Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Gewerbesteuerpflicht einer privaten Berufsschule, die von der Aufsichtsbehörde als einer öffentlichen Schule gleichwertig anerkannt ist.
Normenkette
GewStG § 2/1; EStG §§ 15, 18 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Streitig ist die Gewerbesteuerpflicht einer Handels- und Sprachschule für II/1948 und 1949. Die Schule ist von der Aufsichtsbehörde als einer öffentlichen Berufsschule gleichwertig anerkannt. Sie wird von der Beschwerdeführerin (Bfin.) als (Vor) -Erbin des Gründers der Schule, ihres verstorbenen Ehemanns, fortgeführt. Nach dem Testament soll nach dem Tode der Bfin. eine alsdann zu errichtende gemeinnützige Stiftung, deren Satzungsgrundzüge der Erblasser in seinem Testament festgelegt hat, Nacherbin werden. Die Bfin. leitet die Schule. Dabei steht ihr ein vertraglich angestellter Direktor zur Seite. Unterricht erteilt sie selbst nicht. Nach den Umsatzsteuererklärungen II/1948 und 1949 wurden in diesen Zeiträumen 30 bis 33 Angestellte (großenteils Lehrer) und 2 Arbeiterinnen beschäftigt. Die Bfin. war wegen des Schulbetriebs bis 1945 von der Gewerbesteuer freigestellt. Ab 1946 wurde sie zur Gewerbesteuer herangezogen. In der Zeit des Währungsverfalls nahm die Bfin. diese auch hin. Für die jetzt strittigen Veranlagungszeiträume II/1948 und 1949 griff sie jedoch den Gewerbesteuermeßbescheid im Wege der Sprungberufung an mit der Begründung, die unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit stelle Einkünfte aus selbständiger Arbeit, nicht aus Gewerbebetrieb dar. Im übrigen fehle es auch an der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr und an der Gewinnerzielungsabsicht. Bei der rechtlichen Beurteilung müsse ferner Abschn. 4 Abs. 5 zu § 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) der Gewerbesteuerrichtlinien (GewStR) 1943 berücksichtigt werden. Danach seien Privatschulen, die von der Schulaufsichtsbehörde als den öffentlichen Schulen gleichwertig anerkannt sind, von der Gewerbesteuer freizustellen, weil sie in der Regel nicht mit der Absicht der Gewinnerzielung arbeiteten. Die Urteile des Reichsfinanzhofs VI 742/38 vom 21. Dezember 1948 und VI 487/39 vom 6. September 1939, Reichssteuerblatt (RStBl) 1939 S. 263 und S. 1065 = Slg. Bd. 47 S. 236, bestätigen dies. Es genüge für die Gewerbesteuerfreiheit die für den Streitfall vorliegende Anerkennung der Schulanstalt als einer Ersatzschule.
Das Finanzgericht ist nach mündlicher Verhandlung diesen Erwägungen nicht gefolgt. Ausgehend von dem Begriff des Gewerbebetriebs im § 7 Abs. 2 der Gemeinnützigkeits-Verordnung a. F. bejahte es im vorliegenden Falle einen Gewerbebetrieb. Freie Berufstätigkeit im Sinne des § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entfalle, weil sich die Bfin. im wesentlichen fremder Lehrkräfte zur Durchführung des Unterrichts bediene und infolgedessen eine Vervielfachung der Arbeitskraft vorliege, was nach der ständigen Rechtsprechung eine freie Berufstätigkeit ausschließe. Im übrigen sei die Bfin. auch nicht zur eigenen Unterrichtserteilung geeignet. Die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr könne auch, wie im Streitfall, im Rahmen geistiger Leistungen stattfinden. Die Gewinnerzielungsabsicht sei daraus zu entnehmen, daß tatsächlich in der Nachkriegszeit nicht unerhebliche Gewinne erzielt worden seien, die sich nicht lediglich als zufällige oder beiläufige Folge der Betriebsführung ergeben hätten. Daraus sei zu schließen, daß sie planmäßig erstrebt würden. Die Lehrkräfte seien im wesentlichen Umfange an dem Geschäftsergebnis beteiligt. Auch in ihrem Interesse liege also die Erzielung von Gewinnen. Daraus, daß die Schule späterhin als eine gemeinnützige Anstalt weitergeführt werden solle, könne für das Streitjahr noch nichts gefolgert werden. Die Ausführungen in den GewStR 1943, an die das Finanzgericht nicht gebunden sei, verhinderten nach Auffassung des Finanzgerichts nicht eine Nachprüfung im einzelnen Falle, sie stellten höchstens eine widerlegbare Vermutung auf. Die Neufassung der Anordnung in Abschn. 14 Abs. 6 GewStR 1951 verdeutliche dies. Es heisse hier, daß die von der Schulaufsichtsbehörde als den öffentlichen Schulen gleichwertig anerkannten privaten Schulen meistens wegen des Fehlens der Gewinnerzielungsabsicht von der Gewerbesteuer freizustellen seien. Daraus ergebe sich ein Nachprüfungsrecht und eine Nachprüfungspflicht für den einzelnen Fall. Schließlich hindere der Umstand, daß die Unterrichtsanstalt als Ersatzschule öffentliche Aufgaben erfülle, nicht ihre Heranziehung zur Gewerbesteuer, da sie ein privatwirtschaftlicher Betrieb sei.
