Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Eine spätvalutierte Verbindlichkeit im Sinne der §§ 101, 145 LAG liegt nicht vor, wenn der Schuldner nach dem 8. Mai 1945 keine neue Valuta erhalten hat. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine neue Verbindlichkeit begründet worden ist, deren Gegenwert zwischen Schuldner und Gläubiger auf eine ältere, vor dem 8. Mai 1945 begründete Schuld angerechnet worden ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 122/57 U vom 23. Oktober 1959, BStBl 1960 III S. 74, Slg. Bd. 70 S. 203).
Normenkette
LAG §§ 101, 145
Tatbestand
Streitig ist, ob eine spätvalutierte Verbindlichkeit nach § 101 LAG gegeben ist.
Auf dem Grundstück des Abgabepflichtigen ruhte am Währungsstichtage eine Tilgungshypothek von 51.000 RM, die im Juli 1947 zugunsten einer Sparkasse in Abt. III/10 eingetragen worden ist. Damals war das Grundstück bereits mit einer vorrangigen Hauszinssteuer-Abgeltungshypothek (Abt. III/9) belastet, deren Valuta sich zuletzt auf 21.408,77 RM belief. Gläubigerin der Abgeltungshypothek war ebenfalls die Sparkasse.
Für die Tilgungshypothek (51.000 RM) erhielt der Abgabepflichtige keine Valuta ausgezahlt. Vielmehr verrechnete die Sparkasse diese zunächst in Höhe von 21.408,77 RM mit ihrer Forderung aus der Abgeltungshypothek (Abt. III/9), die anschließend, im September 1947, gelöscht wurde. Den restlichen Betrag von 29.591,23 RM (51.000 RM ./. 21.408,77 RM) überwies sie an eine Treuhand-AG, eine weitere Gläubigerin des Abgabepflichtigen.
Das Finanzamt hat die Verbindlichkeit aus der Tilgungshypothek, soweit diese auf die Abgeltungshypothek angerechnet worden ist (21.408,77 RM), mit dem Schuldnergewinn zur Hypothekengewinnabgabe herangezogen. Hinsichtlich der weiteren 29.591,23 RM hat das Finanzamt die Verbindlichkeit als spätvalutiert gemäß § 101 LAG behandelt und den Abgabepflichtigen ab 1. April 1952 von der Hypothekengewinnabgabe freigestellt (ß 145 LAG).
Der Abgabepflichtige macht geltend, die gesamte Verbindlichkeit, also auch bezüglich des Teilbetrages von 21.408,77 RM, sei erst im Juli 1947, also nach dem 8. Mai 1945, entstanden und daher spätvalutiert nach § 101 LAG. Sie habe mit dem Abgeltungsdarlehen aus der Kriegszeit nichts zu tun. Zwischen der Aufnahme des Tilgungsdarlehens und der zwei Monate später erfolgten Löschung der Abgeltungshypothek bestehe kein ursächlicher Zusammenhang. Auch die Tilgung beider Verbindlichkeiten sei unterschiedlich gewesen, nämlich bei der Abgeltungshypothek 4 v. H., bei der Tilgungshypothek nur 1 v. H. Das Tilgungsdarlehen vom Jahre 1947 sei - entgegen der Auffassung des Finanzamts - rechtlich wie wirtschaftlich eine selbständige Verbindlichkeit, nicht aber eine Fortsetzung des Abgeltungsdarlehens aus dem Kriege.
Während dem Einspruch kein Erfolg beschieden war, ist das Finanzgericht der Auffassung des Abgabepflichtigen gefolgt. Es hat ausgeführt: Nach § 101 LAG komme es entscheidend darauf an, ob der Schuldner die Valuta der Verbindlichkeit nach dem 8. Mai 1945 in entwerteter Reichsmark erhalten habe. Dies sei hier der Fall gewesen. Es mache keinen Unterschied, ob die Valuta von dem Gläubiger in bar ausgezahlt oder mit einer anderen Schuld unter den Parteien verrechnet worden sei. Hier wie dort habe der Schuldner den Gegenwert in entwerteter RM erhalten. Das Tilgungsdarlehen falle daher auch insoweit unter § 101 LAG, als es mit dem Abgeltungsdarlehen verrechnet worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.
Der Streitfall entspricht in dem entscheidenden Punkte, ob die Verbindlichkeit vor oder nach dem 8. Mai 1945 (ß 101 LAG) entstanden ist, demjenigen, der dem Urteil des Senates III 122/57 U vom 23. Oktober 1959 (BStBl 1960 III S. 74, Slg. Bd. 70 S. 203) zugrunde lag. Dort hat der Senat das Vorliegen einer "spätvalutierten Verbindlichkeit" für den Fall verneint, in dem zwischen Gläubiger und Schuldner mehrere Verbindlichkeiten nach dem 8. Mai 1945 in der Weise bereinigt worden sind, daß an ihre Stelle eine einheitliche neue Schuld getreten ist.
Hier sind zwar nicht mehrere Verbindlichkeiten in dieser Weise "bereinigt", d. h. durch eine neue ersetzt worden, vielmehr nur eine, nämlich die aus der Abgeltungshypothek. Für die Frage, wann die Schuld aus dem Tilgungsdarlehen valutiert worden ist - vor oder nach dem 8. Mai 1945? -, kann es jedoch auf diesen Umstand, der zudem nur die ausgetauschte, nicht aber die Ersatzverbindlichkeit, das Tilgungsdarlehen selbst betrifft, nicht ankommen. Entscheidend ist, daß dem Schuldner für dieses keine entwertete RM zugeflossen ist. Die Verrechnung des Darlehens aus der Abgeltungshypothek mit demjenigen aus der Tilgungshypothek begründet für das letztere keine neue Schuldverbindlichkeit nach § 101 LAG. Vielmehr basiert das Schuldverhältnis im Hinblick auf die Identität von Schuldner und Gläubiger wirtschaftlich nach wie vor auf der Valuta des Abgeltungsdarlehens, die vor dem 8. Mai 1945 hingegeben worden ist. Dieser Gesichtspunkt ist, wie in dem genannten Urteil vom 23. Oktober 1959 ausgeführt ist, entscheidend. Soweit diese Beurteilung mit dem Urteil des Senates III 236/56 S vom 28. September 1956, BStBl 1956 III S. 307, Slg. Bd. 63 S. 286, nicht in Einklang steht, hält der Senat an der dortigen Auffassung nicht mehr fest. Die Frage, ob das neue Schuldverhältnis zivilrechtlich im Wege der Novation begründet worden ist, tritt danach in den Hintergrund. Deshalb kommt auch der Herabsetzung des Tilgungssatzes von bisher 4 v. H. (Abgeltungsdarlehen) auf nunmehr 1 v. H. (Tilgungsdarlehen) keine wesentliche Bedeutung zu. Die änderung der Darlehnsbedingungen wäre allenfalls dann relevant, wenn der Schuldner die Altbelastung mit von dritter Seite aufgenommenem Gelde abgelöst hätte. So liegt der Fall nicht.
Da das Finanzgericht zu einem anderen Ergebnis gelangt ist, war sein Urteil aufzuheben und die Berufung gegen die Einspruchsentscheidung zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 410142 |
BStBl III 1961, 390 |
BFHE 1962, 340 |
BFHE 73, 340 |