Leitsatz (amtlich)

Die Bestimmung des § 1 Abs. 3 der 3. KonjVO ist wirksam, soweit sie bei Gebäuden, bei denen Bauantrag und Bestellung nach dem 8. Mai 1973 liegen, die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG ausschließt (Anschluß an die Senatsurteile vom 7. Juni 1977 VIII R 77/76 und VIII R 121/76).

 

Normenkette

EStG §§ 7b, 51 Abs. 2 S. 2 Nr. 2; 3. KonjVO § 1 Abs. 3; GG Art. 80 Abs. 1 S. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine Ehefrau hatten am 18. April 1973 gegenüber dem Vertreter einer Baugesellschaft (Bau-AG) eine "Angebotsbestellung" zur Abgabe eines notariell beurkundeten Vertragsangebotes über die Erstellung eines Fertighauses auf einem von der Bau-AG zu erwerbenden Grundstück unterzeichnet. Sie hatten sich verpflichtet, für die Ausarbeitung des Angebotes an die Erklärungsempfänger einen Betrag von 1 000 DM zu zahlen. Dieser Betrag sollte verfallen, wenn es nicht zum Vertragsabschluß gekommen wäre. Am 3. August 1973 schloß die Bau-AG mit dem Kläger und seiner Ehefrau einen notariellen Vertrag über den Erwerb einer Eigentumswohnung in einem zu errichtenden Doppelhaus mit Grundstücksanteil. Der Bauantrag wurde in der Zeit zwischen 9. Mai 1973 und 1. Januar 1974 gestellt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) lehnte es bei der Einkommensteuerveranlagung der Eheleute für das Streitjahr 1973 unter Hinweis auf § 1 Abs. 3 der Dritten Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen vom 7. Juni 1973 - 3. KonjVO - (BGBl I, 530, BStBl I, 522) ab, erhöhte Absetzungen nach § 7 b EStG zu berücksichtigen. Der Einspruch des Klägers und die Klage zum FG blieben erfolglos. Das FG begründete seine Entscheidung wie folgt: Nach § 1 Abs. 3 der 3. KonjVO könne die begehrte Abschreibung nicht gewährt werden, weil der Antrag auf Baugenehmigung und die Bestellung in den Ausschlußzeitraum gefallen seien. Zwar stelle die Dritte Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen zu Unrecht darauf ab, ob der Vertrag über das Fertighaus während der Ausschlußzeit abgeschlossen worden sei; gemäß § 51 Abs. 2 EStG sei der Zeitpunkt der Bestellung maßgebend. Durch die schriftliche Bestellung eines Angebots sei jedoch noch keine rechtliche Bindung der Eheleute zur Abnahme des Gebäudes entstanden.

Hiergegen richtet sich die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision des Klägers, der beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung erhöhter Absetzungen in Höhe von 7 500 DM zu mindern. In der "Angebotsbestellung" liege eine Bestellung i. S. von § 51 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG, da die vertraglichen Einzelheiten enthalten gewesen seien und die Eheleute sich durch die Verpflichtung, eine Bearbeitungsgebühr zu entrichten, wirtschaftlich gebunden hätten. Nur so sei zu erklären, daß die Bau-AG am 7. Juni 1973 den Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung gestellt habe.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Der Senat braucht nicht abschließend zu entscheiden, ob die Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 3 Satz 2 der 3. KonjVO anwendbar ist auf den Erwerb einer Eigentumswohnung in einem Fertighaus und ob die Bestellung dem Vertragsabschluß gleichgesetzt werden kann (vgl. dazu das Urteil des erkennenden Senats vom 7. Juni 1977 VIII R 77/76, BStBl II 1977, 635). Auch wenn der Zeitpunkt der Bestellung vor Beginn des Ausschlußzeitraumes maßgeblich ist für die Gewährung der erhöhten Absetzungen, muß es sich um eine im bürgerlich-rechtlichen Sinne verbindliche Erklärung handeln, durch die sich der Bauwillige endgültig und unwiderruflich festlegt, ein Gebäude errichten zu lassen. Solange er seine Entscheidungsfreiheit nicht vor Beginn des Abschlußzeitraumes verloren hat, steht ihm die Möglichkeit der erhöhten Absetzungen auch dann nicht zu, wenn er bereits wirtschaftliche Verpflichtungen eingegangen ist. Nur diese Auslegung des Begriffs der Bestellung ist mit dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Ermächtigungsvorschrift des § 51 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG zu vereinbaren.

