Leitsatz (amtlich)
1. Die Tatsache, daß der Stpfl. einen vom FA vermuteten Tatbestand bestreitet, ohne seine Mitwirkungspflicht bei der Ermittlung des Sachverhalts verletzt zu haben, berechtigt nur dann zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen, wenn konkrete Anhaltspunkte für die Vermutung vorliegen.
2. Ein Werbungsmittler, der gemäß § 53 UStDB nur seine Vermittlungsgebühren versteuert, kann gemäß § 64 Abs. 2 UStDB uneinbringliche Entgelte nur insoweit absetzen, als diese auf die von ihm versteuerten Vermittlungsgebühren entfallen. Dabei muß von jedem Umsatzfestgestellt werden, wie hoch der Ausfall von Vermittlungsgebühren ist.
Normenkette
FGO § 96; AO § 217; UStDB § 9 Abs. 2, § 64 Abs. 2
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Stpfl.), bis Ende 1955 eine OHG und dann ein Einzelunternehmen, befaßt sich mit der Wirtschaftswerbung. Sie betreibt im wesentlichen Annoncenvermittlung für Markenartikelfirmen, daneben aber auch die Gesamtwerbung für größere Firmen. An der OHG war bis Ende 1955 der Gesellschafter X mit ...% und Y mit ...% beteiligt. Seit 1956 war Y Alleininhaber der Firma. Der Gesellschafter X war außer an der OHG noch an der Firma A-GmbH mit ...% beteiligt. Die Geschäftsräume beider Firmen befanden sich in B in demselben Gebäude. Die Stpfl. unterhielt in den Streitjahren Zweigstellen in C und D. Die GmbH besaß solche Zweigstellen nicht.
Bei der Stpfl. wurde in der Zeit von 1956 bis 1958 mit Unterbrechungen eine Betriebsprüfung durchgeführt. Der Prüfer kam dabei zu der Überzeugung, daß zwischen der Stpfl. und der GmbH tauschähnliche Umsätze bewirkt worden seien. Die GmbH stelle für die Stpfl. Klischee-Entwürfe und Plakatvorlagen her und führe durch ihr Personal Gestaltungsarbeiten und Beratungen für die Stpfl. durch. Die Stpfl. nehme insbesondere in ihren Filialen C und D Aufgaben, wie z. B. Plakatanschläge und Rundfunk- und Filmwerbung, die sonst von der GmbH ausgeführt würden, für diese wahr. Die Rechnungen für diese Arbeiten würden von der GmbH erteilt. In diesen gegenseitigen Arbeiten seien umsatzsteuerpflichtige Leistungen zu erblicken. Da einwandfreie Unterlagen über die Höhe der Entgelte nicht vorlägen, seien diese zu schätzen. Für 1955 stellte der Prüfer ferner fest, daß die Stpfl., die nach vereinbarten Entgelten versteuert und der Besteuerung gemäß § 53 UStDB die Vermittlungsgebühren zugrunde legt, uneinbringliche Forderungen von ... DM in voller Höhe von den Entgelten abgesetzt hatte. Er schlug vor, lediglich die Hälfte der ausgefallenen Forderungen zum Abzug zuzulassen. Für 1956 lehnte der Prüfer außerdem für die Lieferungen von Klischees im Rahmen von Insertionsaufträgen den ermäßigten Steuersatz nach § 7 Abs. 3 UStG ab.
Das FA, das sich der Auffassung des Prüfers anschloß, führte dementsprechend für 1951 bis 1955 endgültige Veranlagungen und für 1956 die erstmalige Veranlagung durch und setzte die Umsatzsteuer wie folgt fest:...In diesen Beträgen ist die Umsatzsteuer für die tauschähnlichen Umsätze mit den folgenden Beträgen enthalten: ... In dem für das Jahr 1955 festgesetzten Betrag von ...DM ist ferner enthalten ein Umsatzsteuerbetrag von ... DM, der auf der Nichtzulassung der Abzugsfähigkeit der Hälfte der ausgefallenen Forderungen beruht. Die Einsprüche gegen die Umsatzsteuerbescheide 1951 bis 1956 wurden als unbegründet zurückgewiesen.
