Entscheidungsstichwort (Thema)
Deutsche Bierbesteuerung verstößt nicht gegen das Diskriminierungsverbot des EG-Vertrags
Leitsatz (amtlich)
Die deutsche Bierbesteuerung ist trotz der Besteuerung von Wein zu einem Nullsatz mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Insbesondere verstößt sie nicht gegen das Verbot von Schutzmaßnahmen des Art. 95 Abs. 2 EGV (jetzt Art. 90 Abs. 2 EG).
Normenkette
EGVtr Art. 95; EWGRL 83/92 Art. 1, 3, 7 Abs. 1; EWGRL 94/92 Art. 5-6, 9 Abs. 1; EWGRL 12/92 Art. 4 Buchst. d, Art. 16 Abs. 1-3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) bezieht irisches Guinness-Bier. Sie ist vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt ―HZA―) als berechtigter Empfänger von verbrauchsteuerpflichtigen Waren unter Steueraussetzung aus anderen Mitgliedstaaten der EU zugelassen. Am 30. März 1994 bezog sie von der Guinness Brauerei 120 KEG-Fässer à 50 Liter Guinness Stout Bier 11,91 Plato. Mit Biersteuererklärung vom 5. April 1994 erfolgte bei der Zentralstelle Biersteuer in Stuttgart die Steueranmeldung als Fremdbiere ("F"). Mit Biersteuerbescheid vom 13. April 1994 für den Monat März 1994 nahm das HZA die Klägerin auf Zahlung von Biersteuer in Höhe von 1 016,40 DM in Anspruch.
Die von der Klägerin gegen diesen Bescheid mit Zustimmung des HZA erhobene Sprungklage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hielt den Steuerbescheid nach Grund und Höhe für rechtmäßig und die nationale deutsche Bierbesteuerung im Hinblick auf die unterschiedliche Besteuerung von Bier und Wein ―entgegen der Auffassung der Klägerin― mit dem Gemeinschaftsrecht für vereinbar. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das in der Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern (ZfZ) 2000, 132, veröffentlichte Urteil des FG verwiesen.
Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und rügt die Verletzung materiellen Rechts. Sie ist der Auffassung, die deutsche Bierbesteuerung verstoße i.V.m. der Nichtbesteuerung von Wein, obschon sich dies im Rahmen des gemeinschaftlichen Richtlinienrechts halte, gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 90 Abs. 2 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften i.d.F. des Vertrags von Amsterdam (EG). Das FG habe nicht geprüft, sondern einfach unterstellt, dass die unterschiedliche Besteuerung von aus anderen Mitgliedstaaten der EU bezogenem Bier und Konsumwein des unteren Preissegments auf Grund der deutschen Marktverhältnisse und des Preis-/Konsumverhältnisses zwischen Bier und Wein keinen konkret messbaren Einfluss auf das Konsumverhalten der Verbraucher habe. Dadurch habe es gegen die Grundsätze der Beweislastverteilung verstoßen, denn nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) habe der betreffende Mitgliedstaat zu beweisen, dass die unterschiedliche Besteuerung miteinander im Wettbewerb stehender Erzeugnisse keine protektionistische Wirkung zeitige. Bei einem gemittelten Ladenpreis von 2 DM/Liter Bier und einem gängigen Ladenpreis von 3 DM/Liter Wein entlaste, was auch das HZA eingeräumt habe, die durchschnittliche steuerliche Belastung von 0,18 DM/Liter Bier den Endveräußerungspreis für Wein um zwischen 3 bis 6 %, bei billigen Konsumweinen (vor allem in Supermärkten), die schon zu etwa 2 DM/Liter angeboten würden, sogar um etwa 10 %. Das FG habe auch den unterschiedlichen Alkoholgehalt der Getränke als den zuverlässigsten Vergleichsmaßstab außer Betracht gelassen. Hiernach sei der Kauf von 1 Liter Konsumwein mit dem Erwerb von 3 Liter Bier ins Verhältnis zu setzen, was letztlich zu einer preislichen Entlastung des Konsumweins um sogar etwa 18 % (bei einem Weinpreis von 3 DM/Liter) bzw. 25 % (bei einem Weinpreis von 2 DM/Liter) führe.
