Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung der USt-Sondervorauszahlung bei Insolvenz
Leitsatz (amtlich)
1. Die Sondervorauszahlung ist gemäß § 48 Abs. 4 UStDV zunächst bei der Festsetzung der Vorauszahlung für den letzten Voranmeldungszeitraum des Besteuerungszeitraums (Kalenderjahr) anzurechnen. Dies gilt auch im Fall der Insolvenz.
2. Soweit die festgesetzte Vorauszahlung für den letzten Voranmeldungszeitraum die Sondervorauszahlung übersteigt, bleibt es bei der Anrechnung nach § 48 Abs. 4 UStDV.
Normenkette
UStG 1999 § 18; UStDV 1999 § 48 Abs. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der KG (der Schuldnerin; im Folgenden: Gemeinschuldnerin).
Die nachmalige Gemeinschuldnerin war vor Insolvenzeröffnung zur monatlichen Abgabe von Umsatzsteuer-Vorauszahlungen verpflichtet. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) hatte ihr auf ihren Antrag hin eine Dauerfristverlängerung für die Abgabe der Voranmeldungen gewährt und deshalb eine Sondervorauszahlung für das Jahr 1999 in Höhe von 26 969 DM festgesetzt. Die Gemeinschuldnerin hat die Sondervorauszahlung beglichen.
Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 16. November 1999 wurde über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens reichte die Gemeinschuldnerin eine Umsatzsteuer-Voranmeldung für November 1999 ein, die den Zeitraum vom 1. bis 15. November 1999 betraf und einen (Vorsteuer-)Überschuss von 14 954 DM ergab. Der Kläger reichte eine Umsatzsteuer-Voranmeldung für das IV. Kalendervierteljahr 1999 ein, die die Zeit vom 16. November bis 31. Dezember 1999 betraf und eine Umsatzsteuer-Vorauszahlung von 34 953 DM auswies; nach Anrechnung der Sondervorauszahlung ergab sich eine verbleibende Umsatzsteuer-Vorauszahlung von 7 984 DM.
Das FA setzte die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das IV. Kalendervierteljahr 1999 antragsgemäß fest, rechnete die Sondervorauszahlung dabei aber nicht an (Bescheid vom 27. Januar 2000 Steuernummer 63/5022). Stattdessen setzte es die Vorauszahlung für den Monat November abweichend von der Voranmeldung unter Einbeziehung der Sondervorauszahlung gegenüber dem Kläger auf ./. 12 016 DM fest (Bescheid ebenfalls vom 27. Januar 2000 Steuernummer 63/6193).
Der Kläger legte hiergegen erfolglos Einspruch ein. Nach der Einspruchsentscheidung wurden "die Einsprüche" "gegen den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid November 99 vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens und den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid IV. Quartal 99 des Massenkostenkontos" als unbegründet zurückgewiesen. Die Klage vor dem Finanzgericht (FG) hatte Erfolg; der Tenor des Urteils lautet: "Der Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das IV. Quartal 1999 vom 27. Januar 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. April 2000 wird dahin abgeändert, dass die Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung für 1999 in Höhe von 26 969,00 DM angerechnet wird." Das FG war der Ansicht, nach § 48 Abs. 4 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999 (UStDV) sei die festgesetzte Sondervorauszahlung bei der Festsetzung der Vorauszahlung für den letzten Voranmeldungszeitraum des Besteuerungszeitraums anzurechnen.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 48 Abs. 4 UStDV und einen Verstoß gegen die Denkgesetze (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 96 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Das FA ist der Ansicht, in der Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung für das IV. Quartal 1999 liege ein Begehren auf Umstellung des Voranmeldungszeitraums. Es komme deshalb auf die Frage an, ob es bei einer Umstellung des Voranmeldungszeitraums von monatlich auf vierteljährlich geboten sei, eine Sondervorauszahlung im letzten monatlichen Voranmeldungszeitraum anzurechnen.
Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist im Ergebnis unbegründet.
1. Allerdings haben FA und FG bereits den Verwaltungsakt, der Gegenstand der vorliegenden Anfechtungsklage ist, unzutreffend bestimmt.
Entgegen der Auffassung des FG ist die Anrechnung einer Sondervorauszahlung nicht Teil der Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung, sondern Gegenstand der Abrechnung zum Vorauszahlungsbescheid. Soweit die Anrechnung streitig ist, entscheidet die Behörde gemäß § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) durch Abrechnungsbescheid (vgl. Bundesfinanzhof ―BFH―, Urteil vom 18. Juli 2002 V R 56/01, BFH/NV 2002, 1403).
Bereits das FA hat bei dem "Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat November 1999" die Steuerfestsetzung und die Anrechnung der Sondervorauszahlung in unzulässiger Weise miteinander vermengt: Nach dem Wortlaut des Bescheides zu Steuernummer 63/6193 wurden ./. 12 016 DM Umsatzsteuer festgesetzt; wie der Festsetzungsvorschlag zeigt, ergibt sich dieser Betrag nach Abzug der Sondervorauszahlung von 26 969 DM. Die festgesetzte Umsatzsteuer betrug deshalb in Wahrheit 14 953 DM, so dass sich erst nach Anrechnung der Sondervorauszahlung von 26 969 DM der "Unterschiedsbetrag" von ./. 12 016 DM ergab.
Da diese Anrechnung streitig war, ist sie zusammen mit der Ablehnung der Anrechnung der Sondervorauszahlung im "Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das IV. Kalendervierteljahr 1999" (Steuernummer 63/5022) als Abrechnungsbescheid i.S. des § 218 Abs. 2 AO 1977 zu werten. Bei verständiger Auslegung des Einspruchs und der Klage hatte der Kläger deshalb nicht den "Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das IV. Quartal 1999 vom 27. Januar 2000" angefochten ―wie es im Tenor der Vorentscheidung heißt―, sondern den damit verbundenen Abrechnungsbescheid. Dieser war Gegenstand der Einspruchsentscheidung und des FG-Urteils. Dementsprechend war auch der Tenor der Vorentscheidung richtigzustellen.
