Leitsatz (amtlich)

Stehen Währungsschulden mit bestimmten Vermögensteilen des Abgabepflichtigen in wirtschaftlichem Zusammenhang, so können sie bei der allgemeinen Soforthilfeabgabe insoweit nicht abgezogen werden, als diese Vermögensteile nicht im Währungsgebiet belegen sind. Stehen Währungsschulden nicht mit bestimmten Vermögensteilen im Zusammenhang, so sind sie bei der allgemeinen Soforthilfeabgabe voll abzugsfähig, wenn der Abgabepflichtige am Währungsstichtag seinen Wohnsitz oder Sitz im Währungsgebiet hatte.

 

Normenkette

SHG § 7 Abs. 2 Ziff. 1, § 4 Abs. 1

 

Tatbestand

I.

Der Beschwerdegegner (Bg.) war als Mitunternehmer je zu 1/3 an mehreren in der sowjetischen Besatzungszone gelegenen Firmen beteiligt. Die Unternehmen wurden nach dem Krieg enteignet und zu volkseigenen Betrieben erklärt. Inzwischen hat der Bg. seinen Wohnsitz in die britische Besatzungszone verlegt und dort ein neues Unternehmen eröffnet. Gegen die Heranziehung zur Soforthilfeabgabe und Soforthilfesonderabgabe mit seinem im Währungsgebiet belegenen abgabepflichtigen Vermögen hat der Bg. geltend gemacht, er sei mit einer im Rahmen seiner früheren Betriebe aufgenommenen und bestehengebliebenen Währungsschuld im umgerechneten Betrag von 351 714 DM belastet, zu deren Abzug er nach § 7 Absatz 2 Ziffer 1 des Soforthilfegesetzes (SHG) berechtigt sei. Dann verbleibe aber weder zur Soforthilfeabgabe noch zur Soforthilfesonderabgabe ein abgabepflichtiges Vermögen.

Das Finanzamt hat die Währungsschulden weder bei der allgemeinen Soforthilfeabgabe noch bei der Soforthilfesonderabgabe als abzugsfähig anerkannt. Auf die Sprungberufung des Bg. hat das Finanzgericht die Belastung des Bg. mit der Währungsschuld auf 10 v. H. des geltend gemachten Betrages geschätzt und hiernach sowohl bei der allgemeinen Soforthilfeabgabe als auch bei der Soforthilfesonderabgabe je 35 100 DM zum Abzug zugelassen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die vom Finanzamtsvorsteher erhobene Rechtsbeschwerde (Rb.) ist zum Teil begründet.

1. Zu prüfen ist zunächst, ob die Währungsschulden bei der Festsetzung der allgemeinen Soforthilfeabgabe abgezogen werden dürfen. Nach § 7 Absatz 2 Ziffer 1 SHG sind Schulden in ausländischer Währung abzugsfähig. Eine Einschränkung -- etwa in der Richtung, daß ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem im Währungsgebiet belegenen Vermögen oder gar mit dem abgabepflichtigen Vermögen vorliegen müsse -- macht das Soforthilfegesetz nicht. Jedoch bestimmt § 6 der 1. Durchführungsverordnung zum Ersten Teil des Soforthilfegesetzes (1. StDVO-SHG) unter der Überschrift "Verteilung von Forderungen und Schulden", daß für die Fälle, in denen Teile eines gewerblichen Betriebes außerhalb des Währungsgebietes (z. B. in der sowjetischen Besatzungszone oder im Gebiet der Stadt Berlin) liegen, bei der Ermittlung des abgabepflichtigen Vermögens im Rahmen des § 4 Absatz 3 und § 7 Absatz 2 des Gesetzes nur solche Forderungen und Schulden zu berücksichtigen sind, die auf das abgabepflichtige Vermögen entfallen.

