Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkünfteermittlung bei Ferienwohnungen: Folgeentscheidung zum Grundsatzurteil vom 6. November 2001 IX R 97/00 (BFH/NV 2002, 413)
Leitsatz (NV)
- Zur Überschusserzielungsabsicht bei einer ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermieteten Ferienwohnung und zur Totalüberschussprognose bei einer teils selbstgenutzten und teils an wechselnde Feriengäste vermieteten Ferienwohnung siehe die Leitsätze des Urteils vom 6. November 2001 IX R 43/99 (abgedruckt in diesem Heft).
- Räumen der Arbeitgeber oder ein Dritter dem Arbeitnehmer mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis ein nicht handelbares Aktienoptionsrecht ein, fließt ein als Arbeitslohn zu erfassender geldwerter Vorteil erst beim verbilligten Aktienbezug nach Ausübung der Option zu (Anschluss an BFH-Urteile vom 24. Januar 2001 I R 100/98, BFHE 195, 102, BStBl II 2001, 509; vom 20. Juni 2001 VI R 105/99, BFHE 195, 395, BStBl II 2001, 689).
Normenkette
EStG §§ 2, 8-9, 11, 19, 21; FGO § 118 Abs. 2
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) machten in den Streitjahren (1988 bis 1990) als Eigentümer einer von ihnen selbst an wechselnde Feriengäste vermieteten Ferienwohnung in X ―durch Gegenüberstellen der Einnahmen und der (gesamten) Aufwendungen ermittelte― Werbungskostenüberschüsse geltend. Der Kläger nahm ―darüber hinaus― als Mitarbeiter der Fa. A-GmbH am sogenannten Employee Stock-Option Plan der Konzernobergesellschaft Z teil. Diese räumte bestimmten Arbeitnehmern der A-GmbH das Recht (die Option) ein, jeweils eine festgelegte Anzahl von Aktien innerhalb eines bestimmten Zeitraumes zu dem im Zeitpunkt der Gewährung der Option geltenden Börsenpreis zu erwerben. Die durch die Ausübung der Option erworbenen Aktien wurden in der Regel sogleich über die Börse in Y weiter veräußert. Die Optionen waren weder handelbar noch abtretbar (vgl. den Auszug aus der Selbstanzeige der A-GmbH vom 5. Juli 1991, auf den das Finanzgericht ―FG― in seinem Urteil Bezug genommen hat).
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) rechnete die Leerstandszeiten der Ferienwohnung der Selbstnutzung durch die Kläger zu und kürzte die geltend gemachten Werbungskostenüberschüsse. Die geldwerten Vorteile aus dem Verkauf der (durch die Option erworbenen) Aktien unterwarf das FA in den Streitjahren als Arbeitslohn des Klägers der Besteuerung.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte teilweise Erfolg. Das FG vertrat die Auffassung, die Leerstandszeiten der Ferienwohnung seien nicht der Selbstnutzung durch die Kläger zuzurechnen. Angesichts der langen Vermietungszeiten in den Streitjahren (1988 ca. 200 Tage; 1989 ca. 290 Tage und 1990 ca. 135 Tage), der intensiven Vermietungsbemühungen der Kläger und der Entfernung von 580 km zwischen deren Wohnort und der Ferienwohnung sei nicht davon auszugehen, dass den Klägern die Ferienwohnung während der Leerstandszeiten zur Selbstnutzung zur Verfügung gestanden habe. Das FA habe auch zu Unrecht den Erlös aus dem Verkauf der Aktien im Zeitpunkt des Zuflusses der Besteuerung unterworfen; ein geldwerter Vorteil in Höhe des Werts der Option sei bereits im Zeitpunkt ihrer Einräumung anzusetzen. Hiernach ergebe sich nur für das Streitjahr 1989 ein als Arbeitslohn zu versteuernder geldwerter Vorteil.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Die bisherigen Feststellungen des FG reichen nicht aus, um in der Revisionsinstanz abschließend zu entscheiden, ob das FG zu Recht bei der Vermietung der Ferienwohnung (stillschweigend) die Überschusserzielungsabsicht der Kläger bejaht hat und, in welcher Höhe in den Streitjahren wegen des Verkaufs der Aktienoptionen geldwerte Vorteile anzusetzen sind.
