Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Ist eine RM-Verbindlichkeit auf Grund von Vereinbarungen, die vor dem Zeitpunkt der Währungsumstellung getroffen worden sind, mit DM (Ost)-Mitteln zu tilgen, ohne daß nach der Art dieser Vereinbarungen die Möglichkeit bestand, DM (West)-Mittel dafür einzusetzen, so liegt in der Heranziehung dieser Verbindlichkeit zur Kreditgewinnabgabe eine objektive Härte.
Lehnt ein Finanzamt oder eine Oberfinanzdirektion die Vorlage eines Härtefalls an den Bundesminister der Finanzen unter Berufung darauf ab, daß der Bundesminister der Finanzen in einem gleichgelagerten Fall einem Erlaßantrag nicht stattgegeben habe, so ist dieses Verhalten der Finanzbehörde ermessensmißbräuchlich, wenn sie dem Abgabepflichtigen nicht gleichzeitig auch den Vergleichsfall und die Entscheidung des Bundesministers der Finanzen in allen Einzelheiten so genau mitteilt, daß dieser sich ein selbständiges Urteil darüber bilden kann, ob beide Fälle gleichgelagert sind und ob die Entscheidung des Bundesministers der Finanzen nach seiner Auffassung als zutreffend angesehen werden kann. Dies gilt auch dann, wenn die Verwaltungsbehörde an der Mitteilung des genauen Sachverhalts im Vergleichsfall und der dazu ergangenen Entscheidung des Bundesministers der Finanzen durch das Steuergeheimnis gehindert ist.
Normenkette
LAG §§ 163, 192 Abs. 1 Nr. 3
Tatbestand
Die Bgin. gab am 8. April 1953 eine Erklärung und Selbstberechnung zur KGA ab, in der die Forderungen und Verbindlichkeiten, die gegenüber Gläubigern und Schuldnern in der Ostzone bestanden, nicht enthalten waren. Diese wurden bei der vorläufigen Veranlagung vom 27. Juli 1955 voll erfaßt und die KGA-Schuld auf 104.500 DM festgesetzt. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde zurückgezogen. Nunmehr beantragte die Bgin. mit Schreiben vom 11. Februar 1957, folgende Schuldnergewinne im Billigkeitswege nach § 131 AO zur KGA nicht heranzuziehen.
Aus der Umstellung einer DM (Ost)-Bankschuld in Höhe von 1.503.086,26 RM,
aus der Umstellung von Hypotheken auf enteigneten Grundstücken in Ostsektor Berlins in Höhe von 155.154,45 RM,
aus der Umstellung von Hypotheken auf ertragslosen Grundstücken im Westsektor Berlins in Höhe von 357.728,27 RM.
Das Finanzamt berichtigte daraufhin am 21. Juni 1957 den vorläufigen Bescheid vom 27. Juli 1955 mit Rücksicht auf den inzwischen geänderten Einheitswert des gewerblichen Betriebs vom 1. April 1949, setzte die KGA-Schuld auf 110.500 DM fest und erklärte auch diese Veranlagung für vorläufig, soweit sie sich auf Forderungen und Verluste aus auf DM (Ost) umgestellte Beträge handelt. Eine ausdrückliche Entscheidung über den Erlaßantrag erging nicht. Gegen den Bescheid legte die Bgin. Einspruch mit der Begründung ein, daß der beantragte Erlaß der KGA bei der Veranlagung keine Berücksichtigung gefunden habe. Das Finanzamt entschied über den Einspruch durch Einspruchsentscheidung und lehnte den Antrag ab. Die dagegen eingelegte Berufung wurde insoweit als Beschwerde gegen die Ablehnung des Billigkeitsantrags behandelt und von dem Landesfinanzamt (Bf.) als unbegründet zurückgewiesen. Die Berufung hatte Erfolg. Das Verwaltungsgericht hob die Beschwerdeentscheidung und die ihr zugrunde liegende, in der Einspruchsentscheidung enthaltene ablehnende Verfügung auf, soweit hierdurch die Nichtberücksichtigung der Schuldnergewinne aus der Umstellung der DM (Ost)-Bankschulden bei der KGA-Festsetzung abgelehnt worden ist.