Im Rechtsbeschwerdeverfahren, in dem ebenfalls auf Antrag der Bfin. mündlich verhandelt wurde, vertritt diese wie bisher die Auffassung, daß ihr Schulbetrieb als freiberufliche Tätigkeit angesehen werden müsse. Die Annahme eines Gewerbebetriebs entfalle, weil es an dem Erfordernis der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr und an einer Gewinnerzielungsabsicht fehle. Auch sei die besondere, auf ihre Schule zutreffende Anweisung der GewStR 1943 über die Freistellung ein das Gericht bindender Milderungserlaß.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist nicht begründet.
Der Senat tritt der rechtlichen Würdigung der Vorbehörde bei.
Die Annahme einer freien Berufstätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG und damit des Wegfalls der Gewerbesteuerpflicht setzt voraus, daß die unterrichtende Tätigkeit ausschließlich oder ganz überwiegend durch den Steuerpflichtigen persönlich ausgeübt wird. Diese Voraussetzung liegt, wie der Tatbestand eindeutig ergibt, bei der Bfin. nicht vor. Die organisatorische Leitung des Schulbetriebs ist nicht gleichbedeutend mit der unterrichtenden Tätigkeit, die § 18 EStG im Auge hat. Diese wird vielmehr durch angestellte Lehrer ausgeübt. Der Senat sieht keine Veranlassung, von der ständigen Rechtsprechung abzugehen, die in derartigen Fällen die Annahme einer freiberuflichen Tätigkeit des die Schule Betreibenden ablehnt (vgl. auch Abschn. 14 Abs. 6 GewStR 1951). Die Anerkennung der Unterrichtsanstalt als staatlicher Ersatzschule ändert daran nichts.
Auch die Annahme des Finanzgerichts, daß ein Gewerbebetrieb im Sinne von § 2 GewStG vorliegt, ist nicht von Rechtsirrtum beeinflußt. Die Vorbehörde hat in eingehenden Darlegungen die Feststellung getroffen, daß im Streitfalle alle Voraussetzungen, die der Begriff eines Gewerbebetriebs erfordert, gegeben sind.
Insbesondere sind zunächst die Ausführungen, daß eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr stattfindet, zutreffend. Die Bfin. irrt, wenn sie meint, daß Unterrichtsanstalten deswegen, weil sie ausschließlich den Bedürfnissen eines begrenzten Personenkreises, nämlich der Fortbildung der schulpflichtigen kaufmännischen Jugend dienen, nicht gewerbesteuerpflichtig seien. Es trifft nicht zu, daß die Schüler kaufmännischer Unterrichtsanstalten einen fest umgrenzten Personenkreis, der nicht zur Allgemeinheit zu rechnen ist, bilden. Der Begriff der Allgemeinheit erfordert keineswegs, daß unbeschränkt jede Person ein Interesse an der dargebotenen Leistung haben muß. Im Gegenteil, fast jede wirtschaftliche Leistung wird immer nur einen begrenzten Personenkreis von Interessenten finden. Trotzdem ist der beschränkte Interessentenkreis nicht identisch mit einem fest umgrenzten Personenkreis, der in Gegensatz zur Allgemeinheit tritt. Ein solcher fest umgrenzter Personenkreis ist nur dann anzunehmen, wenn es sich um einen relativ engen, durch ganz besondere Merkmale klar abgrenzbaren Kreis bestimmter Einzelpersonen handelt, wie z. B. Mitglieder eines Vereins, denen allein die Vereinsleistungen zugute kommen sollen. Das Leistungsangebot der Schulen richtet sich dagegen an eine unbestimmte Zahl von Personen, nämlich an alle, die Interesse an der gebotenen Belehrung haben. Vg. dazu auch Blümich-Boyens-Steinbring, 5. Aufl. Bem. 37 zu § 2 GewStG.