Ferner habe das FG bei seiner Beurteilung im Wettbewerbsrecht der Europäischen Gemeinschaften anerkannte Maßstäbe für die Preissensibilität des Verbraucherverhaltens außer Acht gelassen, denn hiernach werde bereits ein Preisunterschied von 5 % als wettbewerbsrelevant und damit relevant für die Bestimmung des Verbraucherverhaltens angesehen. Dies gelte auch für die Fusionskontrollpraxis der EG-Kommission. Schließlich habe das FG zu Unrecht darauf abgestellt, dass sich die Nichtbesteuerung von Konsumwein ausschließlich auf die Wettbewerbssituation zu der dominanten einheimischen Biererzeugung auswirke, denn bei der Anwendung von Art. 90 Abs. 2 EG dürfe im Hinblick auf das Wettbewerbsverhältnis zu Konsumwein nicht zwischen dem einheimischen und dem Importangebot von Bier differenziert werden.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG sowie den Biersteuerbescheid des HZA aufzuheben. Ferner regt sie an, die Frage der Vereinbarkeit der deutschen Bierbesteuerung mit Art. 90 Abs. 2 EG sowie mit dem gemeinschaftsrechtlichen Gleichheitssatz dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Das HZA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Es bestreitet eine protektionistische Wirkung der deutschen Bierbesteuerung. Bei einem Marktanteil ausländischer Weine, der seit Beginn des Rechtstreits von gut 50 v.H. auf bis heute 58 v.H. ―bei einer jährlichen Zuwachsrate von knapp 1,5 v.H. mit sinkender Tendenz― angestiegen sei, sei der geltende Weinsteuersatz Null nicht geeignet, die von der Klägerin behauptete Schutzwirkung zugunsten inländischer stiller Weine zu entfalten. Berücksichtige man ferner den Konsumanteil inländischer Biere von immer noch mehr als 90 v.H., so werde deutlich, dass die Auffassung des FG, wonach eine protektionistische Wirkung der deutschen Steuergesetzgebung zugunsten der heimischen Winzer ausgeschlossen werden könne, zutreffend sei.
Im Übrigen werde bezweifelt, ob eine Wettbewerbsstörung mit allgemeinen Daten (wie z.B. aus dem ohnehin zeitlich überholten Bossard-Bericht) über rückläufige Bier- oder steigende Wein-Konsummengen belegt werden könne, da sich das Konsumverhalten der Verbraucher seit Jahren langsam, aber nachhaltig zugunsten alkoholreduzierter oder alkoholfreier (und damit biersteuerfreier) Biere und zugunsten schwächer alkoholhaltiger Mischgetränke bzw. alkoholfreier Erfrischungsgetränke ändere. Zwei der Ursachen, die Senkung der Promillegrenze und das erhöhte Gesundheitsbewusstsein der Verbraucher, seien evident und bedürften keiner gutachtlichen Untermauerung. Hinzu komme das gesteigerte Interesse der Trendführer im Konsumverhalten, der 25- bis 40-Jährigen, die aus Reisen in südliche Länder ein gesteigertes Interesse an Wein mitbrächten, sowie die dem Image des Bieres insgesamt abträglichen Billig(st)biere, die der Brauwirtschaft selbst schadeten. Sinn und Zweck des Art. 90 Abs. 2 EG sei es jedenfalls nicht, ein geändertes Konsumverhalten sowie hausgemachte Wettbewerbsprobleme über das Verbrauchsteuerrecht auszugleichen. Unbeschadet des Steueranteils seien auf dem deutschen Markt über den potentiellen Importwettbewerb hinaus Marktzutrittschancen für Biere aus den Mitgliedstaaten der EU vorhanden. Nach allem sei nicht erkennbar, dass sich die Steuern tatsächlich oder auch nur möglicherweise auf das Kaufverhalten der inländischen Konsumenten auswirkten. Im Streitfall komme noch hinzu, dass potentielle Käufer des hochpreisigen Guinness-Biers keinesfalls unter den Konsumwein-Trinkern zu finden seien.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Das FG hat zutreffend entschieden, dass der angefochtene Biersteuerbescheid rechtmäßig und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt ist. Die Bierbesteuerung im Streitfall begegnet keinen gemeinschaftsrechtlichen Bedenken.