Der Sachverhalt ist im einzelnen folgender: Die Bgin. führte nach Beendigung des Krieges ihren Betrieb in einer wieder aufgebauten Zweigfabrik im Ostsektor Berlins fort. Der Betrieb wurde vorübergehend im April 1948 durch die russische Besatzungsmacht beschlagnahmt. Nach der Freigabe setzte die Bgin. ihren Betrieb in der Zweigfabrik noch bis zum 25. September 1950 fort. An diesem Tage wurde ihr die Gewerbeerlaubnis für den Betrieb der Fabrik mit sofortiger Wirkung entzogen.
Die RM-Schlußbilanz zum 24. Juni 1948 weist unter den Ostwerten eine Verbindlichkeit an eine im Ostsektor gelegene Bank (Ostbank) in Höhe von 1.503.086,26 RM aus. Der Schuldnergewinn aus der Umstellung dieser Verbindlichkeit wurde mit 751.543,13 DM ermittelt. Bei dieser Verbindlichkeit handelt es sich um die Restsumme aus einem Kredit, der der Bgin. am 19. Mai 1948 von der Ostbank eingeräumt wurde. Bedingung für die Kreditgewährung war die Verpflichtung der Bgin., daß das mit dem Kredit bezogene Rohmaterial ausschließlich der Betriebstätte der Zweigfabrik im Ostsektor Berlin zuzuführen sei. Die mit diesem Rohmaterial hergestellten Erzeugnisse unterlagen der Bewirtschaftung durch die Ostzonenbehörden. Die Abnehmer wurden durch den Magistrat Berlin (Ostsektor) zugewiesen. Außerdem mußte die Bgin. die Verpflichtung eingehen, sowohl das mit dem Kredit bezogene Rohmaterial als auch die daraus hergestellten Erzeugnisse für den Kredit sicherheitshalber zu übereignen. Die Verbindlichkeit gegenüber der Ostbank wurde ausschließlich aus den Verkaufserlösen der im Ostsektor Berlins lagernden und sicherungsübereigneten Waren getilgt. Westmarkbeträge wurden dazu nicht verwandt. Am 31. März 1949 war der Kredit restlos abgedeckt. Die Verbindlichkeit erscheint somit nicht in der auf den 1. April 1949 aufgestellten DM-Eröffnungsbilanz. Dagegen waren in dieser die Werte der Zweigfabrik im Ostsektor Berlins noch in voller Höhe ausgewiesen. Eine Wertberichtigung von 50 v. H. auf diese Werte, wie sie von der Betriebsprüfung beabsichtigt war, unterblieb, weil die Bgin. in der Zeit nach dem 1. April 1948 noch erhebliche Investitionen vorgenommen hatte und sie um diese Zeit subjektiv davon überzeugt war, daß eine Enteignung nicht drohe. Am 31. März 1950 wurde das gesamte Ostvermögen wegen der bevorstehenden Beschlagnahme ausgebucht (Verlust 306.809,35 DM). Entgegen der ursprünglich auf § 2 Abs. 2 EStG 1950 gestützten Auffassung der Betriebsprüfung wurde der Bgin. eine erfolgswirksame Ausbuchung des Verlustes zugebilligt. Die Ersparnis an Ertragsteuern betrug 82.800 DM.
Das Verwaltungsgericht führte dazu aus: Verfahrensrechtlich sei die Berufung der Bfin. zu Recht insoweit als Beschwerde angesehen worden, als damit ein Billigkeitserlaß noch § 131 Abs. 1 Satz 2 AO begehrt worden sei. Es sei daher zunächst im Beschwerdeverfahren darüber zu entscheiden gewesen. Erst gegen die Beschwerdeentscheidung des Bf. hätte die Berufung zugelassen werden können. Es handle sich hier nicht um einen Veranlagungsvorgang, sondern um eine reine Billigkeitsentscheidung als Ausfluß einer rechtsgestaltenden Verwaltungstätigkeit, die zwar im Fall des § 131 Abs. 1 Satz 2 AO bereits vor oder bei der Veranlagung der Steuer erfolge, als solche aber unabhängig von der Steuerfestsetzung mit Rechtsmitteln angreifbar sei.