In der Berufung wurde vom FG die Umsatzsteuersache 1956 abgetrennt, nachdem das FA den Umsatzsteuerbescheid für 1956 im Einvernehmen mit der Stpfl. zurückgenommen hatte.
Für 1951 bis 1953 hatte die Berufung in geringem Umfang Erfolg. Für 1954 und 1955 wurde die Umsatzsteuer in geringem Umfang erhöht. Dabei ging das FG auf Grund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahmen davon aus, daß zwischen der Stpfl. und der GmbH tauschähnliche Umsätze stattgefunden haben. Die Stpfl. habe dadurch Leistungen an die GmbH erbracht, daß sie dieser Kunden zugeführt habe, die der GmbH Aufträge für Film- und Rundfunkwerbung sowie für Plakatgestaltung und Plakatvorbereitung erteilt hätten. Hinsichtlich der Frage, ob diese Leistungen der Stpfl. wiederum Leistungen der GmbH gegenüberstanden, hat die Vorinstanz gestützt auf die Aussage des Zeugen Z festgestellt, daß solche Leistungen erbracht worden seien, für diese aber eine monatliche Vergütung von ...DM vereinbart war. Dieser Betrag von jährlich ... DM wurde ab 1954 von der Stpfl. an die GmbH gezahlt. Zu der Frage, ob vor 1954 ins Gewicht fallende Leistungen der GmbH erbracht wurden, stellt die Vorinstanz ausdrücklich fest, daß sie sich weitere Aufklärung nicht verschaffen konnte, lastet die bestehenden Unklarheiten der Stpfl. an und leitet daraus die Berechtigung ab, "den Sachverhalt der größten Wahrscheinlichkeit anzunehmen". Sie hält es schließlich "für hinreichend wahrscheinlich", daß die Leistungen der GmbH für die Stpfl. auch vor 1954 einen bewertbaren Umfang gehabt hätten. Bei dem seit 1954 festgesetzten Pauschalbetrage von ... DM, der von der Stpfl. an die GmbH zu zahlen war, handle es sich um einen "Überhang". Bemessungsgrundlage für die Leistungen der Stpfl. sei der Wert der Leistungen der GmbH. Mangels anderer Anhaltspunkte könne dafür eine Provision von 3 % vom Wert der Leistungen zugrunde gelegt werden, die die GmbH für diejenigen Kunden ausgeführt habe, die ihr von der Stpfl. zugeführt worden seien. Hinsichtlich der Frage der Absetzbarkeit der uneinbringlichen Forderungen sei dem Standpunkt des FA voll beizupflichten. Da die Stpfl. der Berechnung der Steuer lediglich die Vermittlungsgebühr zugrunde gelegt habe, könne sie auch nur die uneinbringlich gewordenen versteuerten Vermittlungsgebühren absetzen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die nunmehr als Revision zu behandelnde Rb. der Stpfl., mit der sie Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG mit der Auflage, die GmbH zum Verfahren beizuladen,
hilfsweise
Aufhebung der Vorentscheidung und Neufestsetzung der Umsatzsteuer für die Jahre 1951 bis 1955 unter Ausnahme der für die tauschähnlichen Umsätze sowie wegen der Nichtanerkennung der vollen Absetzung der ausgefallenen Forderungen angesetzten Beträge
begehrt.
