Entscheidungsstichwort (Thema)
Schuldzinsen nur bei tatsächlichem Veranlassungs zusammenhang als BA/WK abzugsfähig
Leitsatz (NV)
Es wird daran festgehalten, daß Schuldzinsen nur insoweit als Betriebsausgaben oder Werbungskosten berücksichtigt werden können, als sich ein tatsächlicher Zusammenhang der Darlehensaufnahme mit der Einkunftserzielung feststellen läßt. Die unterschiedliche Behandlung von im Privat- und Erwerbsbereich angefallenen Schuldzinsen verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielten in den Streitjahren 1981 bis 1984 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Beamter (Ehemann), selbständiger Arbeit als Ärztin (Ehefrau) sowie aus Vermietung und Verpachtung durch Nutzung eines eigenen Einfamilienhauses, in dem sich auch die Arztpraxis befand. Im Rahmen der Gewinnermittlung für die Einkünfte aus selbständiger Arbeit erfaßten die Kläger anteilige Kosten des Hauses. Dazu gehörten inbesondere Schuldzinsen für verschiedene Bausparkassendarlehen.
Nach einer Außenprüfung ließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) u. a. anteilige Schuldzinsen in Höhe von ... DM (1982) nicht mehr zum Abzug als Betriebsausgaben zu, erhöhte andererseits aber die anteiligen abzugsfähigen Schuldzinsen 1983 um ... DM. Den Feststellungen des Prüfers zufolge war ein wirtschaftlicher Zusammenhang einiger Bausparkassendarlehen mit Kosten des Hauses nicht feststellbar, weil Darlehensauszahlungen und Entstehung der Kosten für Reparaturen bzw. einen in 1983 begonnenen Dachgeschoßausbau zeitlich auseinanderfielen und auch eine Finanzierung angeschaffter unbebauter Grundstücke nicht ausgeschlossen werden könnte. Dementsprechend erließ das FA nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderte Einkommensteuerbescheide 1981 bis 1983. Dagegen erhoben die Kläger Einsprüche, ebenso wie gegen den erstmaligen Einkommensteuerbescheid 1984, und machten u. a. geltend, alle Schuldzinsen seien abzugsfähig. Ohne Bedeutung sei, ob ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang der Darlehensaufnahme mit bestimmten Ausgaben bestehe. Die Einsprüche und eine anschließend erhobene Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen aus, die von den Klägern entwickelte Methode des erweiterten Schuldzinsenabzugs sei nicht anzuwenden. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien Schuldzinsen nur dann als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abzugsfähig, wenn sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Die Darlehensschuld müsse ersichtlich und unmittelbar auf Vorgänge zurückgeführt werden können, die die Einkunftsquelle -- hier das Haus der Kläger -- beträfen. Diesen Zusammenhang müsse der Steuerpflichtige dartun und beweisen. Im Streitfall sei das Gericht nach den getroffenen Feststellungen davon überzeugt, daß ein solcher Zusammenhang fehle.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision machen die Kläger geltend, sämtliche gezahlten Schuldzinsen seien als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abzugsfähig. Auf einen unmittelbaren wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhang zwischen Ausgaben und aufgenommenem Kredit komme es nicht an. Wenn -- wie vorliegend -- feststehe, daß der Saldo aller Konten, von denen Ausgaben getätigt wurden, negativ gewesen sei, so müsse nach einer erweiterten Zinszahlenstaffelrechnung der auf die jeweiligen Ausgaben entfallende Teil der gesamten Schuldzinsen den entsprechenden Einkünften zugerechnet werden.
Die Kläger beantragen, unter Aufhebung der Vorentscheidung und Änderung der angefochtenen Bescheide sämtliche gezahlten Schuldzinsen in Höhe von ... DM als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten anzuerkennen, hilfsweise die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Die Kläger können über die vom FA gewährten Beträge hinaus Schuldzinsen weder als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit noch als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen.
Schuldzinsen sind Betriebsausgaben, wenn sie durch den Betrieb veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --), und Werbungskosten, wenn sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG). Die Verknüpfung mit der Einkunftserzielung geschieht in beiden Fällen nach der ständigen Rechtsprechung des BFH durch wertende Beurteilung des die Aufwendungen auslösenden Moments, hängt also vom tatsächlichen Verwendungszweck des Darlehens ab (Beschluß des Großen Senats vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817; Urteil vom 5. März 1991 VIII R 93/84, BFHE 164, 46, BStBl II 1991, 516; Beschlüsse vom 28. Juni 1995 XI R 34/93, BFHE 178, 395, BStBl II 1995, 877, 880, und vom 19. Juli 1995 X R 48/94, BFHE 178, 405, BStBl II 1995, 882, 886).
