Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsnahe Veranlagung ist im Regelfall keine Außenprüfung i.S. von § 171 Abs. 4 AO 1977; Veräußerung eines vierten Grundstücks ist kein rückwirkendes Ereignis
Leitsatz (amtlich)
1. Eine sog. betriebsnahe Veranlagung, der keine förmliche Prüfungsanordnung i.S. von § 196 AO 1977 zugrunde liegt, hemmt nicht den Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 4 AO 1977.
2. Die Veräußerung eines vierten Objekts im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels ist kein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977.
Normenkette
AO 1977 §§ 118, 171 Abs. 4, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2, § 196; FGO § 48 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
FG München (Dok.-Nr. 0144106; EFG 1997, 1219) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), an der die Eheleute W je zur Hälfte beteiligt sind. Die Eheleute W haben in den Jahren 1980 bis 1989 als Miteigentümer zu je 50 v.H. vier Mietwohnhäuser in M erworben und diese nach vorübergehender Vermietung und umfangreicher Instandsetzung in den Jahren 1982, 1984, 1985 und 1989 veräußert. Die Eheleute wurden für die Jahre 1980 bis 1989 mit bestandskräftigen Steuerbescheiden zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Dabei wurden die Einkünfte aus den Grundstücksverkäufen nicht erfaßt.
Vom 10. November bis 11. Dezember 1992 fand bei den Eheleuten eine Überprüfung im Rahmen einer betriebsnahen Veranlagung statt. Am 13. November 1992 richtete die "Betriebsnahe Veranlagung" des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) an den steuerlichen Vertreter der Eheleute ein Schreiben, in dem der Bearbeiter seine Rechtsauffassung hinsichtlich der steuerlichen Beurteilung der Grundstücksgeschäfte darlegte und auf die nach seiner Auffassung veranlaßten steuerlichen Maßnahmen hinwies. Nach Aktenlage sei es geboten, die Gewerbesteuer 1982 bis 1989, die Einkommensteuer 1982 bis 1990 und den Verlustabzug nach § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu überprüfen. Das Schreiben ist unter dem Betreff "Eheleute W" ergangen. Von einer für die GbR durchzuführenden Gewinnfeststellung ist in dem Schreiben nicht die Rede. Dem Steuerberater wurde Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme oder zur Vereinbarung eines Besprechungstermins gegeben. Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist dem Schreiben nicht beigefügt. Auch ergibt sich aus ihm nicht, in welcher Form die angekündigte "Überprüfung" durchgeführt werden sollte. Über die "Feststellungen zur betriebsnahen Veranlagung/Gewinnfeststellung" erging ein schriftlicher Bericht des Bearbeiters mit Datum vom 16. November 1992. Unter Tz. 1.3 und 1.4 dieses Berichts werden die einheitlich und gesondert festzustellenden Gewinne/Verluste aus dem gewerblichen Grundstückshandel für die Jahre 1980 bis 1989 dargestellt.
Das FA erließ am 26. Januar 1993 Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Gewinne der GbR für die Jahre 1980 bis 1989. Den Gewinn für das Streitjahr 1985 stellte es auf 1 474 211 DM fest und rechnete ihn den Gesellschaftern je zur Hälfte zu. Der Feststellungsbescheid wurde beiden Gesellschaftern in je einer Ausfertigung zugestellt. Das FA sah in der Veräußerung des vierten Objekts im Jahr 1989 ein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977). Dies habe zur Folge, daß die Feststellungsfrist für die von den Grundstücksgeschäften betroffenen Besteuerungszeiträume erst mit Ablauf des Jahres 1989 begonnen habe.
Die Klägerin hat nach erfolglosem Einspruch Klage erhoben. Die Klage hatte, soweit sie das Streitjahr betraf, keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 1219 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§§ 169, 170, 171, 181 AO 1977). Das FG habe § 171 Abs. 4 AO 1977 unzutreffend ausgelegt. Der Erlaß eines Feststellungsbescheides für das Jahr 1985 sei am 26. Januar 1993 nicht mehr zulässig gewesen, da die vierjährige Feststellungsfrist für das Streitjahr bereits am 31. Dezember 1992 abgelaufen sei. Entgegen der Ansicht des FA und des FG sei der Fristablauf nicht nach § 171 Abs. 4 AO 1977 durch den Beginn einer Außenprüfung gehemmt worden. Was unter einer "Außenprüfung" im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen sei, ergebe sich aus §§ 193 ff. AO 1977. Grundvoraussetzung jeder Außenprüfung sei eine schriftliche Prüfungsanordnung, die dem Steuerpflichtigen vor Beginn der Prüfung bekanntzugeben sei (§§ 196, 197 AO 1977).
Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil und den Gewinnfeststellungsbescheid 1985 vom 26. Januar 1993 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. Juli 1994 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Einspruchsentscheidung, soweit diese in der Gewinnfeststellungssache 1985 ergangen sind, und des angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheides 1985 (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
I. Das FG hat die Klageschrift dahin ausgelegt, daß die Gesellschafter der GbR die Klage nicht im Namen der Gesellschaft, sondern im eigenen Namen erhoben haben. Dieser Ansicht folgt der Senat nicht.
Eine Auslegung der Klageschrift, die der Senat ohne Bindung an die Feststellungen des FG selbst vornehmen kann (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. November 1986 III R 12/81, BFHE 148, 212, BStBl II 1987, 178; Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 118 Rz. 36, m.w.N.), ergibt, daß die Gesellschafter nicht in eigenem Namen, sondern namens der GbR Klage erhoben haben. Dafür spricht nicht nur der Wortlaut der Klageschrift, sondern auch der Umstand, daß der Einspruch gegen den angefochtenen Feststellungsbescheid ausdrücklich für die GbR eingelegt wurde. Dementsprechend ist auch die Einspruchsentscheidung des FA gegen die GbR ergangen. Diese ist auch Beteiligte des Revisionsverfahrens.
Die GbR war befugt, in gesetzlicher Prozeßstandschaft für ihre Gesellschafter gegen die Einspruchsentscheidung Klage zu erheben. Im Streitfall ist die Klage auf eine ersatzlose Aufhebung des Feststellungsbescheides gerichtet. Zur Erhebung einer solchen Klage ist grundsätzlich nur die Gesellschaft selbst, vertreten durch ihren Geschäftsführer, berechtigt (§ 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO a.F.; § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO n.F.; BFH-Urteil vom 9. September 1993 IV R 30/92, BFHE 172, 344, BStBl II 1994, 105).
II. Der angefochtene Feststellungsbescheid ist ersatzlos aufzuheben, da bei seinem Erlaß die Feststellungsfrist bereits abgelaufen war.
1. Nach § 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 ist der Erlaß eines Feststellungsbescheides nicht mehr zulässig, wenn die Verjährungsfrist abgelaufen ist. Die besondere Verjährungsfrist (Feststellungsfrist) für die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen begann für das Streitjahr 1985 nach §§ 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 mit Ablauf des Jahres 1988, da die Gesellschafter der Klägerin ihrer gesetzlichen Verpflichtung, eine Erklärung über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen einzureichen (§ 181 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977), nicht nachgekommen waren. Sie endete gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 nach vier Jahren am 31. Dezember 1992 --also vor Bekanntgabe des angefochtenen Feststellungsbescheides--, wenn ihr Ablauf nicht nach §§ 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 171 Abs. 4 AO 1977 durch den Beginn einer Außenprüfung, die sich auf die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung erstreckte, gehemmt war (vgl. Senatsurteil vom 4. April 1989 VIII R 265/84, BFHE 156, 371, BStBl II 1989, 593).
2. Das FG hat zutreffend entschieden, daß der Beginn der Feststellungsfrist nicht nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 hinausgeschoben war. Die Veräußerung des vierten Mietwohngrundstücks durch die GbR im Jahr 1989 war kein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977. Zwar handelte es sich bei diesem Veräußerungsgeschäft um ein "Ereignis" im Sinne dieser Vorschrift, d.h. um einen rechtlich bedeutsamen Vorgang, der sich nach Entstehen des Steueranspruchs ereignet hat (vgl. BFH-Beschluß vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897). Dieses Ereignis entfaltete jedoch keine Rückwirkung auf den Feststellungszeitraum 1985.
