Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsteuer
Leitsatz (amtlich)
Bei einem gemeinnützigen Verein, der auf seinem Grundbesitz mehrtägige Zusammenkünfte seiner Mitglieder veranstaltet, um im Sinne des Zwecks des Vereins religiöse Veranstaltungen durchzuführen, erstreckt sich die Befreiung von der Grundsteuer weder auf die gemeinschaftlichen Wohn-, Schlaf- und Waschräume der Veranstaltungsteilnehmer noch auf die zu ihrer Versorgung dienenden Küchenräume, Verpflegungsräume und Vorratsräume noch auf die Wohn- und Bereitschaftsräume des Bedienungspersonals.
Dient ein Steuergegenstand (Teil eines Steuergegenstandes) sowohl steuerbefreiten Zwecken im Sinne des § 4 GrStG als auch anderen Zwecken und ist eine räumliche Abgrenzung für die verschiedenen Zwecke nicht möglich, so ist die Frage der Steuerpflicht oder Steuerfreiheit auf den ganzen Steuergegenstand (Teil des Steuergegenstandes) abzustellen. Die Steuerpflicht oder Steuerfreiheit beurteilt sich danach, für welche Zwecke der Steuergegenstand (Teil des Steuergegenstandes) überwiegend geschaffen oder bereitgehalten wird.
Normenkette
GrStG § 4/3/b, §§ 5-6
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Stpfl.) ist vom Finanzamt (FA) als gemeinnütziger Verein anerkannt worden. Er dient nach § 2 der Satzung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken, und zwar u. a. durch folgende Zielsetzungen: Bekanntmachung und Verbreitung der Forschungsergebnisse des Vereins im Sinne religiöser Erneuerung, Förderung der Religion, der Wissenschaft und der Jugendpflege nach näherer Maßgabe der Satzung, Vermittlung der Arbeit des Vereins an die Jugendlichen in Jugendlagern und Jugendheimen, Christusdienst im Sinne der Evangelien, Verwirklichung des Christusdienstes im täglichen Leben. Mitglied des Vereins kann jede natürliche Person werden, die die charakterlichen Mindestanforderungen erfüllt und auf Antrag schriftlich zugelassen ist.
Die Stpfl. errichtete in den Jahren 1957/1958 auf dem ihr gehörigen unbebauten Grundstück ein größeres Bauwerk. Es dient zur Abhaltung von Zusammenkünften der Mitglieder des Vereins, um diese aus dem normalen Alltag herauszunehmen und im Sinne der Satzung des Vereins religiös zu schulen. Die Tagungsteilnehmer bereiten in freiwilliger Mithilfe ihre Mahlzeiten und reinigen auch selbst die Räume. Dadurch soll den Mitgliedern die Möglichkeit der inneren Sammlung ohne Berührung mit der Außenwelt geboten werden.
Das Gebäude enthält eine Empfangshalle mit Garderobe, Schlafräume und Waschräume, einen großen Saal, der teils als Eßsaal, teils als Raum für religiöse Zwecke dient, einige Wohnungen, Büroräume, Vorratsräume, Garagen u. a. Zu dem Gebäude gehört auch ein Park. Die Wohnungen einschließlich einer Garage sind nach den Vorschriften des Wohnungsbaugesetzes (WoBauG) grundsteuerbegünstigt. Das FA hat einen Teil der Räume als grundsteuerbefreit gemäß § 4 Ziff. 3 Buchst. b GrStG anerkannt, im übrigen aber die Steuerpflicht bejaht. Als steuerpflichtig sah das FA die Schlafsäle, Waschräume, die Hälfte des Saales, zwei Büroräume, die Wohnungen (steuerbegünstigt), Räume für Personal, Küche und zwei Garagen an. Nach dem Verhältnis des umbauten Raumes entfallen dementsprechend 29 v. H. auf den steuerfreien Teil. Der zugehörige Park wurde mit einem Drittel als steuerfrei behandelt. Für den hiernach steuerpflichtig verbleibenden Teil einschließlich der grundsteuerbegünstigten Wohnungen wurde auf der Grundlage des Sachwertverfahrens auf den 1. Januar 1959 der Einheitswert festgestellt. Der Grundsteuermeßbetrag wurde in der Weise ermittelt, daß zunächst der Steuermeßbetrag angesetzt wurde, der vor Schaffung der begünstigten Wohnungen maßgebend war. Um diesen Meßbetrag wurde der Meßbetrag ermäßigt, der sich für den als steuerpflichtig behandelten Teil des Steuergegenstands und für die grundsteuerbegünstigten Wohnungen ergibt. Der Unterschiedsbetrag wurde dann im Verhältnis der begünstigten Wohnungen zu dem vom FA als steuerpflichtig angesehenen Teil des Gebäudes aufgeteilt (Abschnitt 16 der Verwaltungsanordnung über die Anerkennung steuerbegünstigter Wohnungen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz sowie über Grundsteuervergünstigung nach dem Ersten und Zweiten Wohnungsbaugesetz des Bundes - VA-II. WoBauG - vom 20. April 1957). Der Steuermeßbetrag wurde dementsprechend festgesetzt.
