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BFH Urteil vom 06.06.1989 - VII R 112/86 (NV)

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Tarifierung einer Rohrtrennmaschine

 

Leitsatz (NV)

1. Zu den Trennmaschinen der Tarifst. 84.45 C IV GZT gehören nur Werkzeugmaschinen spanabhebender Art.

2. Unter die Tarifst. 84.45 C X gehört eine Rohrtrennmaschine nur, wenn sie als ,,Schere" zu qualifizieren ist. Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn die Maschine den Werkstoff mit zwei Schneidwerkzeugen von zwei Seiten bearbeitet. Nimmt die Rohrtrennmaschine die Trennung mit einem Schneidwerkzeug vor, so gehört sie zur Tarifst. 84.45 C XII GZT.

3. Sobald eine Ware wegen ihrer Beschaffenheit einer best. Tarifst. zugeordnet werden kann, ist für eine Tarifierung durch Analogie nach ATV 4 kein Raum.

 

Normenkette

GZT ATV 4 Tarifnr. 84.45

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) beantragte, eine ,,Rohrtrennmaschine" unter Zuweisung zur Tarifst. 84.45 C IV b des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zum freien Verkehr abzufertigen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt - HZA -) entsprach dem Antrag und forderte mit vorläufigem Steuerbescheid Zoll und Einfuhrumsatzsteuer an. Mit Bescheid . . . forderte das HZA . . . DM Zoll mit der Begründung nach, die Ware gehöre zu Tarifst. 84.45 C XII GZT, weil es sich um eine spanlos arbeitende Rohrabschneidemaschine handle. Ihre nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage begründete die Klägerin damit, die eingeführte Maschine sei der Tarifst. 84.45 C X GZT zuzuweisen, da ihre Arbeitsweise mit der des Scherschneidens im Sinne dieser Tarifstelle identisch sei.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und verpflichtete das HZA unter Abänderung des Bescheids . . . in der Fassung der Einspruchsentscheidung, die nachzufordernden Eingangsabgaben auf den Betrag festzusetzen, der sich ergibt, wenn die eingeführte Maschine der Tarifst. 84.45 C X b GZT zugewiesen wird. Zur Begründung führte das FG aus:

Die eingeführte Werkzeugmaschine arbeite spanlos. Sie schneide Rohre, die unter Zugbeanspruchung stünden, mittels eines im Schneidkopf geführten umlaufenden Schneidrads (eines kreisrunden Schneidmessers). Dabei solle der mechanische Zug beiderseits der Schnittstelle ein gradliniges, kantfreies Reißen des Rohrmaterials kurz vor dem völligen Durchschneiden zur Erzielung von möglichst gratfreien Rohrenden bewirken. Nach dieser Beschaffenheit gehöre die Ware zur Tarifst. 84.45 C GZT. Die unmittelbare Zuordnung unter die Tarifst. 84.45 C X GZT scheide dagegen aus, da unter diese Position nur bestimmte Trennmaschinen fielen, und zwar Scheren. Der auf solchen Maschinen ausgeübte Prozeß des ,,Scherschneidens" beruhe auf einem Abscheren des Materials mittels zweier in der Schneidlinie aneinander vorbeigeführter Schneidwerkzeuge (Ober- und Unterwerkzeug). Demgegenüber dränge die von der Klägerin eingeführte Maschine den Werkstoff mittels einer Schneide (eines Keils) auseinander.

Entgegen der Auffassung des HZA ergebe sich aus der Tatsache, daß die eingeführte Maschine keiner der Tarifst. C I bis XI der Tarifnr. 84.45 GZT unmittelbar zugewiesen werden könne, nicht zwingend, daß sie zur Tarifst. C XII gehöre. Dies wäre nur dann der Fall, wenn diese Tarifstelle ein ,,Auffangtatbestand" wäre. Ob ein solcher vorliege, sei unter Berücksichtigung des besonderen Aufbaus des Kapitels, der Tarifnummer und der Tarifstellen zu entscheiden (vgl. Urteil des Gerichtshofs des Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 15. Mai 1985 Rs. 155/84, EuGHE 1985, 1454). Die Tarifnr. 84.45 GZT bestehe aus einer Reihe von Tarifstellen, von denen jede bestimmte Arten von Maschinen umschreibe. Das gelte auch für die Tarifst. 84.45 C XII GZT, in der insbesondere Drahtziehmaschinen und Gewindeschneidemaschinen und weitere Spezialmaschinen aufgeführt seien (vgl. Erläuterungen zum Zolltarif - ErlZT -, Tarifnr. 84.45 Teil II Rdnrn. 196 ff.). Trenn- oder Schneidemaschinen seien in der Tarifst. 84.45 C XII GZT nicht erwähnt.

Waren, die durch keine Tarifstelle innerhalb einer Tarifnummer unmittelbar erfaßt würden, seien wie die Waren zu tarifieren, denen sie am meisten ähnlich seien (Allgemeine Tarifierungsvorschriften - ATV - 4 und 5). Dies sei die Schere i. S. der Tarifst. 84.45 C X b GZT. Die deutsche Norm DIN 8588 weise den Begriff ,,Zerteilen" dem Fertigungsverfahren ,,Trennen ohne Spanabnahme" zu.