Im Streitfall hat das FG die 7 b-Absetzungen zutreffend versagt, da die Eheleute das Gebäude erst nach Beginn des Ausschlußzeitraumes bestellt hatten und der Antrag auf Baugenehmigung während dieses Zeitraumes erfolgt war. Ein Gebäude ist bestellt, wenn der Bauwillige ein verbindliches Vertragsangebot über die Errichtung abgibt (§ 145 BGB; vgl. z. B. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 7 EStG Anm. 28 e; Söffing in Die Information 1973 S. 265 [267]; Längsfeld in Der Betrieb 1973 S. 1138). Das Vertragsangebot über den Erwerb eines Grundstücks ist gemäß § 313 BGB nur dann bindend, wenn es notariell beurkundet wird. Es kann daher offenbleiben, ob in dem Antrag auf Ausarbeitung eines Angebots gegen Zahlung einer auf den Kaufpreis anzurechnenden Geldsumme überhaupt eine verbindliche Gebäudebestellung gesehen werden könnte. Im Streitfall mangelt es bereits an der gesetzlich vorgeschriebenen Form.

Selbst wenn sich durch das Eingehen sonstiger wirtschaftlicher Verpflichtungen im Einzelfall Härten und finanzielle Nachteile ergeben können, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die konjunkturpolitisch gebotene Beschränkung der erhöhten Absetzungen im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der erkennende Senat insoweit auf den Beschluß des BVerfG vom 7. Juli 1964 2 BvL 22 u. 23/63 (BVerfGE 18, 135, 144 f., BStBl I 1964, 539) zur Einschränkung der erhöhten Absetzungsmöglichkeiten durch § 7 b EStG 1958 und das Urteil des BFH vom 20. November 1973 VIII R 86/69 (BFHE 110, 559, BStBl II 1974, 69) zur weiteren Einschränkung durch § 7 b EStG 1964.

Eine teilweise Unwirksamkeit der Dritten Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen - soweit der Rahmen der Ermächtigung überschritten ist, vgl. dazu VIII R 77/76 - stellt die Wirksamkeit der Regelung im übrigen Umfang nicht in Frage. Die Verordnung entspricht in ihrem allgemeinen Regelungsinhalt der gesetzlichen Ermächtigung. Der Verordnungsgeber hat es lediglich unterlassen, außer den Fällen, in denen vor dem 9. Mai 1973 Antrag auf Baugenehmigung gestellt war, noch die Fälle von der Aussetzung der erhöhten Absetzungen auszunehmen, in denen das Gebäude vor diesem Zeitpunkt bestellt war. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BVerfG, daß die Nichtigkeit einzelner Teile eines Gesetzes grundsätzlich nicht die Nichtigkeit des ganzen Gesetzes zur Folge hat, sofern die verbleibenden Teile noch eine selbständige, sinnvolle Bedeutung aufweisen (vgl. vor allem Beschluß vom 12. November 1958 2 BvL 4/56 u. a. , BVerfGE 8, 274, Leitsatz 3). Nichts anderes gilt im Falle der teilweisen Unwirksamkeit einer Rechtsverordnung (z. B. BVerfG-Beschlüsse vom 21. Februar 1957 1 BvR 241/56, BVerfGE 6, 273 ff., zur teilweisen Unwirksamkeit von § 49 Nr. 1 EStDV 1955, und vom 13. Oktober 1970 2 BvR 618/68, BVerfGE 29, 198, 212 zur Wirksamkeit der Zweiten Schwellenpreisverordnung trotz Teilnichtigkeit einer Einzelbestimmung wegen des Fehlens einer Ermächtigungsgrundlage). Im Streitfall kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, daß der Verordnungsgeber in Kenntnis des Verstoßes gegen § 51 Abs. 2 EStG nicht von der Aussetzung der erhöhten Absetzungen Abstand genommen, sondern lediglich die vor dem 9. Mai 1973 bestellten Gebäude von der Aussetzung ausgenommen hätte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72382

BStBl II 1977, 638

BFHE 1978, 488

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