1. Bier unterliegt im Steuergebiet der Biersteuer (§ 1 Abs. 1 Satz 1 des Biersteuergesetzes ―BierStG 1993― in der im Streitfall maßgeblichen Fassung von Art. 2 des Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl I, 2150, 2158). Nach § 2 Abs. 1 BierStG 1993 ist der Steuertarif für Bier nach Grad Plato, d.h. dem Stammwürzegehalt des Bieres in Gramm je 100 Gramm Bier, eingeteilt. Die Biersteuer beträgt für einen Hektoliter Bier 1,54 DM je Grad Plato, wobei Bruchteile eines Grades außer Betracht bleiben. Die Biersteuer für die von der Klägerin angemeldeten 120 x 50 Liter = 60 Hektoliter Bier belief sich folglich bei 11,91 Plato, so wie von der Klägerin auch angemeldet, auf (60 x 1,54 x 11) 1 016,40 DM. Die Steuer ist mit der Aufnahme des Bieres in den Betrieb der Klägerin als berechtigter Empfänger (§ 12 Abs. 2 Satz 1 BierStG 1993) entstanden (§ 12 Abs. 5 Satz 1 BierStG 1993). Als berechtigter Empfänger war die Klägerin auch Steuerschuldner (§ 12 Abs. 5 Satz 2 BierStG 1993). Sie ist daher zu Recht vom HZA auf Zahlung von 1 016,40 DM Biersteuer in Anspruch genommen worden.
2. Die im Streitfall einschlägigen Vorschriften der deutschen Bierbesteuerung sind ―wie auch die von der Klägerin beanstandete Nichtbesteuerung des Weins― mit dem sekundären Gemeinschaftsrecht vereinbar.
a) Nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 92/83/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke ―RL 92/83― (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― Nr. L 316/21) erheben die Mitgliedstaaten nach Maßgabe dieser Richtlinie eine Verbrauchsteuer auf Bier. Die Bemessung dieser Verbrauchsteuer nach Anzahl Hektoliter/Grad Plato des Fertigerzeugnisses ist nach Art. 3 Abs. 1 erster Gedankenstrich der RL 92/83 möglich und zulässig. Die Steuersätze sind von den Mitgliedstaaten nach Maßgabe der Richtlinie 92/84/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Annäherung der Verbrauchsteuersätze auf Alkohol und alkoholische Getränke ―RL 92/84― (ABlEG Nr. L 316/29) festzulegen, wobei Bruchteile eines Grads Plato außer Acht bleiben dürfen (Art. 1 Abs. 2, Art. 3 Abs. 2 erster Unterabs. RL 92/83). Nach Art. 6 RL 92/84 beträgt der Mindestverbrauchsteuersatz für Bier ab dem 1. Januar 1993 0,748 ECU je hl/Grad Plato des Fertigerzeugnisses. Bei einem maßgeblichen Umrechnungskurs von 1 ECU = 1,90933 DM am ersten Arbeitstag des Oktobers 1993 (Art. 9 Abs. 1 RL 92/84 i.V.m. ABlEG 1993 Nr. C 267/1) sind dies für das Streitjahr 1994 ca. 1,43 DM. Die deutsche Bierbesteuerung wahrt damit den Mindeststeuersatz und hält sich auch sonst im Rahmen dieser Anforderungen. Das gilt auch hinsichtlich des Steuerentstehungstatbestandes in der Person der Klägerin, die als registrierter Wirtschaftsbeteiligter i.S. von Art. 4 Buchst. d der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren ―RL 92/12― (ABlEG Nr. L 76/1) zum Empfang unter Steueraussetzung stehenden Bieres aus einem anderen Mitgliedstaat (hier Irland) berechtigt war und in dieser Eigenschaft mit dem Empfang des Bieres dem Verbrauchsteueranspruch im Bestimmungsmitgliedstaat ausgesetzt ist (Art. 16 Abs. 1 bis 3 RL 92/12).
