Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflegungsmehraufwendungen bei mehreren regelmäßigen Arbeitsstätten mit Übernachtung
Leitsatz (NV)
Wird ein Arbeitnehmer an mehreren regelmäßigen und dauerhaften Arbeitsstätten (Hauptbetrieb und Filialen) tätig, kann ein Verpflegungsmehraufwand lediglich bei auswärtiger Übernachtung und dann nur mit den bei doppelter Haushaltsführung in Betracht kommenden Beträgen berücksichtigt werden.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 5
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger bzw. Klägerin) sind zusammen veranlagte Eheleute. Der Kläger war im Streitjahr 1979 Inhaber einer Einzelfirma. Daneben war er Geschäftsführer einer GmbH, deren alleiniger Gesellschafter er war. Die Klägerin war stellvertretende Geschäftsführerin der GmbH. Die GmbH hatte Betriebsstätten in A, dem Wohnort der Kläger, in B und in C. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Finanzgerichts (FG) befand sich die gesamte kaufmännische Leitung der GmbH am Hauptsitz in A. Die Betriebsstätten in B (60 km von A entfernt) und C (170 km von A entfernt) waren nur technische Betriebsstätten, in denen keine Aufgaben für die gesamte GmbH erledigt wurden. Die Kläger fuhren im Streitjahr 1979 jeweils an bestimmten Wochentagen zu diesen Betriebsstätten, und zwar in der Regel Dienstag nach C (von 8 Uhr bis 10 Uhr des folgenden Tages, also mit Übernachtung) und Donnerstag nach B (jeweils von 8 Uhr bis 18 Uhr bzw. 19 Uhr). Dabei besuchten sie nach ebenfalls nicht angegriffenen Feststellungen des FG vor und nach Beendigung der Reisen zu bzw. von den beiden Betriebsstätten den Hauptsitz in A. An den Betriebsstätten führten sie Besprechungen mit den jeweiligen Laborleitern und erledigten dort Kundenbesuche. Die GmbH, die nach dem Anstellungsvertrag den Klägern sämtliche Auslagen und Spesen zu ersetzen hatte, rechnete mit den Klägern die Fahrten zu den Betriebsstätten nach Dienstreisegrundsätzen ab und zahlte für Verpflegung und Übernachtung insgesamt ... DM steuerfrei an die Kläger aus.
Nach einer im Jahre 1984 durchgeführten Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) die Auffassung, den Klägern seien zu Unrecht Reisekosten steuerfrei ersetzt worden. Es ging davon aus, daß die Fahrten zu den Betriebsstätten in B und C keine Dienstreisen, sondern Fahrten zu den jeweiligen regelmäßigen Arbeitsstätten der Kläger gewesen seien, so daß ihnen Reisekosten nicht zuständen. Das FA rechnete im Einkommensteuer-Änderungsbescheid 1979 vom 18. September 1985 die steuerfrei gezahlten Reisekosten den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit zu, ohne insoweit einen Werbungskostenabzug anzuerkennen.
Das FG gab der Klage statt. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus: Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -- BFH -- (z. B. Urteil vom 22. Juni 1983 I R 67/83, BFHE 138, 464, BStBl II 1983, 625) übten Geschäftsführer ihre Tätigkeit grundsätzlich am Sitz der Gesellschaft aus. Da im Streitfall zwischen GmbH und Klägern nicht etwa vereinbart gewesen sei, daß die Geschäfts führer ihre Tätigkeit am jeweiligen Sitz der Betriebsstätten zu erfüllen hätten, sei die regelmäßige Arbeitsstätte der Kläger in A gewesen. Demgemäß seien die Fahrten zu den beiden Betriebsstätten in B und C Dienstreisen gewesen. Die von der GmbH gezahlten Reisekosten seien daher zu Recht nach § 3 Nr. 16 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei ersetzt worden und hätten nicht dem Lohn zugerechnet werden dürfen.
