Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die degressive Absetzung für Abnutzung ist nur bei den auf Gewinnermittlung beruhenden Einkunftsarten, nicht aber bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zulässig.

 

Normenkette

EStG §§ 7, 21

 

Tatbestand

Die Ehefrau des Beschwerdeführers (Bf.) ist Eigentümerin eines Geschäftsgrundstücks. Das Gebäude ist im Krieg zerstört und in den Jahren 1948 bis 1950 wieder aufgebaut worden. Es gehört zum Privatvermögen und ist vermietet.

Bei der Einkommensteuerveranlagung für 1951 wurden die das erwähnte Grundstück betreffenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit 8893 DM angesetzt. Dabei wurde unter Zugrundelegung von Herstellungskosten in Höhe von 51 504 DM eine lineare Absetzung für Abnutzung (AfA) von 1 v. H. (= 515 DM) berücksichtigt, während der Bf. unter Zugrundelegung von 74 200 DM Herstellungskosten eine degressive AfA von 3 v. H. (= 2226 DM) berücksichtigt wissen wollte.

Auf den Einspruch des Bf. wurde die AfA unter Zugrundelegung von 79 656 DM Herstellungskosten berechnet. Es wurde aber wiederum nur die lineare AfA in Höhe von 1 v. H. (= 796 DM ) zugelassen. Eine degressive AfA hielt das Finanzamt nur dann für zulässig, wenn sie im Rahmen einer Gewinnermittlung geltend gemacht worden wäre.

Die Berufung des Bf. blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht erkannte zwar die Möglichkeit einer degressiven AfA auch bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung an. Die degressive AfA sei aber nicht in das Belieben des Steuerpflichtigen gestellt, sondern an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Es seien keinerlei Umstände dargetan, die zu der Annahme berechtigten, daß das Gebäude in den ersten Jahren nach seiner Errichtung eine größere Wertminderung erfahre als in den späteren Jahren. Es sei insbesondere auch nicht anzunehmen, daß der nach historischen Gesichtspunkten wieder aufgebaute Marktplatz an dem das Gebäude stehe, in absehbarer Zeit verändert würde. Die gleichmäßige Abschreibung werde hier den gegebenen Verhältnissen vollauf gerecht. Der Satz von 1 v. H. sei nicht zu beanstanden, weil unbedenklich von einer Nutzungsdauer von 100 Jahren ausgegangen werden könne.

Mit der Rechtsbeschwerde erstrebt der Bf. den Ansatz der degressiven AfA in Höhe von 3 v. H. Er ist der Meinung, daß das Finanzgericht die von ihm beantragte mündliche Verhandlung zur besseren Aufklärung des Sachverhalts hätte anberaumen müssen und daß es mit der Ablehnung des Antrags das ihm ( dem Bf.) zustehende Recht auf ausreichendes Gehör verletzt habe. Sachlich habe das Finanzgericht schon deswegen Unrecht, weil sich das freie Wahlrecht des Steuerpflichtigen zwischen den linearen und der degressiven AfA aus § 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ergebe. Dies folge auch daraus, daß der Gesetzgeber bei einigen Steuervergünstigungen das Wahlrecht ausdrücklich ausgeschlossen habe (so in § 7a Abs. 2, § 7d Abs. I und § 7c Abs. 3 EStG). Die Finanzverwaltung gehe zudem bei der degressiven AfA selbst von Nutzungsdauern von 25,30 und sogar 40 Jahren aus (vgl. Abschn. 62 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1952), wie sie nur bei Gebäuden vorkommen könnten. Wolle man trotzdem kein freies Wahlrecht anerkennen, so sei die degressive AfA im gegebenen Fall doch um der besonderen Verhältnisse willen zulässig. Das Finanzgericht beurteile die Lage falsch, wenn es annehme, daß an dem historischem Marktplatz für absehbare Zeit keiner Veränderungen einträten. Wegen des Wiederaufbaus des Marktes nach historischen Gesichtspunkten sei die einmalige Gelegenheit einer Auflockerung verpaßt. Die Verkehrsverhältnisse seien unhaltbar und drängten - wobei es sich, wie ein Blick auf jede Tageszeitung zeige, heute um ein ganz allgemeines Großstadtproblem handele - nach radikalen Lösungen. Schon jetzt ließe sich erkennen, daß sich ein Teil des Geschäftsverkehrs von der Innenstadt, in der der historische Markt und das hier in Betracht kommende Gebäude liege, in weiter außen gelegene Bezirke verlagere.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

Wenn das Finanzgericht dem Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung nicht stattgegeben hat, so ist darin ein Verfahrensmangel nicht zu erkennen. Der Antrag ist, wie das Urteil des Finanzgerichts ausspricht, durch einstimmigen Beschluß zurückgewiesen worden. Ob das Finanzgericht eine mündliche Verhandlung anberaumt oder nicht, steht auch im Fall der Beantragung in seinem Ermessen (vgl. § 272 der Reichsabgabenordnung - AO -). Nur dort, wo die Ablehnung des Antrags einen Ermessensmißbrauch darstellt, ist ein Verfahrensmangel gegeben. Für die Annahme eines Ermessensmißbrauch besteht aber im gegebenen Falle kein Anlaß. Der Sachverhalt ist nicht so verwickelt, wie der Bf. es behauptet.