1. Bei der Ermittlung des Einkommens für die Einkommensteuer sind nur solche positiven oder negativen Einkünfte anzusetzen, die unter die Einkünfte des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) fallen. Kennzeichnend für diese Einkunftsarten ist, wie der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) im Beschluss vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, 435, BStBl II 1984, 751, 766 f., unter C. IV. 3. c aa (1)) ausgeführt hat, dass die ihnen zugrunde liegenden Tätigkeiten oder Vermögensnutzungen der Erzielung positiver Einkünfte dienen.
a) Bezogen auf die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung folgt hieraus, dass eine Vermietungstätigkeit nur dann dieser Einkunftsart zuzurechnen ist, wenn der Vermieter die Absicht hat, auf die Dauer der Vermögensnutzung einen Totalüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erwirtschaften (z.B. BFH-Urteil vom 5. September 2000 IX R 33/97, BFHE 192, 559, BStBl II 2000, 676, unter II. 2.); nichtsteuerbare Veräußerungsgewinne bleiben dabei unberücksichtigt (Beschluss in BFHE 141, 405, 435, BStBl II 1984, 751, 766 f., unter C. IV. 3. c aa (2)). Die Überschusserzielungsabsicht kann erst nachträglich einsetzen und auch wieder wegfallen (BFH-Urteil vom 31. März 1987 IX R 112/83, BFHE 150, 325, BStBl II 1987, 774, m.w.N.).
b) Nach dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich davon auszugehen, dass die Steuerpflichtigen beabsichtigen, letztlich einen Einnahmenüberschuss zu erwirtschaften, selbst wenn sich über längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse ergeben (BFH-Urteil vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771). Die Grundsätze des vorgenannten Urteils sind auch bei Ferienwohnungen anzuwenden, wenn diese von den Steuerpflichtigen ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermietet und in der übrigen Zeit hierfür bereitgehalten werden (z.B. BFH-Urteil vom 21. November 2000 IX R 37/98, BFHE 193, 479, BStBl II 2001, 705, m.w.N.). Dies gilt ―wie der Senat in seinem Urteil IX R 97/00 vom 6.11.2001 unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung entschieden hat― unabhängig davon, ob die Steuerpflichtigen die Ferienwohnung in Eigenregie oder durch Einschalten eines Dritten vermieten. Aus dem Urteil ergibt sich auch, dass durch die Vermietung veranlasste kurzfristige Aufenthalte in der Ferienwohnung keine Selbstnutzung sind.
c) Dagegen ist nach dem Urteil IX R 97/00 bei teilweise selbstgenutzten und teilweise vermieteten Ferienwohnungen die Frage, ob die Steuerpflichtigen mit oder ohne Überschusserzielungsabsicht vermietet haben, anhand einer unter Heranziehung aller objektiv erkennbaren Umstände zu treffenden Prognose zu entscheiden. Im Rahmen dieser Prognose sind, wenn eine Selbstnutzung jederzeit möglich ist, die auf die Leerstandszeiten entfallenden Aufwendungen entsprechend dem zeitlichen Verhältnis der tatsächlichen Selbstnutzung zur tatsächlichen Vermietung aufzuteilen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die Gründe des Urteils IX R 97/00.
2. Räumen der Arbeitgeber oder ein Dritter dem Arbeitnehmer mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis ein nicht handelbares Aktienoptionsrecht ein, fließt ein als Arbeitslohn zu erfassender geldwerter Vorteil erst beim verbilligten Aktienbezug nach Ausübung der Option zu (s. dazu im Einzelnen BFH-Urteile vom 24. Januar 2001 I R 100/98, BFHE 195, 102, BStBl II 2001, 509, und vom 20. Juni 2001 VI R 105/99, BFHE 195, 395, BStBl II 2001, 689). Da die Gewährung der Aktienoption die Tätigkeit des Berechtigten von der Optionseinräumung bis zur Optionsausübung als sog. "Anreiz-Lohn" honorieren soll, ist auf den zugeflossenen geldwerten Vorteil die Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 3 EStG zu gewähren (vgl. Urteil in BFHE 195, 102, BStBl II 2001, 509, unter II. 4.).
3. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Vorentscheidung aufzuheben und die nicht spruchreife Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Das FG hat ausgehend von seiner Rechtsauffassung keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Kläger die Ferienwohnung auch (zu privaten Zwecken) selbst genutzt oder ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermietet und in der übrigen Zeit zur Vermietung bereitgehalten haben. Nur wenn das Letztere zutrifft, ist ―wie es das FG stillschweigend getan hat― ohne weitere Prüfung von der Überschusserzielungsabsicht der Kläger auszugehen; dagegen ist im Falle der teilweisen Selbstnutzung nach Aufteilung der Kosten durch eine Prognose festzustellen, ob durch die Vermietungstätigkeit ein Totalüberschuss erzielt werden kann (oben, unter 1.).
Bei den dem Kläger eingeräumten Aktienoptionen muss dass FG entsprechend den Ausführungen unter 2. die auf die Streitjahre entfallenden geldwerten Vorteile feststellen und dabei die Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 3 EStG berücksichtigen.
Fundstellen
Haufe-Index 726115 |
BFH/NV 2002, 764 |