Die Stpfl. rügt wesentliche Verfahrensmängel und unrichtige Rechtsanwendung. Das FG habe es unterlassen, im Berufungsverfahren die GmbH, deren Interessen durch dieses Verfahren berührt würden, beizuladen. Auf Grund der Beweisaufnahme habe das FG nicht zur Annahme von tauschähnlichen Umsätzen kommen können. Die Beweiswürdigung habe klar ergeben, daß für Plakatanschlag, Rundfunk- und Filmwerbung lediglich Rechtsbeziehungen zwischen den betreffenden Kunden und der GmbH selbst bestanden hätten. Die Mitwirkung der Stpfl. sei nur unbedeutend gewesen. Sie habe die Autträge nur weitergeleitet. Eine Provision sei nicht vereinbart gewesen. Es habe auch kein Unterwerbungsmittlervertrag bestanden. Die Beweiserhebung habe nicht ergeben, daß es sich bei den ... DM nur um einen Spitzenbetrag gehandelt habe. Das FG habe die klare Aussage der Leiterin der Buchhaltung nicht berücksichtigt. Auch das Schätzungsverfahren für die angenommene Vermittlungsleistung könne nicht als richtig anerkannt werden. Auf die eigentliche Rechtsfrage, ob unberechnete gelegentliche Gefälligkeitsleistungen überhaupt der Umsatzsteuer unterworfen werden können, sei das FG nicht eingegangen. Der Behandlung der uneinbringlichen Forderungen könne ebenfalls nicht beigepflichtet werden, weil sie weder der wirtschaftlichen Betrachtungsweise noch der Verkehrsauffassung entspreche. Nach Auffassung der Stpfl. sei das Urteil des BFH V 128/57 U vom 18. Dezember 1958 (BFH 68, 167, BStBl III 1959, 65) entsprechend anwendbar. Außerdem seien die Grundsätze des BFH-Urteils V 48/62 U vom 22. Juli 1965 (BFH 83, 288, BStBl III 1965, 604) zu beachten. § 64 Abs. 2 UStDB könne nur so angewandt werden, daß mit den Verlegern getätigte Umsätze um die endgültig ausgefallenen Forderungen nachträglich berichtigt werden, wodurch sich das Entgelt des Werbungsmittlers entsprechend mindere.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist zum Teil begründet. Die tatsächlichen Feststellungen des FG rechtfertigen nicht die Annahme tauschähnlicher Umsätze zwischen der Stpfl. und der GmbH. Gemäß § 9 UStDB liegt ein tauschähnlicher Umsatz vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder sonstigen Leistung besteht. Das FG hat auf Grund einer umfangreichen Beweisaufnahme festgestellt, daß die Stpfl. in den Jahren 1951 bis 1955 Leistungen an die GmbH bewirkt hat. Das angefochtene Urteil enthält aber keine Feststellungen darüber, daß außer den mit der jährlichen Vergütung von ... DM abgegoltenen Leistungen weitere Leistungen der GmbH an die Stpfl. bewirkt worden sind, die bei dieser als Entgelt für ihre an die GmbH bewirkten Leistungen angesprochen werden könnten. Das FG kommt zur Annahme solcher Leistungen auch nicht auf Grund von tatsächlichen Feststellungen, sondern weil es der Auffassung ist, daß die Unklarheiten im Sachverhalt zu Lasten der Stpfl. gehen und das FG berechtigen, den Sachverhalt der größten Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Diese Schlußfolgerung konnte das FG nicht treffen. Im Prozeßrecht gilt der Grundsatz, daß die tatsächlichen Grundlagen eines Steueranspruchs zur Überzeugung des Gerichts feststehen müssen. Ist eine solche Überzeugung nicht möglich, so geht die Nichterweislichkeit grundsätzlich zu Lasten dessen, der den Anspruch erhebt. Im Interesse der Steuergerechtigkeit läßt § 96 FGO in Verbindung mit § 217 AO an Stelle der Überzeugung von der Wahrheit eines Sachverhalts die Überzeugung von dessen Wahrscheinlichkeit dann genügen, wenn Besteuerungsgrundlagen nicht ermittelt oder berechnet werden können. Ausgangspunkt eines solchen Erkenntnisverfahrens kann aber, da ein