Die Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 liegen nicht vor, wenn das FA lediglich nachträglich Kenntnis von einem bereits gegebenen Sachverhalt erlangt, oder wenn es den Sachverhalt lediglich anders würdigt (BFH-Beschluß in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, m.w.N.). Es reicht auch nicht aus, daß das spätere Ereignis den nach dem Steuertatbestand rechtserheblichen Sachverhalt anders gestaltet. Die Änderung muß sich darüber hinaus --ungeachtet der zivilrechtlichen Wirkungen-- steuerlich in die Vergangenheit auswirken, und zwar in der Weise, daß nunmehr der veränderte an Stelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist (BFH in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, m.w.N.). Im Streitfall hat die Veräußerung des vierten Objekts im Jahre 1989 lediglich bewirkt, daß das FA einen bereits im Streitjahr verwirklichten Sachverhalt steuerrechtlich anders beurteilt hat. Ein gewerblicher Grundstückshandel wird --in Abgrenzung zur privaten Vermögensverwaltung-- durch die Absicht des Steuerpflichtigen bestimmt, seinen Grundbesitz nicht in erster Linie zur Fruchtziehung einzusetzen, sondern zur Verwertung der Vermögenssubstanz. Für die Zuordnung von Grundstücksgeschäften zur privaten Vermögensverwaltung oder zum gewerblichen Bereich haben die Zahl der veräußerten Objekte und der zeitliche Abstand der maßgeblichen Tätigkeiten (Anschaffung, Bebauung, Verkauf) lediglich indizielle Bedeutung (BFH-Beschluß vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617, m.w.N.). Nur diejenigen Grundstücksgeschäfte sind als gewerblich zu beurteilen, die in einem solchen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zueinander stehen, daß der Schluß auf einen einheitlichen gewerblichen Betätigungswillen möglich ist (BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617). Dieser gewerbliche Betätigungswille muß bei dem ersten der in die Gesamtwürdigung einzubeziehenden Veräußerungsvorgänge vorliegen (BFH-Urteil vom 13. Januar 1993 X R 139/90, BFH/NV 1993, 474). Da der gewerbliche Betätigungswille für die Qualifikation der Einkünfte aus den Grundstücksgeschäften maßgeblich ist, muß dieser Betätigungswille bereits im Streitjahr vorgelegen haben. Die späteren Ereignisse (wie z.B. der Verkaufsvorfall in 1989) bestätigen lediglich die bereits im Streitjahr vorhandene Absicht der GbR, sich gewerblich auf dem Grundstücksmarkt zu betätigen. Sie haben bewirkt, daß das FA seine ursprüngliche Beurteilung des im Streitjahr verwirklichten Sachverhalts geändert hat. Dies rechtfertigt nicht die Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977.
3. Durch die Ermittlungsmaßnahmen der "betriebsnahen Veranlagung" bei der Klägerin im November 1992 ist der Ablauf der Feststellungsfrist nicht gehemmt worden.
a) § 171 AO 1977 unterscheidet deutlich zwischen "Außenprüfungen" und "sonstigen Ermittlungsmaßnahmen" (vgl. § 171 Abs. 4 und 6 AO 1977). Während der Beginn einer Außenprüfung nach § 171 Abs. 4 AO 1977 regelmäßig eine Hemmung der Festsetzungs- oder Feststellungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt, bewirkt, tritt diese Rechtsfolge bei "sonstigen Ermittlungsmaßnahmen" der Finanzbehörden nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 171 Abs. 6 AO 1977 ein.
Für die Abgrenzung zwischen Ermittlungen im Rahmen einer Außenprüfung und sonstigen Ermittlungsmaßnahmen kommt es entscheidend darauf an, wie sich das Tätigwerden der Finanzbehörde aus der Sicht des Betroffenen in entsprechender Anwendung der zu § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches entwickelten Rechtsgrundsätze darstellt. Maßgeblich ist, wie der Steuerpflichtige nach den ihm bekannten Umständen den Gehalt der Ermittlungsmaßnahme unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (BFH-Urteile vom 2. Februar 1994 I R 57/93, BFHE 173, 487, BStBl II 1994, 377, m.w.N.; vom 25. November 1997 VIII R 4/94, BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461). Eine Außenprüfung ist nur bei einer besonders qualifizierten Maßnahme anzunehmen, die für den Steuerpflichtigen als Betriebsprüfung i.S. der §§ 193 ff. AO 1977 erkennbar ist und geeignet erscheint, sein Vertrauen in den Ablauf der Verjährungsfrist zu beseitigen (BFH-Urteil vom 15. Dezember 1989 VI R 151/86, BFHE 159, 296, BStBl II 1990, 526, m.w.N.).
