Leitsatz (amtlich)
1. Der Koordinierungs-Beschluß Nr 19 des vormaligen Gemeinsamen Deutschen Finanzrats vom 22. April 1947 über die Pauschalierung der Abgaben von Tabakwaren, die nicht zum Handel eingeführt werden (vgl. Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen 1947 S. 53 Nr 57), hatte, wie alle Koordinierungs-Beschlüsse, keine Gesetzeskraft, sondern war nur eine Empfehlung an die deutschen Länderregierungen.
2. Diesem Koordinierungs-Beschluß Nr 19 entsprechende Anordnungen überschreiten die Ermächtigung aus § 15 TabStG, haben daher keine ausreichende Rechtsgrundlage und sind deshalb nicht rechtswirksam. Die Abgaben sind daher nach § 8 TabStG in Verbindung mit § 24 TabStDB zu berechnen.
Normenkette
Koordinierungs-Beschluß Nr. 19 des vormaligen Gemeinsamen Deutschen Finanzrats vom 22. April 1947; TabStG §§ 15, 8; TabStDB § 24
Tatbestand
Die Vorinstanz hat den Beschwerdeführer (Bf.) wegen des Kaufs von 200 nichtversteuerten amerikanischen Zigaretten nach dem 22. Oktober 1948 für 60 RM Tabakabgaben als Steuerhehler haftbar gemacht. Der Abgabenforderung hat sie auf Grund des Koordinierungsbeschlusses Nr 19 des Gemeinsamen Deutschen Finanzrats vom 22. April 1947 (Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen -- Bay.FMBl. -- 1947 S. 53 Nr 57) 0,30 RM = 0,30 DM je Zigarette als pauschalierten Abgabenbetrag zugrunde gelegt.
Die Rechtsbeschwerde vom 28. Oktober 1949 bekämpft diese Berechnung:
I. Der Gemeinsame Deutsche Finanzrat habe "derartige Rechtsetzungsakte mit allgemein geltender Rechtsverbindlichkeit nicht erlassen" dürfen.
II. Der Koordinierungsbeschluß sei nicht Gesetz, Verordnung oder Verwaltungsakt im Sinn des § 2 des Währungsgesetzes Nr 64, falle daher nicht unter dessen Bestimmungen. Deshalb seien die auf 0,30 RM pauschalierten Abgaben im Verhältnis 10:1 auf 3 Dpf umzustellen.
III. Schließlich sei der Koordinierungsbeschluß im Jahre 1947, also vor der Währungsreform ergangen, wo die amerikanischen Zigaretten im freien Handel etwa 5 -- 8 RM gekostet hätten. Bei Begehung der Steuerhehlerei nach der Währungsreform habe eine amerikanische Zigarette etwa 10 -- 12 Dpf gekostet. Es sei unerfindlich, weshalb nach der Währungsreform prozentual erheblich mehr als vor dieser als Abgaben gefordert würden. Die Abgabesätze des Koordinierungsbeschlusses seien durch die tatsächlichen Verhältnisse überholt und daher nicht mehr allgemein rechtsverbindlich. Die Höhe dieser Sätze "überschreite den Charakter von Abgaben und stelle bereits eine Strafmaßnahme dar".
Die Rechtsbeschwerde beantragt:
1. beim Landeskommissar für Bayern durch Anfrage festzustellen, daß die Abgabesätze des Koordinierungsbeschlusses Nr 19 vom 22. April 1947 im Verhältnis 10:1 umzustellen sind,
2. die Anfechtungsentscheidung aufzuheben und den Bf. nur für 10 DM verkürzte Steuereinnahmen haften zu lassen.
Entscheidungsgründe
Diesen Anträgen war nicht zu entsprechen. Die Haftung des Bf. aus § 112 der Reichsabgabenordnung (AO) ist in der Anfechtungsentscheidung schlüssig begründet und durch den Bf. auch nicht abgelehnt worden. Streitig ist nur deren Höhe.
Nach § 15 Satz 1 des Tabaksteuergesetzes (TabStG) darf der Reichsminister der Finanzen anordnen, daß Tabakerzeugnisse, die nicht zum Handel eingeführt werden, nach den von ihm festgesetzten Durchschnitt preisen versteuert werden. Nach Satz 2 berechnet sich, wenn eine solche Anordnung getroffen ist, auch die Steuer für die Tabakerzeugnisse, die unter Hinterziehung der Abgaben eingeführt werden, nach den festgesetzten Durchschnitt preisen.