Mit seiner Revision macht das HZA folgendes geltend: Die Maschine sei keiner der Tarifst. 84.45 C I bis C XI GZT unmittelbar zuzuweisen. Insbesondere handle es sich nicht um eine Schere der Tarifst. 84.45 C X GZT. Die Ware müsse daher der Tarifst. 84.45 C XII GZT zugeordnet werden. Entgegen der Auffassung des FG handle es sich bei dieser Tarifstelle um einen ,,Auffangtatbestand". Es entspreche der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), tarifliche Anspruchsnormen mit dem Wortlaut ,,andere" als Auffangtatbestände zu verstehen. Dem stehe das vom FG zitierte EuGH-Urteil (EuGHE 1985, 1454) nicht entgegen; denn der dort entschiedene Fall sei weder vom Sachverhalt noch von der Tariflage her mit dem Streitfall zu vergleichen. Die ATV 4 sei daher nicht anwendbar.

Das HZA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des HZA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Das HZA hat mit dem angefochtenen Abgabenbescheid zu Recht Zoll nach der Tarifst. 84.45 C XII GZT erhoben.

Der Senat folgt der Vorentscheidung insoweit, als diese - in Übereinstimmung mit den Beteiligten - davon ausgeht, daß es sich bei der eingeführten Rohrtrennmaschine um eine von der Tarifst. 84.45 C GZT erfaßte ,,andere Werkzeugmaschine" als die in den Tarifst. 84.45 A und B GZT genannten handelt. Zu Recht hat das FG auch entschieden, daß die zu tarifierende Maschine nicht unmittelbar von den Tarifst. C IV (u. a. ,,Trennmaschinen") und C X (u. a. ,,Scheren") erfaßt wird. Zu den Trennmaschinen i. S. der Tarifst. C IV gehören - wie die Klägerin nicht mehr in Abrede stellt - nur Werkzeugmaschinen spanabhebender Art (vgl. ErlZT, Tarifnr. 84.45 Teil II Rdnrn. 37 und 38), zu denen die eingeführte Rohrtrennmaschine nach ihrer vom FG festgestellten Beschaffenheit nicht zählt. Zur Tarifst. C X gehören nach ihrem Wortlaut ,,Rundbiegemaschinen und andere Biegemaschinen, Abkantmaschinen, Blech- und Bandrichtmaschinen, Scheren, Lochstanzen und Ausklinkmaschinen". Die eingeführte Rohrtrennmaschine wäre von dieser Tarifstelle nur erfaßt, wenn sie als ,,Schere" zu qualifizieren wäre. Zu Recht hat das FG jedoch entschieden, daß von einer Schere in diesem Sinn nur gesprochen werden kann, wenn die Maschine den Werkstoff mit zwei Schneidwerkzeugen von zwei Seiten bearbeitet (vgl. ErlZT, a.a.O., Rdnr. 175). Diese Voraussetzungen erfüllt die Rohrtrennmaschine nicht, weil sie die Trennung der Rohre nur mit einem Schneidwerkzeug vornimmt.

Da die zu tarifierende Maschine von keiner der Tarifst. C I bis C XI der Tarifnr. 84.45 GZT erfaßt wird, bleibt nur übrig, sie der Tarifst. C XII (,,andere") zuzuweisen. Diese Tarifstelle trifft für Werkzeugmaschinen der Tarifst. 84.45 C GZT zu, die nicht namentlich in den anderen Tarifst. C I bis C XI erfaßt sind. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Der Senat folgt nicht der Auffassung des FG, Werkzeugmaschinen der Tarifst. 84.45 C GZT seien auch dann, wenn sie nicht unmittelbar unter einer der Tarifst. I bis XI fielen, nicht in die Tarifst. XII einzuordnen, weil dieser kein sog. Auffangtatbestand sei. Die Tarifst. XII ist vielmehr der typische Auffangtatbestand des GZT, in den alle nicht unmittelbar von den anderen in Betracht kommenden Tarifstellen erfaßten Waren einzuordnen sind. Unzutreffend ist der Hinweis des FG, die Tarifst. XII sei nicht allgemein gefaßt, sondern führe insbesondere Drahtziehmaschinen, Gewindeschneidmaschinen und weitere Spezialmaschinen auf. Vielmehr umfaßt diese Tarifstelle nach ihrem klaren Wortlaut ,,andere" Werkzeugmaschinen, ohne daß diese im einzelnen genannt sind. Aus dem Umstand, daß in den ErlZT (a.a.O. Rdnrn. 196 ff.) unter diese Tarifstelle fallende Maschinen namentlich aufgeführt sind, kann nicht entnommen werden, diese Tarifstelle betreffe nur bestimmte Spezialmaschinen. Denn diese Aufführung in den ErlZT ist nur beispielhaft (a.a.O., Rdnr. 196). Deswegen spricht auch die Tatsache nicht für die Auffassung des FG, daß die ErlZT zur Tarifst. XII Maschinen von der Art der eingeführten Rohrtrennmaschine nicht ausdrücklich aufführen; diese Aufführung ist nicht erschöpfend.