b) Nach Art. 7 Abs. 1 RL 92/83 erheben die Mitgliedstaaten nach Maßgabe dieser Richtlinie eine Verbrauchsteuer auf Wein. Hinsichtlich des Steuersatzes sieht Art. 5 erster Gedankenstrich RL 92/84 ab 1. Januar 1993 für stillen Wein einen Mindestverbrauchsteuersatz vor, der auf 0 ECU je Hektoliter festgesetzt ist. Die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) war daher nicht verpflichtet, einen höheren Steuersatz als Null einzuführen und konnte folglich von der Einführung einer Weinsteuer ganz absehen, denn dem Gesetzgeber stand es frei zu entscheiden, auf welche Art und Weise er dem Mindeststeuersatz Null umsetzungstechnisch im nationalen Recht Geltung verleihen wollte (vgl. Senatsurteil vom 21. Mai 1999 VII R 25/97, BFHE 189, 223 ―Schaumweinbesteuerung―).
3. Die in den bezeichneten Richtlinien angeordneten und begründeten Unterschiede zwischen der Besteuerung von Bier einerseits und der Besteuerung von Wein andererseits sind als solche mit dem primären Gemeinschaftsrecht vereinbar und wirken insbesondere nicht diskriminierend i.S. von Art. 95 Abs. 2 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften in der bis zum In-Kraft-Treten des Vertrags von Amsterdam (1. Mai 1999) geltenden Fassung (EGV), den das FG im Streitfall mit Recht anstelle des von der Klägerin angeführten inhaltsgleichen Art. 90 Abs. 2 EG noch herangezogen hat. Dies hat der EuGH bereits entschieden und dies damit begründet, dass Richtlinien nicht gegen den Vertrag verstoßen, wenn sie den Mitgliedstaaten einen Ermessensspielraum belassen, der weit genug ist, um ihnen die Umsetzung in einer mit den Erfordernissen des Vertrages im Einklang stehenden Weise zu ermöglichen (EuGH-Urteil vom 17. Juni 1999 Rs. C-166/98 ―Socridis―, EuGHE 1999, I-3791 Rdnr. 19). Dies sei bei den Richtlinien 92/83 und 92/84 der Fall, weil sie den Mitgliedstaaten lediglich die Verpflichtung auferlegten, eine Mindestverbrauchsteuer auf Bier zu erheben. Demzufolge verbleibe ihnen ein ausreichender Ermessensspielraum, um zwischen der Besteuerung von Wein und der von Bier ein Verhältnis herzustellen, das jeden Schutz der inländischen Erzeugung i.S. von Art. 95 Abs. 2 EGV ausschließe (Abs. 20 der Gründe).
4. Die streitgegenständliche Verbrauchsteuergesetzgebung des Bundes verstößt auch selbst nicht gegen Art. 95 EGV, wie das FG zutreffend geurteilt hat.