Wenn das Finanzgericht weiter auf Grund der tatsächlichen Entwicklung der Verhältnisse vom Jahre 1942 ab zu dem Ergebnis gekommen ist, daß die Schule von der Bfin. mit der Absicht, überschüsse zu erzielen, weiter betrieben wurde, so ist dies eine Feststellung in tatsächlicher Hinsicht, an die der Senat bei der Nachprüfung der Rechtslage gebunden ist. Daß der Rechtsbegriff der Gewinnerzielung verkannt wäre, ist nicht erkennbar. Als Gewinn in diesem Sinne muß das Erzielen von überschüssen angesehen werden, die dem Steuerpflichtigen zu eigener Verfügung stehen, in erster Linie auch zur Deckung seines Lebensunterhalts dienen können. Aus der Tatsache, daß die Art der Tätigkeit staatlich als im öffentlichen Interesse liegend besonders anerkannt ist, kann nicht gefolgert werden, daß ein nur für die eigene Lebenshaltung ausreichender überschuß für die Frage der Gewinnerzielungsabsicht unbeachtet zu bleiben habe. Wenn ab 1951 gemäß § 4 Ziff. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1951 die Leistungen von staatlich als Ersatzschulen anerkannten Privatschulen umsatzsteuerfrei sind, sofern die Entgelte die erforderlichen Selbstkosten nicht übersteigen, und nach § 41 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) 1951 zu den Selbstkosten auch ein angemessener Unternehmerlohn für die Mitarbeit des Unterhaltsträgers der Privatschule rechnet, so können aus dieser Sonderbestimmung keine Rückschlüsse auf eine Einengung des Gewinnbegriffs in gewerbesteuerlicher Beziehung gezogen werden. Der Senat vermag der Auffassung des Reichsfinanzhofs im Urteil VI 742/38 vom 21. Dezember 1938, RStBl 1939 S. 263, daß der Gedanke der Gewinnerzielungsabsicht in Fällen der hier fraglichen Art grundsätzlich als beachtliches Motiv zurückzutreten habe, nicht zu folgen. Dafür, daß die tatsächlich vorliegende Gewinnerzielung nur eine nebensächliche, mehr zufällige Erscheinung wäre und nicht dem wirtschaftlichen Ziele der Bfin. entspräche, liegen Anhaltspunkte nicht vor. Es kann im Gegenteil daraus, daß der verstorbene Ehemann der Bfin. diese als Vorerbin eingesetzt hat und seinen Plan, eine gemeinnützige Anstalt zu schaffen, erst nach dem Tode der Bfin. hat verwirklicht wissen wollen gefolgert werden, daß auf diese Weise die wirtschaftliche Existenz der Bfin. bis an ihr Lebensende durch die Erträgnisse der Schule gesichert werden sollte. Im übrigen hat der Bevollmächtigte der Bfin. in seiner Rechtsbeschwerdebegründung selbst dargelegt, daß die überschüsse der Schule, soweit solche erzielt wurden, den Bezügen des Leiters einer staatlichen Handelsschule unter Berücksichtigung des Pensionsanspruchs und einer angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals entsprechen, zum Teil sogar darüber hinausgehen.