Mit dem Einspruch wurde beantragt, das ganze Gebäude und den gesamten dazugehörigen Grund und Boden als religiösen Zwecken dienend anzusehen und von der Grundsteuer freizustellen. Die Mitglieder des Vereins kämen im Durchschnitt nur alle 14 Tage für das Wochenende in das Gebäude. Das mache im Jahr eine durchschnittliche Nutzung von rd. 100 Tagen aus. Auch bei diesen Zusammenkünften sei das Haus nur zu 50 v. H. belegt. In der übrigen Zeit sei das Grundstück ungenutzt. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Auf die Berufung wurden der Einheitswert und der Grundsteuermeßbetrag erhöht. Die Teilnehmer an den religiösen Veranstaltungen könnten, ohne daß der satzungsmäßige Zweck beeinträchtigt werde, auch außerhalb des Gebäudes untergebracht und verköstigt werden. Der Verein könne auch nicht einem Orden der katholischen Kirche gleichgestellt werden, weil § 4 Ziff. 5 Buchstabe b GrStG nur auf öffentlich- rechtliche Religionsgesellschaften anzuwenden sei. Im übrigen stelle die Benutzung des Gebäudes zur Unterkunft und Verpflegung von Teilnehmern an religiösen Unterweisungen und Erbauungen einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dar. Die Voraussetzungen der Steuerunschädlichkeit dieses Geschäftsbetriebs nach § 7 der Gemeinnützigkeits-Verordnung (GemV) seien nicht gegeben (Urteil des BFH III 134/56 U vom 28. Oktober 1960, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 72 S. 292 - BFH 72, 292 -, BStBl III 1961, 109). Eine Steuerbefreiung des Grund und Bodens komme nur für die zu den befreiten Grundstücksteilen gehörige Grundfläche in Betracht. Einheitswert und Steuermeßbetrag seien dementsprechend zu erhöhen.
Mit der Rb., die nach der am 1. Januar 1966 in Kraft getretenen FGO als Revision zu behandeln ist, wird beantragt, das gesamte Grundstück von der Grundsteuer freizustellen. Das Finanzgericht (FG) gehe offensichtlich von der Annahme aus, die religiösen Veranstaltungen beschränkten sich auf Gottesdienste im Sinne eines Kirchenbesuches. Die jeweilige Veranstaltung müsse vielmehr vom Eintreten der Teilnehmer bis zu deren Abfahrt als geschlossene religiöse Veranstaltung betrachtet werden. Während dieser gesamten Dauer seien die Mitglieder ganz bestimmten religiösen übungen unterworfen (zwei- bis dreimal täglich Gottesdienste, absolutes Schweigen eine halbe bis eine Stunde vor und nach diesen Diensten, gemeinsame Einnahme der Mahlzeiten unter Einhaltung des Stillegebots, Beginn und Ende der Schlafenszeiten, gemeinsames Gebet, eigene Atmosphäre im Gebäude). Das Gebäude sei notwendig, um die religiösen Ziele der Gemeinschaft durchzuführen. Gerade das nicht unterbrochene Zusammensein Gleichgesinnter trage wesentlich zur Stärkung des religiösen Bewußtseins bei.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
I. -
Rechtsgrundlage der Entscheidung ist die Vorschrift des § 4 Ziff. 3 Buchstabe b in Verbindung mit §§ 5 und 6 GrStG. Hiernach ist der Grundbesitz einer inländischen gemeinnützigen oder mildtätigen Körperschaft von der Grundsteuer befreit, wenn er von dem Eigentümer unmittelbar für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke benutzt wird und nicht Wohnzwecken dient. Da es sich bei der Revisionsklägerin um einen gemeinnützigen Verein und nicht um eine öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft handelt und der Grundbesitz auch nicht für Zwecke der Wissenschaft, der Erziehung und des Unterrichts benutzt wird, scheiden die hierfür maßgebenden Vorschriften des § 4 Ziff. 5 und 7 GrStG in Verbindung mit §§ 10 bis 15 GrStDV im Streitfall