Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Bewertung Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Ermittlung des Nutzungswertes der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus nach der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswertes der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus können Instandsetzungskosten, die der Beseitigung von Kriegsschäden dienen, von dem Grundbetrag nach § 2 Absatz 1 der Verordnung nicht abgezogen werden.

EStG 1949 § 21 Absatz 1 Ziffer 1, § 29 Absatz 3; Verordnung über die Bemessung des Nutzungswertes der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus vom 26. Januar 1937 (RStBl. 1937 S. 161)

 

Normenkette

EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 29/3; EinfHausVO 2/1

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) begehrt für II/1948 und für 1949 den Abzug der im II/1948 mit 2.649,97 DM und 1949 mit 706,49 DM gemachten Aufwendungen für die Beseitigung von Bombenschäden an seinem Einfamilienhause von dem auf Grund der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswertes der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus vom 26. Januar 1937 (Reichssteuerblatt 1937 S. 161) ermittelten Nutzungswert. Die Vorbehörden haben dies abgelehnt. Das Finanzgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:

Die Einkommensteuerrichtlinien (EStR) 1946 hätten in Abschnitt 121 Absatz 2 zugelassen, daß Aufwendungen kleineren Umfanges für die Instandsetzung von beschädigten Einfamilienhäusern ohne Einzelnachweis vom Grundbetrag abgesetzt werden könnten, soweit sie 2 %, aber nicht 10 % des Einheitswertes überstiegen. Auf Antrag sei dem Steuerpflichtigen gestattet worden, die Aufwendungen gleichmäßig auf 3 Jahre zu verteilen. Diese Regelung habe für die Veranlagungen 1946, 1947 und I/1948 gegolten, sei jedoch nicht in die EStR II/1948 und 1949 übernommen worden. Bei der Regelung der EStR 1946 handle es sich um eine Milderungsanordnung. Der im Schrifttum teilweise vertretenen Meinung, daß die Ausführungen der EStR 1946 eine logische durch die Entwicklung der Verhältnisse bedingte Auslegung der Verordnung von 1937 darstellten, könne nicht gefolgt werden. Die Verordnung gehe von festen objektiven Tatbestandsmerkmalen aus und verzichte auf Genauigkeit im einzelnen Jahre. Die im Schrifttum vertretene Auffassung würde das System der Verordnung durchbrechen, sie wesentlich ändern und müßte dazu führen, alle Aufwendungen, die erforderlich würden und über den Rahmen des normalen Erhaltungsaufwandes hinausgingen, zum Abzug zuzulassen. Dies sei aber mit dem Wesen der Verordnung unvereinbar. Auch aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben könne eine Weitergeltung der Anordnungen der EStR 1946 nicht gefolgert werden. Die Finanzgerichte seien nicht berechtigt, Milderungen zu ändern oder an Stelle des Ermessens der Verwaltung ihr eigenes Ermessen zu setzen. Dies sei aber der Fall, wenn die Gerichte über die von der Verwaltung angeordneten zeitlichen Grenzen für die Wirksamkeit des Milderungserlasses hinausgingen. Die Verwaltung habe ganz bewußt für II/1948 und 1949 davon abgesehen, die Milderungen weiterhin zu gewähren. Auch aus der späten Bekanntmachung der EStR II/1948 und 1949 könne nichts Gegenteiliges gefolgert werden. Die zwingenden durch die Lage der Verhältnisse bedingten Gründe hätten dazu geführt, die EStR II/1948 und 1949 nicht früher herauszugeben.

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) vertritt in gleicher Weise wie bei den Vorbehörden die Auffassung, daß die umstrittenen Aufwendungen im Rahmen der Verordnung von 1937 als außerordentliche Aufwendungen abgesetzt werden können. Außerdem verstößt es nach ihrer Ansicht gegen Treu und Glauben, daß die EStR II/1948 und 1949 die Vergünstigung rückwirkend aufgehoben haben.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. muß ohne Erfolg bleiben.

Das Finanzgericht hat mit zutreffender Begründung die Berücksichtigung der umstrittenen Beträge im Rahmen der Verordnung von 1937 abgelehnt. In denjenigen Fällen, in denen Einfamilienhäuser Kriegsschäden erlitten haben, besteht die Möglichkeit einer Fortschreibung des Einheitswertes, die die Kriegsschäden berücksichtigt. Ob im vorliegenden Falle eine Neufestsetzung zum 21. Juni 1948 (Wertfortschreibung) erfolgt ist, ergeben die Akten nicht einwandfrei. Es ist dies aber anzunehmen. Der Einheitswert des Einfamilienhauses zum 1. Januar 1935 betrug 17.000 RM. Er wurde noch der Berechnung der Mieteinkünfte I/1948 zugrunde gelegt (3 % = 510 RM). Bei der Veranlagung II/1948 wurde im Gegensatz hierzu lediglich von einem Einheitswert von 13.600 RM ausgegangen (3 % = 408 DM abzüglich 108 DM Schuldzinsen = 300 DM).

