Leitsatz (amtlich)
Betonlösemittel können, auch wenn sie im wesentlichen aus mineralischen Bestandteilen im Sinne der Nr. 5a der Freiliste 3 (Anlage 1 zu § 4 Nr. 4 UStG 1951) bestehen, nicht gemäß § 4 Nr. 4 UStG 1951 steuerfrei geliefert werden, da sie ihrem charakteristischen Verwendungszweck nach nicht als Kraft- oder Schmierstoff dienen.
Normenkette
UStG 1951 § 4 Nr. 4; Freiliste 3 Nr. 5a aa
Tatbestand
Streitig ist, ob Großhandelslieferungen des von der Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) hergestellten und als Betonlösemittel vertriebenen "XY" gemäß § 4 Nr. 4 UStG 1951 in Verbindung mit der Freiliste 3 Nr. 5 Buchst. a aa) umsatzsteuerfrei sind.
Im Veranlagungszeitraum 1963 setzte sich der Liefergegenstand aus 37,5 v. H. unversteuertem Spindelöl, 50,5 v. H. unversteuertem Dieselkraftstoff und 9,55 v. H. nichtmineralischen Bestandteilen zusammen.
Der Betonlöser dient dem Zweck, bei Maschinen und Geräten der Bauindustrie das Anhaften von Zement und Betonresten zu verhindern und bereits mit Zement- und Betonverkrustungen versehene Maschinen zu reinigen. Dies geschieht dadurch, daß der Betonlöser in die Wandungen der Maschinen eingesprüht wird. Durch den Ölfilm, der dadurch zwischen Metallwandung und Beton gebracht wird, wird ein Ankleben des Betons verhindert. Bei schon betonverkrusteten Geräten wird durch die Kriechwirkung des Öls unter die Betonschicht eine Absprengungswirkung erzielt.
Das FA versagte die begehrte Steuerfreiheit, während die Steuerpflichtige den Betonlöser für einen Schmierstoff hält, weil er zur Herabminderung der Reibung oder zu technischen Schmierzwecken Verwendung finde; ihr Fabrikat behalte den Charakter als Schmierstoff; viele Abnehmer verwendeten es als Sprühöl zum Reinigen von Maschinen und Geräten. Nach seiner objektiven Beschaffenheit und Zusammensetzung sei ihr Erzeugnis ein Schmieröl.
Die Sprungberufung der Steuerpflichtigen blieb ohne Erfolg. Das FG kam zu der Auffassung, daß der Liefergegenstand üblicherweise zum Lösen von Beton und nicht zum Schmieren diene. Auch der mit dem Einsprühen des Betonlösers beabsichtigte Vorbeugungseffekt, nämlich das Ankleben von Beton an den Maschinenwandungen von vornherein zu verhindern, könne nicht als Schmieren angesehen werden, so daß ungeachtet der Zusammensetzung des Erzeugnisses, die einer Anwendung der Befreiungsvorschrift nicht entgegenstünde, die Steuerfreiheit nicht zugebilligt werden könne.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Auch die gegen die Versagung der Steuerfreiheit gerichtete Revision der Steuerpflichtigen hat keinen Erfolg.
Die Steuerpflichtige vertritt die Auffassung, daß Spindelöl und Dieselkraftstoff, die den Charakter ihres Produkts bestimmten, als Treibstoff verwendet würden; es spiele deshalb keine Rolle, daß es im Streitfall als Betonlösemittel verwendet werde. In der mündlichen Verhandlung hat die Steuerpflichtige nochmals darauf hingewiesen, daß "XY" auch als Schalöl verwendet werde, das seit Jahrzehnten als begünstigtes Produkt anerkannt werde. Die Bezeichnung der Gegenstände, die auf ihren besonderen Zweck hinweist, besage nichts über ihre Beschaffenheit und Zusammensetzung. Es komme auch nicht auf die Verwendung im Einzelffalle an. Die Frage, ob ein Erzeugnis als begünstigter Gegenstand anzusehen sei, sei nach den objektiven Merkmalen der Beschaffenheit zu entscheiden. Maßgebend sei die Verkehrsauffassung. Der überwiegende Teil von Mineralölprodukten bestehe heute aus Mineralölen und jeweils für den vorgesehenen Verwendungszweck hinzugefügten besonderen Zusätzen, ohne daß solchenfalls der Charakter als Mineralölprodukt bezweifelt werde.
Der Senat vermag der Auffassung der Steuerpflichtigen nicht zu folgen. Die in der Freiliste 3 Nr. 5 Buchstabe a aa) - wie früher schon im § 29 Abs. 2 Nr. 5a aa) UStDB 1951 - verwendeten Ausdrücke "Kraft- und Schmierstoffe" deuten - anders als bei anderen notwendigen Rohstoffen und Halberzeugnissen - darauf hin, daß außer der Zusammensetzung des Produkts auch dem Verwendungszweck Bedeutung zukommt. Die Zusammensetzung des "XY" stünde der Begünstigung nicht entgegen. Es wird jedoch nach seinem charakteristischen Verwendungszweck nicht als Kraft- oder Schmierstoff verwendet (vgl. Herting, Steuer und Wirtschaft 1939, Spalte 115 f.). Die Auffassung der Revisionsklägerin verkennt, daß nicht auf die Verwendung im Einzelfall abgestellt wird, daß aber ein Produkt, das üblicherweise nicht als Kraft- oder Schmierstoff verwendet und auch gar nicht als solches angeboten wird, nicht begünstigt sein kann. Diese Auffassung entspricht - im Gegensatz zur Meinung der Steuerpflichtigen - seit je der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. Urteil des RFH V 198/41 vom 24. April 1942, RStBl 1942, 813, und Urteil des BFH V 241/59 U vom 4. Oktober 1962, BFH 75, 770, BStBl III 1962, 546). Die Erörterungen im o. a. Urteil V 198/41 über den Verwendungszweck des seinerzeit im Streit befangenen Betonentschalungsöls wären unverständlich, wenn - neben der Zusammensetzung - nicht auch dem Verwendungszweck entscheidende Bedeutung zukäme. Die für das Erzeugnis betriebene Werbung ist so eindeutig auf die Verwendung als Betonlöser gerichtet, daß die Abnehmer - von gelegentlich anderer Verwendung im Einzelfalle - gar nicht auf den Gedanken kommen konnten, einen Kraft- oder Schmierstoff erworben zu haben. In aller Regel wird ein Abnehmer einen Stoff nicht als Kraftstoff verwenden, der nicht als solcher angeboten wird und dessen Zusammensetzung er nicht kennt. Durch einen Schmierstoff soll die Reibung gleitender Teile herabgemindert werden (vgl. Urteil des BFH V 49/62 vom 18. Juni 1964, HFR 1965, 139). Einem solchen Zwecke dient aber das Erzeugnis der Steuerpflichtigen nach ihrer eigenen Darstellung nicht. Keine der von der Steuerpflichtigen geschilderten Funktionen entspricht dieser Begriffsbestimmung. Erlasse des Bundesministers der Finanzen oder des Reichsministers der Finanzen, die den Senat im übrigen nicht binden könnten, stehen jedenfalls insoweit der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen. Die tabellarische Übersicht der Fachgruppe Mineralöl, auf die sich die Steuerpflichtige berufen hat, hat keinen amtlichen Charakter.
Hiernach war die Revision mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl II 1969, 670 |
BFHE 1969, 445 |