In der Sache selbst kommt das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, daß in der Ablehnung des Erlaßantrages eine Ermessensüberschreitung zu erblicken sei. Da die Bgin. infolge der strengen vertraglichen Bindung an die Vereinbarungen mit der Ostbank tatsächlich nicht in der Lage gewesen sei, das Währungsgefälle auszunützen und ihre Ostmarkschulden durch Umtausch des halben Westmarkbetrags zu tilgen, liege hier ein Sonderfall vor, von dem anzunehmen sei, daß daran der Gesetzgeber bei der Regelung der KGA offenbar nicht gedacht habe. Da der Bundesminister der Finanzen sich jedoch in Tz. 2 des Zweiten Sammelerlasses zur Kreditgewinnabgabe (2. KGA-Sammelerlaß) vom 12. Juli 1954 LA 2700 - 25/54 (BStBl 1954 I S. 350) über die in Abschnitt III des Erlasses enthaltenen Bestimmungen hinaus vorbehalten habe, erforderlichenfalls Billigkeitsmaßnahmen durch Einzelentscheidung für bisher nicht gedeckte Härtefälle zu treffen, wäre in der Unterlassung einer Vorlage der Sache beim Bundesminister der Finanzen eine Ermessensüberschreitung zu erblicken. Einem Billigkeitserlaß stehe die erfolgswirksame Ausbuchung des Vermögens im sowjetisch besetzten Sektor Berlin nichts entgegen, da die KGA ganz anderen Zwecken diene und im übrigen bei Lastenausgleichsabgaben das Stichtagsprinzip gelte, so daß nach diesem Stichtag eingetretene Ereignisse außer Betracht zu bleiben hätten.
Die Rb. des Bf. wird damit begründet, daß eine Vorlage an den Bundesminister der Finanzen nur dann verlangt werden könne, wenn sie wegen einer objektiv bestehenden Unsicherheit über den Ausfall der Entscheidung sinnvoll sei. Die Prüfung, ob dies der Fall sei, sei nicht unterblieben, sondern mit negativem Erfolg durchgeführt worden. In einer am 25. März 1958 beim Bf. stattgefundenen Besprechung seien dem Bevollmächtigten der Bgin. unter Anführung eines vom Bundesminister der Finanzen entschiedenen Parallelfalls die Gründe genannt worden, die einer Vorlage der Sache zum Zwecke einer Erlaßregelung nach Tz. 2 des 2. KGA-Sammelerlasses entgegenstehen würden. Lediglich unter der Voraussetzung, daß das im sowjetisch besetzten Sektor von Berlin belegene Vermögen bereits zum 1. April 1949 nach § 47 des D-Markbilanzgesetzes für Berlin - DMBG (Berlin) - mit 1 DM bewertet worden wäre, hätte ein Anlaß bestanden, zu befürworten, die auf DM (Ost) umgestellte RM-Schuld im Billigkeitswege bei der Veranlagung der KGA außer Ansatz zu lassen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Bemessungsgrundlage der KGA ist nach § 162 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) der Mehrbetrag (Gewinnsaldo) an Schuldnergewinnen (ß 163 LAG) gegenüber Gläubigerverlusten (ß 164 LAG) mit den Betriebsverlusten (ß 166 LAG). Nach § 192 Abs. 1 Nr. 3 LAG ist bei Unternehmen, die zur Aufstellung einer DM-Eröffnungsbilanz auf den 1. April 1949 verpflichtet sind, und wie im Streitfall, eine Westmarkbilanz auf den 26. Juni 1948 nicht aufgestellt haben, Schuldnergewinn abweichend von § 163 Abs. 1 LAG auf Antrag der Betrag, um den der in der RM-Schlußbilanz ausgewiesene Wert einer RM-Verbindlichkeit im Sinne des § 26 der Berliner Umstellungsverordnung den Umstellungsbetrag in Westmark übersteigt. Dabei sind Verpflichtungen in Deutscher Mark der Deutschen Notenbank (Ostmark) zum Kurse von 2 : 1 zu berücksichtigen. In übereinstimmung damit wird in § 7 der Achten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (8. AbgabenDV-LA) bestimmt, daß zu den RM-Verbindlichkeiten im Sinne des § 163 LAG auch solche rechnen, die auf Deutsche Mark der Deutschen Notenbank - Deutsche Mark (Ost) - umgestellt worden sind. Der erkennende Senat hat in dem Urteil III 89/57 S vom 21. November 1958 (BStBl 1959 III S. 177, Slg. Bd. 68 S. 466) entschieden, daß Schuldnergewinne eines gewerblichen Betriebs aus RM-Verbindlichkeiten gegenüber in der sowjetisch besetzten Zone ansässigen Gläubigern der KGA unterliegen. Die Heranziehung der Bgin. zur KGA mit ihrer RM-Schuld gegenüber der Ostbank ist somit zu Recht erfolgt.