Der Einheitswert, der der Ermittlung des Nutzungswertes nach der Verordnung 1937 zugrunde liegt, erfaßt somit das Gebäude in seinem tatsächlichen Zustand, also unter Berücksichtigung der Kriegsschäden. Soweit in dem Einheitswert, der bei Einfamilienhäusern nach dem gemeinen Wert zu bemessen ist (§ 33 Absatz 2 der Durchführungsverordnung zum RBewG) nicht nutzbare Grundstücksteile enthalten sind, müssen sie ausgeschieden werden (EStR 1950 Abschnitt 171 Absatz 4; Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 293/51 U vom 7. Februar 1952). Darüber hinaus besteht nach der Verordnung keine Möglichkeit, den Aufwand, der zur Beseitigung der Kriegsschäden getätigt wird, gesondert abzusetzen. Der Nutzungswert wird im vorliegenden Fall von einem Einheitswert berechnet, welcher die durch den Aufwand in II/1948 und 1949 erhöhte Nutzungsmöglichkeit nicht berücksichtigt. Der Senat tritt den Grundsätzen, die bereits der I. Senat des Bundesfinanzhofs in einer nicht veröffentlichten Entscheidung ausgesprochen hat, bei, daß durch Kriegsschäden bedingte Instandsetzungskosten bei Ermittlung der Einkünfte aus eigengenutzten Einfamilienhäusern von dem Grundbetrag nach § 2 Absatz 1 der Verordnung von 1937 nicht abzugsfähig sind.

Bei der Anordnung in Abschnitt 121 Absatz 2 EStR 1946 handelt es sich um eine Milderungsanordnung nach § 13 der Reichsabgabenordnung (AO.). Das Finanzgericht hat zutreffend ausgeführt, daß die Vergünstigung nur für die Veranlagungszeiträume gewährt werden kann, für die sie ausgesprochen wird. Soweit die Verwaltung auf Grund gesetzlicher Ermächtigungen Milderungen gewährt, hat sie das Recht und die Pflicht, die Grenzen dieser Milderungen zu bestimmen. Die Gerichte sind nicht berechtigt, Milderungsanordnungen abzuändern. Auf Grund der verfassungsrechtlichen Bestimmungen über die Teilung der Gewalten sind sie nicht befugt, Aufgaben, die der Verwaltung übertragen sind, als eigene Aufgaben in Anspruch zu nehmen. Dies wäre aber der Fall, wenn die Steuergerichte Milderungsanordnungen der Finanzverwaltung zeitlich über den festgesetzten Zeitpunkt hinaus erweitern würden. Die Ermächtigung des § 13 AO ist nur der Verwaltung, nicht auch den Gerichten erteilt.

Die Rb. ist der Auffassung, es widerspreche Treu und Glauben, daß die Vergünstigung, mit der die Hausbesitzer gerechnet hätten, nachträglich durch die EStR II/1948 und 1949 beseitigt worden sei.

Auch dieses Vorbringen kann nicht zum Erfolg führen.

Die Währungsumstellung brachte steuerlich eine neue Lage. Die Besonderheit der Verhältnisse bei der Währungsumstellung machte es dem Bundesminister der Finanzen, der Bundesregierung und dem Bundesrat unmöglich, die Veranlagungsrichtlinien bereits vor oder kurz nach dem 21. Juni 1948 herauszugeben. Es lag aber offen, daß die bisherigen Richtlinien aus der RM-Zeit nicht ohne weiteres für die Veranlagungszeiträume nach dem 20. Juni 1948 gelten konnten und eine neue Regelung mit Abweichungen von den bisherigen Richtlinien erfolgen mußte. Hierzu kommt, daß durch die Möglichkeit der Wertfortschreibung der kriegsbeschädigten Grundstücke eine neue Bewertungsgrundlage geschaffen werden konnte. Wenn die Bundesregierung und der Bundesrat der Auffassung waren, daß die Voraussetzungen für die weitere Gewährung der Vergünstigung nicht mehr gegeben seien, und sie deshalb beseitigten, so handelten sie im Rahmen ihrer Vollmacht. Im übrigen ist auch zu beachten, daß die Besitzer kriegsbeschädigter eigengenutzter Einfamilienhäuser die notwendigen Aufwendungen zur Beseitigung der Schäden im Interesse ihres eigenen Wohnbedürfnisses getätigt haben. Das persönliche Interesse tritt hier stärker in den Vordergrund, als bei Miethäuser, die von fremden Personen bewohnt werden. Es kann eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben nicht anerkannt werden. Im einzelnen wird zu dieser Frage auch auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 280/51 S vom 7. Februar 1952 verwiesen.

Die Vergünstigung des § 7 b des Einkommensteuergesetzes 1949 kann dem Steuerpflichtigen für II/1948 nicht gewährt werden, da sie Aufwendungen nach dem 31. Dezember 1948 voraussetzt. Im Jahre 1949 hat der Steuerpflichtige nur Aufwendungen geringen Umfanges getätigt, die nach seinen eigenen Darlegungen Erhaltungsaufwendungen, keinen Herstellungsaufwand darstellen.

Die Rb. muß deshalb als unbegründet zurückgewiesen werden.

Sie beantragt die Kosten des Verfahrens aus Billigkeitsgründen der Staatskasse aufzuerlegen. Die Voraussetzungen hierfür sind nicht gegeben. Der Antrag wird deshalb abgelehnt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407352

BStBl III 1952, 68

BFHE 1953, 164

BFHE 56, 164

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