Entscheidungsstichwort (Thema)
(Ort der Vermietung eines Schiffs an einem Liegeplatz)
Leitsatz (amtlich)
Die entgeltliche Einräumung der Nutzung eines Schiffs, das für längere Zeit auf einem Liegeplatz befestigt ist, zur Unterbringung von Asylanten stellt eine Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück dar.
Orientierungssatz
Die Leistung ist unabhängig von der Frage, ob die Wohnräume und Schlafräume zur kurzfristigen oder langfristigen Beherbergung von Fremden bereitgehalten werden, nicht nach § 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1980 steuerfrei.
Normenkette
UStG 1980 § 4 Nr. 12 Buchst. a, § 3a Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
FG Köln (Entscheidung vom 15.02.1995; Aktenzeichen 4 K 5732/90) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Gesellschaft mit Sitz in den Niederlanden. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) vermietete sie im Streitjahr (1988) zwei ihrer Schiffe nacheinander an die Stadt D zwecks Unterbringung von Asylbewerbern. Hierzu hatte ihre Schwestergesellschaft einen Liegeplatz (Steiger D III) von der Stadt D angemietet. Die Verträge über den Liegeplatz waren schriftlich geschlossen worden; in ihnen war vorgesehen, die Schiffe müßten ständig so besetzt sein, daß sie unverzüglich verholt werden konnten; die Schiffe waren technisch und personell fahr- und betriebsbereit zu halten.
In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr berücksichtigte die Klägerin nicht diese Umsätze an die Stadt D, da sie sich auf den Standpunkt stellte, daß die Umsätze in der Bundesrepublik Deutschland (Erhebungsgebiet) nicht steuerbar seien.
Demgegenüber vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -FA-) nach einer Umsatzsteuersonderprüfung die Auffassung, es handele sich um Umsätze im Zusammenhang mit einem Grundstück, die gemäß § 3a Abs.2 Nr.1 Buchst.a des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) im Erhebungsgebiet steuerbar seien; das FA erfaßte deshalb die Umsätze bei der Veranlagung der Klägerin zur Umsatzsteuer für das Jahr 1988.
Das FG gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt. Es führte sinngemäß aus, die Vermietungsleistungen seien nicht im Erhebungsgebiet ausgeführt worden, da die Klägerin nicht in diesem Gebiet, sondern in den Niederlanden ihr Unternehmen betreibe und von dort aus die Schiffe vermietet habe. Es liege auch keine Vermietung von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten vor, so daß § 3a Abs.2 Nr.1 UStG 1980 keine Anwendung finden könne. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 734 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts; es meint, das FG habe die Vorschrift des § 3a Abs.2 Nr.1 UStG 1980 rechtsfehlerhaft angewandt; es habe nur geprüft, ob die Vermietung eines Schiffes die Vermietung eines Grundstücks oder einer grundstücksgleichen Berechtigung sei, nicht aber, ob eine sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück vorliege.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten. Sie hält die Entscheidung des FG für zutreffend; hilfsweise macht sie geltend, sie habe die Schiffe zur langfristigen Beherbergung von Fremden bereitgehalten, so daß die Steuerpflicht nach § 4 Nr.12 Satz 2 UStG 1980 entfalle.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet.
1. Das FG hat zutreffend erkannt, daß die Klägerin mit der Überlassung der Schiffe an die Stadt D zur Unterbringung von Asylanten eine sonstige Leistung i.S. von § 3 Abs.9, § 3a UStG 1980 erbracht hat; es hat jedoch zu Unrecht eine Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück gemäß § 3a Abs.2 Nr.1 UStG 1980 verneint.
Eine sonstige Leistung wird grundsätzlich an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt (§ 3a Abs.1 Satz 1 UStG 1980); wird die sonstige Leistung von einer Betriebsstätte ausgeführt, so gilt die Betriebsstätte als Ort der sonstigen Leistung (§ 3a Abs.1 Satz 2 UStG 1980). Abweichend hiervon wird eine sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück dort ausgeführt, wo das Grundstück liegt (§ 3a Abs.2 Nr.1 Satz 1 UStG 1980). Als sonstige Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück sind insbesondere anzusehen:
a) sonstige Leistungen der in § 4 Nr.12 bezeichneten Art,
b) sonstige Leistungen im Zusammenhang mit der Veräußerung oder dem Erwerb von Grundstücken,
c) sonstige Leistungen, die der Erschließung von Grundstücken oder der Vorbereitung oder der Ausführung von Bauleistungen dienen (§ 3a Abs.2 Nr.1 Satz 2 UStG 1980).
