Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Unterscheidung zwischen Leibrente und dauernder Last
Leitsatz (NV)
Eine Wertsicherungsklausel, die den Leibrentencharakter einer Verpflichtung zu wiederkehrenden Leistungen nicht in Frage stellt, ist auch in der Vereinbarung eines Leistungsvorbehalts zu erblicken, demzufolge eine Veränderung der gewählten Bezugsgröße nicht zu einer automatischen Anpassung der Rentenhöhe führen, sondern nur als eine Richtlinie für ihre Neufestsetzung dienen soll.
Normenkette
EStG 1971 § 10 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde neben ihrem Bruder Erbin ihres im Jahre 1970 verstorbenen Vaters, währenddessen die im Jahre 1900 geborene Witwe von ihm ein Vermächtnis ausgesetzt erhielt.
Zu dem Nachlaß gehörte ein Grundstück, auf dem eine Mineralölgesellschaft als Grundstückspächterin eine Tankstelle betrieb. Das Pachtverhältnis, das am 1. Januar 1960 begonnen hatte, war auf 25 Jahre befristet mit der Möglichkeit einer Verlängerung um jeweils fünf Jahre. Die Erben sollten gemäß dem Vermächtnis an die Witwe den von der Mineralölfirma zu leistenden Pachtzins bzw. nach dessen Auslaufen ,,eine Rente in gleicher Höhe wie der Pachtzins (der Pächterin) auf Lebenszeit zahlen, wobei die Wertsicherungsklausel in gleicher Weise wie beim Pachtvertrag gelten soll".
In dem Pachtvertrag mit der Mineralölfirma findet sich folgende Klausel bezüglich der Höhe des Pachtzinses:
,,Bei einer wesentlichen Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse wird der monatliche Pachtzins im gleichen prozentualen Verhältnis angehoben bzw. gesenkt, in dem sich das Gehalt eines unverheirateten Bundesbeamten der Besoldungsgruppe b 3 ohne Zuschläge - entsprechend dem Bundesbesoldungsgesetz vom 27. 7. 1957 - während der Laufzeit des Pachtvertrages um mehr als 10 % (evtl. 15 %) nach oben oder unten ändert. In einem solchen Falle kann auf Antrag eines der Vertragschließenden eine angemessene Neufestsetzung des Pachtzinses übernommen werden. Die Änderungen der Gehaltsbezüge des Bundesbeamten der Besoldungsgruppe b 3 sollen jedoch nicht Maßstab, sondern lediglich Anlaß der Neufestsetzung des Pachtzinses sein. . . .Kommt eine Einigung zwischen den Parteien nicht zustande, so soll über die Höhe einer angemessenen Pachtzahlung ein Schiedsgutachten eingeholt werden, das für beide Parteien den Pachtzins bindend festlegt. Hierbei ist die Relation zwischen Leistung und Gegenleistung und die besonderen Umstände, die zur Festsetzung der Pachthöhe führten - jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses - in gleicher Weise zu berücksichtigen . . ."
Die Klägerin begehrte bei den Einkommensteuerveranlagungen für 1971 bis 1976 vergeblich den Abzug ihrer Zahlungen an die Witwe ihres Vaters nicht nur als Leibrente mit dem Ertragsanteil, sondern in voller Höhe als dauernde Last. Das Finanzgericht (FG) wies ihre Klage mit der Begründung ab, Gegenstand des Vermächtnisses sei eine Leibrente. Die Anpassung ihrer Höhe laut Vermächtnis und Pachtvertrag sei nach Art einer Wertsicherungsklausel von einer wesentlichen Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse abhängig gemacht worden.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1971, 1974 und 1975. Der Pachtvertrag enthalte keine Wertsicherungsklausel, die automatisch die Höhe der Pachtzinsen bestimme, sondern nur eine Vereinbarung, die die Vertragsparteien bei einer wesentlichen Veränderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse verpflichte, über die Höhe des Pachtzinses erneut zu verhandeln. Die Pächterin habe in den Jahren 1973 bis 1976 eine Erhöhung des Pachtzinses mit dem Hinweis auf die schlechte Ertragslage der Tankstelle abwehren können.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Das FG hat die Verpflichtung der Klägerin zu wiederkehrenden Leistungen an die Witwe ihres Vaters aufgrund des Vermächtnisses zutreffend als Leibrente beurteilt, bei der nur der Ertragsanteil nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG als Sonderausgabe abziehbar ist.
Die Voraussetzungen einer Leibrente sind erfüllt, wenn regelmäßig wiederkehrende Leistungen in Geld oder vertretbaren Sachen in bestimmter Höhe zu erbringen sind. Die Gleichmäßigkeit der Rentenleistungen wird nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß die Vertragsparteien bezüglich der Rentenhöhe eine Wertsicherungsklausel vereinbart haben (Urteil vom 30. Oktober 1984 IX R 2/84, BFHE 143, 317, BStBl II 1985, 610).