b) Die betriebsnahe Veranlagung ist im allgemeinen keine Außenprüfung i.S. des § 171 Abs. 4 AO 1977. Während die Voraussetzungen und das Verfahren der Außenprüfung in §§ 193 ff. AO 1977 eingehend geregelt sind, fehlen in der AO 1977 entsprechende Vorschriften über die betriebsnahe Veranlagung. Diese Form der Sachverhaltsermittlung hat die Finanzverwaltung erst im Rahmen der Neustrukturierung des Besteuerungsverfahrens aufgrund der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 16. Februar 1976 (BStBl I 1976, 88) eingeführt. In Tz. 1.2.5 dieses Erlasses wurde ihre Aufgabe wie folgt bestimmt: "Bei der Ermittlung des steuerlich erheblichen Sachverhalts auftretende Unklarheiten sollen in geeigneten Fällen an Ort und Stelle geklärt werden ('betriebsnahe Veranlagung'), soweit nicht die Durchführung einer Betriebsprüfung erforderlich ist." Im Anwendungserlaß zur Abgabenordnung i.d.F. vom 15. Juli 1998 --AEAO-- (BStBl I, 630, 689) wird die betriebsnahe Veranlagung dem Steuerfestsetzungsverfahren zugeordnet, wenn sie ohne Prüfungsanordnung mit Einverständnis des Steuerpflichtigen an Ort und Stelle durchgeführt wird. Im Regelfall dient die betriebsnahe Veranlagung der punktuellen Sachverhaltsaufklärung, indem Unklarheiten, die bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen aufgetreten sind, nicht am Amts Stelle, sondern beim Steuerpflichtigen selbst untersucht werden (vgl. Klos, Die Steuerliche Betriebsprüfung --StBp-- 1992, 193 ff., 217 ff.; Assmann, StBp 1998, 309, Mösbauer in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 5. Aufl., Vor § 193 Rz. 9). Für das Verfahren gelten in diesem Fall nicht die §§ 193 ff. AO 1977, sondern die allgemeinen Verfahrensvorschriften über Besteuerungsgrundsätze und Beweismittel (§§ 85, 88, 90 ff. AO 1977). Für Einzelermittlungen im Rahmen einer betriebsnahen Veranlagung ist weder ein Prüfungsauftrag noch eine Prüfungsanordnung erforderlich. Wird eine betriebsnahe Veranlagung ausnahmsweise aufgrund einer Prüfungsanordung durchgeführt, soll es sich dabei nach Auffassung der Finanzverwaltung um eine abgekürzte Außenprüfung i.S. von § 203 AO 1977 handeln, wenn sie aufgrund einer Prüfungsanordnung (§ 196 AO 1977) durchgeführt wird (Tz. 2 und 3 AEAO zu § 85).
c) Im Streitfall hat sich das FA bei der Durchführung der betriebsnahen Veranlagung nicht auf Ermittlungen bezüglich unklarer Punkte eines bestimmten Besteuerungszeitraums und einer bestimmten Steuerart beschränkt, sondern die Grundstücksgeschäfte der Klägerin sowohl in einkommensteuer- wie in gewerbesteuerrechtlicher Hinsicht für einen Zeitraum von mehreren Jahren umfassend untersucht. Diese Ermittlungstätigkeit steht ihrem Gewicht und ihrer Intensität nach einer Außenprüfung gleich. Sie kann deshalb als "Außenprüfung im materiellen Sinn" bezeichnet werden (vgl. Notthoff, Der Betrieb --DB-- 1985, 1497, 1499). Der BFH hat dementsprechend in seinem Urteil vom 5. April 1984 IV R 244/83 (BFHE 140, 518, BStBl II 1984, 790) als Außenprüfung im Sinne der AO 1977 nicht nur solche Ermittlungen angesehen, die auf einer Prüfungsanordnung beruhen, sondern darüber hinaus auch sonstige Maßnahmen der Finanzbehörde, die auf eine umfassende Überprüfung der Besteuerungsgrundlagen gerichtet sind (ebenso: Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, Vor § 193 AO 1977 Tz. 7; Notthoff, DB 1985, 1497). Der Senat kann offenlassen, ob er dieser Auffassung unter der Geltung der AO 1977 folgen könnte oder ob der Auffassung der Vorzug zu geben ist, die unter "Außenprüfung" nur die unter einer entsprechenden Prüfungsanordnung durchgeführten Ermittlungen zur Prüfung der Besteuerungsgrundlagen versteht (vgl. Rüsken in Klein, Abgabenordnung, 6. Aufl., § 193 Anm. 1). Denn selbst wenn man die im Streitfall durchgeführten Ermittlungen der betriebsnahen Veranlagung als "Außenprüfung" i.S. von § 171 Abs. 4 AO 1977 beurteilen könnte, ist durch den Beginn dieser Ermittlungen der Ablauf der Feststellungsfrist nicht gehemmt worden, weil diesen Maßnahmen keine entsprechende Prüfungsanordnung (§ 196 AO 1977) zugrunde liegt.
