Entscheidungsstichwort (Thema)
Doppelte Haushaltsführung bei Ledigen
Leitsatz (NV)
Die steuerfreie Erstattung von Aufwendungen eines ledigen Arbeitnehmers für doppelte Haushaltsführung durch den Arbeitgeber ist nicht auf die ersten drei Monate der doppelten Haushaltsführung beschränkt.
Normenkette
EStG § 3 Nr. 16, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5; LStR 1987 Abschn. 27 Abs. 1 S. 2; LStR 1996 Abschn. 43 Abs. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erstattete einer Arbeitnehmerin im Kalenderjahr 1989 u. a. die Mietaufwendungen für eine Wohnung am Arbeitsort A als Vergütungen für doppelte Haushaltsführung, ohne davon Lohnsteuer einzubehalten. Die Arbeitnehmerin war seit Mitte 1988 in A beschäftigt und fuhr jedes Wochenende nach D, wo sie mit ihrem Vater und ihrem geschiedenen Ehemann im elterlichen Haus wohnte.
Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung nicht als gegeben an und unterwarf die erstatteten Mietaufwendungen der Lohnsteuer. Mit Haftungsbescheid vom 30. Juli 1991 nahm das FA die Klägerin, die sich zur Übernahme der nachzuentrichtenden Lohnsteuer bereiterklärt hatte, auf 4 473 DM für 1989 und -- wegen der Beurteilung der Übernahme dieser Steuer als sonstige Bezüge der Arbeitnehmerin -- auf 3 813 DM für 1991 in Anspruch.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung aus, die Klägerin hätte den Mietaufwand ihrer Arbeitnehmerin nicht lohnsteuerfrei erstatten dürfen, da eine doppelte Haushaltsführung als Voraussetzung hierfür (Abschn. 27 Abs. 1 Satz 2 der Lohnsteuer-Richtlinien -- LStR -- 1987, ab 1990 § 3 Nr. 16 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --) nicht vorgelegen habe. Die Arbeitnehmerin habe in D keinen Hausstand i. S. von § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG unterhalten. Ein solcher könne nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bei einem Ledigen nur angenommen werden, wenn dieser einen gemeinsamen Haushalt mit von ihm finanziell abhängigen Angehörigen führe und dessen Kosten ganz oder überwiegend trage. Weder der geschiedene Ehemann noch der Vater der Arbeitnehmerin seien von ihr finanziell abhängig gewesen.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts. Sie führt aus, der BFH habe mit Urteil vom 5. Oktober 1994 VI R 62/90 (BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180) unter Abkehr von seiner bisherigen langjährigen Rechtsprechung entschieden, daß auch ein lediger Arbeitnehmer ohne Familienhausstand einen doppelten Haushalt im steuerlichen Sinne führen könne. Daß die Arbeitnehmerin ihren Lebensmittelpunkt in D beibehalten habe, werde auch vom FA nicht bestritten.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 30. Juli 1991 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 12. März 1992 dahingehend abzuändern, daß die Lohnsteuer für 1989 auf 0 DM und für 1991 auf 271 DM herabgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es trägt vor, die geänderte Rechtsprechung des BFH führe nicht zwingend zur Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung der im Streitfall betroffenen Arbeitnehmerin. Diese unterhalte zwar eine eigene Wohnung am Beschäftigungsort. Auch befinde sich wohl ihr Mittelpunkt der Lebensinteressen in D. Fraglich sei jedoch, ob es sich bei der dortigen Wohnung um einen eigenen Hausstand der Arbeitnehmerin handele. Ein eigener Hausstand könne nur dann vorliegen, wenn er aus eigenem Recht genutzt werde (BFH-Urteil in BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180).
Selbst wenn nach einer Zurückverweisung der Sache an das FG im weiteren Verfahren das Vorliegen eines eigenen Hausstandes festgestellt werde, sei nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 8. März 1995 IV B 6 -- S 2352 -- 8/95 (BStBl I 1995, 168) eine steuerfreie Erstattung durch den Arbeitgeber für ledige Arbeitnehmer nur für die ersten drei Monate einer doppelten Haushaltsführung möglich. Dieser Zeitraum sei im Streitfall vor Beginn des Jahres 1989 bereits abgelaufen gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin führt zur Auf hebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanz gerichtsordnung -- FGO --).