Mit der Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Zur Begründung führt es im wesentlichen aus: Entgegen der Auffassung des FG seien die Fahrten der Kläger zu den Betriebsstätten nach B und C nicht als Dienstreisen zu beurteilen, daher hätten die streitigen Verpflegungsmehraufwendungen und Übernachtungskosten nicht steuerfrei erstattet werden dürfen. Die Kläger hätten im Streitjahr 1979 die beiden Betriebsstätten in regelmäßigem Turnus bei regelmäßiger Arbeitszeit und nicht nur aus besonderen Anlässen aufgesucht. Damit hätten die Kläger nicht nur in A, sondern auch an den beiden anderen Betriebsstätten regelmäßige Arbeitsstätten gehabt, wobei es nicht darauf ankomme, welche Tätigkeiten im einzelnen sie dort jeweils verrichtet hätten. Entscheidend sei, daß die Kläger in regelmäßigen Zeitabständen die beiden Betriebsstätten aufgesucht und dort einen nicht unerheblichen Teil ihrer Arbeitszeit verbracht hätten.
Die Kläger treten der Revision mit den Gründen der Vorentscheidung entgegen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß den Klägern Verpflegungsmehraufwendungen nach Dienstreisegrundsätzen steuerfrei erstattet werden konnten.
Der Senat hat durch Urteil vom 21. Januar 1994 VI R 112/92 (BFHE 173, 166, BStBl II 1994, 418) entschieden, daß bei einer Tätigkeit an einem gleichbleibenden Arbeitsort kein Verpflegungsmehraufwand als Werbungskosten abgezogen werden darf. Nach seinem weiteren Urteil vom 18. Februar 1994 VI R 65/92 (BFHE 174, 69, BStBl II 1994, 532) ist unabhängig davon, ob sich ein Arbeitnehmer auf einer eintägigen Dienstreise oder einer Einsatzwechseltätigkeit befindet, ein Verpflegungsmehraufwand nicht zum Werbungskostenabzug anzuerkennen, wenn der Einsatzort für die übrigen dort tätigen Arbeitnehmer deren regelmäßige und dauerhafte Arbeitsstätte ist und wenn der Arbeitnehmer dort den gleichen Verpflegungsbedingungen unterworfen ist. Die Grundsätze dieser Urteile, auf deren Gründe zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, gelten auch im Streitfall.
Für die Kläger, die sich als Geschäftsführer des Unternehmens jede Woche für jeweils mindestens einen Tag gemeinsam in den Betriebsstätten B und C aufhielten, waren diese Betriebsstätten neben der Haupt betriebsstätte in A weitere regelmäßige und dauerhafte Arbeitsstätten. Die Kläger waren dort den gleichen Verpflegungsbedingungen unterworfen, wie die übrigen ausschließlich in diesen Betriebsstätten tätigen Arbeitnehmer. Damit stand ihnen unter allen denkbaren Gesichtspunkten -- selbst dem einer Dienstreise -- der Abzug des Verpflegungsmehraufwandes für die eintägigen Aufenthalte an der Betriebsstätte in B nicht zu.
Etwas anderes kann für die Beantwortung der Frage nach einem an der Betriebsstätte in C entstandenen Verpflegungsmehraufwand gelten. Denn im Gegensatz zur eintägigen Tätigkeit in B haben die Kläger aus beruflichen Gründen am Ort der Betriebsstätte in C übernachtet. In einem derartigen Fall kann der Anfall eines Verpflegungsmehraufwandes nicht von vornherein verneint werden. Entgegen der Vorentscheidung können aber nicht die für Dienstreisen geltenden Verpflegungspauschbeträge zur Anwendung kommen. Daher war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Bei der Ermittlung des Verpflegungsmehraufwandes wird sich das FG an den für die doppelte Haushaltsführung geltenden Verpflegungspauschbeträgen orientieren können (Abschn. 27 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 Buchst. b der Lohnsteuer-Richtlinien 1978). Dabei ist aber zu beachten, daß diese Pauschbeträge (14 DM) nicht auf den Fall zugeschnitten sind, daß die Eheleute gemeinsam am Ort der Arbeitsstätte Mahlzeiten einnehmen. Daher kann sich der zweimalige Ansatz des Pauschbetrages als offensichtlich unzutreffend erweisen. Insgesamt wird das FG unter Berücksichtigung der Verpflegungsumstände den Verpflegungsmehraufwand zu ermitteln haben (s. auch BFH-Urteil vom 24. Oktober 1991 VI R 81/90, BFHE 166, 79, BStBl II 1992, 198).
Fundstellen
Haufe-Index 420296 |
BFH/NV 1995, 502 |