Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Der Jahreswert einer abzugsfähigen Altenteilslast richtet sich nicht nach den vertraglich vereinbarten, sondern nach den tatsächlichen Leistungen des Verpflichteten.
Normenkette
BewG § 74 Abs. 1 Ziff. 2, § 118/1/2, § 17/2, § 15/2; LAG § 21 Abs. 1 Ziff. 1
Tatbestand
Streitig ist der Jahreswert, mit dem bei der Ermittlung des Kapitalwerts einer Altenteilslast die Leistungen des Verpflichteten anzusetzen sind.
Die Vorauszahlungen des Beschwerdeführers (Bf.) auf die Vermögensabgabe betrugen - entsprechend dem Jahresbetrag der allgemeinen Soforthilfeabgabe - vierteljährlich 153 DM. Am 25. November 1952 beantragte der Bf., den Vierteljahresbetrag auf 73,90 DM herabzusetzen. In der beigefügten Berechnung hatte der Bf. u. a. den Jahreswert der Altenteilslast mit 1.200 DM und ihren Kapitalwert entsprechend dem Lebensalter der Berechtigten mit 3.600 DM (3 X 1.200 DM) angesetzt. Das Finanzamt gab dem Antrag des Bf. in vollem Umfang statt und setzte die Vorauszahlungen auf die Vermögensabgabe auf 73,90 DM vierteljährlich fest.
Gegen den Festsetzungsbescheid erhob der Bf. Beschwerde mit der Begründung, daß der Jahreswert der Leistung 1.500 DM und der Kapitalwert 4.500 DM betrage, so daß der Vierteljahresbetrag der Vorauszahlung auf die Vermögensabgabe sich von 73,90 DM auf 60,70 DM ermäßige. Auf diese Beschwerde hin hob die Oberfinanzdirektion den angefochtenen Bescheid des Finanzamts auf und setzte den Jahreswert der Leistung mit 1.000 DM und den Kapitalwert mit 3.000 DM an, so daß sich der ursprünglich festgesetzte Vierteljahresbetrag von 73,90 DM auf 78,30 DM erhöhte. Die Oberfinanzdirektion begründete ihre Entscheidung damit, daß nach den vorliegenden Steuererklärungen des Bf. die tatsächlichen Leistungen auf Grund des Altenteilsvertrags hinter den Solleistungen zurückgeblieben seien. Die Höhe der tatsächlichen Leistungen lasse sich nicht einwandfrei feststellen. Deshalb müsse der Jahreswert des Altenteils nach den zwischen dem Landwirtschaftlichen Buchführungsverband e. V., der Landwirtschaftskammer und dem Bauernverband einerseits und der Oberfinanzdirektion andererseits vereinbarten Rahmensätzen mit 1.000 DM angesetzt werden.
Die Berufung hatte keinen Erfolg. In der Vorentscheidung ist ausgeführt, es sei davon auszugehen, daß gerade bei Altenteilsverträgen erfahrungsgemäß häufig nicht die ursprünglich im Altenteilsvertrag vereinbarten Leistungen gewährt würden. Derartige zwischen Eltern und Kindern oder doch zwischen den nächsten Verwandten bestehenden Vertragsverpflichtungen pflegten meist nicht vertragsgenau erfüllt zu werden. Die Berechtigten verzichteten vielmehr sehr oft zugunsten der Verpflichteten stillschweigend auf einen erheblichen Teil der ihnen vertraglich zustehenden Ansprüche. Ein solcher Verzicht könne steuerlich nicht ohne Wirkung bleiben.
