Leitsatz (amtlich)
Unternimmt ein Augenarzt eine vierwöchige Reise durch Indien, so können die Reisekosten auch nicht teilweise deshalb als Betriebsausgaben anerkannt werden, weil er während dieser Zeit an einem fünftägigen internationalen Augenärztekongreß teilnahm.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1
Tatbestand
Zu entscheiden ist in der Einkommensteuersache 1962 des Revisionsbeklagten (Steuerpflichtigen), ob die Kosten der Reise zu einem internationalen Augenärztekongreß in Indien als Betriebsausgaben anzuerkennen sind.
Der Steuerpflichtige war Augenarzt. Vom 3. bis 7. Dezember 1962 besuchte er den in Neu-Delhi stattfindenden 19. Internationalen Kongreß für Ophthalmologie und nahm im Anschluß daran an der für die deutschen Teilnehmer durchgeführten dreiwöchigen Studienreise durch Indien, einer sog. Kontaktreise, teil. Von seinen gesamten Aufwendungen für die Reise von über 6 000 DM machte er 3 307 DM (nämlich Flugkosten von 2 722 DM, Anreise- und Nebenkosten von 113 DM, Reisespesen für Hin- und Rückreise von 72 DM und Reisespesen für fünf Kongreßtage von zusammen 400 DM) abzüglich der bereits im Jahre 1961 berücksichtigten 400 DM, mithin 2 907 DM als Betriebsausgaben geltend.
Nachdem der Revisionskläger (FA) diesen Betrag in einer nach § 100 Abs. 2 AO vorläufigen Veranlagung zum Abzug als Betriebsausgaben zugelassen hatte, erkannte er ihn nach Durchführung einer Betriebsprüfung nicht als Betriebsausgaben an. Der Einspruch des Steuerpflichtigen hatte insoweit Erfolg, als das FA für fünf Kongreßtage den Auslandspauschsatz von 80 DM täglich zum Abzug als Betriebsausgaben zuließ.
Die Berufung des Steuerpflichtigen führte zur Aufhebung der Einspruchsentscheidung und des angefochtenen Steuerbescheids. Das FG erkannte die 2 907 DM in vollem Umfang als Betriebsausgaben an. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, der Steuerpflichtige habe eine berufliche Reise unternommen, die er aus privaten Gründen und auf Privatkosten verlängert habe. Es müsse dem Steuerpflichtigen überlassen bleiben, in welcher Art und in welchem Umfang er sich beruflich fortbilde. Das FA hätte die gesamten Reisekosten als Betriebsausgaben anerkannt, wenn der Steuerpflichtige sofort nach Beendigung des Kongresses zurückgeflogen wäre. Die Verlängerung des Aufenthalts in Indien um 21 Tage aus privaten Gründen könne diesen beruflichen Charakter der Teilnahme am Kongreß nicht beeinflussen. Es sei nicht angängig, lediglich aus dem Verhältnis der Dauer des Kongresses (fünf Tage) zur Dauer der gesamten Reise (vier Wochen) den Schluß zu ziehen, daß die Gründe der Reise überwiegend privater Natur gewesen seien. Die nicht als Betriebsausgaben abgezogenen Kosten für den privaten Teil der Reise ließen sich leicht von denen des beruflichen Teils trennen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die vom FG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Die Reisekosten sind entgegen der Ansicht des FG keine Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4 EStG), sondern Aufwendungen für die Lebensführung im Sinn des § 12 Nr. 1 EStG. Kosten für die Teilnahme an Fachtagungen sind nur dann Betriebsausgaben, wenn die Teilnahme ausschließlich oder weitaus überwiegend durch berufliche Erwägungen veranlaßt war (Urteil des Senats IV 269/64 U vom 22. Juli 1965, BFH 83, 401, BStBl III 1965, 644). Die Feststellung dieser Veranlassung kann nur durch Würdigung der Reise in ihrer Gesamtheit getroffen werden, so daß es entgegen der Auffassung des FG nicht darauf ankommt, wie eine Reise zu beurteilen wäre, die nur fünf Tage zur Teilnahme an dem Kongreß gedauert hätte. Denn dieser Sachverhalt liegt nicht vor. Betrachtet man nun die Reise in ihrer Gesamtheit, so zeigt sich, daß eine aufwendige, weitführende Auslandsreise von längerer Dauer vorliegt, bei der die rein berufliche Veranlassung im Verhältnis zu den mit der Reise verbundenen privaten Zwecken nicht nur zeitlich objektiv in den Hintergrund tritt (vgl. Urteil des Senats IV R 62/68 vom 8. August 1968, BFH 93, 88, BStBl II 1968, 680). Hier spielt die Tatsache, daß mit einer kurzen Berufsreise eine wesentlich längere Bildungs- und Erholungsreise verbunden wurde, eine so bedeutsame Rolle für die Gesamtwürdigung des Charakters und des Zwecks der tatsächlich durchgeführten Reise und ihrer Einzelteile, daß die die Gesamtreise betreffenden reinen Reisekosten nicht als ganz überwiegend durch den Betrieb veranlaßt angesehen werden können.
Fundstellen
Haufe-Index 68439 |
BStBl II 1969, 235 |
BFHE 1969, 484 |