Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermietung unter nahen Angehörigen; Vermietung zur dauernden Nutzung
Leitsatz (NV)
1. Die Vermietung einer Wohnung unter nahen Angehörigen ist in der Regel nicht mißbräuchlich.
2. Ein Mietverhältnis zwischen nahen Angehörigen hält einem Fremdvergleich nicht stand und kann der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden, wenn die Bereiche der Vermieter einerseits und der Mieter andererseits nicht hinreichend deutlich voneinander abgegrenzt sind.
3. Einer Vermietung zur dauernden Nutzung steht nicht entgegen, wenn die Mieter die Wohnung nur an bestimmten Tagen als Zweitwohnung nutzen. Es reicht aus, wenn ihnen die Wohnung ständig zur Nutzung zur Verfügung steht.
Normenkette
AO 1977 § 42; EStG §§ 21, 21a
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute, bezogen 1986 ein vom Kläger 1985 erworbenes Zweifamilienhaus in A. Die Einliegerwohnung mit einer Wohnfläche von 27,66 qm vermietete der Kläger ab 1. Juni 1986 an seine Eltern, die die Monatsmiete von 150 DM einschließlich Nebenabgaben nach den Angaben der Kläger in den Monaten Juni und Juli 1986 bar zahlten und im übrigen monatlich überwiesen.
Die Eltern des Klägers haben ihre Hauptwohnung in B. Sie bewohnen die angemieteten Räume im Haus des Klägers nach den Ausführungen der Kläger an den Wochen enden sowie in der Urlaubszeit. Im übrigen werden diese Räume auch von weiteren Angehörigen der Kläger genutzt.
Für das Streitjahr 1986 machten die Kläger für das Haus einen Werbungskostenüberschuß in Höhe von ... DM geltend. Sie setzten dabei einen Mietwert der selbstgenutzten Wohnung mit einer Fläche von 84 qm in Höhe von 5,17 DM je Quadratmeter an.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) ermittelte die Vermietungseinkünfte der Kläger nach § 21 a Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und berücksichtigte als Werbungskostenüberschuß lediglich einen Betrag von ... DM, nämlich auf die Zeit vor Bezug des Gebäudes entfallende Schuldzinsen von ... DM sowie erhöhte Absetzungen von 10 000 DM. Der Einspruch blieb erfolglos. Während des Klageverfahrens erließ das FA einen geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, mit dem es die Steuerfestsetzung u. a. hinsichtlich der Kinderfreibeträge für zwei Kinder für vorläufig erklärte. Dieser Bescheid wurde auf Antrag der Kläger Gegenstand des Verfahrens (§ 68 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage auf Ansatz eines Werbungskostenüberschusses von ... DM mit der Begründung ab, das FA habe den Nutzungswert des Hauses zutreffend pauschaliert nach § 21 a EStG ermittelt. Die Vermietung der Einliegerwohnung sei rechtsmißbräuchlich und daher nicht zu berücksichtigen. Es handele sich um eine ungewöhnliche Gestaltung, für die gewichtige nichtsteuerliche Gründe nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich seien. Kinder würden ihre Eltern in ihrem Haus üblicherweise unentgeltlich beherbergen.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Vorentscheidung enthalte zu wesentlichen Streitpunkten keine Begründung. Das FG habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt und § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) unzutreffend angewandt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1. Das FG hat zu Unrecht angenommen, der steuerrechtlichen Berücksichtigung des Mietverhältnisses stehe § 42 AO 1977 entgegen.
a) Nach dieser Vorschrift kann das Steuergesetz durch Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nicht umgangen werden. Ein solcher Mißbrauch liegt dann vor, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die gemessen an dem erstrebten Ziel unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (Senatsurteil vom 14. Januar 1992 IX R 33/89, BFHE 167, 55, BStBl II 1992, 549, m. w. N.). Liegen diese Voraussetzungen vor, so entsteht nach § 42 Satz 2 AO 1977 der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.
b) Es muß einem Steuerpflichtigen überlassen bleiben, ob und an wen er eine zweite Wohnung seines Hauses vermietet. Auch eine Vermietung an nahe Angehörige ist grundsätzlich möglich und steuerrechtlich zu berücksichtigen, wenn der Mietvertrag bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden üblichen entsprechen (Senatsurteile vom 19. Juni 1991 IX R 306/87, BFHE 165, 359, BStBl II 1992, 75; vom 25. Mai 1993 IX R 17/90, BFHE 171, 452, BStBl II 1993, 834). Nur in Ausnahmefällen kann auch unter diesen Voraussetzungen das Mietverhältnis nach § 42 AO 1977 nicht zu berücksichtigen sein, etwa wenn die Einliegerwohnung den Eltern überlassen wird, um diesen die Betreuung eines Kindes der Hauseigentümer zu ermöglichen (Senatsurteil in BFHE 167, 55, BStBl II 1992, 549).
