Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzicht von Vereinsmitgliedern auf Zahlung der ihnen gegenüber dem Verein zustehenden Aushilfslöhne - kein Betriebsausgabenabzug
Leitsatz (amtlich)
Einem (gemeinnützigen) Verein entstehen keine als Betriebsausgaben eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs abzugsfähigen Aufwendungen, wenn Vereinsmitglieder auf die ihnen gegen den Verein zustehenden Ansprüche auf Zahlung von Aushilfslöhnen im engsten zeitlichen Zusammenhang mit der vorgesehenen Lohnzahlung bedingungslos verzichten.
Orientierungssatz
1. Eine Scheinhandlung i.S. des § 41 Abs. 2 AO 1977 verlangt ein bewußtes und gewolltes Zusammenwirken der Beteiligten in Verwirklichung eines Gesamtplans.
2. Ein (gemeinnütziger) Verein wird mit den Werten eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs im Ergebnis partiell steuerpflichtig. Steuersubjekt ist indes nicht der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb, sondern der Verein (vgl. Literatur).
3. Die Auslegung eines Vertrags ist Rechtsanwendung. Das Revisionsgericht nimmt die Auslegung selbst vor, wenn die Tatsacheninstanz sie unterlassen, aber die dazu notwendigen Feststellungen getroffen hat. Das gilt auch dann, wenn mehrere Auslegungsmöglichkeiten bestehen und sich die Begründung der Auslegung durch das FG als denkfehlerhaft erweist (vgl. BGH-Rechtsprechung und BFH-Rechtsprechung). Für die steuerliche Beurteilung von Verträgen ist das von den Vertragsbeteiligten wirtschaftlich wirklich Gewollte zu berücksichtigen.
Normenkette
KStG 1981 § 8 Abs. 1; EStG 1983 § 4 Abs. 4, § 11 Abs. 2 S. 1; AO 1977 §§ 14, 41 Abs. 2; BGB § 133; FGO § 118 Abs. 2; BGB § 157; KStG 1981 § 1 Abs. 1 Nr. 4; BGB § 397; KStG 1981 § 5 Abs. 1 Nr. 9
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist ein eingetragener Verein und wegen Förderung des Sports als gemeinnützigen Zwecken dienend anerkannt. Im Streitjahr (1983) führte er als wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S. des § 14 der Abgabenordnung (AO 1977) zu beurteilende gesellige Veranstaltungen durch.
Bei der Veranlagung 1983 wich der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) von der Einnahmen-Ausgaben-Überschußrechnung des Klägers ab und ließ Aushilfslöhne für die Mithilfe von Vereinsmitgliedern bei diesen geselligen Veranstaltungen nicht als Betriebsausgaben des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs zu. Nach Auffassung des FA waren die Löhne nicht aus dem Vermögensbereich des Klägers abgeflossen. Der gegen den Körperschaftsteuerbescheid für 1983 … und den Gewerbesteuermeßbescheid für 1983 … erhobene Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen gerichteten Klage statt.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 4 Abs.4 und 11 Abs.2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Die vom Kläger geltend gemachten Aushilfslöhne für Vereinsmitglieder sind entgegen der Auffassung des FG nicht als Betriebsausgaben (§ 4 Abs.3 EStG) zu berücksichtigen. Die Löhne haben den Vermögensbereich des Klägers nicht verlassen, weil die Berechtigten vor Zufluß auf sie verzichtet hatten. Es sind keine Gründe ersichtlich, wonach der Verzicht als Verwendung zugeflossenen Einkommens zu beurteilen wäre.
1. Die Gläubiger der Aushilfslöhne haben im Streitfall ―im Gegensatz zur tatsächlichen Würdigung des FG― auf ihre Ansprüche verzichtet. Ausgehend von den Feststellungen des FG, zwischen dem Kläger und den mithelfenden Vereinsmitgliedern seien entgeltliche Arbeitsverhältnisse begründet worden, liegt darin ein Erlaßvertrag i.S. des § 397 des Bürgerlichen Gesetzbuches ―BGB― (vgl. auch Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 49.Aufl. 1990, § 397 Anm.1).
a) Das FG hat verkannt, daß der Kläger und die mithelfenden Vereinsmitglieder einen solchen Erlaßvertrag hinsichtlich der vereinbarten Aushilfslöhne geschlossen haben. Der erkennende Senat geht dabei davon aus, daß die Würdigung durch das FG revisionsrechtlich daraufhin zu prüfen ist, ob es die Willenserklärungen der Beteiligten richtig ausgelegt, ob es vor allem die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) beachtet und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat, denn die Auslegung eines Vertrags ist Rechtsanwendung (Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 11.Februar 1981 I R 13/77, BFHE 133, 3, BStBl II 1981, 475). Das Revisionsgericht nimmt die Auslegung selbst vor, wenn die Tatsacheninstanz sie unterlassen, aber die dazu notwendigen Feststellungen getroffen hat (Urteil des Bundesgerichtshofs ―BGH― vom 25.September 1975 VII ZR 179/73, BGHZ 65, 107, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ―HFR― 1976, 182). Dies gilt auch dann, wenn mehrere Auslegungsmöglichkeiten bestehen und sich die Begründung der Auslegung durch das FG als denkfehlerhaft erweist (BGH in BGHZ 65, 107 und BFH-Urteil vom 11.Oktober 1983 VIII R 61/81, BFHE 140, 177, BStBl II 1984, 267). Für die steuerliche Beurteilung von Verträgen ist das von den Vertragsbeteiligten wirtschaftlich wirklich Gewollte zu berücksichtigen.
