Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Abzug einer unentgeltlichen Überlassung einer Wohnung als dauernde Last
Leitsatz (NV)
1. Die unentgeltliche Überlassung einer Wohnung kann nicht Inhalt einer wiederkehrenden Sachleistung als dauernde Last sein (Anschluß an BFH-Urt. v. 30. 10. 1984 IX R 2/84 BFHE 143, 317, BStBl II 1985, 610).
2. Für den Sonderausgabenabzug bei der Einkommensteuerveranlagung ist eine fehlerhafte Zurechnung des Nutzungswerts einer Wohnung in einem gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid nicht bindend.
Normenkette
AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG 1975 § 10 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erhielt von seinem Großvater dessen Gesellschaftsanteil an einer OHG in vorweggenommener Erbfolge durch Vertrag vom Juni 1978 mit Wirkung vom 1. Juni 1978 übertragen. Dafür verpflichtete er sich gegenüber seinem Großvater zu lebenslänglichen Altenteilsleistungen. Dazu gehörte u.a. das Recht des Großvaters, die von ihm genutzten Wohnräume im Gebäude der OHG beizubehalten sowie WC und Badezimmer mitzubenutzen, sowie der Anspruch auf Reinigung und Instandhaltung der Altenteilerräume. Das Altenteilsrecht sollte vorerst nicht in das Grundbuch eingetragen werden. Der andere Gesellschafter der OHG stimmte der Vereinbarung zwischen dem Kläger und seinem Großvater unter der Voraussetzung zu, daß alle Kosten zu Lasten des Klägers gehen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) zählte in seiner gesonderten und einheitlichen Feststellung des Gewinns der OHG für die Zeit vom 1. Juni bis zum 31. Dezember 1978 den Nutzungswert der vom Großvater beibehaltenen Wohnräume mit 1 400 DM zum Gewinn der OHG und rechnete diesen Betrag dem Kläger zu.
Der Kläger machte diesen Betrag in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1978 vergeblich als dauernde Last geltend. Seine Klage blieb erfolglos.
Mit seiner vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes 1977 (EStG). Er habe aufgrund der Überlassung der Wohnräume an seinen Großvater Aufwendungen gehabt, da die OHG ihn mit dem Nutzungswert wie einen Mieter belastet habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Das FG hat allerdings im Ergebnis zutreffend entschieden, daß der Kläger nicht den Nutzungswert der dem Großvater überlassenen Wohnräume im Betriebsgebäude der OHG als dauernde Last abziehen kann. Insoweit fehlt es an für die Annahme einer dauernden Last nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG erforderlichen Aufwendungen des Klägers.
a) Fraglich ist bereits, ob der Kläger die Nutzung einer Wohnung, für die ein Nutzungswert angesetzt werden könnte, als Gesellschafter der OHG entnahm und seinem Großvater zuwendete (vgl. zum Begriff der Wohnung i.S. von § 21 Abs. 2 EStG Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Dezember 1982 VIII R 166/80, BFHE 139, 23, BStBl II 1983, 660). Im zwischen ihnen geschlossenen Vertrag vom Juni 1978 ist die Rede von Wohnräumen und der Mitbenutzung von Bad und WC. Das FG hat keine tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen, ob die überlassenen Wohnräume eine Wohnung bildeten.
b) Selbst wenn man dies zugunsten des Klägers unterstellt, so konnte dennoch die Überlassung der Wohnung einkommensteuerrechtlich nicht Inhalt einer Sachleistung des Klägers als dauernde Last sein. Denn eine Zuwendung seitens des Verpflichteten kommt nicht in Betracht, wenn die Zuwendung einkommensteuerrechtlich nicht zunächst beim Verpflichteten zu erfassen, sondern unmittelbar und allein dem Berechtigten zuzurechnen ist (BFH-Urteil vom 30. Oktober 1984 IX R 2/84, BFHE 143, 317, BStBl II 1985, 610). Der Nutzungswert der Wohnung kann nicht bei der Ermittlung des Gewinns der OHG nach § 21 Abs. 3 EStG angesetzt und dem Kläger als Entnahme zugerechnet werden. Denn er ist unmittelbar beim Großvater als obligatorisch Nutzungsberechtigtem nach § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG zu erfassen.