c) Solche besonderen Umstände, die die Anwendung des § 42 AO 1977 rechtfertigen könnten, sind im Streitfall nicht festgestellt. Ohne Bedeutung ist, daß die vermietete Wohnung auch von Angehörigen der Kläger mitbenutzt wurde. Diese Personen sind zugleich Angehörige der Eltern des Klägers. Wie auch fremden Mietern steht es den Eltern des Klägers frei, in ihre Wohnung Besucher aufzunehmen.
2. Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird Feststellungen dazu nachzuholen haben, ob das Mietverhältnis einem Fremdvergleich nach den oben unter 1. b) dargelegten Grundsätzen standhält.
a) Unter einander fremden Vertragsparteien ist es üblich, daß die Bereiche der Vermieter einerseits und der Mieter andererseits hinreichend deutlich voneinander abgegrenzt sind. Eine solche Trennung der beiderseitigen Bereiche ist insbesondere auch durch folgende Merkmale gekennzeichnet: Die Mieter entscheiden innerhalb der mietrechtlichen Grenzen ohne Mitwirkung des Vermieters, wen sie als Besucher in ihre Wohnung aufnehmen und zu welchem Zeitpunkt. Sie gewähren den Besuchern den tatsächlichen Zutritt zu der Wohnung, sei es bei persönlicher Anwesenheit oder durch Übergabe der Schlüssel. Die beiden Wohnungen besitzen eigene Zugänge und sind nicht durch eine Tür unmittelbar miteinander verbunden. Zwischen einander fremden Vertragspartnern eines Mietvertrages ist es nicht üblich, daß der Vermieter die Wohnung in nicht unerheblichem Umfang selbst benutzt (Senatsurteil vom 31. März 1992 IX R 299/87, BFH/NV 1992, 656).
b) Bei der Prüfung der Frage, ob die Bereiche der Kläger als Vermieter und die Bereiche der Eltern des Klägers als Mieter der Einliegerwohnung hinreichend deutlich voneinander abgegrenzt waren oder ob die Kläger die vermietete Einliegerwohnung mitbenutzten, wird das FG nicht nur festzustellen haben, wer über die Überlassung der Einliegerwohnung an Besucher entschied und diesen den Zutritt gewährte, sondern auch zu berücksichtigen haben, ob nicht andere Umstände für eine Mitbenutzung der Einliegerwohnung durch die Kläger sprechen können, wie z. B. die Größe der Familie der Kläger und ihre Unterbringung in der Hauptwohnung mit einer Wohnfläche von nur 84 qm sowie ein etwaiger Durchgang von der Hauptwohnung zur Einliegerwohnung.
Sollte das FG nicht zu der Überzeugung gelangen, daß die Bereiche der Kläger als Vermieter und der Eltern des Klägers als Mieter hinreichend deutlich voneinander abgegrenzt waren, tragen die Kläger die Feststellungslast für die tatsächlichen Voraussetzungen der steuerrechtlichen Anerkennung des Mietverhältnisses. Denn sie stützen hierauf die von ihnen in Anspruch genommene Rechtsfolge von § 21 a Abs. 1 Satz 3 EStG für den von ihnen begehrten Werbungskostenabzug (vgl. zur Feststellungslast Urteile des Bundesfinanzhofs vom 5. November 1970 V R 71/67, BFHE 101, 156, BStBl II 1971, 220; vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462).
c) Sollte das Mietverhältnis steuerrechtlich anzuerkennen sein, liegt eine Vermietung zur dauernden Nutzung i. S. von § 21 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung vor, obwohl die Mieter die Wohnung nur an bestimmten Tagen als Zweitwohnung genutzt haben. Um die Voraussetzungen der Vorschrift zu erfüllen, reicht es aus, daß die Wohnung dem Mieter ständig zur Nutzung zur Verfügung steht. Eine Vermietung zur dauernden Nutzung ist nur dann nicht gegeben, wenn der Gebäudeeigentümer die Wohnung jeweils nur kurzfristig vermietet, z. B. an Feriengäste oder Messebesucher (Blümich/Stuhrmann, Einkommensteuergesetz, § 21 a Rz. 30).
3. Auf die von den Klägern erhobenen Verfahrensrügen kommt es danach nicht mehr an.
Fundstellen
Haufe-Index 65297 |
BFH/NV 1995, 112 |
BFH/NV 1995, 113 |