Im Streitfall hat das FG nicht feststellen können, daß die streitigen Zinsen auf Darlehen gezahlt worden sind, die tatsächlich zur Finanzierung von Aufwendungen im Zusammenhang mit den Einkünften aus selbständiger Arbeit oder Vermietung und Verpachtung verwendet worden sind. Im Sinne der Rechtsprechung des BFH fehlt es damit an dem erforderlichen Veranlassungszusammenhang, so daß die Zinsen bei keiner der Einkunftsarten abzugsfähig sind. Dieses Ergebnis ist zwischen den Beteiligten jetzt auch außer Streit.
2. Die Kläger sind allerdings der Auf fassung, daß die Rechtsprechung des BFH keine zutreffende Auslegung des Gesetzes darstelle. Schuldzinsen seien bereits dann abzugsfähig, wenn Ausgaben im Zusammenhang mit der Einkunftserzielung getätigt werden und in mindestens gleicher Höhe -- in welchem rechtlichen Rahmen auch immer -- Kredit in Anspruch genommen wird. Auf einen tatsächlichen Veranlassungszusammenhang komme es nicht an.
Dieser Meinung kann sich der erkennende Senat nicht anschließen. Sie läßt außer acht, daß nach dem System des EStG zwischen der durch die einzelnen Einkunftsarten definierten Erwerbssphäre und der Privatsphäre zu unterscheiden ist. Demgemäß bedarf es der Trennung zwischen den den einzelnen Einkünften zuzurechnenden Erwerbsaufwendungen (Betriebsausgaben, Werbungskosten) und den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung (BFH in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817). Das von den Klägern vorgeschlagene Verfahren würde eine solche Trennung nicht zulassen. Es beruht vielmehr auf der Prämisse, Zinsen seien immer vorrangig der Erwerbssphäre zuzurechnen.
Die unterschiedliche Behandlung von im Privat- und Erwerbsbereich angefallenen Schuldzinsen ist nach dem System des Einkommensteuerrechts nicht nur sachgerecht und verstößt deshalb nicht gegen den Gleichheitssatz. Eine Umgehung dieser Trennung durch Verschiebung der Grenzen zwischen beiden Sphären muß darüber hinaus von Verfassungs wegen verhindert werden, damit nicht unrechtmäßige Steuervorteile erzielt werden können (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 13. März 1979 2 BvR 72/76, BVerfGE 50, 386, 393, BStBl II 1979, 322, 324). Die Kläger können sich auch nicht auf eine Ungleichbehandlung durch die Handhabung bei einem gemischten Kontokorrentkonto berufen. Das Trennungsprinzip wird nach den Grundsätzen der Rechtsprechung auch bei einem solchen Kontokorrentkonto nicht verletzt, denn bei der Begleichung betrieblicher und privater Aufwendungen von einem Konto werden die abzugsfähigen Zinsen in der Weise ermittelt, daß die Kontokorrentverbindlichkeit in einen betrieblichen und einen privaten Teil gespalten wird (BFH in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, 827).
Auf das Erfordernis einer Zuordnung von Schuldzinsen zu einer Einkunftsart kann und muß ein Steuerpflichtiger sich einrichten, mag er auch wirtschaftlich alle Kredite als einen "Finanzpool" verstehen. Er muß deshalb dafür Sorge tragen, daß ein Ver anlassungszusammenhang zwischen Kreditaufnahme und Erwerbsaufwendungen festgestellt werden kann. Bis zur Grenze des Mißbrauchs (§ 42 AO 1977) können dabei zivilrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten mit steuerlicher Wirksamkeit genutzt werden.
3. Bei dieser Sachlage braucht der Senat nicht der Frage nachzugehen, inwieweit im Streitfall der Schuldzinsenabzug bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung durch die Begrenzung auf die Höhe des Grundbetrags (§ 21 a Abs. 3 Nr. 1 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung) eingeschränkt wäre und welche Auswirkungen auf den Abzug sich aus der Person des Darlehensschuldners ergeben.
Fundstellen
Haufe-Index 421896 |
BFH/NV 1997, 339 |