Der Senat tritt schließlich auch der Auffassung des Finanzgerichts bei, daß Abschn. 4 Abs. 5 zu § 2 GewStG der GewStR 1943 kein rechtlich die Steuergerichte bindender Milderungserlaß auf Grund des § 13 der Reichsabgabenordnung (AO) a. F. ist. In der Formulierung: "Privatschulen ... sind jedoch von der Gewerbesteuer freizustellen, weil sie in der Regel nicht mit der Absicht der Gewinnerzielung arbeiten" sieht der Senat lediglich eine interne Anweisung der obersten Verwaltungsstelle an die veranlagende Finanzbehörde, durch welche diese im Hinblick auf die in der Regel fehlende Gewerbesteuerpflicht von der sonst gebotenen genauen Tatbestandserforschung in jedem einzelnen Falle zwecks möglichster Vereinfachung der Verwaltungsarbeit entbunden werden sollte. Die Anweisung gewährt jedoch dem Steuerpflichtigen keinen vom objektiven Gesetzesrecht abweichenden besonderen Anspruch auf Steuerbefreiung. Dafür spricht schon die Entwicklungsgeschichte der Bestimmung. Die GewStR 1937 hatten eine unverbindlichere Fassung gewählt. Der entsprechende Satzteil lautete dort (Abschn. I Ziff. 3, Abs. 4 Satz 5, RStBl 1937 S. 515): "werden ... freizustellen sein". Hieraus kann ein Rechtsanspruch des Steuerpflichtigen auf Freistellung im Sinne von § 13 AO bestimmt nicht hergeleitet werden. Die in Abschn. 14 Abs. 6 GewStR 1951 gewählte spätere Fassung: "... werden jedoch meistens wegen Fehlens der Gewinnerzielungsabsicht freizustellen sein" läßt nunmehr deutlich das Wesen eines bloßen Hinweises, der der erleichterten Handhabung der Verwaltungsgeschäfte dienen soll, erkennen. Etwas anderes wollten aber auch die früheren Formulierungen nicht sein. Der Senat kommt zu dieser überzeugung weiter deshalb, weil die Frage einer steuerlich bevorzugten Behandlung der privaten Schulen, die als staatlichen Schulen gleichwertig anerkannt sind, dem Gesetzgeber offenbar in seiner vollen Tragweite bekannt war, wie insbesondere die Vorschriften der Grundsteuer und auch der Umsatzsteuer erkennen lassen (vgl. dazu § 4 Ziff. 7 des Grundsteuergesetzes - GrStG - und §§ 10 bis 14 der Grundsteuerdurchführungsverordnung - GrStDV -; § 3 Ziff. 4 UStG 1926, der nicht öffentliche Schulen und Erziehungsanstalten, die der staatlichen Aufsicht unterliegen und ihren Betrieb nur mit Zuschüssen aus öffentlichen Mitteln? Stiftungen oder aus staatlich genehmigten Sammlungen aufrechterhalten können, bis zum UStG 1934 von der Umsatzsteuer freistellte, sowie die bereits unter b) erwähnte neue, ähnlich geartete Vorschrift in § 4 Ziff. 14 UStG 1951). Wenn der Gesetzgeber bei der Gewerbesteuer eine rechtliche Befreiung für alle derartigen Schulen ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Leistungsfähigkeit hätte schaffen wollen, so würde er das vermutlich in rechtlich gleich klarer Weise zum Ausdruck gebracht haben, wie dies für die Vergünstigungen bei den anderen Steuerarten geschehen war. Aus der von der Bfin. beigebrachten äußerung des Bundesministers der Finanzen können gegenteilige Schlüsse nicht gezogen werden; sie geht lediglich vom Wortlaut aus und berührt nicht die rechtliche Tragweite. Auch das von der Bfin. erwähnte Urteil des Reichsfinanzhofs VI 387/39 vom 9. September 1939, Slg. Bd. 47 S. 236, RStBl 1939 S. 1065, spricht übrigens nur vom Regelfall einer Gewerbesteuerfreiheit.
Danach war die Befugnis der Steuerbehörde zur Nachprüfung des einzelnen Falles hinsichtlich des Vorliegens einer Gewerbesteuerpflicht durch die GewStR nicht entzogen.
Der Rb. war mithin der Erfolg zu versagen.
Fundstellen
Haufe-Index 408213 |
BStBl III 1955, 323 |
BFHE 1956, 324 |
BFHE 61, 324 |