Verstoß der Stpfl. gegen ihre Mitwirkungspflicht bei der Ermittlung des Sachverhalts nicht festgestellt ist, nicht das bloße Leugnen eines bestimmten Sachverhalts durch den Steuerpflichtigen sein. Sonstige Umstände und Vorgänge, die das FG berechtigt hätten, an Stelle der festgestellten Besteuerungsgrundlagen den Sachverhalt der größten Wahrscheinlichkeit anzunehmen, liegen nicht vor. Insbesondere können sie nicht darin gesehen werden, daß die Stpfl. ihre Vermittlungsleistungen nicht mit der GmbH verrechnet hat, wenn sie, wie sie ständig vorgetragen hat, der Auffassung war, daß diese Leistungen unentgeltlich erbracht würden. Dabei dürfen auch die gesellschaftlichen und persönlichen Verflechtungen der beiden Firmen nicht unberücksichtigt bleiben. Das FG durfte daher seiner Beurteilung nicht den Sachverhalt der größten Wahrscheinlichkeit, sondern mußte den zu seiner Überzeugung festgestellten Sachverhalt zugrunde legen. Entsprechend den Feststellungen des FG kann somit nicht davon ausgegangen werden, daß in den Jahren 1951 bis 1955 tauschähnliche Umsätze zwischen der Stpfl. und der GmbH stattgefunden haben. Ein Eingehen auf die weitere Frage, wie hoch solche Umsätze zu bewerten wären, ist demnach nicht erforderlich.
Gemäß § 64 Abs. 2 UStDB können bei der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten bereits versteuerte Entgelte von den Entgelten, die dem gleichen Steuersatz unterliegen, abgezogen werden, sobald feststeht, daß die versteuerten Entgelte uneinbringlich geworden sind. Aus dem klaren Wortlaut dieser Vorschrift ergibt sich, daß nur solche Entgelte absetzbar sind, die vorher versteuert wurden. Die Stpfl. hat im vorliegenden Fall nur die Vermittlungsgebühren im Sinne des § 53 UStDB versteuert. Diese Vermittlungsgebühren bestehen aus der Differenz zwischen dem Betrag, den der Auftraggeber an den Werbungsmittler zu zahlen hat, und dem Betrage, den der Werbungsmittler dem Verleger schuldet. Steuerpflichtiger ist der Werbungsmittler mit der einzelnen Leistung, für die er die Vermittlungsgebühr zu beanspruchen hat. Daraus ergibt sich, daß es für die Absetzbarkeit nicht auf die Höhe der uneinbringlichen Forderung an den Auftraggeber oder auf die Summe dieser Forderungen ankommen kann, sondern daß für jeden einzelnen Umsatz festgestellt werden muß, wie hoch der Ausfall an Vermittlungsgebühren ist. Das FA hat zu Recht darauf hingewiesen, daß andernfalls die Besteuerung nach vereinbarten Entgelten zu einem anderen Ergebnis führen kann als die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten. Beim BFH-Urteil V 128/57 U vom 18. Dezember 1958 (a. a. O.) hat es sich um die Höhe der Vermittlungsgebühren und nicht um die Absetzbarkeit der uneinbringlich gewordenen Vermittlungsgebühren gehandelt. Zu welchen Ergebnissen die Umsatzbesteuerung im Rahmen der Mehrwertsteuer führt, ist für die Beurteilung nach geltendem Recht ohne Bedeutung. FA und FG haben im vorliegenden Fall die abzusetzenden Beträge geschätzt. Die Höhe dieser Beträge ist nicht bestritten.
Dementsprechend war hinsichtlich der Behandlung der tauschähnlichen Umsätze dem weitergehenden Hilfsantrag der Stpfl. zu entsprechen. Auch hinsichtlich der Behandlung der uneinbringlichen Forderungen war eine Zurückverweisung an die Vorinstanz nicht geboten, da eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes nicht erforderlich ist. Die Umsatzsteuer war für die Jahre 1951 bis 1955 unter Herausnahme der Beträge, die auf die Besteuerung der tauschähnlichen Umsätze entfallen, neu festzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 412792 |
BStBl II 1968, 99 |
BFHE 1968, 351 |