Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der einkommensteuerlichen Wirkung des Güterstandes der Errungenschaftsgemeinschaft zwischen Ehegatten.
Normenkette
EStG § 2/1; AO § 215 Abs. 1
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Metzger und Gastwirt. Auf Grund einer im Juni 1956 bei ihm vorgenommenen Betriebsprüfung hat das Finanzamt für den Veranlagungszeitraum 1953 eine Berichtigung der Steuerfestsetzung vorgenommen, die Veranlagung für den Veranlagungszeitraum 1954 für endgültig erklärt und für 1955 eine von der Steuererklärung abweichende Veranlagung durchgeführt.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Mit der Berufung beantragte der Bf. einmal die Aufhebung des Berichtigungsbescheids für das Jahr 1953 sowie der Veranlagungsbescheide 1954 und 1955, weil seine Buchführung ordnungsmäßig gewesen und damit die Schätzungen des Gewinns nicht berechtigt gewesen seien. Er beantragte ferner getrennte Veranlagung der Ehegatten, wobei jedem Ehegatten jeweils die Hälfte des erklärten Einkommens zugerechnet werden müsse, weil er mit seiner Ehefrau in den Streitjahren im Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft gelebt habe.
Die Berufung hatte nur insofern Erfolg, als das Finanzgericht die Gewinnschätzungen zum Teil ermäßigte. Zur Frage der Wirkung der Errungenschaftsgemeinschaft führte das Finanzgericht aus, der Bf. habe zwar ausdrücklich die getrennte Veranlagung unter Halbierung der Einkünfte beantragt, er habe aber den Nachweis für das Bestehen der Errungenschaftsgemeinschaft noch nicht erbracht. Es sei zweifelhaft, wem bei vertraglich vereinbartem Güterstand die Einkünfte aus einem von einem Ehegatten betriebenen Erwerbsgeschäft steuerlich zuzurechnen seien. Ein vom Bundesfinanzhof durch den Bundesminister der Finanzen hierzu angefordertes Gutachten stehe noch aus. Das Finanzgericht habe aber davon abgesehen, das Verfahren bis zur Erstattung dieses Gutachtens auszusetzen oder ein Zwischenurteil über die Höhe des Gewinns zu erlassen, und habe den Bf. mit seiner Ehefrau zusammen veranlagt. Das Gericht habe dabei dessen Einverständnis unterstellt, weil sonst die Ehegatten nach Steuerklasse I zu veranlagen gewesen wären und dieser Art der Besteuerung für den Bf. noch ungünstiger gewesen wäre. Es habe mit Rücksicht auf das noch ausstehende Gutachten des Bundesfinanzhofs und den noch fehlenden Nachweis über das Bestehen der Errungenschaftsgemeinschaft und die gegebenenfalls notwendig werdende einheitliche Gewinnfeststellung nach § 215 der Reichsabgabenordnung (AO) die Entscheidung gemäß § 100 Abs. 1 AO für vorläufig erklärt.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) hält der Bf. die Gewinnschätzung nach Grund und Höhe für unbegründet und beantragt erneut getrennte Veranlagung sowie Einholung eines Gutachtens hierüber beim Bundesverfassungsgericht.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt.
Durch das Gesetz zur änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 (BStBl 1957 I S. 352) ist die Veranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer neu geregelt worden. Danach werden Ehegatten grundsätzlich getrennt veranlagt (§ 26 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes 1957). Dabei sind jedem Ehegatten die von ihm bezogenen Einkünfte zuzurechnen.