a) Nach Art. 95 Abs. 1 EGV erheben die Mitgliedstaaten auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten weder unmittelbar noch mittelbar höhere inländische Abgaben gleich welcher Art, als gleichartige inländische Waren unmittelbar oder mittelbar zu tragen haben. Nach Art. 95 Abs. 2 EGV erheben die Mitgliedstaaten auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten keine inländischen Abgaben, die geeignet sind, andere Produktionen mittelbar zu schützen. Ziel des Art. 95 EGV ist es, durch Beseitigung jeder Form des Schutzes, die aus einer die Waren aus anderen Mitgliedstaaten diskriminierenden inländischen Besteuerung folgen könnte, den freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten unter normalen Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten und die vollkommene Wettbewerbsneutralität der inländischen Besteuerung für inländische und eingeführte (d.h. im Binnenmarkt: aus anderen Mitgliedstaaten verbrachte) Erzeugnisse zu sichern (EuGH in EuGHE 1999, I-3791 Rdnr. 16). Ob diese Wettbewerbsneutralität im Einzelfall durch die nationale Besteuerung verletzt wird, ist bei gleichartigen Erzeugnissen nach Art. 95 Abs. 1 EGV anhand eines Belastungsvergleichs der aus anderen Mitgliedstaaten verbrachten Erzeugnisse mit gleichartigen inländischen Erzeugnissen zu beurteilen (vgl. EuGH-Urteile vom 26. Juni 1991 Rs. C-152/89 ―Kommission/Luxemburg― und Rs. C-153/89 ―Kommission/ Belgien―, EuGHE 1991, I-3141 und I-3171; Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 28. Juli 1992 VII R 84, 85/91, BFHE 169, 266, m.w.N.). Da Bier und Wein keine gleichartigen Erzeugnisse sind und die Klägerin selbst nicht behauptet, dass irisches Bier hier anders besteuert würde als deutsches Bier, ist im Streitfall der Schutzbereich des Art. 95 Abs. 1 EGV nicht berührt.
b) Das das Diskriminierungsverbot des Art. 95 Abs. 1 EGV notwendig ergänzende Verbot von Schutzmaßnahmen des Art. 95 Abs. 2 EGV (EuGH-Urteil vom 4. April 1968 Rs. 27/67 ―Fink-Frucht―, EuGHE 1968, 333, 346) soll verhindern, dass eine inländische Abgabe ein Erzeugnis aus einem anderen Mitgliedstaat höher belastet als ein nicht gleichartiges inländisches Erzeugnis, das mit jenem im Hinblick auf seine wirtschaftlichen Verwendungsmöglichkeiten im Wettbewerb steht (EuGH in EuGHE 1968, 333, 347; s. auch BFH-Beschluss vom 15. Februar 1995 VII B 100/94, BFH/NV 1995, 829). Das Verbot soll dabei jede Form eines mittelbaren steuerlichen Protektionismus bei "eingeführten" Erzeugnissen umfassen, die, ohne dass sie gleichartig im Sinne von Art. 95 Abs. 1 EGV wären, dennoch mit bestimmten inländischen Erzeugnissen, wenn auch nur teilweise, mittelbar oder potentiell, im Wettbewerb stehen (EuGH in EuGHE 1999, I-3791 Rdnr. 17).
aa) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist davon auszugehen, dass nur Konsumweine, die im Allgemeinen billig sind, ausreichend gemeinsame Merkmale mit Bier aufweisen, um eine Alternative für den Verbraucher darzustellen und i.S. von Art. 95 Abs. 2 EGV mit Bier in Wettbewerb zu treten (EuGH, Urteile vom 9. Juli 1987 Rs. 356/85 ―Kommission/Belgien―, EuGHE 1987, 3299, und in EuGHE 1999, I-3791 Rdnr. 18). Hiernach stellt sich die Frage einer etwa diskriminierenden Wirkung der deutschen Besteuerung von Bier aus anderen EU-Mitgliedstaaten von vornherein nur insoweit, als der Steuersatz Null auch für billigen Konsumwein aus heimischer Erzeugung zur Anwendung kommt. Auf einer höheren Qualitätsstufe steht Wein nicht in einem Wettbewerbsverhältnis zu Bier, weil sich dem durchschnittlichen Verbraucher, der qualitativ hochwertigen Wein zu Hause oder auswärts genießen, ihn an Freunde oder Bekannte verschenken oder ihn seinen Gästen bei bestimmten Anlässen kredenzen möchte, die Frage einer Substitution des Getränks durch Bier überhaupt nicht stellt, und weil andererseits der Verbraucher, dem es hauptsächlich auf die alkoholisierende Wirkung eines Getränks ankommt, höherwertigen Qualitätswein von vornherein nicht in seine Kaufüberlegungen einbezieht.