Seit Inkrafttreten der AO 1977 setzt die Ablaufhemmung durch eine Außenprüfung voraus, daß eine förmliche Prüfungsanordnung erlassen wurde und tatsächlich Prüfungshandlungen für die in der Prüfungsanordnung genannten Steuerarten und Besteuerungs- oder Feststellungszeiträume vorgenommen wurden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18. Juli 1991 V R 54/87, BFHE 165, 13, BStBl II 1991, 824; vom 11. August 1993 II R 34/90, BFHE 172, 393, BStBl II 1994, 375; vom 2. Februar 1994 I R 57/93, BFHE 173, 487, BStBl II 1994, 377; vom 25. Januar 1996 V R 42/95, BFHE 179, 480, BStBl II 1996, 338, jeweils m.w.N.). Durch den Inhalt der Prüfungsanordnung, in der die Finanzbehörde den Umfang der Außenprüfung bestimmt (§ 196 AO 1977), wird im Interesse der Rechtssicherheit der äußerste Rahmen für eine mögliche Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO 1977 bestimmt (Urteil in BFHE 172, 393, BStBl II 1994, 375).
d) Das Schreiben des FA vom 13. November 1992 kann nicht als Prüfungsanordnung i.S. des § 196 AO 1977 angesehen werden. Die Prüfungsanordnung nach § 196 AO 1977 ist ein schriftlicher Verwaltungsakt (§ 118 AO 1977), in dem der Umfang der Außenprüfung festzulegen ist. Die in die Form eines Verwaltungsakts gekleidete Regelung des Einzelfalls besteht darin, daß dem betroffenen Steuerpflichtigen aufgegeben wird, die Außenprüfung in dem in der Anordnung näher umschriebenen Umfang zu dulden (BFH-Urteile vom 17. Juli 1985 I R 214/82, BFHE 144, 333, BStBl II 1986, 21; vom 3. Dezember 1985 VII R 17/84, BFHE 145, 492, BStBl II 1986, 439). Das Schreiben vom 13. November 1992, in dem das FA seine rechtliche Beurteilung der von der Klägerin getätigten Grundstücksgeschäfte darlegt und eine Überprüfung der "Gewerbesteuer 1982 bis 1989" und der "Einkommensteuer 1982 bis 1990" ankündigt, ist kein Verwaltungsakt, weil es am Merkmal der rechtlichen "Regelung" fehlt. In dem Schreiben wird den Eheleuten W keine bestimmte Verpflichtung auferlegt, sondern lediglich darauf hingewiesen, daß das FA eine weitere Aufklärung des Sachverhalts für erforderlich hält. In welcher Form diese Aufklärung erfolgen soll, ergibt sich aus diesem Schreiben nicht. Für die Beurteilung des Schreibens der "Betriebsnahen Veranlagung" als schlichtes Verwaltungshandeln spricht auch, daß dem Schreiben keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt ist (zur Abgrenzung der verschiedenen Formen des Verwaltungshandelns vgl. auch die Senatsurteile vom 12. September 1985 VIII R 371/83, BFHE 146, 99, BStBl II 1986, 537, und vom 10. November 1998 VIII R 3/98, BFHE 187, 386, BStBl II 1999, 199).
Eine Hemmung der Verjährung nach § 171 Abs. 4 AO 1977 könnte aufgrund des Schreibens vom 13. November 1992 aber auch dann nicht eintreten, wenn es als Prüfungsanordnung beurteilt werden könnte. Denn in diesem Schreiben ist nur die Einkommensteuer der Eheleute W, nicht aber die einheitliche und gesonderte Feststellung der gewerblichen Einkünfte der GbR als möglicher Prüfungsgegenstand genannt.
4. Da die Revision der Klägerin Erfolg hat, kann auch die Kostenentscheidung des FG keinen Bestand haben. Der Senat hält es für angemessen, über die Kosten nach Verfahrensabschnitten zu entscheiden; auch eine solche Entscheidung wahrt den Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung (vgl. BFH-Beschluß vom 21. April 1989 IV R 40/88, BFH/NV 1990, 182, m.w.N.). Entsprechend dem materiellen Ausgang des Verfahrens hat die Klägerin die Kosten des Klageverfahrens zu 61 v.H., das FA zu 39 v.H. zu tragen (§ 135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 FGO). Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen in vollem Umfang dem FA zur Last (§ 135 Abs. 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 55374 |
BFH/NV 2000, 103 |
BStBl II 2000, 306 |
BFHE 189, 302 |
BFHE 2000, 302 |
BB 1999, 2232 |
DStR 1999, 1733 |
DStRE 1999, 854 |
DStZ 2000, 64 |
HFR 1999, 964 |
StE 1999, 655 |