Der Bf. hat vorgetragen, daß er mit seiner Ehefrau in den Streitjahren im Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft gemäß §§ 1519 ff. BGB gelebt habe. Die diesen Güterstand betreffenden Vorschriften sind durch das Gleichberechtigungsgesetz vom 18. Juni 1957 (BGBl 1957 I S. 609) aufgehoben worden (Artikel 1 Ziff. 15 des Gesetzes), das insoweit am 1. Juli 1958 in Kraft getreten ist (Artikel 8 II 4 des Gesetzes). Für die Streitjahre gelten deshalb noch die Bestimmungen des BGB (§§ 1519 ff.). Nach § 1519 BGB wird das, was der Mann oder die Frau während der Errungenschaftsgemeinschaft erwirbt, Gemeinschaftsvermögen beider Ehegatten (Gesamtgut), auf das die für die allgemeine Gütergemeinschaft geltenden Vorschriften Anwendung finden. Wegen der weitgehenden rechtlichen Gleichstellung der Errungenschaftsgemeinschaft mit der allgemeinen Gütergemeinschaft, wobei sich naturgemäß infolge der verschiedenen Gütermassen jeweils unterschiedliche Folgen ergeben können, trägt der Senat keine Bedenken, die steuerliche Frage, wem die Einkünfte des Gesamtguts bei der Errungenschaftsgemeinschaft zufließen, weitgehend in entsprechender Weise wie bei der allgemeinen Gütergemeinschaft zu beantworten. Dabei wird jedoch zu beachten sein, daß sich hinsichtlich der kapitalmäßigen Beteiligung der Ehegatten bei der Errungenschaftsgemeinschaft gegenüber der allgemeinen Gütergemeinschaft Unterschiede ergeben können, da bei jener nicht notwendig das Betriebskapital beiden Ehegatten je zur Hälfte gehört (siehe § 1519 BGB).
Zur Frage, wem bei allgemeiner Gütergemeinschaft unter Ehegatten die Einkünfte der Ehegatten zufließen, hat der Bundesfinanzhof in dem Gutachten VI D 1/58 S vom 18. Februar 1959 (BStBl 1959 III S. 263) eingehend Stellung genommen. Auf die Ausführungen dieses Gutachtens, dem der Senat beitritt, wird verwiesen. Das Finanzamt wird bei der nunmehr erforderlich werdenden erneuten Prüfung und Entscheidung zu berücksichtigen haben, inwieweit die Ausführungen dieses Gutachtens auf den vorliegenden Fall anzuwenden sind.
Was das nunmehr zu beachtende Verfahren angeht, so weist der Senat auf folgendes hin: Ist streitig, ob und wie sich die Vereinbarung der Errungenschaftsgemeinschaft im einzelnen Fall steuerrechtlich auswirkt, insbesondere ob und in welchem Umfange die Einkünfte beiden Ehegatten zuzurechnen sind, so ist so zu verfahren, als ob über ein Gesellschafts- oder ein Gemeinschaftsverhältnis zwischen den Ehegatten zu entscheiden wäre. Für den Fall, daß die beteiligten Ehegatten behaupten, daß zwischen ihnen ein Gesellschaftsverhältnis bestehe, hat der erkennende Senat bereits im Urteil IV 39/58 U vom 26. Juni 1958 (BStBl 1958 III S. 364, Slg. Bd. 67 S. 237) entschieden, daß über diese Frage im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung nach § 215 AO zu entscheiden ist.
Der Senat ist auch nicht in der Lage, in der Sache selbst zu entscheiden und das Finanzamt insoweit mit bindenden Weisungen gemäß § 296 Abs. 4 AO zu versehen, soweit die Frage der Gewinnermittlung zur Erörterung steht. Kommt das Finanzamt bei seiner erneuten Prüfung zu dem Ergebnis, daß über die Einkünfte der Ehegatten im Verfahren nach § 215 AO zu entscheiden ist oder nicht, so würde in letzter Instanz nach der Geschäftsverteilung des Bundesfinanzhofs ein anderer als der erkennende Senat zu entscheiden haben. Dieser Entscheidung kann aber der Senat nicht vorgreifen, weil er insoweit nicht der gesetzliche Richter ist.
Fundstellen
Haufe-Index 409458 |
BStBl III 1959, 408 |
BFHE 1960, 395 |
BFHE 69, 395 |