Leitsatz (amtlich)
1. Trotz Änderung der Marktgängigkeit kann eine steuerlich unschädliche Erhaltungsmaßnahme vorliegen.
2. Erica-Pflanzen, die ein Friedhofsgärtner vom Züchter bezieht und in den wenigen Wochen seiner Besitzzeit, ohne sie umzutopfen, lediglich bewässert, belüftet und vor übermäßiger Sonnenbestrahlung oder Frost schützt, bleiben Handelsware. Der Friedhofgärtner kann nicht als Erzeuger der Pflanzen im Sinne des § 4 Nr. 19 UStG angesehen werden.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 19; UStDB § 12
Tatbestand
Die Revisionsklägerin ist die Ehefrau eines verstorbenen Friedhofgärtners (im folgenden E). Für die Herbstbepflanzung der Gräber und für den Verkauf zum Totensonntag und zu Allerheiligen erwarb E jeweils in den Wochen vorher größere Mengen von Erica-Pflanzen Streitig ist, ob die von E gelieferten Erica-Pflanzen Gegenstände sind, die E innerhalb eines landwirtschaftlichen (gärtnerischen) Betriebs erzeugt hat und er sie deshalb nach § 4 Nr. 19 UStG steuerfrei liefern kann. Die Vorinstanzen haben Steuerpflicht der Lieferungen angenommen.
Die Berufung war vor allem darauf gestützt worden, daß die Pflanzen bei Anlieferung – jeweils etwa Mitte August bis Ende September -noch unverkäuflich seien. Die Pflanzen zeigten überwiegend noch grüne Rispen; Knospen und Knospenansätze seien noch sehr blaß Nur einzelne Glöckchen seien aufgeblüht und auch diese nur schwach gefärbt. Erst nach einigen Wochen – die Verkaufszeit reiche vom September bis in den November hinein – zeige sich die Pflanze im Zustand der Verkaufsreife. In diesen Zustand mit kräftig roter und rosaroter Färbung der Blüten würden die Pflanzen durch die Behandlung im Betrieb des E versetzt.
Das Finanzgericht (FG) hat nach einer Ortsbesichtigung festgestellt daß die Erica-Pflanzen mit Topf angeliefert werden und zwischen Anlieferung und Weiterverkauf nicht mehr umgetopft werden. Sie werden in die Frühbeetkästen in Torfmull oder Erde zur besseren Feuchthaltung eingesetzt und dort den jeweiligen Witterungsverhältnissen entsprechend belüftet und bewässert, auch vor übermäßiger Sonnenbestrahlung oder Frost geschützt.
Das FG hatte in dieser Tätigkeit Maßnahmen zur Erhaltung der Pflanzen, nicht aber Kulturmaßnahmen zur Fortentwicklung im Sinne einer gärtnerischen Herstellung erblickt.
Die als Revision zu behandelnde Rb. wird auf unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts gestützt. Es wird vor allem geltend gemacht, daß sich durch die Bearbeitung des E die Marktgängigkeit geändert habe. Daß das FG hierüber keine Feststellungen getroffen habe, wird als mangelnde Sachaufklärung gerügt.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
Die unterschiedliche Fassung der einschlägigen Vorschriften in den streitigen Veranlagungszeiträumen erlaubt für den Streitfall gleichwohl eine einheitliche Entscheidung, weil es in jedem Zeitraum darauf ankommt, ob die Gegenstände innerhalb eines landwirtschaftlichen Betriebs hergestellt oder gewonnen sind. Das FG ist der Frage, ob E überhaupt einen landwirtschaftlichen Betrieb besaß oder ob nicht ein Gewerbebetrieb vorliegt, nicht nachgegangen. Diese Frage soll in dem noch anhängigen Rechtsstreit über die Gewerbesteuerpflicht des E entschieden werden. Das FG konnte sie offenlassen, wenn es zu Recht eine Erzeugung der Pflanzen im Betrieb des E verneint hat. Die Auffassung des FG ist frei von Rechtsirrtum.
