Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges Arbeitsrecht Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Das GG steht der Versagung der Kinderermäßigung an Erzeuger außerehelicher Kinder nicht entgegen.
Normenkette
ErbStG § 10 Abs. 1 StKl I Nr. 2 Buchst. D; GG Art. 3; EStG § 32 Abs. 4 Ziff. 4, § 32/2/3, § 39/4/4, § 39/1
Tatbestand
Der in die Steuergruppe III fallende Beschwerdeführer (Bf.) zahlte für zwei in den Jahren 1944 und 1947 geborene uneheliche Kinder Unterhaltszuschüsse in Höhe von insgesamt 82 DM monatlich. Auf seinen Antrag sind ihm gemäß §§ 33 und 41 des Einkommensteuergesetzes (EStG) diese Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung durch Eintragung eines Freibetrages auf seiner Lohnsteuerkarte für das Jahr 1953 berücksichtigt worden. Im Lohnsteuerjahresausgleichsverfahren begehrt er, ihm statt dessen auch für die beiden unehelichen Kinder Kinderermäßigung nach §§ 32 und 39 EStG zu gewähren. Unter Hinweis auf § 8 Abs. 1 und 3 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) lehnte das Finanzamt diesen Antrag ab. Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Der Bf. hatte diese Rechtsmittel damit begründet, daß der Gesetzgeber dadurch, daß er die unehelichen Kinder eines Steuerpflichtigen bei der Gewährung von Kinderermäßigung unberücksichtigt lasse, gegen Art. 6 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) verstoßen habe. Das Finanzgericht führte hierzu aus: Der einschlägige Abs. 5 des Art. 6 GG enthielte allerdings die Anweisung an den Gesetzgeber, den unehelichen Kindern die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu verschaffen wie den ehelichen Kindern. Aus der Fassung dieser Bestimmung ergebe sich jedoch, daß das mit ihm aufgestellte Programm noch nicht ein Verwaltung und Rechtsprechung bindendes Grundrecht darstelle, sondern daß erst die Erfüllung dieser Anweisung durch den Gesetzgeber verbindliches Recht schaffen würde. Auch verlange Art. 6 Abs. 5 GG seinem Wortlaut nach nicht eine völlige Gleichstellung der unehelichen und ehelichen Kinder von dem Gesetzgeber. Jedenfalls blieben bis zum Erlaß neuer gesetzlicher Vorschriften die im Einklang mit § 1589 Abs. 2 BGB, der das Vorliegen einer Verwandtschaft zwischen Kindern und ihrem unehelichen Erzeuger verneint, für die Einkommensteuer getroffenen Vorschriften gültiges Recht. Auch gegen den in Art. 3 aufgestellten Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz verstießen die steuerlichen Vorschriften nicht, da nun einmal die Beziehungen der Mutter, die für ihr uneheliches Kind Kinderermäßigung zu beanspruchen habe, andere wären als die des Erzeugers zu diesem.
In der Begründung seiner Rechtsbeschwerde (Rb.) räumt der Bf. ein, daß Art. 6 Ziff. 5 nicht die völlige Gleichsetzung der unehelichen mit den ehelichen Kindern fordere. Der Bf. vertritt jedoch weiter die Auffassung, daß sich die Gewährung der Kinderermäßigung für uneheliche Kinder aus dem Zweck dieser Vergünstigung ergebe, nämlich einen gewissen Ausgleich für die Belastung des Steuerpflichtigen durch die Aufzucht von Kindern zu bringen, eine Belastung, die auch bei der Leistung von Unterhalt an außereheliche Kinder gegeben sei. Er verweist schließlich auf § 10 des Steueranpassungsgesetzes (StAnPG), wo unter Ziff. 3 auch eine auf außerehelicher Geburt beruhende Verwandtschaft als solche anerkannt werde. Aus seinem Antrag, die Sache dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, muß entnommen werden, daß er nach wie vor der Meinung ist, die einkommensteuerliche Regelung stände zu Vorschriften des GG im Widerspruch.
Entscheidungsgründe
Auch die Rb. vermag nicht zum Erfolg zu führen. Der Bf. erstrebt mit seinem Antrag, ihm für seine unehelichen Kinder, für die er Unterhaltsbeiträge zahlt, Kinderermäßigung nach §§ 32, 39 EStG zu gewähren, nicht die Gleichstellung dieser Kinder mit seinen ehelichen Kindern, sondern verlangt, daß er in seiner Eigenschaft als deren außerehelicher Erzeuger so behandelt werde, als ob er sie in der Ehe erzeugt habe. In Art. 6 Abs. 5 GG ist von den unehelichen Kindern selbst, nicht von deren Erzeugern die Rede. Auch der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz (Abs. 3 GG) wird nicht dadurch betroffen, daß das EStG dem Erzeuger für seine außerehelichen Kinder keine Kinderermäßigung zuspricht. Die von dem Bf. angeführten Artikel des GG stehen daher der Verbindlichkeit dieser im EStG getroffenen Regelung nicht entgegen.