Auf Grund dieser Vorschriften galten nach § 46 Absatz 1 Satz 1 der Durchführungsbestimmungen (DB) für nicht zum Handel eingeführte Tabakerzeugnisse als Kleinverkaufpreise die dort genannten Durchschnittpreise. An die Stelle dieser Durchschnittpreise sind für die Dauer des Krieges die Durchschnittpreise in Teil 2 Absatz 2 des Erlasses des Reichsministers der Finanzen V 1510 -- 19 II vom 16. Februar 1944, Reichszollbl. S. 23, getreten. Diese Durchschnitt preise sind -- von der Rechtsverbindlichkeit ihrer Einführung und von der Kriegsdauer abgesehen -- jedenfalls durch die wiederholten Änderungen der Tabaksteuersätze überholt und daher nicht mehr gültig. Zudem sind diese Durchschnittpreise u. a. für Bayern durch § 3 der Rechtsanordnung des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen V 28845 -- z 5129 r vom 14. September 1946, Bay.FMBl. 1946 S. 58 Nr 52, aufgehoben worden mit der Ermächtigung an die Zollstellen, die Eingangs abgaben für nicht zum Handel bestimmte Tabakwaren pauschaliert zu erheben. Dadurch sollten alle Eingangsabgaben (Zoll, Umsatzausgleichsteuer, Tabak-Banderolesteuer und Materialsteuer) abgegolten sein.
Der Koordinierungsbeschluß Nr 19 des vormaligen Gemeinsamen Deutschen Finanzrats vom 22. April 1947 hat die Abgaben für Tabakwaren, die nicht zum Handel eingeführt werden, anders pauschaliert. Dieser Pauschalierungsbeschluß hatte aber, wie alle Koordinierungsbeschlüsse, selbst keine Gesetzeskraft; er stellte nur eine Empfehlung an die Regierungen der deutschen Länder dar.
Der auf Grund dieses Beschlusses ergangene Erlaß des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen V 22021 vom 27. Juni 1947, Bay.FMBl. 1947 S. 53 Nr 57, wonach die Abgaben für Zigaretten, die nicht zum Handel eingeführt werden, auf 30 Rpf pauschaliert waren, überschritt die Ermächtigung des § 15 TabStG, hat deshalb keine ausreichende Rechtsgrundlage und ist daher als rechtswirksam nicht anzuerkennen. Das gleiche gilt von dem Erlaß des genannten Bayer. Ministeriums V 82945-- V 1400 A vom 11. Oktober 1949, Bay.FMBl. 1949 S. 427 Nr 226, der die Abgaben für nicht zum Handel bestimmte Zigaretten auf 0,15 DM das Stück und für unter Hinterziehung der Abgaben eingeführte Zigaretten auf 0,25 DM das Stück pauschalierte, und von dem Erlaß des Bundesministers der Finanzen III V -- 1510 -- 28/49 vom 7. Dezember 1949, der die gleichen Pauschalsätze enthalten hat.
Mangels rechtsgültiger Unterlagen sind daher die Abgaben für geschmuggelte Tabakerzeugnisse nach § 8 TabStG in Verbindung mit § 24 DB zu berechnen. Nach diesen Vorschriften müssen in den der Versteuerung zugrunde zu legenden Kleinverkaufpreisen alle Abgaben, nämlich Zoll, Umsatzausgleichsteuer, Materialsteuer und Banderolesteuer, sowie alle außerdem vom Verbraucher zu tragenden Kosten, nämlich die reinen Gestehungskosten und die Handelspanne, eingerechnet werden. Danach ergibt sich ein Kleinverkaufpreis von 70 (66,15) Dpf je Zigarette, wenn man das Gewicht der Zigarette mit 1,25 g, die Gestehungskosten frei Grenze mit 3 Dpf, die Steuer mit 60 % und die Handelspanne mit 15 % des Kleinverkaufpreises ansetzt.
Die Abgaben betragen hiernach:
Zoll 11,25 Dpf
Umsatzausgleichsteuer 1,70 Dpf
Materialsteuer 0,65 Dpf
Banderolesteuer 42,00 Dpf
zusammen 55,60 Dpf
Diese Auffassung vertritt im Gegensatz zu seinem oben genannten Erlaß vom 7. Dezember 1949 jetzt in seinem Erlaß III A V 1510 -- 12/50 vom 1. August 1950 auch der Bundesminister der Finanzen.
Diese Berechnung der Kleinverkaufpreise und der Abgaben ist umständlich und ergibt die übermäßig hohen Beträge. Da deshalb beabsichtigt ist, die Versteuerung der nicht zum Handel und der unter Abgabehinterziehung eingeführten Tabakerzeugnisse neu zu regeln, die Erörterungen darüber aber noch nicht abgeschlossen sind, ist davon abgesehen worden, die Entscheidung der Vorinstanz nach § 243 Absatz 3 AO zum Nachteil des Bf. zu ändern.
Unter diesen Umständen war die Rechtsbeschwerde als unbegründet, nach § 307 AO auf Kosten des Bf., zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 407166 |
BStBl III 1951, 20 |