Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Für Reparaturleistungen an Sachen, die unter den Selbstkosten ausgeführt, nicht aber wie die üblichen Garantieleistungen bei Material- und Funktionsfehlern verkaufter Waren als Ausfluß des vorangegangenen Kaufvertrages übernommen werden, sind steuerlich keine Rückstellungen zugelassen. Solche durch den Kundendienst entstehenden Belastungen betreffen das Jahr, in dem die Reparaturen anfallen.
Normenkette
EStG §§ 5, 6/1/3; KStG § 6
Tatbestand
Die Bfin. betreibt u. a. die Herstellung von Füllhaltern, Druckstiften und Kugelschreibern. Zur Durchführung von Gewährleistungs- und sonstigen Reparaturen an ihren Erzeugnissen sowie auch in geringerem Umfang an Fremderzeugnissen hat sie in ihren Produktionsräumen sowie bei Zweigniederlassungen besondere Reparaturabteilungen eingerichtet. In diesen Reparaturabteilungen führt die Bfin. an ihren Eigenerzeugnissen Gratisreparaturen aus, soweit die Beanstandungen der Kunden auf Gewährleistungsverpflichtungen zurückgehen, die die Bfin. ausdrücklich oder stillschweigend eingegangen ist. Die aus diesen Gratisreparaturen entstehenden Verluste werden bilanzmäßig in einer Rückstellung ausgewiesen, die dem Grunde und der Höhe nach vom Finanzamt anerkannt worden ist.
Dagegen hat das Finanzamt im Anschluß an eine Betriebsprüfung der weiteren Rückstellung für Verluste, die durch Reparaturen entstehen, die nicht auf Gewährleistungsansprüche der Kunden zurückgehen, die steuerliche Anerkennung versagt, weil für Reparaturen unter den Selbstkosten kein Verpflichtungsgrund der Bfin. gegenüber den Kunden bestehe. Die Rückstellung für 1965 beträgt 130 000 DM; sie ist um 10 000 DM höher als im Jahre 1955.
Die Bfin. trug hiergegen vor, sie sei zur Wahrung des guten Rufs ihrer Erzeugnisse gezwungen, möglichst alle Reparaturen, die an ihren Füllhaltern anfielen, an sich zu ziehen. Der Umfang des Reparaturdienstes lasse darauf schließen, daß diese Einrichtung zu einem festen Bestandteil des Kundendienstes geworden sei. Ein Abbruch dieses Kundendienstes würde zu einem erheblichen Umsatzrückgang führen. Aus diesem Grunde sei sie schon gezwungen, an dem Reparaturdienst festzuhalten. Die Ursache für die Entstehung des Verlustes liege jeweils im abgelaufenen Wirtschaftsjahr. Denn jeder Füllhalter sei bereits bei der Fertigung mit dem Risiko einer späteren verbilligten Reparatur behaftet. Auch aus der Sicht des Teilwertgedankens müsse man zu dem gleichen Ergebnis kommen, weil ein Käufer des Unternehmens die Tatsache der Entstehung laufender Verluste aus dem Reparatursystem kaufpreismindernd in Rechnung stellen würde.
Die Sprungberufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht führt aus, eine Rückstellung sei nur zulässig, wenn Verpflichtungen beständen. Die Verbilligung der Reparaturen, die bei den allgemeinen Instandsetzungskosten entstehe, komme auch den Einsendern fremder Fabrikate zugute. Es sei deshalb nicht zu ersehen, wie sich bei dieser Handhabung die Verbilligung der Reparaturen auf den Ruf der Erzeugnisse der Bfin. auswirken solle. Der maßgebende Gesichtspunkt für die Durchführung des verbilligten Reparaturdienstes bestehe für die Bfin. offenbar darin, eine möglichst breite Käuferschicht anzusprechen. Die Einrichtung dieses Reparaturdienstes beruhe nicht auf einer in der Vergangenheit entstandenen Verpflichtung, sondern solle ausschließlich die künftige Entwicklung des Unternehmens günstig beeinflussen.
Mit der Rb. wird vorgetragen, die Bfin. müsse die sehr weitgehende Kulanz bei der Berechnung von Reparaturen schon wegen der jahrelangen übung walten lassen. Wenn bereits aus der tatsächlichen Gestaltung der Dinge eine kaufmännische Verpflichtung zur übernahme der aus dem verbilligten Reparaturdienst entstehenden Verluste laufend bestehe, so werde diese kaufmännische Verpflichtung sogar zu einer rechtlich erzwingbaren Verpflichtung durch die Tatsache, daß sie in umfangreichen, sämtlichen von ihr belieferten Fachgeschäften zugesandten Katalogen die von ihr kalkulierten Reparaturpreise publiziere. Diese Verpflichtung beziehe sich auch auf die Reparatur von Fremderzeugnissen. Der die Rückstellung begründende Verlust sei bereits mit dem Ausstoß der Produktion entstanden und müsse deshalb bereits am Ende jeden Wirtschaftsjahres bilanzmäßig in einer Rückstellung erfaßt werden.
Die Bfin. hat mündliche Verhandlung beantragt. Dem Senat erschien es zweckmäßig, vorerst einen Bescheid zu erlassen (§ 294 Abs. 2 AO).