Die Frage der Abzugsfähigkeit von Währungsschulden ist umstritten (vgl. Textziffern 54 und 55 des Ersten Soforthilfeabgabe-Sammelerlasses vom 6. September 1949 (1. SHG-Sammelerlaß); Kühne, Erläuterungsbuch zur Soforthilfeabgabe, Textziffern 61, 182 bis 184; Binder-Drexl-Seweloh-Wehe-Zimmerle, Kommentar zum Soforthilfegesetz, Anm. 2 zu § 7). Sie läßt sich für die allgemeine Soforthilfeabgabe auf gesetzlicher Grundlage nur nach der Vorschrift des § 4 Absatz 1 Satz 1 SHG entscheiden, nach der die Abgabepflicht sich auf das im Währungsgebiet belegene Vermögen beschränkt. Daraus folgt, daß auch die passiven Wirtschaftsgüter, die bei der Festsetzung der Soforthilfeabgabe in der Form eines Abzugs von den aktiven abgabepflichtigen Vermögensteilen zu berücksichtigen sind, im Währungsgebiet "belegen" sein müssen. Man kann zwar bei diesen passiven Wirtschaftsgütern, d. h. den nach § 7 Absatz 2 SHG abzugsfähigen Verbindlichkeiten, von einer eigentlichen "Belegenheit" nicht sprechen. An ihre Stelle tritt, soweit diese Verbindlichkeiten mit bestimmten, am Währungsstichtag noch vorhandenen Vermögensteilen -- oder deren Surrogaten -- zusammenhängen, der wirtschaftliche Zusammenhang, d. h. sie sind dort "belegen", wo diese Vermögensteile belegen sind. Soweit daher Währungsschulden mit Wirtschaftsgütern zusammenhängen, die außerhalb des Währungsgebietes belegen sind (z. B. Grundstücke und Betriebsvermögen im Ausland, in der Sowjetzone oder in der Stadt Berlin), können sie beim abgabepflichtigen Vermögen nicht abgesetzt werden, während umgekehrt bei einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit im Währungsgebiet belegenen Vermögensteilen der Umstand, daß diese Vermögensteile der sachlichen Abgabepflicht nicht unterliegen, die Abzugsfähigkeit dieser Währungsschulden nicht ausschließt.

Für diejenigen Währungsschulden, die nicht unmittelbar mit bestimmten -- abgabepflichtigen oder der Abgabepflicht nicht unterliegenden -- Vermögensteilen zusammenhängen, muß die "Belegenheit" anderweitig bestimmt werden. Bei ihnen besteht nur eine Verknüpfung mit der Person des Schuldners, ihre "Belegenheit" kann daher nur nach dem Wohnsitz oder Sitz des Schuldners bestimmt werden, d. h. sie sind dann im Währungsgebiet "belegen", wenn der zur Soforthilfeabgabe herangezogene Schuldner am Währungsstichtag seinen Wohnsitz bzw. Sitz im Währungsgebiet hatte. Sind diese Währungsschulden aber hiernach im Währungsgebiet "belegen", so ist nach der weiten Fassung des § 7 Absatz 2 Ziffer 1 SHG bezüglich der Abzugsfähigkeit der Währungsschulden ihre volle Abzugsfähigkeit gegeben, ohne daß man etwa eine quotenmäßige Einschränkung aus der Verteilung des Gesamtvermögens auf das Währungsgebiet und andere Gebietsteile (so Kühne a. a. O. Textziffer 184) herleiten könnte. Im vorliegenden Falle stehen die von dem am Stichtag im Währungsgebiet wohnhaften Bg. geltend gemachten Währungsschulden in keinem Zusammenhang mit bestimmten, am Währungsstichtag noch vorhandenen, d. h. dem Bg. gehörigen Vermögensteilen. Sie müssen daher als im Währungsgebiet belegen angesehen werden. Das Finanzgericht hat daher mit Recht den Abzug bei der allgemeinen Soforthilfeabgabe zugelassen; die Rb. des Finanzamtsvorstehers ist insoweit nicht begründet.

2. Dagegen hat der beschwerdeführende Finanzamtsvorsteher mit Recht gerügt, daß das Finanzgericht auch bei der Soforthilfesonderabgabe den Abzug der Währungsschulden zugelassen hat. Der Senat hat zu dieser Frage in der Entscheidung III 125/50 S vom 10. Januar 1952 (Bundessteuerblatt -- BStBl. -- 1952 Teil III S. 37) Stellung genommen und ausgeführt, daß nach § 11 Ziffer 3 Absatz 2 SHG letzter Satz in Verbindung mit § 27 Absatz 2 1. StDVO-SHG Währungsschulden für die Soforthilfesonderabgabe nur insoweit vom Vorratsvermögen abgezogen werden dürfen, als sie mit diesem in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Das trifft aber im Falle des Bg. nicht zu.