Die Revision wird in erster Linie darauf gestützt, daß das FG die Entstehung eines neuen Verkehrsguts nicht geprüft, obwohl auch das FG eingeräumt habe, bei Änderung der Marktgängigkeit im Sinne des § 12 UStDB liege eine Bearbeitung und damit auch eine Herstellung im Sinne des § 4 Nr. 19 UStG vor. Diese Rüge greift jedoch nicht durch. Um eine steuerlich schädliche Bearbeitung annehmen zu können, muß durch die Maßnahmen des Unternehmers nicht nur ein neues Verkehrsgut entstehen, es muß als gleichrangige Voraussetzung gefordert werden, daß die Bearbeitung auf die Änderung der Marktgängigkeit gerichtet ist. Dies ist zu verneinen, wenn der Unternehmer in erster Linie die Erhaltung der Ware im Auge hat (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V 292/38 vom 14. Juni 1940 betreffend Nachreifenlassen von Bananen, Sammlung der Entscheidungen des Reichsfinanzhofs Bd. 49 S. 15, RStBl 1940, 837, und Urteil des Bundesfinanzhofs V 216/53 U vom 11. Februar 1954 betreffend Stöckern von Holz, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 58 S. 553, BStBl III 1954, 121). Aus den erwähnten Urteilen des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs läßt sich bereits entnehmen, daß trotz Änderung der Marktgängigkeit eine steuerlich unschädliche Erhaltungsmaßnahme vorliegen kann. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn die Gesamtheit der Bearbeitungsvorgänge zur Erhaltung der Ware unerläßlich ist und die – wie im Streitfalle – eintretende Qualitätsverbesserung als Nebenzweck dahinter zurücktritt. Wenn die Pflanzen nicht bewässert und vor Frost oder zu starker Sonneneinstrahlung geschützt werden, verderben sie in den wenigen Wochen der Besitzzeit des Gärtners und sind dann unverkäuflich. Alles, was im Betrieb des E geschehen ist, war zur Erhaltung der Pflanzen notwendig, die nicht umgetopft wurden und deren Vollerblühen als natürlicher Reifeprozeß von selbst eingetreten ist, so daß die Pflanzen Handelsware geblieben sind.
Die neuerlich gegen das sogenannte Bananen-Urteil (V 292/38 a. a. O.) geäußerten Bedenken (vgl. Rauch, Deutsche Steuerzeitung Ausgabe A 1960 S. 324) sind sachverhaltsmäßiger Natur, berühren aber nicht die dort entwickelten Rechtsgrundsätze. Weiß (Umsatzsteuer-Rundschau 1965 S. 159, 160) bringt dagegen zutreffend zum Ausdruck, daß die aus der Rechtsprechung abzuleitende Annahme steuerlich unschädlicher Erhaltungsmaßnahmen auch bei Beeinflussung der Marktgängigkeit inzwischen auch von der Verwaltung anerkannt worden ist. Wenn diese Grundsätze auch bei der Anwendung des § 7 Abs. 3 UStG entwickelt worden sind, so kann für die Anwendung des § 4 Nr. 19 UStG, insoweit es hier um die Frage der Änderung der Marktgängigkeit geht, nichts anderes gelten. Der Senat, der in langen Jahren zur Auflockerung des Bearbeitungsverbots neben dem Gesetz- und Verordnungsgeber Wesentliches beigetragen hat, ist vielmehr der Auffassung, daß ohne Rücksicht auf das steuerliche Ergebnis die von ihm aufgestellten Grundsätze jeweils eine sachgerechte Entscheidung ermöglichen. Ein Gärtnereibetrieb, der Erica-Pflanzen nicht, wie in der Berufungsbegründung vorgetragen ist, in zwei bis zweieinhalb Jahren selbst züchtet, sondern in großem Umfang einige Wochen vor der Verkaufsreife vom Züchter kauft, ohne mehr zu tun, als sie bis zur Verkaufsreife in gesundem Zustand zu erhalten, kann nicht als „Erzeuger” der Ware gelten. Der natürliche Eintritt der Verkaufsreife stellt sich als eine – hier naturgemäß gewollte – Nebenwirkung seiner unerläßlichen Erhaltungsmaßnahmen dar.
Fundstellen
Haufe-Index 514871 |
BFHE 1968, 559 |