Demgegenüber steht der Bf. auf dem Standpunkt, eine Verbindlichkeit werde nicht dadurch geringer, daß auf sie geringere als die vereinbarten Leistungen erbracht würden. Dem Berechtigten sei die Nachforderung der Weniger-Leistung nur dann verschlossen, wenn er auf sie verzichtet habe. Für einen solchen Verzicht liege hier, jedenfalls soweit die Verpflichtung als Dauerverpflichtung in Betracht komme, kein sichtbarer Umstand vor. Wenn auch bei einer Jahresrate oder bei mehreren weniger geleistet worden sei, so könne hierin jedenfalls nicht ein Verzicht auf entsprechende Leistungen für alle Zukunft erblickt werden. Eine solche Abrede hätte auch der gleichen Form wie der Bestellung des Altenteils bedurft. Grundsätzlich sei also bei der Feststellung der Höhe der Altenteilslast von der vertraglich festgesetzten auszugehen, eben weil der Altenteilsanspruch der Berechtigten in dieser Höhe bestehe. Und hierauf allein könne es ankommen. Wie wäre es, wenn mehr geleistet würde, als vertraglich vereinbart sei? Lege dann auch das Finanzamt die tatsächliche Mehrleistung oder nur die vertragliche zugrunde? Zugegeben werde, daß der Altenteilsvertrag nicht seinem Buchstaben nach erfüllt worden sei, sondern daß zum Teil an Stelle der vertraglich vorgesehenen Leistungen auf Wunsch der Berechtigten andere Leistungen erbracht worden seien. Wenn er (der Bf.) diesem Wunsche der Berechtigten nicht nachgekommen wäre, hätte diese sicherlich auf Erfüllung der vertraglich festgelegten Leistungen bestanden.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.), die wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache zugelassen ist, ist nicht begründet.
Die Auffassung des Bf. über den Abzug von Schulden und Lasten nach § 74 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) ist rechtsirrig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, der sich auch der erkennende Senat anschließt, ist der Abzug einer Schuld oder Last nur zulässig, wenn mit der Geltendmachung der Schuld oder Last ernstlich gerechnet werden muß. Deshalb sind im allgemeinen nur solche Schulden oder Lasten abzuziehen, zu deren Erfüllung eine rechtliche Verpflichtung besteht. Ausnahmsweise kann auch - z. B. auf Grund vieljähriger übung - der tatsächliche Bestand einer Schuld anerkannt werden, ohne daß eine rechtliche Verpflichtung vorliegt (Urteil des Reichsfinanzhofs III 211/37 vom 10. Februar 1938, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1938 S. 531). Andererseits verbietet die wirtschaftliche Betrachtungsweise, solche Schulden und Lasten als abzugsfähig anzuerkennen, die zwar formell rechtsgültig übernommen sind, aber am Stichtag keine ernst zu nehmende Belastung bedeuten (Urteile des Reichsfinanzhofs III A 655/30 vom 17. Dezember 1931, RStBl. 1932 S. 328; III A 562/30 vom 21. Januar 1932, RStBl. 1932 S. 964; III A 201/36 vom 11. Februar 1937, RStBl. 1937 S. 603; III e 64/38 vom 24. November 1938, RStBl. 1939, S. 496). Die vorstehenden Grundsätze sind dann entsprechend anzuwenden, wenn abweichend von der bestehenden rechtlichen Verpflichtung wirtschaftlich eine Last besteht, die geringer oder höher ist als die nach bürgerlichem Recht vereinbarte Verpflichtung. Der Auffassung der Vorinstanz, daß der Jahreswert einer abzugsfähigen Altenteilslast sich nicht nach den vertraglich vereinbarten, sondern nach den tatsächlichen Leistungen richtet, wird daher zugestimmt. Damit wäre auch die vom Bf. in der Rb. gestellte Frage dahin zu beantworten, daß bei Leistungen über die vertragliche Verpflichtung hinaus dies gegebenenfalls beim Ansatz des Jahreswerts der Leistungen berücksichtigt werden müßte.
Die Feststellungen der Vorinstanz über die Höhe der gewährten Leistungen und ihren Ansatz (ß 17 Abs. 2 BewG) liegen auf tatsächlichem Gebiet. An solche Feststellungen ist der Bundesfinanzhof gebunden. Ein Rechtsirrtum der Vorinstanz ist nicht zu ersehen. Insbesondere ist nichts dagegen einzuwenden, daß sich die Vorinstanz ebenso wie die Oberfinanzdirektion an die Rahmensätze gehalten hat, die nach eingehenden Ermittlungen auf breiter Grundlage zwischen der Oberfinanzdirektion und den landwirtschaftlichen Organisationen vereinbart sind und die Lebensweise der Bauern und Altenteiler dem Wert der Höhe entsprechend berücksichtigen. Auch ein Verfahrensmangel, der im übrigen verspätet vorgebracht wäre (ß 290 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung - AO -), ist nicht zu erkennen.
Die Entscheidung im Kostenpunkt beruht auf § 307 AO.
Fundstellen
Haufe-Index 408060 |
BStBl III 1954, 381 |
BFHE 1955, 447 |
BFHE 59, 447 |