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats hat der Nutzende den Nutzungswert einer Wohnung nach § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG zu versteuern, wenn der Eigentümer ihm die Wohnung ganz oder teilweise unentgeltlich in der Weise überlassen hat, daß der Nutzende sie aufgrund einer gesicherten Rechtsposition innehat. Eine gesicherte Rechtsposition ist gegeben, wenn der Eigentümer dem Nutzenden den Gebrauch der Wohnung für eine festgelegte Zeit überläßt (zum Vorstehenden Urteil in BFHE 143, 317, BStBl II 1985, 610).
Die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG sind in der Person des Großvaters bezüglich seiner Wohnung in dem Betriebsgebäude der OHG erfüllt. Er hatte die Wohnung aufgrund einer ihm von der OHG eingeräumten gesicherten Rechtsposition inne. Dies ergibt sich aus dem Vertrag vom Juni 1978. Darin verpflichteten sich der Kläger und sein Mitgesellschafter gegenüber dem Großvater, diesem die von ihm bewohnten Räume im Betriebsgebäude der OHG lebenslänglich zu belassen.
c) An dieser einkommensteuerrechtlichen Beurteilung der Zurechnung des Nutzungswerts der Wohnung des Großvaters ändert der Umstand nichts, daß das FA nach den tatsächlichen Feststellungen des FG in seinem gesonderten und einheitlichen Bescheid zur Feststellung des Gewinns der OHG diesen für die Zeit vom 1. Juni bis 31. Dezember 1978 um den Nutzungswert der Wohnung erhöht und diesen Betrag dem Kläger als Entnahme zugerechnet hat. Diese fehlerhafte Zurechnung des Nutzungswerts ist für den Sonderausgabenabzug beim Kläger im Rahmen dessen Einkommensteuerveranlagung nicht bindend.
Allerdings werden durch einen Feststellungsbescheid Besteuerungsgrundlagen abweichend von § 157 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) gesondert festgestellt, jedoch nur soweit dies in der AO 1977 oder sonst in den Steuergesetzen bestimmt ist (§ 179 Abs. 1 AO 1977). Der in Frage stehende gesonderte Feststellungsbescheid des FA beruht auf § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977. Nach dieser Vorschrift sind einkommensteuerpflichtige Einkünfte gesondert festzustellen, an denen mehrere Personen beteiligt und die diesen Personen zuzurechnen sind. Feststellungsbescheide sind für Steuerbescheide als Folgebescheide insoweit bindend, als die in den Feststellungsbescheiden getroffenen Feststellungen für diese Folgebescheide von Bedeutung sind (§ 182 Abs. 1 AO 1977). Die Bindungswirkung eines Feststellungsbescheids reicht demnach so weit wie sein notwendiger oder sein rechtlich zulässiger möglicher Inhalt (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 182 AO 1977 Tz. 1).
Durch einen Feststellungsbescheid nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 soll in den Fällen der Beteiligung mehrerer an Einkünften eine einheitliche Sachbehandlung dieser Einkünfte durch die Finanzbehörden sichergestellt (Urteil des erkennenden Senats vom 12. November 1985 IX R 85/82, BFHE 145, 308, BStBl II 1986, 239) und über die von mehreren Personen gemeinschaftlich erzielten Einkünfte einheitlich mit Wirkung für und gegen alle Beteiligten entschieden werden. Dementsprechend enthält ein gesonderter Feststellungsbescheid nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 eine Reihe selbständiger, jeweils für sich anfechtbarer Feststellungen (vgl. BFH-Urteil vom 20. Januar 1977 IV R 3/75, BFHE 122, 7, BStBl II 1977, 509). Hierzu zählen nicht nur die Art, Höhe und Zurechnung der gesondert festzustellenden Einkünfte, sondern bei einem Gewinnfeststellungsbescheid auch die Höhe des laufenden Gewinns, die Höhe der Sondergewinnanteile, des Gewinns aus der Veräußerung eines Betriebs und die Höhe des Gewinns aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils (Urteil in BFHE 122, 7, BStBl II 1977, 509, und außerdem zu selbständig zu treffenden Feststellungen BFH-Urteile vom 14. Januar 1982 IV R 32/81, BFHE 135, 232, BStBl II 1982, 531; vom 11. Juli 1985 IV R 61/83, BFHE 144, 151, BStBl II 1985, 577).
