Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Einschränkung des § 7 b Abs. 1 letzter Satz EStG 1958, wonach für die erhöhte AfA die Herstellungskosten bei Ein- und Zweifamilienhäusern nur noch bis zur Höhe von 120.000 DM berücksichtigt werden, gilt für alle Ein- und Zweifamilienhäuser, die nach dem 31. Dezember 1958 fertiggestellt worden sind.
Die gesetzliche Neuregelung enthält keine verfassungsrechtlich unzulässige rückwirkende Verschärfung eines Steuergesetzes.
Normenkette
EStG § 7b/1
Tatbestand
Der Bg., ein Architekt, hat ein Wohnhaus errichtet, das im Herbst 1960 bezugsfertig geworden ist. Die Herstellungskosten haben 529.014 DM betragen. Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 1960 gewährte das Finanzamt zwar dem Antrag des Bg. entsprechend die erhöhten Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 b EStG, berücksichtigte dabei aber gemäß § 7 b Abs. 1 letzter Satz EStG 1958 die Herstellungskosten nur mit dem Höchstbetrag von 120.000 DM, während der Bg. die vollen Herstellungskosten berücksichtigt wissen wollte. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Die Berufung hatte dagegen Erfolg. Das Finanzgericht, dessen Entscheidung in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 1963 S. 453 abgedruckt ist, faßte die einschränkende Regelung des § 7 b Abs. 1 letzter Satz EStG 1958 dahin auf, daß von ihr nur die Häuser betroffen würden, deren Bau nach dem 31. Dezember 1958 begonnen worden sei. Hier sei mit dem Bau aber bereits vor diesem Zeitpunkt begonnen worden. Würde man § 7 b Abs. 1 letzter Satz EStG 1958 so auslegen, wie es das Finanzamt tue, dann sei die Einschränkung eine unzulässige rückwirkende Vorschrift eines Steuergesetzes.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führte zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Nach § 7 b Abs. 1 letzter Satz EStG 1958 werden die erhöhten Absetzungen "bei Ein- und Zweifamilienhäusern, die nach dem 31. Dezember 1958 errichtet werden", nur für die Herstellungskosten gewährt, die 120.000 DM nicht übersteigen. Diese Einschränkung ist in § 7 b Abs. 1 EStG durch das Gesetz zur änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts vom 18. Juli 1958 eingefügt worden. Das Gesetz ist am 23. Juli 1958 verkündet worden (vgl. BGBl 1958 I S. 473, BStBl 1958 I S. 412).
Die Vergünstigung der erhöhten AfA gemäß § 7 b Abs. 1 EStG knüpft allgemein an die Fertigstellung eines Wohngebäudes an. Die Vergünstigung kann erst in Anspruch genommen werden, wenn das Gebäude bezugsfertig geworden ist.
Geht man hiervon aus, so ist mit dem Finanzamt die Einschränkung für Ein- und Zweifamilienhäuser, die nach dem 31. Dezember 1958 "errichtet werden", dahin aufzufassen, daß sie für solche Ein- und Zweifamilienhäuser gelten soll, die nach dem 31. Dezember 1958 bezugsfertig geworden sind. In diesem Sinn legt auch die Bundesregierung in Abschnitt 58 Abs. 3 EStR 1958 die Vorschrift aus. Ob die Formulierung "errichtet werden" besonders glücklich ist, kann zweifelhaft sein. Ob man indessen, wie das Finanzgericht meint, im üblichen Sprachgebrauch damit nur eine noch nicht abgeschlossene Handlung bezeichnet, läßt sich ebenfalls bezweifeln. Der Senat hält es aber nicht für erforderlich, diese Frage abschließend zu entscheiden. Denn nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers, der im Sinnzusammenhang der Vorschrift ausreichend zum Ausdruck kommt, und nicht zuletzt im Hinblick auf den im Gesetz bestimmten Zeitpunkt kann für einen unbefangenen Leser bei sinngerechter Auslegung des Gesetzes nur gemeint sein, daß nur Ein- und Zweifamilienhäuser, die bis zum 31. Dezember 1958 bezugsfertig werden, nicht unter die Einschränkung fallen.
