Entscheidungsstichwort (Thema)
Kreditierung von Teilzahlungskrediten als Dauerschulden
Leitsatz (redaktionell)
Ein allgemeiner, langfristiger Geschäftskredit – Darlehen für Teilzahlungskäufe – wird nicht dadurch zu einer laufenden Schuld, daß er durch Abtretung von Warenforderungen aus Geschäften Dritter gesichert wird.
Normenkette
GewStG § 12 Abs. 2 Ziff. 1, § 8 Ziff. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Zurechnung von Dauerschulden zum Gewerbekapital gemäß § 12 GewStG und von Dauerschuldzinsen gemäß § 8 Ziff. 1 GewStG. Die Beschwerdeführerin betreibt den Großhandel mit Rundfunk- und Fernsehgeräten, Kühlschränken und sonstigen Elektrogeräten und gewährte den Kunden ihrer Einzelhändler Darlehen für Teilzahlungskäufe bei diesen Einzelhändlern. Durch Vermittlung der Einzelhändler stellen die Kunden bei der Beschwerdeführerin einen Antrag auf Gewährung eines Darlehens in Höhe der Restkaufsumme des jeweils bei dem Einzelhändler auf Teilzahlung gekauften Gerätes. Die Beschwerdeführerin prüft die Anträge z. B. auf die Bonität des Antragstellers und darauf, ob dieser Kunde eines Einzelhändlers ist, mit dem sie in Geschäftsbeziehung steht; der Kredit ist nicht davon abhängig, daß der vom Kunden gekaufte Gegenstand von ihr an den Einzelhändler geliefert worden ist. Zur Finanzierung dieser Darlehnsgeschäfte nahm die Beschwerdeführerin ihrerseits Kredite bei der Berliner Bank AG und der Berliner Disconto Bank AG in Anspruch. Mit beiden Kreditinstituten bestanden Mantelzessionsverträge, in denen die Absicherung der der Beschwerdeführerin gewährten Einzelkredite u. a. in folgender Weise vereinbart war:
- Die Beschwerdeführerin tritt den Banken laufend Forderungen ab, die ihr gegen den Banken genehme Drittschuldner auf Grund der Teilzahlungskaufverträge zustehen.
- Neben den Forderungen gelten alle für sie haftenden Sicherheiten wie Eigentumsvorbehalte und Sicherungseigentum ebenfalls als auf die Banken übertragen.
- Die abgetretenen Forderungen müssen ständig auf einer solchen Höhe gehalten werden, daß sie die jeweils in Anspruch genommenen Kredite um einen gewissen Prozentsatz übersteigen.
- Die Beschwerdeführerin verpflichtet sich, die bei ihr eingehenden Teilzahlungsraten auf die abgetretenen Forderungen mindestens wöchentlich einmal an die Bank abzuführen.
Das FA rechnete im Streitjahr diese Kredite als Dauerschulden mit ihrem Mindestbestand dem Einheitswert des Betriebsvermögens hinzu und behandelte die Dauerschuldzinsen entsprechend. Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, es handele sich um Geschäfte, die im laufenden Geschäftsverkehr anfielen und von den Warengeschäften nicht getrennt werden könnten.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht ist der Ansicht, daß die Bankkredite mit der Darlehnsgewährung an die Endverbraucher zusammenhängen, nicht aber mit den Kaufpreisforderungen gegen die Endabnehmer, und daß solche Geschäfte sogar typisch für die in Frage stehende Branche seien. Die Darlehnsgewährung an die Endverbraucher sei aber kein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr kurzfristig abzuwickelndes Geschäft. Nicht die durchschnittliche, sondern die längste Laufzeit der Teilzahlungsverträge und Kredittilgung sei für die Beurteilung als Dauerschuld dann maßgebend. Die längste Laufzeit betrage aber über 12 Monate.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde kann – wenn auch aus anderen als den vom Finanzgericht genannten Gründen – keinen Erfolg haben.
Der Beschwerdeführerin ist darin beizutreten, daß die vom Finanzgericht vertretene Auffassung, ein Warengeschäft sei grundsätzlich kurzfristig und ein Darlehnsgeschäft langfristig (weil der Kreditgeber ein Interesse daran habe, den Kredit wegen der Zinseinnahmen lange laufen zu lassen), nicht zutrifft. Eine Verbindlichkeit ist vielmehr als Dauerschuld anzusehen, wenn ihr Gegenwert der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dient (vgl. § 8 Ziff. 1 GewStG); keine Dauerschulden sind laufende Verbindlichkeiten, die im gewöhnlichen Geschäftsgang entstehen. Ob das eine oder andere vorliegt, ist in erster Linie von dem Charakter der Schuld abhängig (BFH-Urteil I 197/57 S vom 11. August 1959, BStBl. 1959 III S. 428). Steht der Kredit mit einzelnen, laufenden Geschäftsvorfällen – insbesondere mit dem Erwerb oder der Veräußerung von Umlaufvermögen – in wirtschaftlichem Zusammenhang, so hat der Kredit im allgemeinen den Charakter einer laufenden Verbindlichkeit (BFH-Urteil I 137/58 U vom 18. August 1959, BStBl. 1959 III S. 430). Das gilt auch für Kontokorrentschulden (BFH-Urteil 1 171/58 U vom 17. März 1959, BStBl. 1960 III S. 49).
