Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Umstand, daß der Rückerstattungsverpflichtete an den Rückerstattungsberechtigten auf Grund eines erst nach dem 20. Juni 1948 abgeschlossenen Vergleichs eine Nachzahlung zu leisten hat, steht dem Abzug einer Schuld wegen Verpflichtung aus dem Rückerstattungsgesetz bereits bei der Vermögensermittlung des Rückerstattungsverpflichteten für den 21. Juni 1948 nicht entgegen.
Normenkette
VStG § 4; BewG § 74 Abs. 1 Ziff. 1, § 118/1/1
Tatbestand
Streitig ist die Berücksichtigung einer Rückerstattungsverpflichtung des Steuerpflichtigen (Stpfl.) bei der Vermögensteuerveranlagung 1949. Gegenstand der Rückerstattung war das Grundstück des Stpfl. in X. Am 12. Oktober 1953 wurde ein Vergleich von der Rückerstattungskammer geschlossen, nach dem der Stpfl. das Grundstück behielt, dafür aber an die Rückerstattungsberechtigte 20.000 DM in Raten zu zahlen hatte. Das Finanzamt hat bei der Vermögensermittlung auf den 21. Juni 1948 einen Abzug wegen der Rückerstattungsverpflichtung mit der Begründung abgelehnt, daß nach dem Stichtag vereinbarte Vergleichszahlungen erst bei einer Neuveranlagung der Vermögensteuer auf einen späteren Zeitpunkt berücksichtigt werden könnten. Der Stpfl. macht in der Sprungberufung geltend, daß er bereits seit Inkrafttreten des Rückerstattungsgesetzes (REG) (10. November 1947) mit der Rückgabe des Grundstücks bzw. einer Nachzahlung auf den seinerzeit entrichteten Kaufpreis habe rechnen müssen. Ein Schuldabzug bei Ermittlung des Vermögens für den 21. Juni 1948 sei aus diesem Grunde gerechtfertigt. Die Sprungberufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht hat die Verpflichtungen für den 21. Juni 1948 mit 15.300 DM bewertet und in dieser Höhe zum Abzug vom Rohvermögen zugelassen. In der Begründung führt das Finanzgericht aus, daß im Hinblick auf die Verpflichtungen nach dem REG am Währungsstichtag eine nach § 74 des Bewertungsgesetzes (BewG) zu berücksichtigende Schuld des Stpfl. anzuerkennen sei. Ein Erwerber rückerstattungspflichtigen Vermögens habe seit dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft mit einer Erstattung bzw. Schadensersatzpflicht rechnen müssen. Mindestens ab Inkrafttreten des REG sei jeder Rückerstattungsverpflichtete zur Wiedergutmachung verpflichtet. Würde man diese Verpflichtung nicht als Schuld anerkennen, so wäre die Folge, daß Rückerstattungsentscheidungen und Rückerstattungsvergleiche, die vor dem Währungsstichtag ergangen seien, als Vermögensminderung berücksichtigt würden, nicht aber nach dem Währungsstichtag erfolgte derartige Entscheidungen und Vergleiche. In der Verwaltungsanordnung der Oberfinanzdirektion vom 5. Oktober 1953 S 3530 - II - St 41/St 42 werde zwar unter Nr. 25 ausgeführt, daß Vergleichszahlungen des Rückerstattungsverpflichteten, die nach dem 20. Juni 1948 vereinbart worden seien, auf den Währungsstichtag nicht berücksichtigt werden könnten. Der Sinn dieser Bestimmung sei aber nur, daß Rückerstattungsvergleiche nicht auf den Währungsstichtag zurückbezogen werden dürften, nicht jedoch, daß Verpflichtungen im Hinblick auf das REG am 21. Juni 1948 überhaupt nicht bestünden. Auch Abschnitt 25 der Vermögensteuerrichtlinien 1949 stehe der Anerkennung einer Verbindlichkeit am 21. Juni 1948 nicht entgegen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts.
Sie wird damit begründet, daß gemäß § 27 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) die Folgen einer Rückerstattungsentscheidung oder eines Rückerstattungsvergleichs bei der Vermögensteuerhauptveranlagung 1949 unberücksichtigt blieben. Danach bestehe auch kein Grund, eine Schuld des Rückerstattungsverpflichteten bei der Vermögensermittlung nach dem Stichtag vom 21. Juni 1948 anzuerkennen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. kann nicht zum Erfolg führen.