aus. Der Rechtsstreit geht im wesentlichen darum, ob die gemeinsamen Schlafräume und Wohnräume der Tagungsteilnehmer, ein Saal, soweit er als Eßsaal benutzt wird, sowie die zur Versorgung dienenden Wirtschaftsräume von der Grundsteuer befreit sind. Der erkennende Senat hat sich mit der gleichen Frage bei den kirchlichen Bildungsanstalten (Akademien) in der Entscheidung III 303/56 S vom 14. November 1958 (BFH 68, 208, BStBl III 1959, 81) befaßt. Er hat dort entschieden, daß sich die Befreiung von der Grundsteuer ebensowenig auf die Wohn-, Schlaf- und Gemeinschaftsräume der Anstaltsbesucher und ihres Betreuungspersonals wie auf die der Verpflegung und sonstigen Versorgung dieser Personen dienenden Wirtschaftsräume erstreckt. Wenn es dort auch um die Anwendung des § 4 Ziff. 5 Buchst. b GrStG ging und hier § 4 Ziff. 3 Buchstabe b GrStG anzuwenden ist, so ergibt sich hieraus, worauf auch bereits in der angeführten Entscheidung hingewiesen ist, hinsichtlich der Abgrenzung des für religiöse oder gemeinnützige Zwecke verwendeten Grundbesitzes gegenüber dem zu Wohnzwecken benutzten und nach § 5 GrStG nicht befreiten Grundbesitz kein Unterschied. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Sie trifft auch den hier zu entscheidenden Fall. Grundbesitz, der Wohnzwecken dient, ist gemäß § 5 GrStG grundsätzlich nicht als für einen der nach § 4 Ziff. 1 bis 8 GrStG begünstigten Zwecke benutzt anzusehen. Dies gilt selbst dann, wenn der betreffende Grundbesitz in engster Beziehung zu einem steuerbegünstigten Zweck steht. Dieser Grundsatz wird nur durch die Ausnahmevorschriften des § 5 Ziff. 2 bis 4 GrStG durchbrochen. Bei den dort zugelassenen Ausnahmen (Gemeinschaftsunterkünfte des Schutzdienstes, gemeinschaftliche Wohnräume in Jugendherbergen, Sportheimen und Freizeitlagern für Jugendliche, Ausbildungs- und Erziehungsanstalten usw.) ist die Unterbringung in den Unterkünften Voraussetzung, daß der steuerbegünstigte Zweck überhaupt verwirklicht werden kann. Der Revisionsklägerin wird man darin zustimmen müssen, daß die Unterbringung der Vereinsmitglieder zu den religiösen Tagungen im Gebäude der Revisionsklägerin zur Erreichung ihres satzungsmäßigen Zwecks zweckmäßig und förderlich ist. Gemeinschaftliche Wohnräume, Schlafräume und Waschräume, wie sie in § 5 Ziff. 1 bis 4 GrStG ausdrücklich als den begünstigten Zwecken dienend anzusehen sind, liegen im Streitfall aber nicht vor. Steuerfreiheit könnte deshalb nur dann eintreten, wenn man bei den streitigen Räumen nicht mehr von einer Benutzung des Grundbesitzes für Wohnzwecke sprechen könnte, wie es z. B. bei den Krankenzimmern einer Krankenanstalt der Fall ist. Der Senat vermag nicht anzuerkennen, der Wohnzweck trete hinter den begünstigten Zweck derart zurück, daß man bei dem Aufenthalt der Vereinsmitglieder während der Tagungen in den betreffenden Schlafräumen nicht mehr von einem Wohnzweck sprechen könne. Wie bei den Akademien die gemeinschaftliche Unterbringung der Akademiebesucher zwar den eigentlichen Zweck der Akademie zu fördern geeignet ist, aber die Gemeinschaftsräume doch in erster Linie den Wohnzwecken der Tagungsteilnehmer dienen (vgl. BFH- Entscheidung III 303/56 S vom 14. November 1958, a. a. O.), so dienen auch die hier streitigen Räume vorwiegend Wohnzwecken. Sind aber die gemeinschaftlichen Schlafräume und Waschräume grundsteuerpflichtig, so ist Steuerpflicht auch für die zur Versorgung dienenden Küchenräume, Verpflegungsräume und Vorratsräume sowie für die Wohn- und Bereitschaftsräume des Bedienungspersonals gegeben.