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Vorinstanz und der Klägerin auch nicht aus Rdnr. 38 der ErlZT (a.a.O.). Dort heißt es, daß nicht zur Tarifst. C IV, sondern zur Tarifst. C X gehören ,,Scheren, die an Blechen, Metallbändern usw., verschiedene Schneidvorgänge ohne Spanabnahme durchführen". Diese Erläuterungen betreffen eindeutig nur Scheren, zu denen die eingeführte Maschine, wie ausgeführt, nicht gehört. Aus ihnen kann also nicht entnommen werden, daß auch Werkzeugmaschinen, die keine Scheren sind, aber ebenfalls Schneidvorgänge ohne Spanabnahme durchführen, auch der Tarifst. X zuzuordnen sind.

Auf das Urteil in EuGHE 1985, 1455 beruft sich das FG zu Unrecht. In diesem Urteil hat der EuGH entschieden, daß ein von der Zollbehörde als Kunstgegenstand anerkanntes Werk als Originalerzeugnis der Bildhauerkunst aus Stoffen aller Art der Tarifnr. 99.03 GZT zuzuordnen ist. Zwar hat der EuGH in diesem Urteil die Auffassung der Kommission bestätigt, daß für die Auslegung des Kap. 99 GZT und die Probleme der Abgrenzung zu anderen Tarifnummern der besondere Aufbau dieses Kapitels zu berücksichtigen ist. Damit hat der EuGH aber auch nicht mittelbar zum Ausdruck gebracht, daß er Vorschriften wie die Tarifst. 84.45 C XII GZT im Sinne der Vorinstanz ausgelegt wissen will.

Da die eingeführte Rohrtrennmaschine also durch die Tarifst. 84.45 C XII GZT erfaßt ist, kann sie nicht in Anwendung der ATV 4 tarifiert werden. Wie sich aus ATV 1 Satz 3 ergibt, gelten die ATV nur subsidiär, nämlich nur insoweit, als die Tarifvorschriften in Teil II GZT nichts anderes bestimmen. Innerhalb der ATV nachrangig ist ATV 4, deren Anwendung nur bei der Tarifierung von Waren in Betracht kommt, die - unmittelbar oder durch Anwendung der ATV 2 oder auch 3 - durch keine Tarifnummer erfaßt werden. Sobald eine Ware wegen ihrer ,,Beschaffenheit" einer bestimmten Tarifstelle zugeordnet werden kann, ist für eine Tarifierung durch Analogie (nach ATV 4) kein Raum (Senatsurteil vom 29. Oktober 1985 VII R 164/82, BFHE 144, 500, mit einem Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH; vgl. auch Lux in Bail / Schädel / Hutter, Kommentar Zollrecht, F II 2 Rdnrn. 65 ff.; Müller, Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Gemeinsamen Zolltarif, Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern 1978, 66, 70). Im Streitfall ist die eingeführte Ware nach dem Wortlaut der Tarifnr. 84.45 der Tarifst. 84.45 C XII GZT zuzuweisen.

Zu Unrecht beruft sich die Klägerin für ihre Gegenauffassung auf die deutschen Normen (DIN 8588). Es braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob diese hier für die Auslegung des GZT überhaupt herangezogen werden können (zum Problem vgl. Lux in Bail / Schädel / Hutter, a.a.O., F II 1 Rdnr. 205). Denn jedenfalls ergibt sich aus DIN 8588 nicht, daß eine keilschneidende Maschine wie die eingeführte Rohrtrennmaschine als ,,Schere" bezeichnet werden kann. Die Vergleichbarkeit oder Ähnlichkeit des Keilschneidens mit dem Scherschneiden ist tariflich ohne Bedeutung, da die Tarifst. 84.45 C X GZT neben anderen hier unbeachtlichen Waren nur ,,Scheren" umfaßt, nicht aber auch den Scheren ähnliche Waren. Eine solche Einbeziehung ,,ähnliche" Waren kennt der GZT durchaus (vgl. z. B. Tarifnr. 60.03 GZT). Die Tarifst. 84.45 C X GZT schließt sie dagegen nach ihrem klaren Wortlaut aus.

Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht mit Erfolg auf die ATV 3 a berufen. Die Anwendung dieser Bestimmung setzt nach dem Wortlaut der ATV 3 voraus, daß grundsätzlich zwei oder mehr Tarifnummern für die Tarifierung der Ware ,,in Betracht" kommen. Im vorliegenden Fall wird die Ware aber nur von der Tarifst. 84.45 C XII GZT erfaßt.

Der erkennende Senat sieht von der Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 177 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ab, da er die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts für offenkundig hält (EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415; vgl. auch Senatsurteil vom 23. Oktober 1985 VII R 107/81, BFHE 145, 266).

 

Fundstellen

Haufe-Index 416474

BFH/NV 1990, 402

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