Was die verfahrensmäßige Behandlung des Streitfalls anbelangt, so ist von dem Erlaßantrag der Bgin. vom 11. Februar 1957 auszugehen. In diesem Schreiben hat die Bgin. gebeten, die KGA mit dem Teil nach § 131 AO zu ermäßigen, der sich auf die in dem Schreiben erwähnten Schuldnerbeträge erstrecken würde. Nach dem Sinn des Gesetzes könnten diese nicht der KGA unterworfen werden. Dieser Erlaßantrag wurde bei der am 21. Juni 1957 erfolgten Berichtigung des vorläufigen KGA-Bescheids nicht berücksichtigt. Die Bgin. sah darin eine stillschweigende Ablehnung ihres Erlaßantrages und legte deshalb gegen den Bescheid Einspruch ein. Dem Verwaltungsgericht ist zuzustimmen, daß in den Fällen, in denen beantragt wird, nach § 131 Abs. 1 Satz 2 AO im Billigkeitswege die Steuer niedriger festzusetzen, oder einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuer erhöhen, bei der Festsetzung nicht zu berücksichtigen, kein Veranlagungsvorgang vorliegt. Es handelt sich um einen reinen Billigkeitsakt als Ausfluß einer rechtsgestaltenden Verwaltungstätigkeit, der als solcher unabhängig von der Steuerfestsetzung grundsätzlich mit den dafür vorgesehenen Rechtsmitteln anzugreifen ist (vgl. Berger, "Die Reichsabgabenordnung nach ihren Schwerpunkten für die Praxis", § 131 Abs. 1 Satz 2, Anm. 2 d, dd; Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, § 131, Anm. 15 und die dort angeführte Literatur; gleicher Meinung wohl für den Regelfall auch Kühn, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, 7. Aufl., § 131, Anm. 8). Das Finanzamt hätte deshalb den gegen den Veranlagungsbescheid nur wegen der Nichtberücksichtigung eines Erlasses eingelegten Einspruch als Beschwerde behandeln müssen. Statt dessen hat es eine Einspruchsentscheidung erlassen und mit dieser den Erlaß abgelehnt. Wenn das Finanzamt dann aber die dagegen eingelegte Berufung zunächst als Beschwerde angesehen und nach den §§ 237, 303 AO dem Bf. zur Entscheidung vorgelegt hat, so kann der Verfahrensmangel als geheilt betrachtet werden.
Die Bgin. hat im Schreiben vom 18. Juli 1957 ausgeführt, daß sie sich bei der Begründung ihres Erlaßantrags auf den Schuldnergewinn aus der Umstellung der Schuld an die Ostbank beschränke, da ein Erlaß der KGA, soweit er sich auf diese Schuld beziehe, bereits die Freistellung von der KGA zur Folge habe. Sie hat sich vorbehalten, zu gegebener Zeit die anderen in ihrem Schreiben vom 11. Februar 1957 angeführten Punkte aufzugreifen. Das Finanzamt hat in seiner Einspruchsentscheidung zu allen Einzelanträgen Stellung genommen. Im Beschwerdeverfahren und in dem daran anschließenden Berufungsverfahren ist die Bgin. auf die beiden anderen Billigkeitsanträge nicht mehr zurückgekommen.
Dem Bf. ist zuzustimmen, daß ein Erlaßgrund grundsätzlich dann gegeben wäre, wenn das im Ostsektor Berlins gelegene Fabrikvermögen der Bgin. in der DM-Eröffnungsbilanz zum 1. April 1949 nur mit einer DM zum Ansatz gekommen wäre. Ein Tatbestand dieser Art liegt aber nicht vor. Hätte die Bgin. davon Gebrauch gemacht, für die Tilgung ihrer Verbindlichkeiten gegenüber der Ostbank Mittel in DM (West) zu verwenden, und hätte sie somit den Vorteil des Währungsgefälles zwischen der DM (West) und der DM (Ost) zu ihren Gunsten ausgenützt, so würde kein Anlaß zu einer Billigkeitsmaßnahme bestehen. Es kann sich deshalb im vorliegenden Fall nur darum handeln, ob dann, wenn für die Tilgung der Schuld an die Ostbank nur DM (Ost)-Mittel verwendet wurden, eine Billigkeitsmaßnahme auslösende Härte in der Sache gegeben ist und in der Ablehnung der Vorlage des Streitfalles an den Bundesminister der Finanzen auf Grund der Tz. 2 des 2. KGA-Sammelerlasses ein Ermessensverstoß vorliegt.