II. - Obwohl der Vorinstanz insoweit im Ergebnis zuzustimmen ist, vermag der Senat der Auffassung des FA und der Vorinstanz, der Saal - er wird gleichzeitig zur Abhaltung von Gottesdiensten und religiösen Veranstaltungen als auch zur gemeinsamen Einnahme der Mahlzeiten benutzt - sei zur Hälfte steuerbefreit, zur Hälfte steuerpflichtig, nicht zu folgen. Dient ein Steuergegenstand sowohl steuerbegünstigten Zwecken im Sinne von § 4 GrStG als auch anderen Zwecken und wird für die steuerbegünstigten Zwecke ein räumlich abgegrenzter Teil des Steuergegenstandes benutzt, so ist nur dieser Teil befreit (§ 6 Abs. 2 GrStG). Ist aber eine räumliche Abgrenzung einer Benutzung für die verschiedenen Zwecke nicht möglich, so ist die Frage der Steuerpflicht oder Steuerfreiheit auf den ganzen Steuergegenstand (Teil des Steuergegenstandes, hier Saal) abzustellen. Für die Frage der Steuerpflicht oder Steuerfreiheit ist der Zweck entscheidend, dem der Steuergegenstand (Teil des Steuergegenstands) dient (§ 6 Abs. 3 GrStG). Im Streitfall hätte somit geklärt werden müssen, ob bei dem Saal, der gleichzeitig für religiöse und andere Zwecke benutzt wird, die religiösen oder die anderen Zwecke überwiegen. Hierzu haben weder das FA noch die Vorinstanz Feststellungen getroffen. Die Vorentscheidung war deshalb aufzuheben. Bei der erneuten Entscheidung wird darauf zu achten sein, daß für die Frage, ob der Saal überwiegend religiösen oder anderen Zwecken gewidmet ist, nicht allein entscheidend ist, wie der Saal tatsächlich benutzt wird oder benutzt werden kann. Es kommt in erster Linie darauf an, für welche Zwecke der Saal überwiegend geschaffen ist und bereitgehalten wird. Auch die Bauart des Saales und seine Einrichtung können Schlüsse auf seine Zweckbestimmung zulassen. Dieser vom Reichsfinanzhof (RFH) in der Entscheidung III 15/39 vom 27. Juni 1940 (RStBl 1940, 830) vertretenen Auffassung schließt sich der Senat an.
III. - Bei dem Parkgelände liegt die Sach- und Rechtslage wie bei dem Saal. Bedenklich ist schon die Entscheidung des FA, das Parkgelände entsprechend dem Umfang des steuerbefreiten und steuerpflichtigen Teils des Grundstücks - gemessen nach dem umbauten Raum - prozentual aufzuteilen. Die Vorinstanz hat dagegen wieder ohne nähere Feststellungen, inwieweit der Park steuerbefreiten und anderen Zwecken dient, nur eine prozentuale Befreiung - gemessen nach dem umbauten Raum - zugelassen. Bei beiden Methoden wurde die Vorschrift des § 6 GrStG nicht beachtet, so daß auch hierwegen die Aufhebung der Vorentscheidung veranlaßt ist. In dem mehrfach angeführten BFH-Urteil III 303/56 S vom 14. November 1958 (a. a. O.) führte der Senat aus, es liege nahe, anzunehmen, daß die Parkanlage ganz oder wenigstens zu einem erheblichen Teil als Erholungsaufenthalt der Teilnehmer in den Vortragspausen Verwendung findet und somit den steuerbegünstigten Zwecken dient. In dieser Hinsicht wurden von der Vorinstanz keine Feststellungen getroffen.
IV. - Weiter erscheint es nicht hinreichend geklärt, aus welchen Gründen zwei Büroräume und zwei Garagen als grundsteuerpflichtig behandelt wurden. Der Aktenvermerk des FA über die Besichtigung des Grundstücks läßt nicht erkennen, welche Büroarbeiten in den Räumen verrichtet werden, und ob diese Arbeiten in Zusammenhang mit dem steuerbegünstigten Zweck stehen. Das gleiche gilt für die beiden Garagen.
Da die Vorentscheidung die Rechtslage in den unter II bis IV erörterten Punkten verkannt bzw. den Sachverhalt insoweit nicht genügend aufgeklärt hat, unterliegt sie der Aufhebung.
Fundstellen
Haufe-Index 412306 |
BStBl III 1967, 30 |
BFHE 1967, 86 |
BFHE 87, 86 |