3. Der beschwerdeführende Finanzamtsvorsteher macht weiter geltend, die Auffassung des Finanzgerichts, daß die Währungsschulden noch bestünden, sei rechtsirrig. Nach der Ansicht des Finanzamts würde es sittenwidrig sein, wenn die Gläubiger ihre Ansprüche gegen den Schuldner geltend machen würden, obwohl dessen ganzes Vermögen in der Ostzone entschädigungslos enteignet, die Schulden ihm aber geblieben seien. Die Rechtsverfolgung dieser Ansprüche habe keine Aussicht auf Erfolg, daher sei der Bg. mit diesen Schulden bei wirtschaftlicher Betrachtung auch nicht mehr belastet.

Dieser Einwand ist nicht begründet. Die Auffassung des Finanzgerichts, der Bg. sei trotz der einseitigen Enteignung Schuldner der Währungsschulden geblieben und könne u. U. von den Gläubigern in Anspruch genommen werden, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Im übrigen hat das Finanzgericht bei der Bewertung der Währungsschulden sowohl die Unbestimmtheit der Inanspruchnahme des Bg. als auch das Vorhandensein weiterer Gesamtschuldner berücksichtigt.

4. In der Gegenäußerung zur Rb. vertritt der Bg. u. a. die Auffassung, die Währungsschulden hätten mit ihrem vollen Gegenwert zum Abzug zugelassen werden müssen. Von seinen gesamtschuldnerisch haftenden früheren Mitgesellschaftern sei der eine inzwischen mittellos verstorben, der andere lebe in der Ostzone völlig verarmt von der öffentlichen Wohlfahrt. Bei dieser Sachlage bestünden für ihn keine Rückgriffsmöglichkeiten auf die übrigen Gesamtschuldner. Im übrigen beweise das Schreiben des Custodian of British und USA Banking Interests vom 5. Mai 1949 gegenüber einem anderen Mitgesellschafter, daß auch der Bg. damit rechnen müsse, wegen der Währungsschulden noch in Anspruch genommen zu werden. Diese Äußerungen des Bg., der weder eine selbständige Rb. noch Anschlußbeschwerde eingelegt hat, kann der Senat nur insoweit berücksichtigen, als sie einen von Amts wegen nachzuprüfenden Rechtsirrtum des Finanzgerichts bei der Bewertung der Währungsschulden erkennen lassen sollten. Das ist aber nicht der Fall. Abzugsfähige Währungsschulden sind nach den Umrechnungssätzen gemäß Anlage 1 zur 1. StDVO-SHG umzurechnen, im übrigen in sinngemäßer Anwendung des § 11 Ziffer 4 SHG mit ihrem Wert vom Währungsstichtag anzusetzen. Für die Bewertung gilt nach § 21 Absatz 1 SHG der allgemeine Bewertungsgrundsatz des § 14 Absatz 1 des Reichsbewertungsgesetzes (RBewG), daß bei Kapitalforderungen und Schulden besondere Umstände den Ansatz eines höheren oder geringeren Wertes als des Nennwerts begründen. Das Finanzgericht hat eingehend dargelegt, daß und warum für die Währungsschulden nach den besonderen Umständen des Falles der Ansatz eines geringeren Wertes begründet sei, wobei für die Entscheidung des Finanzgerichts weniger die Rückgriffsmöglichkeiten des Bg. als die weitgehende Unbestimmtheit seiner Inanspruchnahme maßgebend waren. Die hiernach vorgenommene Schätzung läßt weder dem Grunde noch der Höhe nach einen Rechtsirrtum erkennen und beruht im übrigen auf tatsächlicher Würdigung, deren Nachprüfung dem Bundesfinanzhof verwehrt ist.

III.

Hiernach war die Entscheidung des Finanzgerichts wegen des rechtsirrtümlich zugelassenen Abzugs der Währungsschulden bei der Soforthilfesonderabgabe aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Soforthilfesonderabgabe berechnet sich wie folgt:

betriebsnotwendiges Vorratsvermögen 4620 DM zu 4 v. H. = 184,80 DM,

branchenfremde Wirtschaftsgüter 69 350 DM zu 15 v. H. = 10 402,50 DM,

Soforthilfesonderabgabe: 10 587,30 DM.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 307, 309 der Reichsabgabenordnung. Der Streitwert war für die allgemeine Soforthilfeabgabe auf das doppelte des Jahresbetrages festzustellen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407355

BStBl III 1952, 70

BFHE 1953, 171

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