Es spricht viel dafür, dass das, was für Wein auf gehobener Stufe gilt, umgekehrt auch für Bier auf gehobener Stufe zu gelten hat, für solches "Qualitätsbier" ein Wettbewerbsverhältnis zu Wein also gar nicht gegeben ist. Das HZA hat dazu mit Recht vorgetragen, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Guinness Stout Bier um ein hochpreisiges Bier handelt. Hinzu kommt, dass es wegen seines ―das darf als gerichtsbekannt vorausgesetzt werden― besonderen, eigenartigen Geschmacks, der dem Biergeschmack des durchschnittlichen Verbrauchers in der EU keineswegs entspricht, hauptsächlich nur von Bierfreunden und Bierkennern geschätzt und aufgrund bewusster Entscheidung getrunken wird. Wer sich nur alkoholisieren möchte, dürfte Guinness Bier aus diesen Gründen von vornherein nicht in seine Kaufüberlegungen einbeziehen, so dass ein Wettbewerbsverhältnis zu Wein auf welcher Qualitätsstufe auch immer gar nicht gegeben sein dürfte. Der Senat braucht dies aber nicht abschließend zu entscheiden, da auch bei Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen Guinness Bier und Konsumwein, wie im Folgenden auszuführen sein wird, die Verbrauchsteuer auf Bier keine diskriminierende Wirkung hat.
bb) Bei einem angenommenen Wettbewerbsverhältnis zwischen dem streitgegenständlichen Guinness Bier und deutschem Konsumwein kommt eine Verletzung des Art. 95 Abs. 2 EGV gleichwohl nur in Betracht, wenn die Besteuerung des "eingeführten" Biers geeignet wäre, eine auch nur mittelbare protektionistische Wirkung zugunsten des in der Bundesrepublik erzeugten Weins zu entfalten (EuGH-Urteil vom 7. Mai 1987 Rs. 193/85 ―Cooperativa Co-Frutta―, EuGHE 1987, 2085). Das wäre der Fall, wenn die Abgabenbelastung Auswirkungen auf das gegenwärtige oder auch künftige Verbraucherverhalten dahin gehend hätte, dass der potentielle Verbrauch des irischen Importbiers zugunsten des Verbrauchs an deutschem Wein zurückginge (EuGH in EuGHE 1987, 3299, 3325). Da anders als beim Vergleich der Abgaben auf gleichartige Waren gemäß Art. 95 Abs. 1 EGV ein arithmetischer Belastungsvergleich hier nicht möglich ist, kann die Eignung der Abgabe zum mittelbaren Schutz der inländischen Produktion im Einzelfall nur aufgrund eines Abwägungsprozesses aller wirtschaftlich in Betracht kommenden einschlägigen Umstände prognostiziert werden, wobei auch statistische Daten in die Beurteilung einfließen können (EuGH-Urteil vom 27. Februar 1980, Rs. 170/78 ―Kommission/Vereinigtes Königreich―, EuGHE 1980, 417, 433; s. auch BFH in BFH/NV 1995, 829, 831, m.w.N.).