Bei der Beurteilung dieser Frage ist davon auszugehen, daß die Währungsumstellung in Berlin sich anders vollzogen hat als im Bundesgebiet. In Berlin waren nach Maßgabe des Befehls der Sowjetischen Militärverwaltung (Verordnungsblatt für Groß-Berlin 1948 S. 362) mit Wirkung vom 26. Juni 1948 Reichsmark und Rentenmark ohne aufgeklebte Spezialkupons nicht mehr umlauffähig. An ihre Stelle trat zunächst die sogenannte Kuponmark, später die Deutsche Mark der Deutschen Notenbank (Ostmark). Durch Verordnung der Kommandanten des französischen, britischen und amerikanischen Sektors von Groß-Berlin (Verordnungsblatt für Groß-Berlin 1948 S. 363) wurde mit Wirkung vom 25. Juni 1948 00.01 Uhr die Reichsmarkwährung auf die Währung in Deutsche Mark (Westmark) umgestellt. Die Folge dieser beiden Anordnungen war für Berlin (West), daß Ost- und Westmark nebeneinander im Umlauf waren. Erst durch die Dritte Verordnung zur Neuordnung des Geldwesens (Währungsergänzungsverordnung) vom 20. März 1949 (Verordnungsblatt für Groß-Berlin 1949 S. 86) wurde mit Wirkung vom 20. März 1949 die DM (Westmark) als alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel für Berlin (West) angeordnet. Besitz und Verwendung von Ostmark und die Erfüllung von Verbindlichkeiten, die Bezahlung von Ostmark vorsahen, blieben jedoch erlaubt. Die Befreiung von einer solchen Verpflichtung durch Zahlung von Westmark in einem Betrage, der dem Wechselkurs am Tage der Zahlung entspricht, war möglich (vgl. Ziff. 1 a und b der Währungsergänzungsverordnung, a. a. O.). Es war somit in Berlin (West) zugelassen, eine RM-Verbindlichkeit nach der Währungsumstellung unter Verwendung von Mitteln sowohl in DM (West) wie DM (Ost) zu tilgen, während im Bundesgebiet nach der Umstellung der RM-Währung in eine DM-Währung die Tilgung nur noch mit DM-Mitteln zugelassen wurde. Da in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands der Nennbetrag der RM-Verbindlichkeiten in neuer Währung grundsätzlich unverändert blieb, also im Verhältnis von 1 : 1 umgestellt wurde, ist in solchen Fällen kein Schuldnergewinn entstanden. Ein Schuldnergewinn trat erst durch die Umstellung von DM (Ost) in DM (West) ein, und zwar bei der Bgin. für die Zwecke der KGA in Höhe von 50 v. H. der Ostmarkschuld.
Die gesetzgeberische Rechtfertigung für die Erhebung der Währungsgewinnabgaben, der Hypothekengewinnabgabe und der KGA, ist darin zu erblicken, daß die Umstellung von RM-Verbindlichkeiten Schuldnergewinne zur Folge hatte, weil die Substanz des Vermögens, mit dem die Verbindlichkeiten wirtschaftlich zusammenhängen, durch die Währungsumstellung nicht berührt wurde und somit erhalten geblieben ist. Unbestritten blieb der Bgin. das Fabrikvermögen, mit dem die umgestellte Bankverbindlichkeit wirtschaftlich zusammenhing, bis zum September 1950 erhalten. Durch die Währungsumstellung wurde es nicht berührt. Dagegen war im Streitfall auf Grund der vertraglichen Bindung die auf DM (West) umgestellte DM (Ost)-Verbindlichkeit ausschließlich mit DM (Ost)-Mitteln zu tilgen. Die Vereinbarung ist außerdem dadurch besonders gekennzeichnet, daß der Abschluß des Vertrages vor der Währungsumstellung liegt und ihm eine langjährige gleichartige Geschäftsgebarung vorausgegangen ist. In einem solchen Fall ist der von dem Gesetzgeber als eingetreten unterstellte Schuldnergewinn tatsächlich und wirtschaftlich nicht entstanden. Wird trotzdem eine KGA erhoben, so widerspricht dies dem Grundgedanken, mit dem die gesetzgeberische Regelung gerechtfertigt wird. Darin ist eine in der Sache liegende objektive Härte zu erblicken.