1. Erstattet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Aufwendungen, die dieser im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis getätigt hat, so ist die Leistung grundsätzlich als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu beurteilen. Der Arbeitgeber ist daher regelmäßig verpflichtet, Lohnsteuer einzubehalten (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG), anzumelden und abzuführen (§ 41 a Abs. 1 Satz 1 EStG). Wenn er diese Verpflichtung nicht erfüllt, kann er vom Finanzamt in Haftung genommen werden (§ 42 d Abs. 1 EStG). Handelt es sich indessen bei den erstatteten Aufwendungen um solche, die dem Arbeitnehmer durch eine aus beruflichem Anlaß begründete doppelte Haushaltsführung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG) erwachsen sind, kommt eine Haftung des Arbeitgebers nicht in Betracht. Die Steuerfreiheit der Leistung ergibt sich für die Jahre ab 1990 aus § 3 Nr. 16 EStG (für private Arbeitgeber); davor hat die Finanzverwaltung den steuerfreien Ersatz durch Verwaltungsanweisung zugelassen (vgl. Abschn. 27 Abs. 1 Satz 2 LStR 1987).
2. Die auf die bisherige Rechtsprechung des BFH gestützte Entscheidung des FG, die Arbeitnehmerin könne -- als Ledige ohne finanziell von ihr abhängige Angehörige -- keinen doppelten Haushalt im steuerlichen Sinne geführt haben, so daß die Erstattung ihrer Aufwendungen durch die Klägerin zu Arbeitslohn geführt habe, hält der Überprüfung nicht stand. Der Senat hat nach Ergehen der Vorentscheidung mit Urteil in BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180 unter Aufgabe seiner früheren Auffassung entschieden, das Tatbestandsmerkmal des Unterhaltens eines eigenen Hausstands erfordere nicht, daß dort ständig hauswirtschaftliches Leben durch die Anwesenheit von Familienmitgliedern herrschen müsse. Deshalb kann auch ein nicht verheirateter Arbeitnehmer ohne von ihm abhängige Zurechnungspersonen einen eigenen Hausstand in der bisherigen Wohnung unterhalten, wenn er seinen Lebensmittelpunkt dort beibehält und sich -- abgesehen von der Berufstätigkeit am Beschäftigungsort -- ständig dort aufhält.
3. Da das FG noch von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz erlauben dem Senat keine abschließende Entscheidung darüber, ob es sich bei der zugewendeten Erstattung um Arbeitslohn oder wegen des Vorliegens einer doppelten Haushaltsführung um steuerfreien Werbungskostenersatz handelt. Das FG wird im zweiten Rechtsgang die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen dazu nachzuholen haben, ob die Arbeitnehmerin in D einen eigenen Hausstand unterhalten hat.
Hiervon kann entgegen der Auffassung des FA nicht deshalb abgesehen werden, weil bei ledigen Arbeitnehmern eine steuerfreie Erstattung der Aufwendungen durch den Arbeitgeber nur für die ersten drei Monate einer doppelten Haushaltsführung möglich wäre. Abgesehen davon, daß Verwaltungsanweisungen hinsichtlich der Rechtsauslegung für die Finanzgerichte keine bindende Wirkung entfalten, ist das von dem FA herangezogene BMF-Schreiben in BStBl I 1995, 168 zu dem hier in Frage stehenden Punkt durch die Verwaltungsanweisung in Abschn. 43 Abs. 5 LStR 1996 überholt. Danach ist die Dreimonatsfrist nur für die Auswärtstätigkeit von Arbeitnehmern ohne eigenen Hausstand, für die ein Wohnungswechsel unter bestimmten Voraussetzungen wie eine doppelte Haushaltsführung behandelt wird, von Bedeutung. Ob im Streitfall die betreffende Arbeitnehmerin einen eigenen Hausstand innehatte, soll aber gerade erst ermittelt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 66141 |
BFH/NV 1997, 289 |