2. Im Übrigen lässt das FG-Urteil keine Rechtsfehler erkennen.
Das FG hat die Sondervorauszahlung zu Recht bei der Festsetzung der Vorauszahlung für den letzten Voranmeldungszeitraum des Jahres 1999 angerechnet.
Nach § 46 UStDV hat das FA dem Unternehmer auf Antrag die Fristen für die Abgabe der Voranmeldungen und für die Entrichtung der Vorauszahlungen (§ 18 Abs. 1, 2 und 2 a des Umsatzsteuergesetzes ―UStG―) um einen Monat zu verlängern. Die Fristverlängerung ist bei einem Unternehmer, der die Voranmeldungen monatlich abzugeben hat, unter der Auflage zu gewähren, dass dieser eine Sondervorauszahlung auf die Steuer eines jeden Kalenderjahres entrichtet (§ 47 Abs. 1 Satz 1 UStDV). Die Sondervorauszahlung beträgt ein Elftel der Summe der Vorauszahlungen für das vorangegangene Kalenderjahr (§ 47 Abs. 1 Satz 2 UStDV). Der Unternehmer hat die Fristverlängerung für die Abgabe der Voranmeldungen bis zu dem Zeitpunkt zu beantragen, an dem die Voranmeldung, für die die Fristverlängerung erstmals gelten soll, nach § 18 Abs. 1, 2 und 2 a UStG abzugeben ist (§ 48 Abs. 1 Satz 1 UStDV). In dem Antrag hat der Unternehmer, der die Voranmeldungen monatlich abzugeben hat, die Sondervorauszahlung selbst zu berechnen und anzumelden; gleichzeitig hat er die angemeldete Sondervorauszahlung zu entrichten (§ 48 Abs. 1 Satz 3 und 4 UStDV). Nach § 48 Abs. 4 UStDV ist die festgesetzte Sondervorauszahlung bei der Festsetzung der Vorauszahlung für den letzten Voranmeldungszeitraum des Besteuerungszeitraums anzurechnen. Besteuerungszeitraum ist das Kalenderjahr (§ 16 Abs. 1 Satz 2 UStG 1999). Der Besteuerungszeitraum wird durch die Insolvenzeröffnung nicht unterbrochen.
Nach § 48 Abs. 4 UStDV und den Grundsätzen des BFH-Urteils in BFH/NV 2002, 1403 ist die Sondervorauszahlung demnach wie folgt zu verrechnen:
Gemäß § 48 Abs. 4 UStDV ist die Sondervorauszahlung zunächst bei der Festsetzung der Vorauszahlung für den letzten Voranmeldungszeitraum des Besteuerungszeitraums (Kalenderjahrs) anzurechnen.
Soweit die Sondervorauszahlung durch die Anrechnung beim letzten Voranmeldungszeitraum noch nicht verbraucht ist, ist sie auf die restliche noch offene Jahressteuer anzurechnen.
Ist die Sondervorauszahlung auch dann noch nicht verbraucht, hat der Unternehmer insoweit einen Erstattungsanspruch. Dies gilt auch im Fall der Insolvenz; der Erstattungsanspruch fällt dann in die Insolvenzmasse (vgl. BFH in BFH/NV 2002, 1403).
Demnach hat das FG die Sondervorauszahlung zu Recht bei der "Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das IV. Kalendervierteljahr 1999" angerechnet. Da die festgesetzte Umsatzsteuer 34 953 DM betrug und damit die Sondervorauszahlung von 26 969 DM überstieg, bleibt es bei der Anrechnung nach § 48 Abs. 4 UStDV.
Abgesehen davon, dass den Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) nicht die Qualität einer Rechtsnorm zukommt, folgt aus Abschn. 228 Abs. 7 UStR nichts anderes. Danach hat der Unternehmer, wenn er im Lauf des Kalenderjahres auf die Dauerfristverlängerung verzichten will, die Anrechnung der Sondervorauszahlung in der letzten Voranmeldung vorzunehmen, für die Fristverlängerung in Anspruch genommen wird. Die Voraussetzungen dieser Verwaltungsanweisung sind im Streitfall bereits deshalb nicht erfüllt, weil der Kläger nicht im Verlaufe des Kalenderjahres 1999 auf die Dauerfristverlängerung verzichten wollte. Selbst wenn die Umsatzsteuer-Voranmeldung für das IV. Kalendervierteljahr 1999 einen stillschweigenden Verzicht auf die Fristverlängerung enthielte, wäre dieser erst nach Ablauf des Jahres 1999 erklärt worden. Abschn. 228 Abs. 7 UStR gibt deshalb keine Handhabe, die Anrechnung der Sondervorauszahlung abweichend von der Vorschrift des § 48 Abs. 4 UStR vorzunehmen.
Mit dem vorliegenden Urteil ist rechtskräftig entschieden, dass die Sondervorauszahlung nicht bei der Festsetzung der Vorauszahlung für November 1999, sondern bei der für das IV. Kalendervierteljahr 1999 anzurechnen ist. Damit entfällt auch die vom FA befürchtete Gefahr einer doppelten Anrechnung der Sondervorauszahlung.
Fundstellen
Haufe-Index 870207 |
BFH/NV 2003, 134 |
BStBl II 2003, 39 |
BFHE 2003, 156 |
BFHE 200, 156 |
BB 2003, 296 |
DB 2003, 134 |
DStRE 2003, 116 |
HFR 2003, 169 |
UR 2003, 199 |