Nach den vorstehenden Grundsätzen bildet einen selbständigen und bindenden Teil der Gewinnfeststellung durch das FA die Feststellung der Höhe des Gewinns der OHG, nicht aber die fehlerhafte Zurechnung des Nutzungswerts der Wohnung des Großvaters zum Gewinn der OHG. Denn nur die Höhe des Gewinns, nicht aber seine Zusammensetzung ist für den Ansatz der anteiligen gewerblichen Einkünfte der Gesellschafter bei ihrer Einkommensteuerveranlagung von Bedeutung. Der fehlerhaft in die Höhe des Gewinns der OHG eingegangene Nutzungswert kann ggf. durch ein anderes, nicht berücksichtigtes Besteuerungsmerkmal ausgeglichen, d.h. damit saldiert werden.
Der den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits bildende Sonderausgabenabzug beim Kläger liegt jedoch außerhalb seiner durch den Gewinnfeststellungsbescheid bindend festgestellten anteiligen gewerblichen Einkünfte als Gesellschafter der OHG. Über den Sonderausgabenabzug entscheidet das FA im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung. Die Kompetenz des Feststellungs-FA beschränkt sich auf die Feststellung der gemeinsamen gewerblichen Einkünfte nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 (vgl. zu der Zuständigkeitsaufteilung zwischen Feststellungs- und Wohnsitz-FA BFH-Urteil vom 9. Mai 1984 I R 25/81, BFHE 141, 252, BStBl II 1984, 726).
2. Obwohl somit das FG im Ergebnis zutreffend verneint hat, daß der Kläger seinem Großvater den Nutzungswert dessen Wohnung zuwenden und bei sich als dauernde Last absetzen konnte, so kann dennoch das klagabweisende Urteil des FG keinen Bestand haben. Denn eine dauernde Last i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG bilden beim Kläger immerhin doch die auf die Wohnung oder die Wohnräume entfallenden Erhaltungsaufwendungen, soweit er sie getragen hatte.
Der erkennende Senat hat bereits in seinem Urteil in BFHE 143, 317, BStBl II 1985, 610 die anteiligen Erhaltungskosten eines Einzelkaufmanns als dauernde Last zum Abzug zugelassen, die dieser für die im Betriebsgebäude belegene Altenteilerwohnung seines Vaters aufgewendet und seinem betrieblichen Gewinn als Entnahme hinzugerechnet hatte. Für den Kläger kann als Mitunternehmer grundsätzlich nichts anderes gelten. Auch er hatte aufgrund eines besonderen Verpflichtungsgrundes i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG, nämlich dem Vertrag vom Juni 1978, die vom Großvater benutzten Wohnräume auf seine Kosten instandzuhalten. Schließlich wurde er durch diesen Vorgang grundsätzlich auch belastet, selbst wenn nicht die Instandhaltungskosten, sondern der Nutzungswert der Wohnung als Entnahme bei ihm als Gesellschafter der OHG gebucht wurde.
Einem Abzug der Sachleistung aufgrund des Vermögensübertragungsvertrages vom Juni 1978 steht schließlich auch nicht § 12 Nr. 2 EStG entgegen. Dies käme nur dann in Betracht, wenn der Wert des vom Großvater erhaltenen Gesellschaftsanteils gegenüber der vom Kläger eingegangenen Altenteilsverpflichtung unverhältnismäßig gering gewesen wäre (BFH-Urteil vom 30. Mai 1980 VI R 153/77, BFHE 130, 524, BStBl II 1980, 575). Dafür bietet der vorliegende Fall jedoch keine Anhaltspunkte.
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Es fehlen tatsächliche Feststellungen des FG dazu, wie hoch die auf die Wohnräume des Großvaters entfallenden Erhaltungsaufwendungen waren und inwieweit der Kläger sie getragen hatte. Die Sache geht an das FG zurück, damit es die hierfür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nachholt.
Fundstellen
Haufe-Index 414683 |
BFH/NV 1987, 29 |