Abschnitt 25 Abs. 2 der Vermögensteuerrichtlinien 1949 behandelt die vermögensteuerliche Auswirkung der Rückerstattung bei Steuerpflichtigen, die keine DM-Eröffnungsbilanz aufstellen, und rechnet im Hinblick darauf, daß die Rückerstattung erst mit der rechtskräftigen Entscheidung der Wiedergutmachungsbehörde oder der Vereinbarung über die Rückerstattung rückwirkend wirksam wird, das für eine Rückerstattung in Betracht kommende Vermögen in der Regel dem Rückerstattungsverpflichteten zu, da er noch Eigenbesitzer im Sinne von § 11 Ziff. 4 des Steueranpassungsgesetzes sei. Der Rückerstattungsberechtigte erlangt gemäß der angeführten Bestimmung das Eigentum an den entzogenen Gegenständen rückwirkend erst vom Zeitpunkt der Rückerstattungsanordnung oder der Rückerstattungsvereinbarung an. Es ist ihm erst von diesem Zeitpunkt an vermögensteuerrechtlich zuzurechnen und vom darauffolgenden 1. Januar ab bei der Vermögensteuer zu erfassen. Die Vermögensteuerrichtlinien binden die Steuergerichte nicht. Im übrigen ist für die den Gegenstand des Streits bildende Frage, ob der Rückerstattungsverpflichtete eine Nachzahlungsverpflichtung gegenüber dem Rückerstattungsberechtigten von seinem Rohvermögen am 21. Juni 1948 abziehen kann, aus Abschnitt 25 Abs. 2 der Vermögensteuerrichtlinien nichts zu entnehmen. Gleiches gilt von der angeführten Verwaltungsanordnung der Oberfinanzdirektion. Die streitige Frage der Abzugsmöglichkeit einer Nachzahlungsverpflichtung zur Vermeidung der Rückerstattung des entzogenen Wirtschaftsguts bei der Ermittlung des Rohvermögens am 21. Juni 1948 wird im Schrifttum verschieden beantwortet. Nach Deutsche Steuerzeitung 1953 B S. 508 kann eine Vergleichszahlung des Rückerstattungsverpflichteten, die nach dem 20. Juni 1948 vereinbart wurde, für den Stichtag vom 21. Juni 1948 nicht berücksichtigt werden, sondern erst bei einer Neu- oder Nachveranlagung auf einen späteren Zeitpunkt. Demgegenüber wird in der Zeitschrift "Der Betrieb" 1953 S. 745 die Auffassung vertreten, daß im Falle einer Nachzahlung auf den Kaufpreis die den Rückerstattungsverpflichteten betreffende Belastung nicht erst vom Zeitpunkt der rechtskräftigen Rückerstattungsentscheidung bzw. dem Zeitpunkt des Rückerstattungsvergleichs als vorhanden angesehen werden könne, vielmehr eine Nachzahlungsverbindlichkeit dem Grunde nach häufig bereits für den 21. Juni 1948 anerkannt werden müsse. Diese Verbindlichkeit sei mit dem Betrag vom Rohvermögen am 21. Juni 1948 abzuziehen, mit dem der Rückerstattungsverpflichtete damals habe rechnen müssen. Gemäß § 74 Abs. 1 Ziff. 1 BewG sind zur Ermittlung des Werts des Gesamtvermögens vom Rohvermögen Schulden abzuziehen, soweit sie nicht bereits beim Betriebsvermögen zu berücksichtigen waren. Es fragt sich, ob das Rohvermögen des Stpfl. unter Berücksichtigung der Verhältnisse vom 21. Juni 1948 bereits mit einer Rückerstattungsverpflichtung mindestens wirtschaftlich belastet war. Diese Frage wird vom Senat bejaht, nachdem bereits das amerikanische REG und die französische Rückerstattungsverordnung Nr. 120 am 10. November 1947 in Kraft getreten waren. Die Rb. entnimmt § 27 LAG, daß ein Schuldabzug des Stpfl. wegen der Rückerstattungsnachzahlung bei der Vermögensteuerhauptveranlagung 1949 zu versagen sei. Dem kann nicht zugestimmt werden. Allerdings geht § 27 Abs. 1 LAG wohl davon aus, daß die Folgen einer Rückerstattungsentscheidung oder eines Rückerstattungsvergleichs bei der Vermögensteuerhauptveranlagung 1949 noch nicht zu berücksichtigen sind. Daraus ergibt sich aber nicht, daß keine Schuldverpflichtung des Rückerstattungsverpflichteten für den Währungsstichtag berücksichtigt werden dürfe. Hiernach kann der vom Stpfl. geltend gemachte Abzug für den 21. Juni 1948 nicht versagt werden. Maßgebend für die Bewertung der Belastung sind die Verhältnisse am Währungsstichtag. Wenn das Finanzgericht mangels anderer Unterlagen die auf den 21. Juni 1948 zu bewertende Verbindlichkeit des Stpfl. unter Rückdiskontierung der in dem Rückerstattungsvergleich festgestellten Nachzahlung nach einem Zinssatz von 5,5 v. H. ermittelt hat, sind gegen diese Berechnung keine Bedenken zu erheben. Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 408063 |
BStBl III 1955, 23 |
BFHE 1955, 64 |
BFHE 60, 64 |