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Das Finanzgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß Rückstellungen für künftige Ausgaben gebildet werden können, wenn diese ihren Grund im abgelaufenen Wirtschaftsjahr haben, und wenn ferner eine einklagbare Schuld oder eine sittliche Verpflichtung oder eine Pflicht vorliegt, der der Kaufmann aus geschäftlichen Erwägungen nachkommt (Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 242/61 U vom 20. November 1962, BStBl 1963 III S. 113, Slg. Bd. 76 S. 307). Die Voraussetzung, daß die Schuld das abgelaufene Jahr trifft, ist bei der Erfüllung von Garantieleistungen, bei denen im Falle von Material- und Funktionsfehlern der verkauften Waren kostenlose Reparaturen oder Ersatzleistungen durchgeführt werden, gegeben; dies gilt auch für Garantieleistungen, die eine Firma aus Gründen der Kulanz ständig auch nach Ablauf der von ihr vereinbarten Garantiefrist gewährt (Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 242/61 U). Darum haben die Vorinstanzen mit Recht eine Rückstellung für die von der Bfin. garantierten kostenlosen Reparaturen an den von ihr hergestellten und verkauften Schreibgeräten anerkannt.
Es mag der Bfin. zugegeben werden, daß sie ihren Abnehmern gegenüber verpflichtet ist, die auf Grund ihres verbilligten Reparaturdienstes vorgesehenen Leistungen für ihre eigenen und für Fremderzeugnisse dauernd unter den Selbstkosten durchzuführen, und daß sie aus kaufmännischen Erwägungen heraus außerstande ist, dieses verlustbringende Geschäft aufzugeben. Es kann ihr aber nicht zugestanden werden, daß diese Verluste bereits mit dem Verkauf ihrer Produktion entstanden sind und das abgelaufene Wirtschaftsjahr belasten.
Ein Mangel des Schreibgerätes, der durch natürlichen Verschleiß oder unsachgemäße Behandlung auftritt, hat seine Ursache nicht in der Qualität des verkauften Gegenstandes; diese Mängel treten hiervon unabhängig auf und führen zu einem neuen, von dem Verkauf gelösten Rechtsgeschäft zwischen dem Auftraggeber und der Bfin. Dies ändert sich auch nicht dadurch, daß sich die Bfin. den Abnehmern gegenüber verpflichtet hat, Reparaturarbeiten zu festgelegten Preisen anzunehmen. Daß die Reparaturarbeit nicht mit dem Verkauf zusammenhängt, geht deutlich daraus hervor, daß auch Fremdfabrikate, die anderen Personen als den Abnehmern der eigenen Erzeugnisse gehören, zu den gleichen bekanntgegebenen Bedingungen zur Reparatur angenommen werden.
Wenn die Bfin. in der Schrift zur Berufungsbegründung, auf die sie sich in der Rb. bezogen hat, ausführt, sie sei zur übernahme der sich aus dem Reparaturdienst ergebenden Verluste aus kaufmännischen Grundsätzen heraus verpflichtet und der Abbruch des Kundendienstes würde zu einer "Belastung der bestehenden Geschäftsverbindungen führen", so weist dies auf die Tatsache hin, daß sich die übernahme der hier streitigen Reparaturen auf die zukünftige Geschäftsentwicklung auswirken soll. Der guten Ruf der Firma soll erhalten und noch verbessert werden, der Kontakt mit den Kunden gepflegt und der Marktanteil im Wettbewerb mit Konkurrenzfirmen erweitert werden. Aufwendungen zu diesem Zweck haben die Aufgabe der Werbung und wirken in die Zukunft; wenn sie von Erfolg sind, erhöhen sie den Geschäftswert des Unternehmens, ohne als selbstgeschaffener Wert in einem Aktivposten Ausdruck zu finden. Für eine hierdurch in der Zukunft entstehende Belastung kann darum aber auch keine Rückstellung gebildet werden. Die durch den Kundendienst entstehenden Aufwendungen betreffen das Jahr, in dem sie tatsächlich gemacht werden.
Da das Finanzgericht den vorgetragenen Sachverhalt zutreffend gewürdigt hat, kann es dahingestellt bleiben, ob das Protokoll über die mündliche Verhandlung ein vorbringen der Bfin. hinreichend wiedergibt; denn die Entscheidung ist dadurch im Ergebnis nicht beeinflußt worden. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Reparaturverpflichtung gegenüber dem Fachhändler oder gegenüber dem Käufer des Füllhalters besteht. Ebenso braucht auf die Höhe des streitigen Rückstellungsbetrages nicht eingegangen zu werden, weil die Rückstellung dem Grunde nach unzulässig ist.
II. Urteil Für den Sachverhalt wird auf den Bescheid Bezug genommen. Da in der mündlichen Verhandlung auch in rechtlicher Hinsicht keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen wurden, hat der Senat keine Möglichkeit gesehen, von seinem Bescheid abzugehen.
Fundstellen
Haufe-Index 411608 |
BStBl III 1965, 383 |
BFHE 1965, 372 |
BFHE 82, 372 |
BB 1965, 698 |
DB 1965, 995 |