Im Streitfall steht, ungeachtet der im Einzelnen unterschiedlichen Darstellung der Beteiligten, fest, dass mehr als 50 v.H. des in der Bundesrepublik konsumierten Weins aus ausländischer Produktion und der weitaus überwiegende Anteil des in der Bundesrepublik konsumierten Biers aus heimischer Produktion stammt. Schon diese beide Daten schließen nach Auffassung des Senats eine auch nur mittelbare protektionistische Wirkung der deutschen Bierbesteuerung zugunsten des heimischen Weins aus. Denn bei in etwa gleichem Verbrauch inländischer und ausländischer Weine in der Bundesrepublik käme eine etwa protektionistische Wirkung der Biersteuer statistisch in gleicher Weise auch der ausländischen Weinproduktion zugute, die verbrauchsteuerfrei in die Bundesrepublik eingeführt oder verbracht wird. Eine Diskriminierung des importierten Biers gerade gegenüber der heimischen Weinerzeugung, so wie es der Verbotstatbestand des Art. 95 Abs. 2 EGV voraussetzt, liegt unter solchen Umständen nicht vor. In umgekehrter Hinsicht schließt der überwältigend hohe Anteil des Biers aus heimischer Erzeugung am Gesamtbierkonsum in der Bundesrepublik, da dieses Bier in gleichem Maße wie importiertes Bier der Biersteuer unterliegt, eine protektionistische Wirkung der Biersteuer aus. Dem entspricht die Rechtsprechung des EuGH, wonach eine differenzierende Besteuerung dann keine Schutzwirkung hat, wenn unter jede der Steuergruppen ein wesentlicher Teil der inländischen Erzeugung alkoholischer Getränke fällt (EuGH-Urteil vom 4. März 1986 Rs. 243/84 ―John Walker―, EuGHE 1986, 875). Das trifft auf die Steuergruppen Wein und Bier in der Bundesrepublik zu. Deshalb verletzt die nach der deutschen Steuergesetzgebung differenzierende Besteuerung von Bier und Wein den Art. 95 Abs. 2 EGV nicht; sie ist vielmehr wettbewerbsneutral.
cc) Die gegen diese Beurteilung, zu der auch das FG gekommen ist, gerichteten Angriffe der Klägerin gehen fehl.
Das FG hat zunächst keineswegs gegen den Grundsatz der Beweislastverteilung verstoßen, wie die Klägerin behauptet. Zwar sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, vor dem EuGH und damit wohl auch vor den nationalen Gerichten (vgl. Abs. 11 der Schlussanträge von Generalanwalt Tesauro in der Rs. C-200/90 ―Dansk Denkavit und Poulsen Trading―, EuGHE 1992, I-2217, 2237) zu beweisen, dass eine unterschiedliche Besteuerung eingeführter und heimischer gleichartiger Erzeugnisse keine diskriminierende Wirkung hat (EuGH in EuGHE 1991, I-3141 Rdnr. 29 und I-3171 Rdnr. 21). Diese Rechtsprechung bezieht sich jedoch auf Art. 95 Abs. 1 EGV und gilt nur bei fehlender Transparenz des betreffenden nationalen Steuersystems (EuGH in EuGHE 1991, I-3141 Rdnr. 25 und I-3171 Rdnr. 16). Davon kann bei der klaren Regelung der deutschen Biersteuer einerseits und angesichts der vorliegenden statistischen Daten über die heimische Bier- und Weinerzeugung andererseits, die eine klare Sprache sprechen (s. oben Ziff. 4 b bb), keine Rede sein. Das FG hatte daher keine Veranlassung, vom HZA die Vorlage weiterer Beweise für eine nicht diskriminierende Wirkung der deutschen Biersteuer anzufordern.