Der Auffassung des Finanzgerichts, daß § 7 b Abs. 1 letzter Satz EStG 1958 bei einer derartigen Auslegung eine unzulässige verbösernde Rückwirkung eines Steuergesetzes enthalte, tritt der Senat nicht bei. Wie erwähnt, gewährt § 7 b Abs. 1 EStG nur solchen Steuerpflichtigen einen Anspruch auf die erhöhten AfA, die ein Wohngebäude errichtet haben. Solange ein Wohngebäude nicht errichtet ist, besteht kein solcher Anspruch, und zwar auch kein bedingter Anspruch, auch wenn der Steuerpflichtige den Bau schon geplant oder gar bereits in Angriff genommen hat. Würde also etwa der Gesetzgeber die Vergünstigung des § 7 b EStG vor der Fertigstellung eines Wohngebäudes ganz aufheben, so könnte man, weil es allein auf den Zeitpunkt der Fertigstellung des Wohngebäudes ankommt, von einer Rückwirkung im eigentlichen Sinne gar nicht sprechen.
Es ist allerdings zuzugeben, daß bei dieser Auslegung Steuerpflichtige, die bei der Planung mit der Fortdauer der Vergünstigung gerechnet haben, in ihren wirtschaftlichen Dispositionen betroffen sein können. Es fragt sich aber, inwieweit der Gesetzgeber die Tatsache, daß Steuerpflichtige bei ihren Dispositionen mit der Vergünstigung gerechnet haben, bei der Aufhebung oder der Einschränkung der Vergünstigung des § 7 b EStG berücksichtigen muß. Das Finanzgericht will den Zeitpunkt des Baubeginns maßgebend sein lassen, ohne erkennen zu lassen, warum dann nicht schon z. B. der Zeitpunkt der Beauftragung des Architekten oder gar der des Abschlusses eines Bausparvertrages maßgebend sein sollte. Der Senat ist der Auffassung, daß sich der Gesetzgeber hier bei der Schaffung der Einschränkung durchaus im Rahmen des Grundgesetzes gehalten hat. Bei der Vergünstigung des § 7 b Abs. 1 EStG handelt es sich um eine wirtschafts- und sozialpolitische Maßnahme zur Förderung des Wohnungsbaus, vor allem auch des Eigenheimbaus. Es liegt im Wesen derartiger gezielter Maßnahmen, daß sie nicht für dauernd gelten, sondern der jeweiligen Situation angepaßt werden müssen. Ihr Sinn und Zweck würde ins Gegenteil verkehrt, wenn sie nicht unter veränderten Verhältnissen geändert werden könnten, sondern allein Steuerpflichtigen erhalten werden müßten, die ihre Planungen auf die Vergünstigung aufgebaut haben. Allerdings muß der Gesetzgeber auch bei änderungen auf die Belange der Steuerpflichtigen angemessen Rücksicht nehmen. Das ist aber hier nach Auffassung des Senats ausreichend geschehen. Bei der Einschränkung des § 7 b Abs. 1 EStG liegt nämlich zwischen dem Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes und dem Stichtag des 31. Dezember 1958 fast ein halbes Jahr. Dabei ist noch zu berücksichtigen, daß schon seit längerer Zeit die geplante Einschränkung des § 7 b EStG in der öffentlichen Diskussion war, weil es unvertretbar erschien, weiterhin auch überteuerte Bauten und sogar Luxusbauten auf Kosten des Steueraufkommens unbeschränkt zu fördern. Die interessierten Steuerpflichtigen konnten und mußten daher bei ihren Dispositionen durchaus mit einem entsprechenden Gesetz rechnen und sind vom Gesetzgeber also nicht überrascht worden.
Das Haus des Bg. ist nach dem 31. Dezember 1958 fertiggestellt worden, so daß die Voraussetzungen für die AfA auf die vollen Herstellungskosten nicht gegeben sind.
Das angefochtene Urteil war danach wegen unrichtiger Anwendung von § 7 b EStG 1958 aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Berufung war als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 411143 |
BStBl III 1964, 242 |
BFHE 1964, 25 |
BFHE 79, 25 |