Die Überlassung der Schiffe an die Stadt D stand im Zusammenhang mit dem Liegeplatz am Steiger D III.
Bei dem Liegeplatz handelt es sich um ein Grundstück i.S. des § 3a Abs.2 Nr.1 UStG 1980. Der Begriff des Grundstücks ist bürgerlich-rechtlich zu bestimmen. Hierzu gehört auch eine mit Wasser bedeckte Fläche wie z.B. ein Schiffsliegeplatz (vgl. für Bootsliegeplätze Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. Oktober 1991 V R 46/88, BFHE 167, 200, BStBl II 1992, 368).
Mit diesem Grundstück stand die Überlassung der Schiffe an die Stadt D im Zusammenhang. Durch die Nutzungsüberlassung der Schiffe ermöglichte es die Klägerin der Stadt D, ihrer Verpflichtung nachzukommen, Asylbewerber an dem ihnen zugewiesenen Aufenthaltsort unterzubringen (vgl. §§ 22, 23 des im Streitjahr geltenden Gesetzes über das Asylverfahren vom 16. Juli 1982, BGBl I 1982, 946). Die Unterbringung erfolgte auf den beiden Schiffen am Steiger D III. Während der Dauer der Unterbringung von Asylbewerbern sollten die Schiffe dort liegenbleiben, soweit es der Schiffsverkehr erlaubte. Nach den vom FG zitierten Verträgen wurden die Schiffe am Steiger mit Strom und Wasser versorgt, von dort aus wurden auch der Müll und das Abwasser beseitigt. Die Schiffe dienten nicht der Beförderung der Asylanten, sondern ihrer festen Unterbringung an dem bezeichneten Liegeplatz.
Dem FG ist einzuräumen, daß die Klägerin mit den Schiffen der Stadt D kein Grundstück vermietet oder sonst einen unter § 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1980 fallenden Umsatz bewirkt hat. Eine Grundstücksvermietung durch die Klägerin scheidet im Streitfall bereits deshalb aus, weil die Schwestergesellschaft der Klägerin den Liegeplatz von der Stadt D angemietet hat und die Klägerin der Stadt lediglich die dort liegenden Schiffe zur Unterbringung der Asylanten überlassen, nicht aber den Liegeplatz "zurückvermietet" hat. Gleichwohl stand die Überlassung der Schiffe mit dem angemieteten Liegeplatz im Zusammenhang. Als Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück sind nicht nur die in § 3a Abs.2 Nr.1 Satz 2 Buchst.a bis c UStG 1980 genannten Umsätze anzusehen, da es sich insoweit nur um die beispielhafte Aufzählung von sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück handelt (BFH-Urteil vom 24. November 1994 V R 30/92, BFHE 176, 482, BStBl II 1995, 151). Es können auch andere Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück stehen. So ist es im Streitfall. Die Überlassung der Schiffe an die Stadt D zur Unterbringung der Asylanten stand im Zusammenhang mit dem Liegeplatz am Steiger D III.
Da die Klägerin den Liegeplatz nicht an die Stadt D zurückvermietet hat (siehe oben), scheidet eine Grundstücksvermietung i.S. des § 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1980 aus. Die Umsätze der Klägerin, um die es hier geht, sind somit nicht nach dieser Vorschrift steuerfrei. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob die Klägerin Wohn- und Schlafräume zur kurz- oder langfristigen Beherbergung von Fremden bereitgehalten hat (vgl. § 4 Nr.12 Satz 2 UStG 1980).
Auf die vom FG verneinte Frage, ob die Schiffe Betriebsstätten der Klägerin i.S. des § 3a Abs.1 Satz 2 UStG 1980 sind, kommt es nicht an, da die Überlassung der Schiffe an die Stadt D jedenfalls nach § 3a Abs.2 Nr.1 UStG 1980 im Erhebungsgebiet steuerbar ist.
Fundstellen
Haufe-Index 65933 |
BFH/NV 1996, 226 |
BStBl II 1996, 341 |
BFHE 180, 191 |
BFHE 1997, 191 |
BB 1996, 1704 |
BB 1996, 1704 (LT) |
DB 1996, 1452 (LT) |
DStR 1996, 507 (KT) |
HFR 1996, 524 (L) |
StE 1996, 393 (K) |