Auch die Betrachtungen, die die Klägerin unter Heranziehung des im europäischen Kartellrecht maßgeblichen wettbewerbsrelevanten Preisunterschieds von bereits 5 v.H. anstellt, der im Streitfall bei einer preislichen Entlastung des Produktes Konsumwein um etwa 18 v.H. bei weitem erfüllt sei, können in Anbetracht der statistischen Daten nicht überzeugen. Der Senat ist vielmehr mit dem FG der Auffassung, dass diese Daten eindeutig und offensichtlich belegen, dass die Nullbesteuerung des Weins einerseits und die im Bierpreis enthaltene geringfügige Biersteuer von durchschnittlich etwa 0,18 DM/Liter andererseits keinen messbaren Einfluss auf das Verbraucherverhalten beim Kauf eines der beiden Getränke, Konsumwein oder Bier, haben. Dafür spricht ferner, dass die Biersteuer in der Bundesrepublik im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedstaaten sehr niedrig ist (bei einem Vergleich der Steuern in Euro/100 Liter reinen Alkohols in Bier von einer Stärke von 5 Volumenprozent, Stand 1. April 2000, liegt nur Spanien niedriger und Luxemburg in etwa gleich auf, vgl. ABlEG 2000 Nr. C 204/5). Sie hat sich seit 1950 in der Höhe nicht geändert und hat gegenwärtig, auf die Mengeneinheit bezogen, den Charakter einer Bagatellsteuer, so dass deren Anhebung empfohlen wird (vgl. Jarsombeck, Steuererhöhung zum Schutz kleiner Brauereien ?, ZfZ 2001, 285). Eine weitere Bestätigung seiner Auffassung sieht der Senat in der von der Kommission den deutschen Weinbaugebieten Mittelrhein, Mosel-Saar-Ruwer, Nahe, Pfalz und Rheinhessen für das Jahr 2001 bewilligten Dringlichkeitsdestillation für eine Höchstmenge von 1 Mio. Hektoliter Weißwein (VO (EG) Nr. 2728/2000, ABlEG Nr. L 316/14), die u.a. damit begründet wurde, dass die Preise für Weißwein dieser Anbaugebiete seit 1998 um mehr als die Hälfte gefallen sind und trotz dieser niedrigen Preise der Verbrauch von Weißwein im Jahr 2000 nicht wesentlich zugenommen hat (vgl. Abs. 4 und 5 der Begründungserwägungen dieser Verordnung). Damit wird bestätigt, dass der Preis im unteren Qualitätsspektrum (Tafelweine, Qualitätsweine) jedenfalls bei Weißwein dieser für die Bundesrepublik repräsentativen Weißweinregionen keinen Einfluss auf das Verbraucherverhalten hat. Dies passt zu der in dem vom HZA vorgelegten Artikel über die vom Roland Berger Seminar (Brauwelt Nr. 8/2000, 305) getroffene Feststellung, dass auch die bei Bier eingetretene Kaufzurückhaltung nicht auf der Preisentwicklung, sondern auf der kritischeren Einstellung der Bevölkerung dem Alkohol gegenüber beruht. Preisgründe und mithin auch die von der Klägerin behaupteten Preisunterscheide zwischen Bier und Wein spielen nach alldem für das Verbraucherverhalten keine Rolle. Eine Diskriminierung importierten Biers gegenüber der inländischen Weinerzeugung lässt sich hieraus nicht herleiten. Die streitgegenständliche Bierbesteuerung ist somit mit dem Gemeinschaftsrecht und insbesondere mit Art. 95 Abs. 2 EGV vereinbar (so im Ergebnis auch Jatzke, Das System des deutschen Verbrauchsteuerrechts, 1997, 284, allgemein für das Verhältnis zwischen nichtbesteuertem Wein und anderen besteuerten alkoholischen Getränken).
5. Die Vereinbarkeit der im Streitfall zur Anwendung kommenden Vorschriften des nationalen Biersteuerrechts mit dem Gemeinschaftsrecht im Ausmaß ihrer Entscheidungserheblichkeit erscheint dem Senat, insbesondere unter Berücksichtigung der einschlägigen bisherigen Rechtsprechung des EuGH zu Art. 95 EGV, so klar und eindeutig, dass er sich in Anwendung der Grundsätze des EuGH-Urteils vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 ―C.I.L.F.I.T.― (EuGHE 1982, 3415) nicht zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 234 Abs. 3 EG verpflichtet hält.
Fundstellen
Haufe-Index 848102 |
BFH/NV 2002, 1630 |
BFHE 2003, 57 |
BFHE 200, 57 |
BB 2002, 2430 |
DStRE 2003, 44 |
HFR 2003, 10 |