Leitsatz (amtlich)
1. Die Bestimmung des § 1 Abs. 3 Satz 2 der 3. KonjVO ist nicht durch eine gesetzliche Ermächtigung gedeckt, soweit sie die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG für Fertighäuser ausschließt, die vor dem 9. Mai 1973 bestellt waren.
2. In der Abgabe eines verbindlichen Vertragsangebots (§ 145 BGB) liegt eine Bestellung in diesem Sinne.
Normenkette
EStG § 52 Abs. 2 S. 2 Nr. 2; 3. KonjVO § 1 Abs. 3 S. 2; GG Art. 80 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hatte sich am 27. April 1973 verpflichtet, ein Fertighaus zu erwerben. Die Lieferfirma unterzeichnete den Vertrag am selben Tage per Prokura durch die abschlußberechtigten Vertreter Herrn S (Prokurist) und Herrn G (Handlungsbevollmächtigter) von der Abteilung Verkauf und Abwicklung. Nach § 9 der vorgedruckten Vertragsbedingungen sollte der Vertrag erst mit Unterzeichnung durch die Geschäftsleitung wirksam werden, die am 14. Mai 1973 erfolgte. Der Antrag auf Baugenehmigung wurde am 13. November 1973 gestellt.
Der Beklagte und Revisionskläger (FA) lehnte es bei der Einkommensteuerveranlagung des Klägers für das Streitjahr 1974 unter Hinweis auf § 1 der Dritten Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen vom 7. Juni 1973 - 3. KonjVO - (BGBl I, 530, BStBl I, 522) ab, erhöhte Absetzungen nach § 7 b EStG zu berücksichtigen. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos.
Das FG gab der Klage statt und begründete diese Entscheidung wie folgt: Entgegen der Auffassung des Klägers sei der aufgrund von § 651 Abs. 1 Satz 2 BGB als "Kaufvertrag" i. S. der Dritten Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen zu beurteilende Werklieferungsvertrag zwar zunächst nicht unter einer auflösenden, sondern unter einer aufschiebenden Bedingung abgeschlossen und daher bürgerlich-rechtlich erst nach dem 8. Mai 1973 wirksam geworden. Nach dem Sinn und Zweck der Dritten Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen sei jedoch nicht auf den Zeitpunkt der bürgerlich-rechtlichen Wirksamkeit des Vertrages, sondern auf den Zeitpunkt des rechtsgültigen - wenn auch bedingt wirksamen - Abschlusses abzustellen. Der Verordnungsgeber hatte Härten ausschließen wollen, die sich für den Besteller eines Fertighauses aufgrund der eigenen rechtsverbindlichen Verpflichtung vor Beginn des Ausschlußzeitraumes ergeben hätten. Im Streitfall habe der Kläger nach dem 27. April 1973 keinen Einfluß mehr auf den Eintritt der rechtlichen Wirksamkeit des Vertrages und die Verwirklichung seiner endgültig dokumentierten Bauabsicht gehabt. Diese Auffassung stimme zwar nicht mit der im Erlaß vom 12. Juli 1973 IV B 2 - S 1987 - 46/73 (BStBl I 1973, 562), wohl aber mit der im Schreiben vom 16. Dezember 1975 IV A I - S 7600 - 24/75 (Die Information 1976 S. 274) geäußerten Auffassung des BdF überein. Die Vorentscheidung ist in den EFG 1976, 562, veröffentlicht.
Hiergegen richtet sich die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision des FA, das sinngemäß beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts. Entscheidend für die Anwendbarkeit der Dritten Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen sei nicht die Bestellung, sondern der Abschluß des rechtswirksamen Kaufvertrages. Der Verordnungsgeber habe nur von einem Teil der in § 51 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG enthaltenen Ermächtigung Gebrauch gemacht, von der Hereinnahme von zu bestellenden Wirtschaftsgütern abgesehen und nur auf den Beginn der Herstellung abgestellt.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Der erkennende Senat braucht nicht abschließend zu entscheiden, zu welchem Zeitpunkt der Vertrag rechtswirksam zustande gekommen ist. Das FG hat zutreffend auf den vor dem Ausschlußzeitraum liegenden Zeitpunkt der Bestellung (Abgabe des verbindlichen Vertragsangebots) durch den Kläger abgestellt. Die Bestimmung des § 1 Abs. 3 Satz 2 der 3. KonjVO hält sich nicht in den Grenzen der Ermächtigung durch § 51 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG, soweit sie die 7 b-Absetzungen für solche Fertighäuser ausschließt, die vor dem 9. Mai 1973 bestellt waren, bei denen der Kaufvertrag jedoch erst nach dem 8. Mai 1973 geschlossen wurde. Ob ein derartiger Verstoß vorliegt, hat das Gericht selbständig zu prüfen und gegebenenfalls in eigener Zuständigkeit festzustellen (z. B. Beschluß des BVerfG vom 2. Juni 1964 2 BvL 23/62, BVerfGE 18, 52 [59], und Urteil des BFH vom 12. April 1972 I R 190/69, BFHE 105, 239, BStBl II 1972, 552 [553], mit weiteren Nachweisen). Der Verordnungsgeber darf die Grenzen der Ermächtigung auch dann nicht überschreiten, wenn die Verordnung, wie im Streitfall nach § 51 Abs. 2 Satz 3 EStG, der Zustimmung des Bundesrates und des Bundestages bedarf und durch diese gedeckt ist (BVerfG-Beschluß vom 12. November 1958 2 BvL 4/56 u. a. , BVerfGE 8, 274 [322]).
2. (Die hier nicht wiedergegebenen Entscheidungsgründe decken sich wörtlich mit denen des Urteils vom 7. Juni 1977 VIII R 77/76 [BStBl II 1977, 635] unter Nr. 2).
3. Soweit der Verordnungsgeber auf den Vertragsabschluß abgestellt und der Bestellung keine Bedeutung beigemessen hat, widerspricht dies der Ermächtigung durch den Gesetzgeber. Unter Bestellung ist nicht der Vertragsabschluß, sondern die Abgabe eines verbindlichen Vertragsangebotes zu verstehen (§ 145 BGB; ebenso Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 7 EStG Anm. 28 e; Söffing in Die Information 1973 S. 265, 267; Längsfeld in Der Betrieb 1973 S. 1138). Im Streitfall hatte der Kläger das Gebäude vor dem 9. Mai 1973 bestellt.
Fundstellen
Haufe-Index 72381 |
BStBl II 1977, 637 |
BFHE 1978, 486 |