b) Im Streitfall hat das FG ―für den Senat bindend (§ 118 Abs.2 FGO)― festgestellt, daß die vom Vereinskassier gezahlten Löhne in jedem einzelnen Fall vom Empfänger sofort wieder an den Kassier zurückgegeben wurden. Es ist weder vom FG festgestellt, noch sonst ersichtlich, daß an die Rückgabe des Geldes irgendwelche Bedingungen geknüpft worden sind. Die vorbehaltlose Rückgabe des selben Geldbetrags in engstem zeitlichen Zusammenhang mit seiner Auszahlung kann aber von einem objektiven Erklärungsempfänger (§ 133 BGB) nur als Verzicht auf den Lohnanspruch verstanden werden, der mit der Zahlung abgegolten werden sollte (vgl. auch BFH-Urteil vom 4.November 1986 VIII R 82/85, BFHE 148, 520, BStBl II 1987, 336). Die Annahme dieses Angebots durch den Kläger liegt darin, daß der Vereinskassier die zurückgegebenen Geldbeträge angenommen hat.
c) Nach ihrer Erfüllung ist zwar kein Erlaß einer Forderung mehr möglich, weil diese durch die Erfüllung erlischt (§ 362 BGB und Palandt, a.a.O., § 397 Anm.1b). Im Streitfall ist aber durch die Annahme des gezahlten Geldbetrages noch keine Erfüllung eingetreten. Die Gläubiger der Aushilfslöhne haben die ihnen als Erfüllung angebotene Leistung nicht als solche angenommen (vgl. § 363 BGB), wenn sie diese sofort und vorbehaltlos wieder zurückgeben.
2. Von einem Zufluß der gezahlten Aushilfslöhne im Sinne einer Begründung tatsächlicher wirtschaftlicher Verfügungsmacht bei den Gläubigern und damit einem Abfluß dieser Beträge aus dem Vermögensbereich des Klägers könnte nur dann ausgegangen werden, wenn sich der Verzicht der Gläubiger auf die Aushilfslöhne seinem wirtschaftlichen Gehalt nach als Verwendung zugeflossenen Einkommens erweist. Das wäre z.B. der Fall, wenn die Gläubiger den "Verzicht" auf ihre Löhne gegenüber dem Kläger mit der Bedingung verbunden hätten, diese Geldbeträge einem Dritten zuzuwenden (vgl. Giloy, Betriebs-Berater ―BB― 1984, 715). In diesem Sinn versteht der Senat die Begründung des FG, mit der allein es einen Lohnverzicht ausgeschlossen hat, das Bestreben der Beteiligten sei ersichtlich dahin gegangen, "dem ideellen Verein den Betrag zuzuwenden, den man bei dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb durch Arbeitsleistung erdient hatte." Zwar wird die Körperschaft mit den Werten des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs im Ergebnis partiell steuerpflichtig. Steuersubjekt ist indes nicht der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb, sondern die Körperschaft, die neben ihrer ideellen Tätigkeit einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält (vgl. Scholtz in Koch, Abgabenordnung - AO 1977 -, 3.Aufl., § 64 Rdnr.4). Ein Verzicht auf ein geschuldetes Entgelt kommt deshalb stets dem nämlichen Steuerpflichtigen zugute; ein Wechsel seiner Zuordnung vom wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zum ideellen Bereich vermag daran nichts zu ändern. Der Verzicht erweist sich auch sonst nicht als Verwendung zugeflossenen Einkommens, zumal damit die Stellung der ihn leistenden Vereinsmitglieder innerhalb des Vereins nicht konkret verbessert wird.
3. Überdies liegt die Annahme nahe, daß die vereinbarten Aushilfslöhne mit dem Ziel der Steuerersparnis nur "zum Schein" (§ 41 Abs.2 AO 1977) ausbezahlt wurden, wenn in allen Fällen der Empfänger des Lohns diesen sogleich und in voller Höhe wieder zurückzahlte. Eine Scheinhandlung i.S. des § 41 Abs.2 AO 1977 verlangt zwar zudem ein bewußtes und gewolltes Zusammenwirken der Beteiligten in Verwirklichung eines Gesamtplans. Angesichts der Feststellungen des FG liegt aber der Schluß auf einen solchen Gesamtplan nahe. Zum einen wurden ―wie das FG festgestellt hat― die Aushilfslöhne in der Erwartung ausgezahlt, daß diese Beträge alsbald wieder zugewendet würden. Zum anderen waren die mithelfenden Vereinsmitglieder als Gläubiger der Aushilfslöhne damit einverstanden, dieser Erwartung zu entsprechen. Nach den Feststellungen des FG waren die Zahlungsempfänger entschlossen, "den empfangenen Betrag im Hinblick auf die durch den Sportplatzbau angespannte finanzielle Lage des Vereins sogleich wieder als Zuwendung zurückzugeben". Dem entspricht die vom FG wiedergegebene Äußerung eines als Zeugen vernommenen Vereinsmitglieds: "Ich hatte meine Schuldigkeit getan."
Fundstellen
Haufe-Index 62993 |
BFH/NV 1991, 23 |
BStBl II 1991, 308 |
BFHE 163, 87 |
BFHE 1991, 87 |
BB 1991, 470 (L) |
DB 1991, 786 (T) |
DStR 1991, 646 (KT) |
HFR 1991, 361 (LT) |
StE 1991, 96 (K) |