Sachlich ist die Entscheidung des Finanzgerichts im Ergebnis ebenfalls nicht zu beanstanden.

Mit den Finanzgericht muß davon ausgegangen werden, daß der Bf. nicht eine erhöhte lineare AfA, sondern eine degressive AfA geltend macht. Dies ergibt sich aus den Berufungs- und Rechtsbeschwerdebegründungen.

Dem Finanzgericht ist zuzugeben, daß der die Werbungskosten umschreibende § 9 EStG für den Begriff der AfA in seiner Ziff. 6 ohne Einschränkung auf den § 7 EStG verweist und daß in dieser Vorschrift kein Unterschied zwischen der linearen und der degressiven AfA gemacht ist. Wie der erkennende Senat in seiner zur Veröffentlichung bestimmten Entscheidung IV 231/53 U vom 24. November 1955 ausgeführt hat, ist für die degressive AfA nicht vorausgesetzt, daß eine Buchführung mit Bestandsvergleich vorliegt. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, daß die degressive AfA auch bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zulässig wäre. Soweit die Ausführungen der vorerwähnten Entscheidung etwas anderes besagen wird an ihnen nicht festgehalten.

Die degressive AfA ist, wie der erkennende Senat in seiner Entscheidung IV 107/53 U vom 11. Februar 1955, Slg. Bd. 60 S. 429, Bundessteuerblatt (BStBl) 1955 III S. 165, eingehend dargelegt hat, durch betriebswirtschaftliche Erwägungen bedingt. Sie ist auf die Bedürfnisse von Betrieben zugeschnitten und im Rahmen der sich für die Betriebsführung ergebenden Probleme im Zusammenhang mit der Buchführung entwickelt worden. Erwägungen der hier in Betracht kommenden Art sind den nicht auf Gewinnermittlung beruhenden Einkunftsarten, insbesondere den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, wesensfremd. Von Bedeutung ist dabei, auch die Verschiedenheit der Einkunftsermittlung. Sie hat zur Folge, daß zwar bei den auf Gewinnermittlung beruhenden Einkunftsarten etwaige Zuvielabsetzungen, wie sie gerade im Rahmen der (im besonderen Masse der Gefahr des Vergreifens unterliegenden) degressiven AfA möglich sind, bei einer Veräußerung des Wirtschaftsguts ausgeglichen werden. Bei den anderen Einkunftsarten würde ein solcher Ausgleich in der Regel nicht stattfinden, weil hier ein Vermögensvergleich nicht erfolgt und deshalb bei einem Verkauf des übermäßig abgeschriebenen Wirtschaftsguts der zuviel abgesetzte Betrag nicht zu den steuerpflichtigen Einkünften gehört. Allen diesen Erwägungen entspricht es, die degressive AfA nur bei den auf Gewinnermittlung beruhenden Einkunftsarten, nicht aber bei den anderen Einkunftsarten zuzulassen ( vgl. auch die Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 654/38 vom 26. Oktober 1938, Reichssteuerblatt 1939 S. 115).

Die Vorinstanzen haben demnach zu Recht nur die lineare AfA zugelassen. Ob der Satz von 1. v. H. angemessen ist, ist eine Frage der Tatsachenwürdigung. Die von den Vorinstanzen in dieser Richtung angestellten Erwägungen lassen keinen Rechtsverstoß erkennen.

Der Bf. hat mündliche Verhandlung beantragt. Dem Senat erschien es zweckmäßig, zunächst ohne eine

Der Bf. hat mündliche Verhandlung beantragt. Dem solche zu entscheiden (ß 294 Abs. 2 AO).

Gründe Der Steuerpflichtige hat gegen den Bescheid des Senats vom 22. Dezember 1955 mündliche Verhandlung beantragt. In der mündlichen Verhandlung waren weder das Finanzamt noch der Steuerpflichtige vertreten.

Hinsichtlich des Tatbestandes wird auf den Bescheid verwiesen. Die erneute Prüfung des Rechtsfalles gab keine Veranlassung, von der im Bescheid getroffenen Entscheidung und den dort angestellten Rechtsausführungen abzuweichen. Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet zurückgewiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408483

BStBl III 1956, 196

BFHE 1957, 9

BFHE 63, 7

BB 1956, 650

DB 1956, 635

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