Das FG hat rechtsfehlerfrei die Möglichkeit einer Anpassung der wiederkehrenden Leistungen der Klägerin an die Witwe ihres Vaters als Wertsicherungsklausel gewertet. Die Klägerin war testamentarisch verpflichtet, die Pachteinnahmen von der Mineralölgesellschaft an sie weiterzugeben bzw. nach Beendigung des Pachtverhältnisses einen Betrag in gleicher Höhe wie den Pachtzins mit der Wertsicherungsklausel zu zahlen. Die in dem Pachtvertrag enthaltene Anpassungsklausel galt damit gleichermaßen auch im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Vermächtnisnehmerin.
Die in dem Pachtvertrag enthaltene Anpassungsklausel ist eine Wertsicherungsklausel, wie sie sich üblicherweise in langfristigen Pachtverträgen findet. Es handelt sich dabei um einen sogenannten Leistungsvorbehalt, der nicht der Genehmigung durch die Deutsche Bundesbank bedarf. Der Leistungsvorbehalt stellt eine Abrede zwischen den Vertragsparteien über die Höhe des künftigen Pachtzinses dar, der damit immerhin bestimmbar i. S. der §§ 315 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist. Ein solcher Leistungsvorbehalt dient dem Erhalt der Genehmigungsfreiheit; eine automatische Anpassung würde zur Genehmigungspflicht führen (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 10. Februar 1960 V ZR 113/58, Betriebs-Berater - BB - 1960, 344, und Dürkes, Wertsicherungsklauseln, 9. Aufl., 1982 Tz. D 398 ff.).
Dementsprechend ist in dem Pachtvertrag mit der Mineralölgesellschaft verfahren worden. Eingangs heißt es in der im Pachtvertrag enthaltenen Anpassungsklausel allerdings: ,,Bei einer wesentlichen Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse wird der monatliche Pachtzins im gleichen prozentualen Verhältnis angehoben bzw. gesenkt, in dem sich das Gehalt eines unverheirateten Bundesbeamten . . . verändert." Sodann fahren die Vertragsparteien, um sich die Genehmigungsfreiheit zu erhalten, fort: ,,Die Änderungen der Gehaltsbezüge des Bundesbeamten . . . sollen jedoch nicht Maßstab, sondern lediglich Anlaß der Neufestsetzung des Pachtzinses sein." Damit wird eine automatische Anpassung vermieden. Die Veränderung der Besoldung wird zur bloßen Richtlinie.
Der hierin belassene Ermessensspielraum für die Anpassung der Höhe des Pachtzinses steht der Annahme einer Wertsicherungsklausel nicht entgegen. Entscheidend für die Annahme einer Wertsicherungsklausel ist, daß nach dem Willen der Vertragsparteien Maßstab für eine Erhöhung des Pachtzinses ,,eine wesentliche Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse" sein soll. Eine Gleichmäßigkeit der Rentenleistungen entfällt nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats erst dann, wenn die Höhe der Rentenleistungen nach den Rechtsgrundsätzen des § 323 der Zivilprozeßordnung (ZPO) von der individuellen Bedürftigkeit des Rentenberechtigten oder der individuellen Leistungsfähigkeit des Rentenverpflichteten abhängt (Urteil in BFHE 143, 317, BStBl II 1985, 610). Eine solche Regelung ist jedoch weder in der Vermächtnisanordnung noch in dem Pachtvertrag enthalten. Sie wäre zudem einem Leistungsaustausch zwischen dem Grundstücksverpächter und dem Pächter wesensfremd.
Dem steht auch nicht das Vorbringen der Klägerin entgegen, die Pächterin habe eine Erhöhung des Pachtzinses von 1973 bis 1976 mit dem Hinweis auf die schlechte Ertragslage der Tankstelle abwehren können. Die Pächterin berief sich danach auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) und eine Veränderung der Geschäftsgrundlage. Übertragen auf das Verhältnis zwischen der Klägerin und der Vermächtnisnehmerin wird dadurch der Charakter der Rente als Leibrente nicht berührt. Durch Veränderungen der Rentenhöhe infolge Fortfalls der Geschäftsgrundlage entfällt nicht die Gleichmäßigkeit der Rentenleistungen (BFH-Urteil vom 1. August 1975 VI R 48/73, BFHE 116, 501, BStBl II 1975, 881, und Urteil vom selben Tage VI R 168/73, BFHE 116, 505, BStBl II 1975, 882, 884).
Eine Rente in schwankender Höhe käme erst ab dem Jahre 1985 mit Auslaufen des auf 25 Jahre festvereinbarten Pachtvertrages in Betracht, weil erst dann das Grundstück zu einem anderen Pachtzins verpachtet werden kann. Das FG hat jedoch für diesen Fall - im Jahre 1985 wäre die im Jahre 1900 geborene Vermächtnisnehmerin bereits 85 Jahre alt - das Testament in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dahin ausgelegt, daß die Leibrente dann nach Maßgabe des jetzigen Pachtvertrages mit seiner Wertsicherungsklausel weitergezahlt werden soll (,,eine Rente in gleicher Höhe wie der Pachtzins [der Pächterin] auf Lebenszeit zu zahlen, wobei die Wertsicherungsklausel in gleicher Weise wie beim Pachtvertrag gelten soll").
Fundstellen
Haufe-Index 414684 |
BFH/NV 1987, 86 |