Der Bf. hat in diesem Zusammenhang geltend gemacht, der Bundesminister der Finanzen habe in einem gleichgelagerten Fall einen Erlaß abgelehnt. Nach Mitteilung des Bf. ist dies mit Rücksicht darauf geschehen, daß sich die Enteignung des Ostvermögens erfolgswirksam ausgewirkt hatte. Da letzteres auch im vorliegenden Streitfall zutrifft, ist dem Bf. grundsätzlich das Recht und die Pflicht zuzugestehen, Anträge auf Billigkeitsentscheidung, die sich auf Tz. 2 des 2. KGA-Sammelerlasses berufen, daraufhin zu prüfen, ob die Vorlage an den Bundesminister der Finanzen sinnvoll ist. Ob aber ein Fall, der vom Bundesminister der Finanzen ablehnend entschieden wurde, mit einem anderen Fall in allen Teilen gleichgelagert ist, muß in vollem Umfang nachprüfbar sein. Darüber hinaus müssen von der Bgin. aber auch dann, wenn beide Fälle als gleichgelagert anzusehen sind, alle Einzelheiten der ablehnenden Entscheidung des Bundesministers der Finanzen in dem Vergleichsfall nachgeprüft werden können. Die Bgin. muß die Möglichkeit haben, festzustellen, ob eine unter Berufung auf den Vergleichsfall erfolgende ablehnende Entscheidung der Verwaltungsbehörde mit Aussicht auf Erfolg angefochten werden kann. Da der Bf. wegen der Bindung an das Steuergeheimnis nicht in der Lage ist, der Bgin. die Einzelheiten des Vergleichsfalls und der Entscheidung des Bundesministers der Finanzen mitzuteilen, ist es dieser subjektiv unmöglich, dagegen anzugehen. Kann der Nachweis nicht auf andere Weise einwandfrei erbracht werden, ist der Einwand des Bf. unbeachtlich. Ein sonstiger Nachweis liegt nicht vor.
Da im vorliegenden Fall eine Härte gegeben ist, die Berufung auf einen von dem Bf. angeführten Vergleichsfall keine Berücksichtigung finden kann, ist in der Ablehnung einer nach Tz. 2 des 2. KGA-Sammelerlasses erbetenen Vorlage an den Bundesminister der Finanzen eine Verletzung des billigen Ermessens zu erblicken. Dem Verwaltungsgericht ist deshalb im Ergebnis zuzustimmen.
Sollte der Bundesminister der Finanzen bei seiner Entscheidung die erfolgswirksame Ausbuchung des im Ostsektor Berlins gelegenen Fabrikvermögens berücksichtigen, so ist dazu noch folgendes zu sagen:
Das Verwaltungsgericht hat der erfolgswirksamen Ausbuchung des genannten Vermögens im Rahmen der noch zu treffenden Erlaßentscheidung unter anderem deswegen keine Bedeutung beigemessen, weil die KGA eine Stichtagsabgabe sei. Durch Erlaßmaßnahmen sollen aber gerade diejenigen Vorgänge und Umstände berücksichtigt werden, die keinen rechtsfeststellenden Veranlagungscharakter und deswegen keine Bindung an den Stichtag haben. Wenn jedoch, wie vorliegend, die Härte in der gesetzlichen Regelung über die Entstehung eines Schuldnergewinns und nicht in den wirtschaftlichen Verhältnissen des Abgabepflichtigen liegt, ist der Erlaßgrund unmittelbar mit dem Stichtag verbunden. Es kann nicht darauf ankommen, ob das Vermögen, mit dem die RM-Verbindlichkeit in wirtschaftlichem Zusammenhang stand, in einem späteren Zeitpunkt erfolgswirksam abgeschrieben wurde.
Fundstellen
Haufe-Index 411428 |
BStBl III 1965, 121 |
BFHE 1965, 336 |
BFHE 81, 336 |