Die Ausführungen des Finanzgerichts über die Bedeutung dieser Artikel sind im übrigen zutreffend. Die Auffassung des Finanzgerichts wird auch von v. Mangoldt-Klein in Anm. VI zu Art. 6 GG in der 2. Auflage ihres Kommentars unter wiederholter Anführung dieses finanzgerichtlichen Urteils gebilligt, und zwar sowohl, was die rechtssetzende Wirkung des Art. 6 Abs. 5 angeht, als auch dessen sachlichen Inhalt, der, wie aus der Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung abgeleitet wird, keine absolute, insbesondere rechtliche Gleichstellung der unehelichen mit den ehelichen Kindern als Forderung aufstellt, was auch dem Grundsatz des 1. Absatzes dieses Artikels widersprechen würde, in dem Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung gestellt werden. Auch würde, so ist dort ausgeführt, der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3 GG) durch eine unterschiedliche Rechtsstellung der ehelichen und unehelichen Kinder nicht berührt, denn im Verhältnis zu Art. 3 Abs. 1 stelle Art. 6 Abs. 5 einen besonderen sachlichen Gleichheitssatz dar. Der in diesem Artikel unter Abs. 3 verwendete Begriff der Abstammung habe mit der unehelichen Abstammung nichts zu tun. Ebensowenig würde die Stellung der unehelichen Kinder durch den Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau nach Art. 3 Abs. 2 betroffen. V. Mangoldt-Klein bejahen dabei ausdrücklich die Rechtsgültigkeit der §§ 39 Abs. 4 EStG und 8 Abs. 1 und 3 Ziff. 5 LStDV.
Da mithin ein Widerspruch dieser einkommensteuerlichen Vorschriften mit dem GG nicht vorliegt, steht die Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß § 100 GG nicht in Frage.
Auch die steuerrechtlichen Erwägungen der Rb. können nicht zur Gewährung einer Kinderermäßigung für die unehelichen Kinder des Bf. führen. Der Wortlaut der Ziff. 4 der §§ 32 und 39 EStG läßt eine Ausdehnung der Kinderermäßigung auf uneheliche Kinder eines Mannes im Wege der Auslegung nicht zu. Zum Ausgleich der außergewöhnlichen Belastung eines Mannes durch den Unterhalt unehelicher Kinder dient § 33 EStG, den das Finanzamt zu Gunsten des Bf. auch angewandt hat. Aus der allgemeinen Vorschrift des § 10 StAnpG, die den Begriff der Angehörigen im steuerlichen Sinne umreißt, kann für den Standpunkt des Bf. schon deswegen nichts hergeleitet werden, weil die Regelung der Kinderermäßigung im EStG als besondere Gesetzesvorschrift der allgemeinen des StAnpG vorgeht. Im übrigen muß der Begriff der auf einer unehelichen Geburt beruhenden Verwandtschaft nach § 10 StAnpG im gleichen Sinne wie im bürgerlichen Recht verstanden werden.
Auch aus wirtschaftlichen Gründen wäre die begehrte generelle Gleichstellung nicht gerechtfertigt. Der uneheliche Vater hat in der Regel nur einen verhältnismäßig geringen Unterhaltszuschuß zu leisten. Auch im Streitfall zahlt er nur 41 DM pro Kopf und Monat. Würde er wie der eheliche Vater voll für die Kinder sorgen, etwa unter Aufnahme in seinen Haushalt, so stände ihm die Kinderermäßigung (als Pflegevater) zu. Bei Gewährung der Kinderermäßigung wie begehrt, könnte man sagen, der Bf. erhalte Vorteile auf Kosten der Allgemeinheit der Steuerzahler. Die Kinderunterhaltung kostet im Durchschnitt wesentlich mehr, als bei der Steuervergünstigung der Kinderermäßigung berücksichtigt wird (60 DM). Gerade umgekehrt verstößt das Begehren des Bf. gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Fundstellen
Haufe-Index 408555 |
BStBl III 1956, 305 |
BFHE 63, 280 |