß (planmäßige und außerplanmäßige) Tilgungsbeträge auf Umstellungsgrundschulden vom Wirksamwerden der §§ 24 und 26 SHG an (1. April 1949) bis zum Ende des Kalenderjahres 1950 nach Massgabe des § 211 Abs. 3 Satz 3 LAG ohne die Begrenzung des § 2 Abs. 2 Einfamilienhaus-VO abzugsfähig sind, also auch zu negativen, mit anderen Einkunftsarten ausgleichbaren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führen können.
Fundstellen
Haufe-Index 407993 |
BStBl III 1954, 382 |
BFHE 1955, 449 |
BFHE 59, 449 |