Leitsatz (amtlich)
Erwirbt ein Unternehmer Draht- und Hanfseilrollen in den üblichen Herstellerlängen, schneidet hiervon die von den Abnehmern gewünschten Längen ab und liefert diese im Inland im Großhandel weiter, so verliert er nicht den Anspruch auf die Großhandelsvergünstigung nach § 4 Ziff. 4 und § 7 Abs. 3 UStG.
Normenkette
UStG § 4 Ziff. 4, § 7 Abs. 3; UStDV 1938 § 12; UStDV 1951 § 12
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) betreibt u. a. den Seilgroßhandel. Sie erwirbt von Herstellerbetrieben Draht- und Hanfseilrollen in den üblichen Herstellungslängen, die sich nach den Transportmöglichkeiten richten; es kommen z. B. Längen von 500 m oder 1000 m in Betracht. Streitig ist, ob das Zerschneiden der Seile auf die von den Abnehmern für die Ausrüstung von Schiffen, Baggern, Fahrstühlen usw. gewünschten Längen eine steuerlich schädliche Bearbeitung ist, die der Inanspruchnahme der Steuervergünstigungen des § 4 Ziff. 4 bzw. § 7 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) entgegensteht. Die Vorinstanzen haben dies bejaht. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Entscheidungsgründe
Zutreffend geht das Finanzgericht davon aus, daß es nur darauf ankomme, ob in dem Zerschneiden ein bloßes Zuteilen von Ware zu sehen ist, oder ob es sich bereits um eine erste Stufe der Verarbeitung handelt und der Liefergegenstand nach der Verkehrsauffassung ein neues Verkehrsgut darstellt. Für seine Auffassung, daß das Schneiden über die Zwecke mengenmäßiger Zuteilung hinausgehe, beruft sich das Finanzgericht auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, insbesondere auf das Urteil V A 525/37 vom 15. Oktober 1937 (Slg.Bd. 42 S. 176, Reichssteuerblatt -- RStBl. -- 1937 S. 1145). Der jener Entscheidung zugrunde liegende Tatbestand weist jedoch gegenüber dem Streitfall erhebliche Unterschiede auf. Dabei ist nicht so sehr entscheidend, daß, worauf die Rechtsbeschwerde hinweist, daß Zerschneiden bei Trägern arbeitsintensivere, längere Zeit in Anspruch nehmende Maßnahmen erfordert als bei Drahtseilen, die durch einen einfachen Schnitt mit der Drahtschere abgetrennt werden. Von Bedeutung ist aber, daß Träger, die in den üblichen Walzlängen, die ihrerseits bereits handelsüblich sind, erworben werden, durch das Zerschneiden auf fixe Längen in der Regel nur noch für einen ganz bestimmten Zweck verwendbar sind, beispielsweise bei einem bestimmten Bau als Bauträger, während die Drahtseile überhaupt nicht in handelsüblichen Längen geliefert werden, sondern in Rollen von im allgemeinen 1000 m Länge, von denen der Abnehmer die seinem Bedarf entsprechende Menge verlangt, wobei es, wie die Bfin. unbestritten vorgetragen und auch der vom Finanzgericht gehörte Sachverständige bestätigt hat, handelsüblich ist, daß mit einer Toleranz von 10 %, nämlich je 5 % nach oben und unten, abgeschnitten werden darf. Auch in den anderen von der Rechtsprechung bisher entschiedenen einschlägigen Fällen ist ersichtlich, daß mit dem Zerschneiden bereits eine erste Stufe der Fertigung erreicht ist, weil z. B. aus dem Zerschneiden von Langholz Grubenstempel (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V A 404/36 vom 11. Dezember 1936, Slg.Bd. 40 S. 233, RStBl. 1937 S. 81) oder von Flachglas Fensterscheiben (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V A 374/36 vom 15. März 1937, Slg.Bd. 41 S. 130, RStBl. 1937 S. 591) hervorgehen, womit auch die Entstehung eines neuen Verkehrsgutes überzeugend dargetan ist.
Liegt im Streitfall also nicht einmal ein genaues Abpassen der benötigten Draht- oder Hanfseile vor, so glaubt die Vorentscheidung die Änderung in der Wesensart des Liefergegenstandes damit begründen zu können, daß die Abnehmer den abgeschnittenen kürzeren Seilen, die für ihre besonderen Zwecke paßten, vor der nicht zugeschnittenen Ware den Vorzug gäben. Dieses Beweisanzeichen reicht jedoch nicht aus, um die Entstehung eines neuen Verkehrsgutes darzutun. Denn diese Bevorzugung läßt sich ebensogut lediglich aus dem beschränkten Bedarfe des Abnehmers erklären. Das Finanzamt hat deshalb auch diejenigen Umsätze steuerbegünstigt belassen, in denen es sich lediglich um das Abteilen eines vom Abnehmer gewünschten Stückes, z. B. von 5 m Draht von einer größeren Drahtrolle, gehandelt hat und die Steuerbegünstigung nur versagt, wenn in Erfüllung eines Auftrags gleichzeitig mehrere Drahtseile auf bestimmte Abmessungen zugeschnitten werden. Diese lediglich auf den Umstand gestützte Unterscheidung, daß ein Abnehmer gleichzeitig den Bedarf für mehrere Drahtseile oder Hanfseile deckt, kann aber nicht richtig sein. Das Finanzgericht räumt auch ein, daß, da viele Waren von den Abnehmern aus Gründen rationellen Rohstoffeinsatzes nur in denjenigen Abmessungen erworben würden, die für einen bestimmten Verwendungszweck passend seien, die Anerkennung eines boßen Zuteilens bei vielen durch den Großhandel umgesetzten Waren praktisch gar nicht möglich sein werden, und daß für die Ausübung der Verteilerfunktion des Großhandels die dem Großhandel zugedachte Steuerbegünstigung nicht zum Zuge komme. Die Bfin. liefert in der Hauptsache für den Schiffsbau bestimmte Draht- und Hanfseile in nicht unerheblichen Längen (bei Trossen z. B. 220 m). Damit ist nicht einmal erwiesen, daß die abgeschnittenen Längen, die immer noch als Drahtseile bezeichnet werden können, eine Verwendung für andere Zwecke ausschließen. Eine im übrigen nach dem Gesagten nicht zwingende Auslegung, die auch nach der Auffassung der Vorinstanz dem Großhandel die durch § 4 Ziff. 4 bzw. § 7 Abs. 3 UStG zugedachte echte Verteilerfunktion beeinträchtigt, ist aber rechtsirrig und mußte die Aufhebung der Vorentscheidung zur Folge haben.
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Fundstellen
Haufe-Index 408061 |
BStBl III 1955, 34 |
BFHE 1955, 90 |