Der Beschwerdeführerin kann nicht in der Ansicht gefolgt werden, die in der Vorentscheidung geäußerte Auffassung, der Bankkredit hänge mit der Kreditgewährung zusammen, sei für den Senat bindend. Die Frage, ob der Bankkredit mit einzelnen Geschäften der Beschwerdeführerin so verbunden ist, daß keine Dauerschuld vorliegt, ist keine tatsächliche Feststellung, sondern die rechtliche Entscheidung darüber, wo die Grenze zwischen Dauerschulden und laufenden Schulden liegt. Das zeigen auch die Ausführungen der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung, die die Heranziehung des Begriffs „wirtschaftlicher Zusammenhang” zwischen dem Kredit und finanzierten Geschäften überhaupt für „problematisch” halten.
Zur Abgrenzung von den Dauerschulden ist nach der Rechtsprechung wesentliche Voraussetzung für die Annahme einer laufenden Verbindlichkeit, daß der Kredit mit bestimmten, einzelnen Warengeschäften zusammenhängt (BFH-Urteil I 172/58 U vom 1. Dezember 1959, BStBl. 1960 III S. 51) und kein allgemeiner Geschäftskredit ist. Diese Grundsätze gelten auch, wenn ein Kaufmann solche Kreditgeschäfte in den Bereich seines Betriebes zieht (BFH-Urteil VI 173/63 U vom 6. November 1964, BStBl. 1965 III S. 195).
Ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Kreditgewährung und den einzelnen Warengeschäften, der die Annahme einer Dauerschuld ausschließt, ist z. B. im Fall der Abtretung der Außenstände aus eigenen Geschäften gegeben, wenn vertraglich vereinbart und nachprüfbar sichergestellt ist, daß sich der aus der Abwicklung des einzelnen Warengeschäftes ergebende Erlös dem kreditgebenden Gläubiger zusteht und damit der Verfügung des Schuldners entzogen ist. Die laufende Abtretung aller Außenstände reicht hierzu nicht aus.
An einer konkreten Verbindung zwischen dem Kredit und den einzelnen mit ihm finanzierten Warengeschäften fehlt es im vorliegenden Falle. Es handelt sich nach dem Inhalt der Akten um einen allgemeinen Geschäftskredit, der zur Finanzierung von Warengeschäften der Einzelhändler, d, h. der Abnehmer der Beschwerdeführerin verwendet wurde und durch die Abtretung der Darlehnsforderungen zu sichern war und nach den Mantelzessionsverträgen gesichert wurde.
Nicht die Warengeschäfte der Beschwerdeführerin wurden durch den Kredit finanziert; ihren Kunden (Einzelhändlern) wollte die Beschwerdeführerin den Verkauf an die Endverbraucher gegen Kredit ermöglichen, indem sie den Endverbrauchern den Kredit gewährte. Wenn die Beschwerdeführerin diese Erweiterung ihrer geschäftlichen Tätigkeit aus eigenen Mitteln nicht bestreiten konnte, so bedurfte sie ihrerseits der in Rede stehenden Bankkredite. Diese Bankkredite stehen aber mit den Warenschulden der Beschwerdeführerin nicht in unmittelbarem Zusammenhang; sie stellen sich als Kontokorrentschulden dar, deren Mindestbetrag im Wirtschaftsjahr eine dauernde Verstärkung des Betriebskapitals ist. In dieser Höhe ist eine Dauerschuld bereits dann anzunehmen, wenn aus dem Geschäftsverhältnis der Beteiligten zu schließen ist, daß ein Mindestkredit dem Unternehmen dauernd gewidmet ist, selbst wenn eine Verbindung zu einer Vielzahl von Geschäftsvorfällen feststellbar ist.
Die rechtliche Beurteilung als Dauerschuld ändert sich im vorliegenden Falle auch nicht durch den Hinweis der Beschwerdeführerin auf § 19 GewStDV; wenn man annimmt, daß die Beschwerdeführerin einen Kredit in der Art gewährt hat, wie es sonst ein Kreditinstitut zu tun pflegt, so kann sie die Sonderbehandlung dieser Vorschrift nicht beanspruchen, weil diese auf Kreditinstitute im Sinne des Gesetzes über das Kreditwesen vom 10. Juli 1961 (BGBl. I S. 881) beschränkt ist. Das BFH-Urteil VI 173/63 U (a. a. O.) behandelt den Fall, daß ein Großhändler einen ihm gewährten Bankkredit durch Abtretung von Darlehnsforderungen gesichert hat, die er aus Darlehnsgeschäften mit seinen Endabnehmern erworben hatte. Es bejaht die Verbindung zwischen Kredit und dem einzelnen Darlehnsgeschäft, wenn die Bank u. a. für jeden Darlehnsnehmer ein Konto bildete, auf das sie die bei ihr nach der Abtretung eingehenden Darlehnsrückzahlungen verbuchte, und wenn sie bei Zahlungsverzug des Darlehnsnehmers entweder die Beitreibung durch den Großhändler veranlaßte oder selbst durchführte. Von einer solchen Abwicklung kann hier keine Rede sein; es ist vielmehr vorgetragen, daß die Beschwerdeführerin die Teilzahlungsraten einzieht und an die Bank abführt, in Fällen des Verzugs des Darlehnsschuldners den fälligen Ratenbetrag aber selbst zu zahlen hatte. Darauf, wie lange die Laufzeit des einzelnen Warenkredits war, kommt es darum nicht an. Maßgeblich ist vielmehr, wie lange die Kontokorrentschuld bestanden hat. Diese hat aber in Höhe des Mindestbetrages eine dauernde Verstärkung des Betriebskapitals gebildet. Im Ergebnis ist darum den Vorentscheidungen beizutreten.
Fundstellen